T 0210/05 (Wella/HAARFÄRBEMITTEL) of 17.6.2008

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2008:T021005.20080617
Datum der Entscheidung: 17 Juni 2008
Aktenzeichen: T 0210/05
Anmeldenummer: 97909329.1
IPC-Klasse: A61K 7/13
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Färbemittel zur Färbung von keratinischen Fasern
Name des Anmelders: Wella Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: L'OREAL
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (ja): mehrfache Auswahl - keine Kombination von Ausführungsbeispielen und Liste
Erfinderische Tätigkeit (ja): Verbesserung - nicht glaubhaft durch gegnerische Vergleichsversuche in Frage gestellt - Lösung nicht naheliegend
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0001/80
T 0024/81
T 0248/85
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1920/14
T 0295/16
T 2244/16
T 0934/18
T 1516/18
T 1770/18
T 1630/19
T 0449/20
T 0846/20
T 0476/21
T 1172/21
T 1132/22

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 15. Februar 2005 eingegangene Beschwerde des Beschwerdeführers (Einsprechender) richtet sich gegen die am 15. Dezember 2004 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit welcher der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 881 894 zurückgewiesen wurde. Anspruch 1 des Streitpatentes lautete:

"1. Haarfarbträgermasse dadurch gekennzeichnet, daß sie eine Kombination aus 2-(2',5'-Diaminophenyl)-ethanol, Resorcin, 2-Methylresorcin und einem 2-Amino-6-chlor-4- nitrophenol der allgemeinen Formel (i)

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

worin R Wasserstoff, eine geradkettige oder verzweigte Alkylgruppe mit 1 bis 6 Kohlenstoffatomen, eine geradkettige oder verzweigte Hydroxyalkylgruppe mit 2 bis 4 Kohlenstoffatomen oder eine geradkettige oder verzweigte Polyhydroxyalkylgruppe mit 3 bis 4 Kohlenstoffatomen bedeutet, oder deren physiologisch verträglichen Salzen enthält."

II. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit angegriffen worden. Im Einspruchsverfahren wurden folgende Druckschriften angezogen:

(1) DE-A-39 42 294 und

(2) EP-A-0 688 558.

III. Die Einspruchsabteilung stellte in der angefochtenen Entscheidung fest, dass der Gegenstand des Streitpatentes neu sei gegenüber Druckschrift (1) und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Zwar seien in Druckschrift (1) alle Komponenten der streitpatentgemäßen Kombination offenbart, jedoch nicht in Kombination. Die während der Prüfungsphase eingereichten Vergleichsversuche des Beschwerdegegners stellten einen Vergleich des Beispiels 4 der Druckschrift (1) mit der beanspruchten Kombination dar, die sich ausschließlich durch die Verwendung von 3-Methylresorcin als Alternative zu m-Aminophenol unterschieden. Dabei zeige die streitpatentgemäße Kombination eine bessere Deckkraft und besseres Ausgleichsvermögen auf dem unbehandelten Haaransatz und den vorgeschädigten Haarspitzen. Da diese Verbesserung nicht aus dem Stand der Technik zu erwarten gewesen sei, beruhe der Gegenstand des Streitpatentes auf einer erfinderischen Tätigkeit.

IV. In der Beschwerdebegründung bekräftigte der Beschwerdeführer seinen Einwand hinsichtlich der fehlenden Neuheit im Hinblick auf Druckschrift (1). Die Druckschrift (1) offenbare ein Haarfärbemittel, welches eine Kombination aus 2-(2',5'-Diaminophenyl)-ethanol, 2-Amino-6-chlor-4- nitrophenol und mindestens 2 Kupplern enthalte, wobei einer der Kuppler Resorcin sei. Gemäß Anspruch 4 könne ein bevorzugter Kuppler auch 2-Methylresorcin sein, der somit nur aus einer einzigen Liste ausgewählt werde, wodurch der Gegenstand des Streitpatentes neuheitsschädlich vorweggenommen sei. In Bezug auf die fehlende erfinderische Tätigkeit reichte er mit der Beschwerdebegründung am 18. April 2005 Vergleichsversuche ein, die einen Vergleich zwischen den Druckschriften (1) und (2) mit dem Gegenstand des Streitpatentes darstellten. Es zeige sich hierbei, dass die streitpatentgemäßen Beispiele schlechtere Ergebnisse lieferten, als die Beispiele, die den Stand der Technik repräsentierten. Da der Effekt der behaupteten Verbesserung des Ausgleichsvermögens nicht erreicht werde, sei die technische Aufgabe lediglich die Bereitstellung einer Alternative zum Stand der Technik. Da aber Druckschrift (1) bereits 2-Methylresorcin als weitere Kupplerkomponente offenbare und auch Druckschrift (2) eine Kombination von 2-(2',5'-Diaminophenyl)-ethanol, Resorcin und 2-Methylresorcin lehre, stelle die streitpatentgemäße Kombination der Komponenten lediglich eine naheliegende Auswahl innerhalb Lehre der Druckschrift (1) oder einer naheliegenden Kombination der Druckschriften (1) und (2) dar.

V. In seinem Schreiben vom 08. August 2005 unterstrich der Beschwerdegegner die positive Beurteilung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit, wie sie in der angefochtenen Entscheidung dargelegt wurde. Er trug vor, dass der Gegenstand des Streitpatentes eine mehrfache Auswahl innerhalb der Druckschrift (1) erfordere, nämlich zum einen die Auswahl von mehr als einer Kupplerkomponente und zum anderen einer gezielten Auswahl von Resorcin und 2-Methylresorcin aus einer Liste. Darüberhinaus stelle die Auswahl der beiden Kuppler eine zielgerichtete Auswahl dar. In Bezug auf die erfinderische Tätigkeit ging er, wie die angefochtene Entscheidung, von Druckschrift (1) als nächstliegendem Stand der Technik aus. Ausgehend davon habe die technische Aufgabe darin bestanden, das Ausgleichsvermögen auf ungeschädigtem und vorgeschädigtem Haar zu verbessern. Die erfolgreiche Lösung dieser Aufgabe habe der Beschwerdegegner bereits durch die während des Prüfungsverfahrens mit Schreiben vom 27. März 2002 vorgelegten Vergleichsversuche belegt, die auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens mit Schreiben vom 08. August 2005 erneut eingereicht wurden. Der vom Beschwerdeführer vorgelegte Vergleichsbericht vom 18. April 2005 sei nicht heranzuziehen, da in Beispiel 1 jeweils eine zusätzliche, im Streitpatent nicht erforderliche Kupplerkomponente enthalten sei und diese Ausführungsform somit weiter vom Gegenstand des Streitpatentes entfernt seien, als seine eigenen Vergleichsversuche vom 08. August 2005. Weiterhin seien die Versuchsbedingungen nicht angegeben, insbesondere fehlten Angaben dazu, wie die Vorbehandlung der Haarproben durchgeführt worden sei. Auch die Vergleichsbeispiele in Bezug auf Druckschrift (2) seien nicht zu berücksichtigen, da sie keinen Vergleich mit dem nächstliegenden Stand der Technik darstellten. Insgesamt sei der vom Beschwerdeführer vorgelegte Versuchsbericht vom 18. April 2005 nicht nachprüfbar.

VI. Der Beschwerdeführer beantragte schriftlich die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz zum Widerruf des europäischen Patents Nr. 881 894.

Der Beschwerdegegner beantragte schriftlich die Zurückweisung der Beschwerde.

VII. Am 17. Juni 2008 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer in Abwesenheit sowohl des Beschwerdeführers als auch des Beschwerdegegners statt. Nach ordnungsgemäßer Ladung hatte der Beschwerdegegner mit Schreiben vom 17. März 2008 und der Beschwerdeführer mit Fax vom 12. Juni 2008 angekündigt, nicht an der Verhandlung teilzunehmen. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neuheit

2.1 Der Beschwerdeführer hat die Druckschrift (1) gegen die Neuheit des Erfindungsgegenstandes angezogen.

2.2 Der Offenbarungsgehalt einer Druckschrift wird durch das festgelegt, was ihr unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist. Daher können gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern zur Ermittlung des Offenbarungsgehaltes einer Druckschrift auch nicht einzelne Teile daraus miteinander kombiniert werden, welche von ihr selbst nicht direkt miteinander verknüpft sind.

Druckschrift (1) offenbart in Anspruch 4, welcher auf Anspruch 1 rückbezogen ist, ein Mittel zur oxidativen Färbung von Haaren, welches 2-Amino-6-Chlor-4-nitrophenol neben 2-(2',5'-Diaminophenyl)-ethanol, sowie mindestens eine Kupplersubstanz enthält, die aus einer Liste von sechs Einzelverbindungen auszuwählen ist. Diese Liste in Anspruch 4 enthält unter anderem auch die im Streitpatent verwendeten Kupplersubstanzen Resorcin und 2-Methylresorcin. Um nun zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Streitpatent zu gelangen, bedarf es einer mehrfachen Auswahl, nämlich der Auswahl von Resorcin als erster Kupplerkomponente, der Auswahl von 2-Methylresorcin als zweiter Kupplerkomponente und schließlich die gleichzeitige Verwendung dieser beiden Komponenten in Kombination. Nachdem die Druckschrift (1) keinen Hinweis auf diese kombinatorische Auswahl der Kupplersubstanzen enthält, erschließt sich dem Fachmann nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern diese spezielle Merkmalskombination nicht unmittelbar und eindeutig aus dem Offenbarungsgehalt dieser Druckschrift. Folglich sind die streitpatentgemäßen Stoffmischungen in Druckschrift (1) nicht differenziert offenbart.

2.3 Der Beschwerdeführer interpretierte den Offenbarungsgehalt der Druckschrift (1) auch deshalb als neuheitsschädlich, weil die Beispiele 3 und 4 der Druckschrift (1) bereits Kombinationen aus den anspruchsgemäßen Komponenten 2-Amino-6-Chlor-4-nitrophenol und 2-(2',5'-Diaminophenyl)-ethanol mit mindestens zwei Kupplersubstanzen offenbarten, von denen die eine 3-Aminophenol und die andere Resorcin sei, also Stoffmischungen enthaltend drei der vier streitpatentgemäßen Komponenten in Kombination mit mindestens einer weiteren Kupplersubstanz. Die Auswahl von 2-Methylresorcin als weitere Kupplersubstanz stelle somit lediglich eine Auswahl aus nur einer einzigen Liste dar, nämlich der Liste der Kupplersubstanzen in Anspruch 4. Diese einmalige Auswahl könne aber nicht die Neuheit des Gegenstandes des Streitpatentes begründen.

Indessen stellt ein Ausführungsbeispiel eine jeweils in sich abgeschlossene, spezielle Ausführungsform dar, die nur eine spezifische Kombination von Einzelkomponenten in ganz bestimmten Mengenverhältnissen offenbart. Die Druckschrift (1) enthält darüber hinaus auch keinen Hinweis, die in den Beispielen 3 und 4 neben Resorcin verwendeten Kupplersubstanzen überhaupt zu variieren, auch nicht durch das in der Liste des Anspruchs 4 genannte 2-Methylresorcin. Daher ist die vom Beschwerdeführer angeführte Kombination der in den Beispielen 3 und 4 offenbarten Ausführungsformen mit der Liste der Kupplerkomponenten in Anspruch 4 der Druckschrift (1) nicht unmittelbar und eindeutig offenbart, sondern entspringt einer ex post facto Betrachtungsweise. Aus diesem Grunde kann das Argument des Beschwerdeführers nicht durchgreifen.

2.4 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die Druckschrift (1) dem Streitpatent nicht neuheitsschädlich entgegensteht.

2.5 Da keine weitere Druckschrift vom Beschwerdeführer als neuheitsschädlich angezogen wurde und auch die Kammer von sich aus keine Veranlassung sieht, die Neuheit im Hinblick auf andere Druckschriften infrage zu stellen, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.

Erfinderische Tätigkeit

3. Gemäß Artikel 56 EPÜ beruht eine Erfindung auf einer erfinderischen Tätigkeit, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Für die Beantwortung dieser Frage ist es nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern erforderlich, den nächstliegenden Stand der Technik festzustellen, demgegenüber die Aufgabe zu ermitteln, die erfindungsgemäß aus objektiver Sicht gestellt und gelöst wird, und die Frage des Naheliegens der anmeldungsgemäßen Lösung dieser Aufgabe für den Fachmann angesichts des Standes der Technik zu klären (siehe u. a. T 1/80, ABl. EPA 1981, 206, Punkte 3, 6, 8, 11 der Entscheidungsgründe; T 24/81, ABl. EPA 1983, 133, Punkt 4 der Entscheidungsgründe; T 248/85, ABl. EPA 1986, 262, Punkt 9.1 der Entscheidungsgründe).

3.1 Beide Parteien, sowie auch die erste Instanz haben Druckschrift (1) als nächstliegenden Stand der Technik angesehen, der Beschwerdeführer zog zusätzlich auch die Druckschrift (2) in Betracht.

3.1.1 Die Druckschrift (1) beschreibt ein Haarfärbemittel, welches in Kombination bereits drei der vier streitpatentgemäßen Komponenten verwendet (siehe Paragraph 2, supra). Diese Druckschrift formuliert als Ziel das Erreichen eines verbesserten Ausgleichs-vermögens der Färbung (Seite 2, Zeilen 27 und 28).

3.1.2 Die vom Beschwerdeführer ebenfalls angezogene Druckschrift (2) beschreibt in Anspruch 1 Haarfärbemittel auf Basis von 2-(2',5'-Diaminophenyl)-ethanol, Resorcin und 2-Methylresorcin, also auch eine Kombination von drei der vier streitpatentgemäßen Komponenten. Das Ziel dieser Druckschrift ist jedoch, anders als im Streitpatent, das Erreichen einer besseren Farbfestigkeit beim Schamponieren, sowie einer besseren Schweißfestigkeit und Lichtechtheit der Färbung. Deshalb liegt diese Druckschrift dem Streitpatent ferner als die Druckschrift (1), denn bei der Festlegung des nächstliegenden Standes der Technik sind diejenigen Druckschriften vorzuziehen, welche die streitpatentgemäße Aufgabenstellung betreffen.

3.1.3 Infolgedessen kommt die Kammer zu dem gleichen Ergebnis wie die angefochtene Entscheidung, dass das Haarfärbemittel gemäß der Druckschrift (1) den nächstliegenden Stand der Technik und Ausgangspunkt bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellt.

3.2 Ausgehend von Druckschrift (1) als nächstliegendem Stand war es die Aufgabe des Streitpatentes, eine gleichmäßigere Färbung der Haare von den Haarspitzen bis zum Haaransatz zu erreichen (Paragraph [0007] der Streitpatentschrift).

3.3 Als Lösung schlägt das Streitpatent die Haarfarbträgermasse gemäß Anspruch 1 vor, welche als Kupplersubstanzen eine Kombination aus Resorcin und 2-Methylresorcin enthält.

3.4 Zum Beleg für eine erfolgreiche Lösung der patentgemäßen Aufgabe durch die Bereitstellung der anspruchsgemäßen Haarfarbträgermassen hat der Beschwerdegegner auf die Vergleichsversuche vom 08. August 2005 verwiesen.

3.4.1 Die Vergleichsversuche wurden an genau definierten Haarproben durchgeführt, nämlich an nativem Sizilianerhaar mit 90% Grauanteil, deren Vorschädigung durch eine fünfminütige Dauerwellbehandlung mit einem handelsüblichen Dauerwellmittel erfolgte, wobei sowohl die Dauer der einzelnen Behandlungsschritte, die jeweilige Behandlungstemperatur während der einzelnen Behandlungsschritte, die Art und die Konzentration des Dauerwellmittels und des Fixierungsmittels angegeben wurden. Der anschließende Färbevorgang, der an dem vorbehandelten und an unbehandeltem Haar durchgeführt wurde, erfolgte über eine Dauer von 30 Minuten bei einer Einwirktemperatur von 40ºC. Es wurde ein Färbemittel entsprechend des Beispiels 4 der Druckschrift (1) und ein Färbemittel gemäß Streitpatent eingesetzt, die sich lediglich dadurch unterschieden, dass das streitpatentgemäße Färbemittel anstelle der im Stand der Technik offenbarten Kupplerkomponente 3-Aminophenol die gleiche Molmenge an 2-Methylresorcin enthielt. Der Unterschied der Färbung zwischen den gefärbten unbehandelten Haarsträhnen, die einer Färbung am Haaransatz entsprechen, und den gefärbten vorgeschädigten Haarsträhnen, entsprechend einer Färbung der Haarspitzen, wurde als DeltaE im System L,a,b ermittelt. Je höher der Wert von DeltaE, desto größer ist die Gesamtfarbdifferenz. Für die Färbung mit dem anspruchsgemäßen Färbemittel wurden deutlich niedrigere DeltaE-Werte erreicht als für die Färbung mit dem Färbemittel des Standes der Technik, entsprechend einer gleichmäßigeren Färbung der Haare von den Haarspitzen bis zum Haaransatz im erfindungsgemäßen Versuch. Daher kann die Lösung der oben genannten technischen Aufgabe durch die Färbemittel des Streitpatentes als erfolgreich angesehen werden.

3.4.2 Diese Verbesserung wurde vom Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung grundsätzlich anerkannt (Seite 2, Absätze 5 und 6), allerdings nur gegenüber dem speziellen Färbemittel des Beispiels 4 der Druckschrift (1). Im Hinblick auf das Färbemittel des Beispiels 3 dieser Druckschrift sei allerdings keine Verbesserung erkennbar. Zum Beleg verwies der Beschwerdeführer auf den mit der Beschwerdebegründung vom 18. April 2005 eingereichten Versuchsbericht, der das Färbemittel des Beispiels 3 der Druckschrift (1) mit einem Färbemittel gemäß Streitpatent vergleiche. Das Färbemittel des Beispiels 3 der Druckschrift (1) verwende ebenfalls drei der vier anspruchsgemäßen Bestandteile, nämlich 2-Amino-6-Chlor-4-nitrophenol, 2-(2',5'-Diaminophenyl)-ethanol und Resorcin als Kupplersubstanz in Verbindung mit zwei weiteren Kupplersubstanzen, nämlich 3-Aminophenol und 3-Amino-2-methylamino-6-methoxypyridin. Die in dem Versuchsbericht verwendeten Färbemittel unterschieden sich voneinander lediglich in der Verwendung von 2-Methylresorcin anstelle von 3-Aminophenol. Das Färbemittel entsprechend des Beispiels 3 der Druckschrift (1) erziele geringere DeltaE-Werte, als das anspruchsgemäße Färbemittel, was einer gleichmäßigeren Färbung mit dem Färbemittel des Standes der Technik entspricht. Folglich werde die technische Aufgabe, nämlich das Erreichen einer gleichmäßigeren Färbung der Haare von den Haarspitzen bis zum Haaransatz nicht in der gesamten beanspruchten Breite gelöst.

3.4.3 Der Beschwerdegegner hat die Nacharbeitbarkeit und damit auch die Nachprüfbarkeit der Versuche des Beschwerdeführers vom 18. April 2005 bestritten, da keine ausreichenden Angaben vorlägen, wie die Vorschädigung der Haarproben, d.h. Dauerwellbehandlung bzw. Bleichung, durchgeführt worden sei.

Während der Versuchsbericht des Beschwerdegegners detaillierte und nachvollziehbare Angaben enthält, wie die Vorbehandlung der verwendeten Haarproben durchgeführt wird, fehlen im Versuchsbericht des Beschwerdeführers vom 18. April 2005 jegliche Angaben darüber, wie die Dauerwellbehandlung bzw. die Bleichung der Haarproben erfolgte, wie auch die genaue Definition des Haartyps der verwendeten Haarproben. Obgleich die Nachprüfbarkeit des Versuchsberichts des Beschwerdeführers vom 18. April 2005 wegen mangel- und lückenhafter Beschreibung der Versuchsdurchführung vom Beschwerdegegner bestritten wurde, hat der Beschwerdeführer diesem Vortrag nicht widersprochen.

Da aufgrund der vom Beschwerdegegner unwidersprochen aufgezeigten lückenhaften Angaben betreffend die Durchführung der Versuche des Beschwerdeführers vom 18. April 2005 diese Versuche nicht nacharbeitbar sind, sind sie auch nicht nachprüfbar und damit weder verifizierbar noch falsifizierbar. Derartig unzureichend dokumentierte Versuche vermögen im Bestreitensfall und bei augenscheinlich gegenläufigen Versuchsergebnissen der Parteien die behauptete Abwesenheit des technischen Effektes nicht glaubhaft zu belegen. Folglich kann dieser Versuchsbericht insoweit bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht herangezogen werden.

Da der Versuchsbericht des Beschwerdeführers vom 18. April 2005 den Ergebnissen der Versuche des Beschwerdegegners vom 08. August 2005 nicht glaubhaft widerspricht, gilt die oben genannte technische Aufgabe nach wie vor als erfolgreich gelöst.

3.4.4 Weiterhin hat der Beschwerdeführer argumentiert, dass die erfolgreiche Lösung der technischen Aufgabe nur im Hinblick auf eine Ausführungsform belegt sei, nämlich für 2-Amino-6-chlor-4-nitrophenol der im Anspruch angegebenen Formel, in der R für Wasserstoff steht. Für die weiteren Alternativen mit anderen, ggf. substituierten Alkylresten R sei die erfolgreiche Lösung nicht glaubhaft.

Indessen hat der beweispflichtige Beschwerdeführer sein Vorbringen diesbezüglich in keiner Weise substantiiert, so dass diese Behauptung lediglich als spekulativ betrachtet werden kann. Daher greift der Einwand, dass die erfinderische Tätigkeit insoweit nicht über die gesamte Breite des Anspruchs anerkannt werden könne, nicht durch.

3.4.5 Folglich kommt die Kammer zu der Auffassung, dass trotz des vom Beschwerdeführer eingereichten Versuchsberichtes vom 18. April 2005 die technische Aufgabe, eine gleichmäßigere Färbung der Haare von den Haarspitzen bis zum Haaransatz zu erreichen (Punkt 3.2, supra), als glaubhaft gelöst anzusehen ist.

3.5 Es bleibt daher zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregung bot, die genannte Aufgabe durch die Bereitstellung der anspruchsgemäßen Haarfarbträgermassen zu lösen.

3.5.1 Die nächstliegende Druckschrift (1), welche das gleiche Ziel hat wie das Streitpatent, enthält keinen Hinweis darauf, durch die spezielle Kombination von Resorcin und 2-Methylresorcin eine gleichmäßigere Färbung der Haare von den Haarspitzen bis zum Haaransatz zu erreichen (siehe Punkt 2.3, supra).

3.5.2 Die weitere vom Beschwerdeführer angezogene Druckschrift (2) betrifft eine andere Aufgabenstellung (siehe Punkt 3.1.2, supra), nämlich das Erreichen einer besseren Farbfestigkeit beim Schamponieren, sowie einer besseren Schweißfestigkeit und Lichtechtheit der Färbung, und kann somit dem Fachmann ebenfalls keinen Hinweis auf die Lösung der patentgemäßen Aufgabe einer gleichmäßigeren Färbung von den Haarspitzen bis zum Haaransatz bieten.

3.6 Die Kammer kommt daher zum Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 dem Fachmann durch keine der angezogenen Druckschriften, weder einzeln noch in Kombination nahegelegt wird und damit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.

Die Ansprüche 2 bis 13 betreffen weitere Ausführungsformen des Gegenstandes des Anspruchs 1 und werden von dessen Patentfähigkeit getragen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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