T 0333/93 () of 10.3.1997

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1997:T033393.19970310
Datum der Entscheidung: 10 März 1997
Aktenzeichen: T 0333/93
Anmeldenummer: 87114955.5
IPC-Klasse: H01G 9/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Festkörperkondensator mit einem elektrisch leitfähigen Polymeren als Bestandteil des Festelektrolyten
Name des Anmelders: BASF Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 54
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit
Neuheit
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0150/82
T 0205/83
T 0279/84
T 0248/85
T 0552/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 87 114 955.5 wurde durch die Entscheidung der Prüfungsabteilung zurückgewiesen.

II. Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß dem Gegenstand des gültigen Anspruchs 1 im Hinblick auf die Druckschrift

D1 = EP-A-0 135 223

die aufgrund von Artikel 52 (1) und 54 EPÜ erforderliche Neuheit fehle.

III. Der Beschwerdeführer hat gegen diese Entscheidung fristgerecht Beschwerde eingelegt und die Beschwerdegebühr bezahlt.

Mit Eingabe vom 24. März 1993 wurde die Beschwerde begründet.

Der Beschwerde liegen folgende Unterlagen zugrunde, die auch der angefochtenen Entscheidung zugrundelagen:

Ansprüche 1 bis 5 der Eingabe vom 3. September 1991, eingegangen am 5. September 1991,

Beschreibung und Zeichnung gemäß der veröffentlichten EP-A-0 264 786.

IV. Der Beschwerdeführer beantragte,

- den Zurückweisungsbeschluß der Prüfungsabteilung aufzuheben und das nachgesuchte Patent zu erteilen;

- hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen;

- die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wegen Versagung des rechtlichen Gehörs anzuordnen.

V. Der gültige Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"1. Festkörperkondensator mit einer positiven metallischen und einer negativen metallischen oder aus Graphit bestehenden Elektrode, einem Dielektrikum und einem Festelektrolyten, wobei der Festelektrolyt als wesentlichen Bestandteil ein elektrisch leitfähiges Pyrrol-, Furan-, Tiophen- oder Anilinpolymer enthält und wobei als Dielektrikum eine auf der positiven Elektrode befindliche dielektrische Oxidschicht dient, wie er erhalten wird dadurch, daß man die dielektrische Oxidschicht mit den Monomeren, die das elektrisch leitfähige Polymere zu bilden vermögen, und einem Oxidationsmittel beschichtet und die Monomeren dadurch polymerisiert."

Ansprüche 2 bis 5 hängen von Anspruch 1 ab.

VI. Zur Stützung seines Antrags machte der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdebegründung im wesentlichen folgende Argumente geltend:

Die Prüfungsabteilung habe irrigerweise den durch Sachmerkmale und auch durch Verfahrensmerkmale charakterisierten product-by-process-Anspruch 1 vorliegender Anmeldung für neuheitsschädlich vorweggenommen gehalten, weil bezüglich der Sachmerkmale Deckungsgleichheit mit den aus der Druckschrift D1 bekannten Merkmalen bestehe.

Der Beschwerdeführer räumt zwar ein, daß die Druckschrift D1 einen Elektrolytkondensator beschreibe, dessen Festelektrolyt Polypyrrol sein soll. Es sei jedoch offensichtlich, daß dieser Festelektrolyt weder nach dem anmeldungsgemäßen Verfahren aufgebracht noch von den Verfassern der Druckschrift D1 überhaupt physikalisch hergestellt worden sein könne, da die entsprechenden Hinweise sich nicht auf Polypyrrol beziehen ließen.

Da die Prüfungsabteilung auf die entsprechenden Einwände des Beschwerdeführers nicht eingegangen sei, sondern an ihrer ursprünglichen Beurteilung der Druckschrift D1 festgehalten habe, sei dem Anmelder das rechtliche Gehör versagt worden, was die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertige.

VII. Die Beschwerdekammer zeigte mit TELEFAX vom 19. November 1996 dem Beschwerdeführer an, daß sie zu der vom Beschwerdeführer hilfsweise beantragten mündlichen Verhandlung am 30. oder 29. Januar 1997 laden werde.

VIII. Mit Eingabe vom 29. November 1996 teilte der Beschwerdeführer mit, daß er auf die beantragte mündliche Verhandlung verzichte und um Entscheidung nach Lage der Akten bitte.

Entscheidungsgründe

1. Der einzige strittige Punkt vorliegender Beschwerde betrifft die Neuheit des Gegenstands nach Anspruch 1 gegenüber der vorveröffentlichten Druckschrift D1.

1.1. Die Druckschrift D1 beschreibt

einen Festkörperkondensator, dessen Festelektrolyt ein elektrisch leitfähiges Pyrrolpolymer enthält (vgl. Titel und Zusammenfassung). Ferner weist dieser bekannte Festkörperkondensator eine positive metallische und eine negative metallische Elektrode (201, 205 in Fig. 2) auf. Zwischen den Elektroden ist ein Festelektrolyt (203), der als wesentlichen Bestandteil ein elektrisch leitfähiges Pyrrolpolymer enthält, sowie ein Dielektrikum (202) angeordnet, das eine auf der positiven Elektrode befindliche dielektrische Oxidschicht ist (vgl. die Fig. 2 in Verbindung mit der zugehörigen Beschreibung, insbesondere Seite 3, Zeilen 14 bis 30).

Damit sind alle strukturellen und sich auf Materialien beziehenden Vorrichtungsmerkmale einer Alternative des Gegenstands nach Anspruch 1 aus der Druckschrift D1 bekannt. Die verbleibenden Merkmale des Anspruchs 1 beschreiben lediglich ein Herstellungsverfahren für die Polymerisation des elektrisch leitfähigen Polymers aus den entsprechenden Monomeren.

Der Beschwerdeführer ist nun der Auffassung, daß es sich aufgrund des genannten Verfahrensmerkmals um einen "product-by-process-Anspruch" handelt, dessen Gegenstand neu ist, weil das Verfahrensmerkmal nicht als bekannt nachgewiesen wurde.

1.2. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern setzt die Gewährbarkeit eines "product-by-process-Anspruchs folgende Bedingungen voraus:

Ein "product-by-process"-Anspruch ist nur zulässig, wenn das Erzeugnis an sich die generellen Voraussetzungen der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit für die Patentierbarkeit erfüllt und das Erzeugnis weder durch seine Zusammensetzung noch seine Struktur oder sonstige physikalisch nachprüfbare Parameter hinreichend gekennzeichnet werden kann (T 0150/82, ABl. EPA 1984, 309 ff.).

In der Entscheidung T 0248/85 wurde bestätigt, daß ein Erzeugnis nicht nur durch strukturelle Merkmale sondern auch durch sein Herstellungsverfahren definiert werden kann. Jedoch verleiht die Tatsache, daß zu seiner Definition der Parameter eines neuen Verfahrens Verwendung findet, dem Erzeugnis noch keine Neuheit. Selbst wenn das Erzeugnis neu ist, so wird es nicht schon deshalb erfinderisch, weil das zu seiner Definition herangezogene Verfahren neu und erfinderisch ist.

In den Entscheidungen T 0205/83 ( ABl. EPA 1985, 363 ff.) und T 0279/84 wird anhand eines polymeren Erzeugnisses dargelegt, daß die Bedingung für die Neuheit eines "product-by-process-Anspruchs" der Nachweis ist, daß das neue Verfahren tatsächlich zu einem anderen Erzeugnis führt als die im Stand der Technik vorbeschriebenen Erzeugnisse. Hierzu müssen deutliche Unterschiede in den Eigenschaften dargelegt werden, wobei solche Eigenschaften außer Betracht bleiben, die nachweislich nicht auf Stoff-Parameter des Erzeugnisses zurückgehen.

Ferner ist gemäß der Entscheidung T 0552/91 für "product-by-process-Ansprüche", die Schutz für Stoffgruppen und Einzelverbindungen beanspruchen, zu verlangen, daß alle Verfahrensparameter, die zur eindeutigen Definition des beanspruchten Stoffes als zwangsläufigem Verfahrensprodukt notwendig sind, in den Anspruch aufgenommen werden. Das bedeutet, daß nicht nur die Angabe der Ausgangsstoffe und der Reaktionsbedingungen erforderlich ist, sondern auch die Angabe der Aufarbeitung des Reaktionsgemisches zur Gewinnung des besonderen durch sein Verfahren gekennzeichneten Stoffes.

1.3. Der Beschwerdeführer (Anmelder) hat keinen der in Nr. 1.2 geforderten Nachweise erbracht. Daher ist davon auszugehen, daß die im Hybridanspruch 1 enthaltenen Verfahrensmerkmale den beanspruchten Festkörperkondensator über seine aus Dokument D1 bekannten Vorrichtungsmerkmale hinaus nicht weiter kennzeichnen. Der Gegenstand des gültigen Anspruchs 1 ist daher als durch die Druckschrift D1 neuheitsschädlich vorweggenommen zu erachten.

1.4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 genügt somit nicht den Erfordernissen der Artikel 52 (1) und 54 (1), (2) EPÜ.

2.1. Die beantragte Rückzahlung der Beschwerdegebühr setzt voraus, daß der Beschwerde abgeholfen oder ihr durch die Beschwerdekammer stattgegeben wird (Regel 67, 1. Halbsatz EPÜ).

2.2. Abgesehen von diesen Voraussetzungen vermag die Kammer nicht nachzuvollziehen, inwiefern ein Verfahrensfehler der Ersten Instanz vorliegen sollte, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigen könnte, insbesondere ist eine Versagung des rechtlichen Gehörs (Artikel 113 (1) EPÜ) nicht feststellbar:

Im Bescheid der Prüfungsabteilung vom 30. Januar 1992, der sich auf die zurückgewiesene Fassung des Anspruchs 1 vom 3. September 1991 bezieht, wird unter Nr. 3.1 eindeutig die Auffassung vertreten, daß der Gegenstand dieses Anspruchs gegenüber der Druckschrift D1 nicht mehr neu sei. Wegen mangelnder Neuheit des Gegenstands besagten Anspruchs 1 gegenüber der Druckschrift D1 wurde die Anmeldung mit Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 19. November 1992 zurückgewiesen; vgl. die Entscheidungsgründe II. Nr. 2.2. Somit waren dem Anmelder die Gründe und Fakten, die der Zurückweisungsentscheidung zugrundelagen, vorher mitgeteilt worden.

Selbst wenn sich diese Gründe und Fakten im Beschwerdeverfahren nach Auffassung der Kammer als fehlerhaft erwiesen hätten, wäre dem Beschwerdeführer vor der Ersten Instanz volles rechtliches Gehör gewährt gewesen, denn alle Umstände und Fakten, auf die sich die Zurückweisungsentscheidung der Prüfungsabteilung stützt, waren dem Anmelder vorher mitgeteilt worden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

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