T 0248/85 (Bestrahlungsverfahren) of 21.1.1986

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1986:T024885.19860121
Datum der Entscheidung: 21 Januar 1986
Aktenzeichen: T 0248/85
Anmeldenummer: 82305334.3
IPC-Klasse: C08J 7/10
Verfahrenssprache: EN
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: BICC
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: 1. Die Bestimmungen des Übereinkommens über die Voraussetzung für die Patentierbarkeit einerseits und über den Schutzbereich andererseits haben verschiedene Funktionen. Ein Anspruch, der auf einen Gegenstand gerichtet ist, der zwar in den im Übereinkommen vorgesehenen Schutzbereich fällt, aber die Voraussetzungen für die Patentierbarkeit nach den Artikeln 52 bis 57 nicht erfüllt, ist nicht zulässig. Ein bekanntes Erzeugnis erlangt nicht schon durch eine nähere Bezeichnung (als "Verfahrenserzeugnis") Neuheit.
2. Eine vom nächstliegenden Stand der Technik ausgehende objektive Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit setzt voraus, dass dieser Stand der Technik zweifelsfrei angegeben und berücksichtigt worden ist.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 64(2)
European Patent Convention 1973 Art 84
Schlagwörter: Product-by-process Ansprüche
Angabe des nächstliegenden Standes der Technik
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
G 0002/12
G 0002/13
T 0353/86
T 0173/87
T 0434/87
T 0217/89
T 0403/89
T 0130/90
T 0407/90
T 0048/91
T 0339/91
T 0073/92
T 0110/92
T 0223/92
T 0234/92
T 0413/92
T 0465/92
T 0555/92
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T 0882/92
T 1072/92
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T 0325/93
T 0333/93
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T 0181/95
T 0576/95
T 0653/95
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T 0554/96
T 0730/96
T 0511/97
T 0644/97
T 0747/97
T 0793/97
T 1164/97
T 0238/98
T 0748/98
T 0936/98
T 0620/99
T 0717/00
T 0722/00
T 0979/00
T 1194/00
T 0177/01
T 0583/01
T 1285/01
T 1369/04
T 0100/05
T 0210/05
T 0259/05
T 0260/05
T 0995/05
T 1039/05
T 1145/05
T 1548/05
T 1554/05
T 0211/06
T 1063/06
T 1087/06
T 1633/06
T 0339/07
T 1033/07
T 1859/07
T 1943/07
T 1976/07
T 0610/08
T 1407/08
T 1951/08
T 2119/08
T 0067/09
T 0687/09
T 2076/09
T 1080/10
T 1590/10
T 1758/10
T 0028/11
T 0270/11

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 7. Oktober 1982 eingereichte und unter der Nummer 77620 veröffentlichte europäische Patentanmeldung Nr. 82 305 334.3, die die Priorität einer früheren Anmeldung vom 15. Oktober 1981 (GB 8 131 144) in Anspruch nimmt, wurde mit Entscheidung der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts vom 18. Juli 1985 zurückgewiesen. Der Entscheidung lagen die am 13. März 1985 eingegangenen Ansprüche 4 und 5 zugrunde.

Die unabhängigen Ansprüche 1, 4 und 5 lauteten wie folgt:

"1. Verfahren zur Bestrahlung eines zumindest teilweise aus sauerstoffempfindlichem vernetzbarem Polymermaterial hergestellten Erzeugnisses, bei dem dieses in einen flexiblen Behälter eingeschlossen und einer Gammastrahlung ausgesetzt wird, wobei das Volumen und die Durchlässigkeit des flexiblen Behälters so beschaffen sind, daß das Verhältnis zwischen der Summe des in dem Behälter enthaltenen und des während der Bestrahlung in ihn diffundierenden Sauerstoffvolumens und der der Bestrahlung ausgesetzten Oberfläche des Polymermaterials unter dem für dieses Material empirisch ermittelten kritischen Wert liegt.

4. Mit vernetztem PVC überzogener Draht, dadurch gekennzeichnet, daß er durch das in Anspruch 2 oder 3 beanspruchte Verfahren tatsächlich hergestellt wird und dessen unmittelbares Erzeugnis ist.

5. Bestrahltes Erzeugnis, dadurch gekennzeichnet, daß es durch das in Anspruch 1 beanspruchte Verfahren tatsächlich hergestellt wird und dessen unmittelbares Erzeugnis ist."

II. Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß das in den Ansprüchen 4 und 5 beanspruchte Erzeugnis nicht neu sei und die Ansprüche somit nach Artikel 52 in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ nicht gewährbar seien. In der Entscheidung heißt es weiter, daß der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 3 der Anmeldung neu sei (Art. 54 EPÜ) und eine erfinderische Tätigkeit erkennen lasse (Art. 56 EPÜ). Die Ansprüche 4 und 5 wirkten jedoch patenthindernd.

III. Die Anmelderin legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein, die am 16. August 1985 einging, und entrichtete die entsprechende Gebühr fristgerecht; am 12. September 1985 reichte sie die Beschwerdebegründung nach (Eingang am 16. September 1985). Die Beschwerdeführerin brachte darin folgendes vor: In der Beschwerde gehe es nicht um den technischen Gehalt der Anmeldung. Strittig seien vielmehr die Ansprüche 4 bis 5, wie in der angefochtenen Entscheidung richtig dargelegt werde. Die in den Ansprüchen 4 und 5 beanspruchten Erzeugnisse unterschieden sich an sich nicht von den bekannten (Nr. 2 und 5 der Beschwerdebegründung). Sie beantrage auch keinen Schutz, der über den hinausgehe, der den Verfahrensansprüchen 1 bis 3 durch Artikel 64 (2) EPÜ ohnehin gewährt werde. Sie stehe auf dem Standpunkt, daß die beanspruchten Erzeugnisse ihre Neuheit aus dem Verfahren nach den entsprechenden Verfahrensansprüchen bezögen. Daher begehre sie ein Patent, in dem der durch Artikel 64 (2) EPÜ gewährte Schutz ausdrücklich angegeben sei (Nr. 4 der Beschwerdebegründung).

IV. Auf Antrag der Beschwerdeführerin wurde auf den 21. Januar 1986 eine mündliche Verhandlung anberaumt. In ihrer Ladung bezog sich die Kammer auf ihre frühere Entscheidung T 150/82 "Anspruchskategorien/IFF", ABl. EPA 7/1984, 309, bei der es auch um einen "Product-by-process-"Anspruch ging.

V. Die der Kammer von der Beschwerdeführerin vorgetragenen argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Die in den Ansprüchen 4 und 5 beanspruchten Erzeugnisse unterscheiden sich an sich nicht von den bekannten (Nr. 2 und 5 der Beschwerdebegründung). Die Beschwerdeführerin beantragt keinen Schutz, der über den hinausgeht, der den Verfahrensansprüchen 1 bis 3 durch Artikel 64 (2) EPÜ ohnehin gewährt wird.

2. Die Ansprüche 4 und 5 sollten der Beschwerdeführerin zufolge hauptsächlich aus folgendem Grund zugelassen werden: Mit den zu den Ansprüchen 4 und 5 vorgeschlagenen geringfügigen Änderungen solle nur verdeutlicht werden, daß sie mit diesen Ansprüchen nur den Schutz anstrebe, der ihr nach Artikel 64 (2) EPÜ ohnehin ausdrücklich zustehe, da die Gewährbarkeit der Verfahrensansprüche 1 bis 3 feststehe.

Aus Artikel 64 (2) EPÜ, in dem ausdrücklich festgestellt werde, daß sich der Schutz auch auf die durch das Verfahren unmittelbar hergestellten Erzeugnisse erstreckt, ergebe sich zwangsläufig, daß nach dem EPÜ ein Erzeugnis dadurch neu werde, daß es durch ein neues Verfahren hergestellt werde, auch wenn das Erzeugnis aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften an sich nicht neu sei. Andernfalls stünden die Artikel 52 (1) und 64 (2) EPÜ im Widerspruch zueinander, da "Artikel 64 (2) EPÜ einen Schutz gewähren würde, den Artikel 52 (1) verbietet". Die ausdrückliche Inanspruchnahme des durch Artikel 64 (2) EPÜ verliehenen Rechts werde durch keinen Artikel des Übereinkommens und keine Regel der Ausführungsordnung verboten.

Dementsprechend begehre sie die Erteilung eines Patents, in dem der durch Artikel 64 (2) EPÜ gewährte Schutz durch Aufnahme der Ansprüche 4 und 5 ausdrücklich angegeben sei (Nr. 4 und 5 der Beschwerdebegründung).

Das Fehlen jeglicher "Product-by-process"-Ansprüche könnte dazu führen, daß der Gegenstand, für den Schutz begehrt werde, nicht gemäß Artikel 84 EPÜ angegeben worden sei (Nr. 18 der Beschwerdebegründung).

Als weiteren Grund für die Aufnahme der Ansprüche 4 und 5 führt die Beschwerdeführerin an, daß ein nationales Gericht umgekehrt das Fehlen dieser Ansprüche möglicherweise als einen Verzicht auf den Schutz nach Artikel 64 (2) EPÜ auslegen könnte, da nach Artikel 84 EPÜ die Ansprüche den Gegenstand angeben müßten, für den Schutz begehrt werde.

3. Daneben brachte die Beschwerdeführerin noch folgende Argumente vor:

Man könne nicht erwarten, daß alle potentiellen Verletzer von der Existenz des Artikels 64 (2) EPÜ wüßten und seine Wirkung verstünden; es sei sogar anzunehmen, daß er vielen, wenn nicht gar den meisten potentiellen Verletzern völlig unbekannt sei. Ein unerfahrener Verletzer würde z. B. nicht wissen, daß ein europäisches Patent, das nur Ansprüche auf ein Herstellungsverfahren enthalte, die Einfuhr des unmittelbaren Erzeugnisses des patentierten Verfahrens beschränke (Nr. 12 und 13 der Beschwerdebegründung).

Bei einer Zulassung der gewünschten Ansprüche würde sich für die Beschwerdeführerin das Risiko verringern, eine kostspielige Klage anstrengen zu müssen, um die Rechte aus dem europäischen Patent gerichtlich feststellen zu lassen (Nr. 29 der Beschwerdebegründung).

VI. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der Entscheidung vom 18. Juli 1985 und die Erteilung eines europäischen Patents mit den Ansprüchen 1 bis 5 in der am 13. März 1985 beim Europäischen Patentamt in München eingegangenen Fassung.

Sollte jedoch die Beschwerdekammer die Entscheidung der Prüfungsabteilung nach eingehender Prüfung aufrechterhalten, so wäre die Beschwerdeführerin bereit, die Ansprüche 4 und 5 fallenzulassen und die Erteilung eines Patents mit den Ansprüchen in der am 13. März 1985 eingereichten alternativen Fassung zu beantragen; dazu gehören die seit Einreichung der Anmeldung unveränderten Ansprüche 1, 2 und 3.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist somit zulässig.

2. Die oben wiedergegebenen Ansprüche 4 und 5 sind Gegenstand dieser Beschwerde. Die Prüfungsabteilung hält die Ansprüche 1 bis 3 aus den in ihrer Entscheidung angegebenen Gründen für gewährbar. Die Kammer ist zwar weder auf das Vorbringen noch auf die Anträge der Beteiligten beschränkt, sieht aber keine Veranlassung, diese Ansprüche in diesem Stadium des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen.

Dementsprechend wird hier, wie von der Beschwerdeführerin beantragt, nur über die "Product-by-process"-Ansprüche 4 und 5 verhandelt.

3. In einer früheren Entscheidung (T 150/82) hat die Kammer bereits festgestellt, daß Ansprüche für Erzeugnisse, die durch ihr Herstellungsverfahren gekennzeichnet sind (sog. "Product-by-process"-Ansprüche), nur zulässig sind, wenn die Erzeugnisse alssolche die Voraussetzungen für die Patentierbarkeit erfüllen und die Anmeldung keine anderen Angaben enthält, die es dem Anmelder ermöglichen würden, das Erzeugnis durch seine Zusammensetzung, seine Struktur oder sonstige nachprüfbare Parameter hinreichend zu kennzeichnen.

Dieser Entscheidung lag ein Anspruch zugrunde, der wie folgt lautete:

"Erzeugnisse, die durch das Verfahren nach Anspruch 1 hergestellt sind." In den Entscheidungsgründen hieß es, daß dieser "Product-by-process"-Anspruch die Erzeugnisse definiert, die durch das als erfinderisch bezeichnete Verfahren hergestellt werden.

4. Um zu betonen, daß nur der nach Artikel 64 (2) EPÜ gewährte Schutz begehrt wird, hat die Beschwerdeführerin ihre "Product-by-process"-Ansprüche entsprechend formuliert und dabei teilweise den Wortlautdes Artikels 64 (2) EPÜ verwendet. Die beanspruchten Erzeugnisse sind dadurch gekennzeichnet, daß sie durch das in dem jeweiligen Verfahrensanspruch beanspruchte "Verfahren tatsächlich hergestellt" werden und "dessen unmittelbares Erzeugnis" sind.

5. Was die Neuheit des so definierten Erzeugnisses anbelangt, so räumt die Beschwerdeführerin zwar ein, daß die beanspruchten Erzeugnisse sich an sich nicht von denen des Stands der Technik unterscheiden; sie stellt sich jedoch auf den Standpunkt, daß den beanspruchten Erzeugnissen durch das Verfahren nach dem entsprechenden Verfahrensanspruch Neuheit verliehen werde. Die Kammer kann sich dieser Auslegung nicht anschließen.

6. Das Vorbringen unter Nummer V 2 ist aus folgenden Gründen falsch:

6.1. Nach Artikel 84 EPÜ müssen die Ansprüche "den Gegenstand angeben für den Schutz begehrt wird", und nicht den Schutzbereich. Das erteilte Patent soll dem Patentinhaber dadurch Schutz gewähren, daß es ihm Rechte in den benannten Staaten verleiht. Die Art dieses Schutzes wird nach Artikel 69 EPÜ durch den Inhalt der Ansprüche bestimmt. Die Ansprüche geben aber nicht den Schutzbereich, sondern den Gegenstand an, für den Schutz begehrt wird.

6.2. Gemäß Artikel 52 (1) EPÜ werden "europäische Patente ... für Erfindungen erteilt, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind". Mit anderen Worten: Der Schutz kann nur für Erfindungen gewährt werden. Somit muß der "Gegenstand", für den Schutz begehrt wird und der in den einzelnen Ansprüchen angegeben ist, den Erfordernissen des Artikels 52 (1) EPÜ entsprechen. Insbesondere muß der Gegenstand jedes Anspruchs neu sein und damit Artikel 54 (1) EPÜ genügen.

6.3. Der Gegenstand eines Patents, d. h. der in seinen Ansprüchen angegebene Gegenstand, kann in bestimmten Fällen sowohl ein Verfahren als auch das oder die Erzeugnisse dieses Verfahrens beinhalten. In diesen Fällen müssen jedoch sowohl die Ansprüche auf das Verfahren als auch die auf die Erzeugnisse dieses Verfahrens Artikel 52 (1) EPÜ entsprechen.

6.4. Ein Erzeugnis kann gegebenenfalls durch die Verwendung verschiedener Parameter, z. B. seine Struktur, seine Zusammensetzung oder sein Herstellungsverfahren, definiert werden. Die Tatsache, daß zur Definition eines Erzeugnisses ein anderer Parameter verwendet wird, verleiht ihm an sich noch keine Neuheit. Im vorliegenden Fall stimmen, wie die Beschwerdeführerin einräumt, die in den Ansprüchen 4 und 5 genannten Erzeugnisse physikalisch mit den nach bekannten Verfahren hergestellten Erzeugnissen völlig überein, so daß diese Ansprüche dem Erfordernis der Neuheit im Sinne der Artikel 52 (1) und 54 (1) EPÜ nicht genügen können. In den beiden Ansprüchen 4 und 5 wird der "Gegenstand, für den Schutz begehrt wird", d. h. ein Erzeugnis, nur durch Angabe des Verfahrens, nach dem dieses Erzeugnis hergestellt wird, definiert. Diese Art der Definition des Erzeugnisses ist für die Frage der Neuheit ohne Belang, sobald feststeht oder - wie im vorliegenden Fall - zugegeben wird, daß das Erzeugnis im Sinne des Artikels 54 (1) EPÜ zum Stand der Technik gehört. Im EPÜ gibt es für die Neuheit nur ein Kriterium, nämlich das in Artikel 54 (1) EPÜ dargelegte.

6.5. Die Artikel 52 (1) und 64 (2) EPÜ sind nicht widersprüchlich, wi die Beschwerdeführerin behauptet, wenn sie in dieser Weise gesehen werden. Daß bei einem Patent, das ein Verfahren zum Gegenstand hat, Artikel 64 (2) EPÜ einen bestimmten Schutz gewährt, ist für die Beurteilung der Frage unerheblich, ob der in den Ansprüchen angegebene Gegenstand den in Artikel 52 (1) EPÜ genannten Anforderungen an die Patentierbarkeit genügt.

Insbesondere verleiht Artikel 64 (2) EPÜ einem Anspruch, der als "Product-by-process"-Anspruch formuliert ist, keine Neuheit, wenn das Erzeugnis an sich nicht neu ist, und ermächtigt den europäischen Patentanmelder nicht, diese Ansprüche in sein Patent aufzunehmen, wenn sie die Anforderungen an die Patentierbarkeit nach Artikel 52 (1) EPÜ nicht erfüllen.

6.6. In Anbetracht der Ausführungen unter Nummer 6.1 bis 6.5 fallen die Nebenargumente der Beschwerdeführerin nicht ins Gewicht. Insbesondere die von ihr angesprochene Auslegung und die Durchsetzbarkeit europäischer Patente sind im wesentlichen Sache des nationalen Rechts und fallen nicht unter das EPÜ. Außerdem geht aus den genannten Ausführungen klar hervor, daß die genaue Form der "Product-by-process"-Ansprüche, d. h. die vorgeschlagenen geringfügigen Änderungen der Ansprüche 4 und 5, für deren Gewährbarkeit unerheblich ist, da diese unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Anforderungen des Artikels 52 (1) EPÜ zu beurteilen ist.

6.7. Vor der Entstehung des EPÜ mag es durchaus vorgekommen sein, daß nationale Patentämter nach dem nationalen Recht "Product-by-process"-Ansprüche generell zugelassen haben. Dies hat jedoch keine Auswirkung auf die oben dargelegte, richtige Auslegung des durch das EPÜ geschaffenen Rechts.

7. Da die Ansprüche 4 und 5 nicht gewährbar sind, muß die Kammer den Hilfsantrag prüfen und ihre Entscheidung auf der Grundlage der am 13. März 1985 eingereichten Ansprüche 1 bis 3 treffen. Diese Ansprüche sind mit den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 bis 3 identisch.

8. In ihrer Entscheidung vom 18. Juli 1985 hat die Prüfungsabteilung festgestellt, daß der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 3 neu und eine erfinderische Tätigkeit erkennbar sei.

9. Solche Feststellungen müssen aus Entscheidungen dieser Art zwar nicht generell ausgeschlossen werden, sollten jedoch auf einer objektiven Prüfung des Gegenstands der Ansprüche beruhen. Dies war hier offensichtlich nicht der Fall. Daher ist die Kammer weder bereit, sich der Feststellung der Vorinstanz anzuschließen, noch die Erteilung eines Patents auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 3 in diesem Stadium des Verfahrens zu beschließen.

9.1. Die Kammer hat bereits zu Beginn ihrer Rechtsprechung darauf hingewiesen, daß bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit Objektivität gewahrt werden müsse (s. T 01/80 "Reaktionsdurchschreibepapier", ABl. EPA 1981, 206, insbesondere Leitsatz I). Bei dem von der Kammer zur Beurteilung der Patentierbarkeit einer Erfindung immer wieder empfohlenen Verfahren (Ermittlung der technischen Aufgabe und ihrer Lösung) wird die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit vor allem dadurch objektiviert, daß man vom objektiv gegebenen Stand der Technik ausgeht und demgegenüber die Aufgabe ermittelt, die erfindungsgemäß gestellt und gelöst wird (T 24/81 "Metallveredlung/BASF", ABl. EPA 1983, 133).

9.2. Im vorliegenden Fall hat die Prüfungsabteilung zu Recht eingeräumt daß der in der Beschreibung der vorliegenden Anmeldung geschilderte Stand der Technik der nächstliegende zu sein scheine. Die entsprechende Druckschrift ist jedoch weder, wie in Regel 27 (1) c) EPÜ empfohlen, angegeben noch überhaupt näher bezeichnet worden. Daraus ist zu schließen, daß dieser nächstliegende Stand der Technik nicht überprüft worden ist und daß sich die Prüfungsabteilung mit der Beschreibung der Beschwerdeführerin begnügt hat. Diese Beurteilung des nächstliegenden Stands der Technik kann nicht als objektiv bezeichnet werden. Da von einem nächstliegenden Stand der Technik ausgegangen wurde, der nicht objektiv angegeben und auch nicht näher bezeichnet worden ist, kann auch die technische Aufgabe keinesfalls objektiv ermittelt worden sein.

kann daher gar nicht ordnungsgemäß beurteilt worden sein, ob eine erfinderische Tätigkeit vorliegt. Dasselbe gilt für die Neuheit.

10. Somit wird festgestellt, daß noch keine vollständige erstinstanzliche Prüfung auf der Grundlage der von der Kammer entwickelten Grundsätze, d. h. anhand der Ermittlung der technischen Aufgabe und ihrer Lösung, stattgefunden hat. Dies allein hat schon zur Folge, daß die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Angelegenheit ohne Entscheidung zur Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen ist.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen, soweit sie die Ansprüche 4 und 5 betrifft.

2. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und die Sache zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage der am 13. März 1985 eingereichten Ansprüche 1 bis 3 an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.

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