T 0301/87 (Alpha-interferons) of 16.2.1989

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1989:T030187.19890216
Datum der Entscheidung: 16 Februar 1989
Aktenzeichen: T 0301/87
Anmeldenummer: 81300050.2
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: EN
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE | EN | FR
Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Biogen
Name des Einsprechenden: Boehringer Ingelheim Pharma AG
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: 1. Werden im Einspruchsverfahren an einem Patent Änderungen vorgenommen, so muß nach Artikel 102 (3) EPU geprüft werden, ob es dadurch zu einem Verstoß gegen ein Erfordernis des Ubereinkommens einschließlich des Artikels 84 EPU kommt; Artikel 102 (3) EPU läßt keine auf Artikel 84 EPU gestützten Einwände zu, die nicht auf diese Änderungen zurückgehen (im Anschluß an die Entscheidung T 227/88) (vgl. Nr. 3.7 der Entscheidungsgründe).
2. Abweichungen in der Beschaffenheit innerhalb einer Klasse genetischer Vorläufer wie z. B. rekombinanter DNA-Moleküle, die als eine Kombination struktureller Beschränkungen und funktioneller Tests beansprucht werden, sind für die ausreichende Offenbarung unerheblich, sofern der Fachmann zuverlässig zu Vertretern der Klasse gelangen kann, ohne daß er im voraus zu wissen braucht, welcher Vertreter ihm dadurch zugänglich gemacht wird (im Anschluß an die Entscheidung T 281/86 vom 27. Januar 1988) (vgl. Nr. 4.5 der Entscheidungsgründe).
3. Wird dem Fachmann ein Gegenstand als solcher offenbart, heißt dies nicht zwangsläufig, daß damit für Prioritätszwecke auch ein Bestandteil dieses Gegenstands offenbart wird, wenn dieser nicht unmittelbar und eindeutig als solcher bezeichnet wird und es erheblicher Nachforschungen bedarf, um seine Identität festzustellen (vgl. Nr. 6.3 der Entscheidungsgründe).
4. Wird für eine europäische Patentanmeldung eine Priorität in Anspruch genommen, so kann eine Veröffentlichung des Inhalts der prioritätsbegründenden Anmeldung in dem Zeitraum zwischen der Einreichung dieser Anmeldung und der Einreichung der europäischen Patentanmeldung (als letzter Anmeldung) keinem Anspruch dieser letzteren Anmeldung als neuheitsschädlich entgegengehalten werden. Geht diese Veröffentlichung jedoch über den Inhalt einer früher eingereichten Anmeldung hinaus und umfaßt Gegenstände, die in deren Offenbarung nicht enthalten sind, so kann sie einem Anspruch der (zuletzt eingereichten) europäischen Patentanmeldung, der auf einen nach dem Veröffentlichungstag liegenden Prioritätstag gestützt ist, grundsätzlich entgegengehalten werden (vgl. Nr. 7.8 der Entscheidungsgründe).
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 87
European Patent Convention 1973 Art 88
European Patent Convention 1973 Art 89
European Patent Convention 1973 Art 102
European Patent Convention 1973 R 28
Paris Convention Art 4b
Paris Convention Art 4f
Schlagwörter: Einspruchsgründe - durch die Änderung entstandene Fragen
Offenbarung - ausreichende
Zuverlässiger Weg zu Stoffen einer beanspruchten Klasse
Neuheit - Genbank
Priorität - einzelner Stoff und Bestandteil davon
Priorität und erfinderische Tätigkeit
Spätere Veröffentlichung des Inhalts einer prioritätsbegründenden Anmeldung kann der europäischen Anmeldung nicht entgegengehalten werden
Pariser Verbandsübereinkunft - Anwendung derselben
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
G 0002/98
G 0001/03
G 0002/03
G 0003/14
G 0001/15
T 0372/87
T 0121/88
T 0296/88
T 0472/88
T 0487/89
T 0577/89
T 0583/89
T 0252/90
T 0383/90
T 0594/90
T 0961/90
T 0156/91
T 0189/91
T 0435/91
T 0500/91
T 0886/91
T 0951/91
T 0128/92
T 0487/92
T 0694/92
T 0893/92
T 0923/92
T 0955/92
T 0296/93
T 0412/93
T 0670/93
T 0828/93
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T 0310/94
T 0656/94
T 0668/94
T 0910/94
T 0977/94
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T 0377/95
T 0481/95
T 0563/95
T 0684/95
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T 0648/96
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T 0313/97
T 0433/97
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T 0908/97
T 1013/97
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T 1212/97
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T 0175/98
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T 0317/98
T 0680/98
T 0693/98
T 0753/98
T 0785/98
T 1055/98
T 0281/99
T 0427/99
T 0698/99
T 0717/99
T 0727/99
T 0866/99
T 0877/99
T 0064/00
T 0309/00
T 0420/00
T 0427/00
T 0472/00
T 0681/00
T 0690/00
T 0731/00
T 0819/00
T 0972/00
T 1015/00
T 1052/00
T 1074/00
T 1203/00
T 0003/01
T 0037/01
T 0043/01
T 0142/01
T 0179/01
T 0497/01
T 0576/01
T 0625/01
T 0822/01
T 1228/01
T 0172/02
T 0174/02
T 0269/02
T 0326/02
T 0373/02
T 0381/02
T 0412/02
T 0564/02
T 0657/02
T 0683/02
T 0698/02
T 0739/02
T 0893/02
T 1033/02
T 1076/02
T 0262/03
T 0299/03
T 0431/03
T 0518/03
T 0651/03
T 0793/03
T 1018/03
T 0108/04
T 0128/04
T 0210/04
T 0236/04
T 0392/04
T 0515/04
T 0762/04
T 0843/04
T 0881/04
T 0908/04
T 0081/05
T 0323/05
T 0348/05
T 0369/05
T 0544/05
T 0555/05
T 0642/05
T 1421/05
T 1459/05
T 0054/06
T 0098/06
T 0100/06
T 0257/06
T 0805/06
T 0824/06
T 0868/06
T 1302/06
T 1517/06
T 0061/07
T 0079/07
T 0130/07
T 0193/07
T 0298/07
T 0656/07
T 1129/07
T 1705/07
T 1855/07
T 2001/07
T 2049/07
T 0008/08
T 0474/08
T 0739/08
T 0783/08
T 1150/08
T 1398/08
T 1901/08
T 0018/09
T 0075/09
T 0493/09
T 0584/09
T 1495/09
T 0254/10
T 0864/10
T 1577/10
T 2048/10
T 2436/10
T 0682/11
T 1360/11
T 1950/11
T 0115/12
T 0373/12
T 0649/12
T 1581/12
T 2553/12
T 0801/13
T 1138/13
T 1957/14
T 1487/16
T 1794/16

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 32 134 wurde am 15. August 1984 mit 34 Ansprüchen für 10 Vertragsstaaten und 23 Ansprüchen für Österreich auf die europäische Patentanmeldung Nr. 81 300 050.2 erteilt. Es nahm die Priorität dreier Voranmeldungen in Anspruch, nämlich vom 8. Januar 1980 (BIOGEN I), vom 3. April 1980 (BIOGEN II) und vom 2. Oktober 1980 (BIOGEN III). Die Ansprüche 1, 2, 3 und 6 lauteten wie folgt:

1. Rekombinantes DNA-Molekül zur Verwendung bei der Klonierung einer DNA-Sequenz in Bakterien, Hefen oder tierischen Zellen, wobei das rekombinante DNA-Molekül eine DNA-Sequenz enthält, die ausgewählt wird aus:

a) den DNA-Insertionen Z-pBR322(Pst)/HcIF-4c,

Z-pBR322(Pst)/HcIF- 2h, Z-pBR322(Pst)/HcIF-SN35,

Z-pBR322(Pst)/HcIF-SN42 und Z- pKT287(Pst)/HcIF-2h-AH6, bei denen es sich um eine nicht erschöpfende Aufzählung von Beispielen für die DNA-Insertionen der rekombinanten DNA-Moleküle handelt, die in den Mikroorganismen mit den Eingangsnummern DSM 1699 -1703 enthalten sind.

b) DNA-Sequenzen, die zu einer der vorstehenden DNA-Insertionen hybridisieren und für ein Polypeptid des Typs IFN-alpha codieren, und

c) DNA-Sequenzen, die infolge des genetischen Codes zu den unter a und b genannten DNA-Sequenzen und -Insertionen degeneriert sind und für ein Polypeptid des Typs IFN-alpha codieren

2. Rekombinantes DNA-Molekül nach Anspruch 1, wobei die DNA- Sequenz b, die zu der DNA-Insertion a hybridisiert, ausgewählt wird aus:

d) den DNA-Insertionen Z-pBR322(Pst)/HcIF-II-206 und Z- pBR322(Pst)/HcIF-SN35-AHL6, bei denen es sich um eine nicht erschöpfende Aufzählung von Beispielen für die DNA-Insertionen der rekombinanten DNA-Moleküle handelt, die in den Mikroorganismen mit den Eingangsnummern ATCC 31633 - 31634 enthalten sind,

e) DNA-Sequenzen, die zu einer der vorhergehenden DNA- Insertionen hybridisieren und für ein Polypeptid des Typs IFN-alpha codieren, und

f) DNA-Sequenzen, die infolge des genetischen Codes zu den unter d und e genannten DNA-Sequenzen und -Insertionen degeneriert sind und für ein Polypeptid des Typs IFN-alpha codieren

3. Rekombinantes DNA-Molekül nach Anspruch 1 oder 2, wobei die DNA-Sequenz b oder e, die zu der DNA-Insertion a oder d hybridisiert, ausgewählt wird aus:

g) den hybridisierenden Teilen der chromosomalen DNA-Segmente Hif-chr1, Hif-chr3, Hif-chr10-1, Hif-chr10-r, Hif-chr12, Hif- chr13, Hif-chr16-1, Hif-chr23, Hif-chr26, Hif-chr30 und Hif- chr35, bei denen es sich um eine nicht erschöpfende Aufzählung von Beispielen für die DNA-Insertionen der rekombinanten Moleküle handelt, die in den Mikroorganismen mit den Eingangsnummern DSM 1914 - 1923 bzw. ATCC 31760 - 31766 enthalten sind,

h) DNA-Sequenzen, die zu einer der oben genannten DNA-Sequenzen hybridisieren und für ein Polypeptid des Typs IFN-alpha codieren, und

i) DNA-Sequenzen, die infolge des genetischen Codes zu den unter g und h genannten DNA-Sequenzen und -Insertionen degeneriert sind und für ein Polypeptid des Typs IFN-alpha codieren

6. Rekombinantes DNA-Molekül nach den Ansprüchen 1 bis 4, wobei die DNA-Sequenz aus den DNA-Sequenzen mit folgender Formel ausgewählt wird:

(...)

II. Gegen das europäische Patent wurden in der Zeit zwischen dem 18. August 1984 und dem 15. Mai 1985 acht Einsprüche eingelegt; am 8. August 1985 wurde eine schriftliche Beitrittserklärung eingereicht (nachstehend werden diese Parteien Beschwerdegegnerinnen I bis IX genannt). Es wurde beantragt, das Patent aus den Einspruchsgründen nach Artikel 100 a), b) und c) EPU zu widerrufen. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung wurden unter anderem folgende Dokumente angeführt:

(10) Zoon, K. C. et al., Proc. Natl. Acad. Sci. USA, 1979, 76, 5601 - 5605

(16) Nagata, S., et al., Nature, 1980, 284, 316 - 320

(21a) Streuli, M. et al., Science, 1980, 209, 1343 - 1347

(93) Lawn, R. T. et al., Cell, 1978, 15, 1157 - 1174

(108) Zoon et al., Referat Nr. 32 über eine mündliche Offenbarung auf der Conference on Regulatory Functions on Interferons, New York 1979

III. Die Einspruchsabteilung widerrief das Patent mit Entscheidung vom 10. Dezember 1986, die am 10. Juni 1987 zugestellt wurde. Der Widerruf wurde mit unzureichender Offenbarung, Unklarheit und mangelnder Stützung durch die Beschreibung (Artikel 83, 100 b) und 84 EPU) sowie mit mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPU) begründet. Im Hinblick auf Artikel 84 EPU vertrat die Einspruchsabteilung die Auffassung, daß sie angesichts der von der Patentinhaberin an den Ansprüchen vorgenommenen Änderungen prüfen müsse, ob das geänderte Patent alle Erfordernisse des Ubereinkommens einschließlich der des Artikels 84 EPU erfülle.

i) Zur Klarheit hieß es in der Entscheidung, daß die Begriffe in Anspruch 1 b und c wie z. B. "die hybridisieren", "ein Polypeptid des Typs IFN-alpha und "die degeneriert sind" unklar und deshalb im Patent nicht zulässig seien. Die Versuche, die sich auf diese Begriffe bezögen, gäben dem Fachmann keine eindeutige Lehre an die Hand. Deshalb seien Ansprüche, denen diese Versuche zugrunde lägen, im Hinblick auf die Erfordernisse des Artikels 84 EPU nicht gestützt, zu weit gefaßt und spekulativ; sie umfaßten somit Gegenstände, die in der Beschreibung nicht hinreichend offenbart seien.

ii) Was die ausreichende Offenbarung anbelange, so hätte es für die Feststellung, ob Polypeptide des Typs IFN-alpha- hergestellt würden, der Expression der beanspruchten DNA-Moleküle und hierzu der Verwendung von Mikroorganismen bedurft. Zum maßgeblichen Zeitpunkt, der nur der Prioritätstag sein könne, seien jedoch nur E. coli-Stämme zugänglich gewesen; weitere Wirte hätten erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung gestanden. Somit setze die Bezugnahme auf die Verwendung dieser Mikroorganismen weitere Erfindungen und deren praktische Umsetzung voraus. Die unter den Anspruch 1 b fallenden rekombinanten DNA-Moleküle erfüllten somit nicht die Erfordernisse des Artikels 83 EPU.

iii) Der Widerruf des Patents durch die erste Instanz sei auch durch mangelnde Neuheit der Ansprüche 1 b, 2 e, 3 h und 8 begründet, da die hybriden Phagen in der "Lawn's gene bank", einer öffentlichen Sammlung zahlreicher Fragmente fetaler menschlicher Chromosomen, enthalten seien. Die Ansprüche 6, 20 und 33 würden ferner durch die Veröffentlichung 21a ("Streuli") vorweggenommen, in der der Gegenstand dieser Ansprüche offenbart sei, die nur die Priorität aus der Anmeldung BIOGEN III (2.10.80) in Anspruch nehmen könnten.

iv) Was die erfinderische Tätigkeit anbelangt, so erklärte die Einspruchsabteilung, sie habe sich auf die Ansprüche 2 d und 12 beschränkt, die DNA zum Gegenstand hätten, die konkret gekennzeichnete und hinterlegte Fragmente enthalte. Die Entgegenhaltung 16 ("Nagata") sei am 27. März 1980, also vor dem Prioritätstag dieser Ansprüche (BIOGEN II, 3.4.80), veröffentlicht worden und offenbare Sequenzen, die diesen Ansprüchen strukturell so nahe kämen, daß diese dadurch naheliegend würden, falls nicht unerwartete Verbesserungen nachgewiesen werden könnten. Der Fachmann hätte ausgehend von der Offenbarung der Entgegenhaltung 16 durch Anwendung von Standardverfahren erfolgreich zu den beanspruchten Varianten gelangen können, auch wenn die in dieser Entgegenhaltung beschriebenen Schritte möglicherweise nicht in allen Einzelheiten wiederholbar seien.

Auch die hilfsweise eingereichten Anspruchssätze wurden aus ähnlichen Gründen zurückgewiesen.

IV. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) legte gegen diese Entscheidung am 2. August 1987 unter Entrichtung der entsprechenden Gebühr Beschwerde ein und reichte am 20. Oktober 1987 eine Beschwerdebegründung ein. Die Beschwerdegegnerinnen I bis VI, VIII und IX (d. h. die betreffenden Einsprechenden bzw. die Beitretende) reichten in der Zeit vom 13. Februar bis 5. Mai 1988 verschiedene Stellungnahmen ein. Auf einen Bescheid der Kammer vom 23. September 1988 hin legte die Beschwerdeführerin am 23. Dezember 1988 zusammen mit ihrer Erwiderung hilfsweise einen neuen Satz mit Ansprüchen und am 19. Januar 1989 weitere Stellungnahmen vor. Von den Beschwerdegegnerinnen VII und VIII gingen weitere Bemerkungen ein (30.10.1988 bzw. 19.1.1989); die Beschwerdegegnerinnen III, IV und IX legten am 24.1.1989 und am 8.2.1989 Stellungnahmen und Versuchsergebnisse vor.

V. Die Beschwerdeführerin brachte im Verfahren und in der mündlichen Verhandlung vom 14. bis 16. Februar 1989 im wesentlichen folgendes vor:

a) Auf die Erfordernisse des Artikels 84 EPU sollte in diesem Verfahren nicht eingegangen werden, da sie nicht unter Artikel 100 EPU fielen. Sie seien in jedem Falle erfüllt, weil die verwendete Technologie eindeutig sei. Das Patent selbst beschreibe nur Hybridisierungsverfahren, die unter herkömmlichen Bedingungen abliefen. Aus den am 19. Januar 1989 eingereichten Versuchsberichten gehe hervor, daß unter diesen Bedingungen die für IFN-alpha codierenden DNA-Sequenzen nicht zu IFN-alpha ß und y hybridisierten. Ein Polypeptid des Typs IFN-alpha sei in der Beschreibung definiert, die auch zwei Versuche zur Bestimmung der antiviralen und immunologischen Wirksamkeit angebe.

b) Auch die Erfordernisse des Artikels 83 EPU seien erfüllt, weil es genüge, wenn ein Weg zur Ausführung der Erfindung ausführlich beschrieben sei, und in dem Patent sogar mehrere Wege offenbart seien. Aus den von der Beschwerdegegnerin V vorgelegten Versuchsergebnissen (Beweismaterial von Innis) gehe lediglich hervor, daß bereits bei Austausch einer einzigen Aminosäure das IFN-alpha unwirksam werde, obwohl die entsprechende DNA noch immer hybridisiere. Dies beweise eindeutig, daß die Beschwerdegegnerinnen ohne weiteres hätten feststellen können, daß eine DNA nicht mehr unter den Anspruch falle. Somit stelle sich im Hinblick auf Artikel 83 EPU kein Problem, solange es Stoffe gebe, die unter den Anspruch fielen.

c) Die Erfordernisse des Artikels 54 EPU seien erfüllt, da die in Dokument 93 als willkürliche Sammlung menschlicher genomischer DNA-Fragmente bezeichnete "Lawn's gene bank" mit einer Bibliothek ohne geordneten Katalog vergleichbar sei. Ein Fachmann hätte nie in Erwägung gezogen, diese Genbank mit IFN-alpha-Antikörpern abzusuchen. Er hätte nicht einmal erwartet, daß die DNA-Sequenzen der Bank direkt in E. coli exprimiert werden könnten. Außerdem hätte eine kurze Oligonucleotid-Sequenz wie die in dem Zoon- Dokument genannte falsche Ergebnisse in Aussicht gestellt. Da dem ursprünglichen Anpruch 6, d. h. dem jetzigen Anspruch 5, und den anderen dazugehörigen Ansprüchen die Priorität aus BIOGEN II zustehe, könne die Entgegenhaltung 21a ("Streuli") für diese Ansprüche nicht neuheitsschädlich sein.

d) Was das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit nach Artikel 56 EPU anbelange, so codierten alle in der Entgegenhaltung 16 ("Nagata") konkret offenbarten Plasmide und Insertionen für Interferon IFN-alpha1. BIOGEN II offenbare erstmals Expressionsvektoren mit einer unerwartet höheren Aktivität in menschlichen Zellen bzw. einem unerwartet höheren Expressionsgrad als die in Dokument 16 offenbarten.

e) Habe der Erfinder seine erste Anmeldung für einen Gegenstand erst einmal eingereicht, so sollte es ihm in jedem Falle freistehen, seine Erfindung zu veröffentlichen. Wenn dieser Grundsatz nicht allgemein angewandt würde, wäre der Erfinder während des gesamten Prioritätszeitraums zur Geheimhaltung verpflichtet. Sachverhalte, die nach der Anmeldung in diesem Zeitraum veröffentlicht würden, sollten nicht zum Stand der Technik gerechnet werden, damit die Erfordernisse der Pariser Verbandsübereinkunft erfüllt würden.

VI. Die Beschwerdegegnerinnen brachten im Verfahren im wesentlichen folgende Argumente zu den Streitfragen vor, die der erstinstanzlichen Entscheidung zugrunde lagen:

a) Die Frage der Klarheit und Stützung sei für die ausreichende Offenbarung von grundlegender Bedeutung. Ohne angemessene Abgrenzung könne der Fachmann nicht wissen, ob die ihm zur Verfügung stehenden Erzeugnisse unter die weitgefaßten Ansprüche des Patents fielen.

b) Bei den in den Ansprüchen 1 bis 3 verwendeten Definitionen handle es sich im wesentlichen um Versuchsprogramme, die zur Kennzeichnung der beanspruchten Stoffe als solche nicht zugelassen werden sollten. Diese Ansprüche seien vom Umfang her spekulativ und stünden im Gegensatz zur üblichen Praxis im EPA.

c) Der Anspruch 5, bei dem es sich um den früheren Anspruch 6 handle, enthalte Gegenstände, die nicht neu seien. Dieser Anspruch könne nur den Prioritätstag von BIOGEN III in Anspruch nehmen, so daß sein Inhalt durch die "Streuli"-Veröffentlichung (21a) in vollem Umfang vorweggenommen werde.

d) Wie von der ersten Instanz bestätigt, enthalte der "Nagata"- Artikel (16) Angaben darüber, wie man in naheliegender Weise zu den insbesondere in Anspruch 2 d definierten rekombinanten Varianten gelangen könne. Die Standardverfahren zur Lösung der dem Patent zugrunde liegenden allgemeinen Aufgabe seien im Stand der Technik allgemein bekannt, so daß sie nicht mit einer erfinderischen Tätigkeit verbunden seien.

e) Ferner wurde behauptet, daß es anhand der Offenbarung unmöglich sei, zu der in Anspruch 17 konkret genannten reifen Variante von IFN-alpha zu gelangen.

VII. Die Beschwerdegegnerinnen stellten ferner den förmlichen, schriftlichen Antrag, daß der Großen Beschwerdekammer folgende Fragen vorgelegt werden:

i) Darf die Regel 28 EPU dazu benutzt werden, das Gebot der schriftlichen Offenbarung bei einer DNA-Sequenz zu umgehen?

ii) Ist es entscheidungserheblich, ob die materielle Priorität

a) durch eine Offenbarung, aus der der Gegenstand, für den die Priorität in Anspruch genommen wird, unmittelbar und eindeutig hervorgeht (entsprechend den Richtlinien für die Prüfung im EPA, C-V, 2.3 und 2.4)

b) oder durch eine allgemeine Offenbarung (hier durch die Hinterlegung eines Mikroorganismus) begründet wird, aus der der Gegenstand, für den die Priorität beansprucht wird, erst noch (hier durch mehrschrittige Versuche) abgeleitet werden muß?

iii) Ist ein auf eine Klasse von Stoffen gerichteter Anspruch gewährbar, wenn die Klasse im wesentlichen durch eine gewünschte Eigenschaft und im übrigen nur dadurch gekennzeichnet ist, daß eine DNA zur Suche nach einem Gen verwendet wird, das für ein Mitglied dieser Klasse codiert?

VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der zusammen mit der Beschwerdebegründung eingereichten Ansprüche 1 bis 32, wobei die Ansprüche 28 und 29 die am 23. Dezember 1988 eingereichte, geänderte Fassung aufweisen sollten. In der mündlichen Verhandlung wurde ein Hilfsantrag mit den Ansprüchen 1 bis 29 vorgelegt, worin die Ansprüche 5, 18 und 31 des Hauptantrags gestrichen waren (früher Ansprüche 6, 20 und 33 der angefochtenen Entscheidung).

Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die nachstehende Entscheidung der Kammer verkündet (s. Entscheidungsformel).

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPU und ist somit zulässig.

2. Änderungen (Artikel 123 (2) und (3) EPU)

(...)

Gegen die vorgelegten Änderungen der Ansprüche werden daher keine Einwände nach Artikel 123 (2) und (3) EPU erhoben.

3. Klarheit und Stützung (Artikel 84 EPU)

3.1. Im vorliegenden Fall vertraten mehrere Beschwerdegegnerinnen nachdrücklich den Standpunkt, daß das Patent ungültig sei und mit der Begründung widerrufen werden sollte, daß die Erfindung durch die Ansprüche zu weit definiert sei, weil die Erfindung in der Beschreibung des Ausführungsweges vom Umfang her sehr viel begrenzter dargestellt sei. Es stellt sich somit die Frage, ob ein solcher Einwand im Einspruchsverfahren eine geeignete Grundlage für den Widerruf des Patents (i) nach Artikel 100 b) (der Artikel 83 EPU entspricht) oder (ii) nach Artikel 84 EPU sein kann.

3.2. Zu (i): Nach Artikel 100 b) muß das Patent die Erfindung so deutlich und vollständig offenbaren, daß ein Fachmann sie ausführen kann. Diese Bestimmung wurde von der Beschwerdekammer in der Entscheidung T 292/85 "Polypeptidexpression" vom 27. Januar 1988 (ABl. EPA 1989, 275) dann als erfüllt angesehen, "wenn mindestens ein Weg deutlich aufgezeigt wird, wie der Fachmann die Erfindung ausführen kann." Mit anderen Worten ist es nach Auffassung der Kammer für die Zwecke der Artikel 83 und 100 b) EPU nicht erforderlich, daß die Offenbarung des Patents den Fachmann in die Lage versetzt, alle denkbaren Wege zur Ausführung der Erfindung nachzuarbeiten, die unter die Ansprüche fallen. Wie nachstehend ausgeführt wird, ist die Offenbarung nach Ansicht der Kammer im vorliegenden Fall so deutlich und vollständig, daß der Fachmann die beanspruchte Erfindung in erforderlichem Umfang ausführen kann. Somit treffen die von den Beschwerdegegnerinnen erhobenen Einwände im Hinblick auf die Artikel 83 und 100 b) EPU nicht zu.

3.3. Zu (ii): Artikel 84 EPU lautet wie folgt:

"Die Patentansprüche müssen den Gegenstand angeben, für den Schutz begehrt wird. Sie müssen deutlich, knapp gefaßt und von der Beschreibung gestützt sein."

Dieses Erfordernis unterscheidet sich auf den ersten Blick beträchtlich von dem nach Artikel 83 EPU. Im wesentlichen geht es in Artikel 84 EPU darum, wie breit die Ansprüche im Hinblick auf die Offenbarung der Erfindung in der Beschreibung abgefaßt sein dürfen. Wie in der oben genannten Entscheidung T 292/85 ausgeführt, muß der in den Ansprüchen begehrte Schutzbereich angesichts der Beschreibung der Erfindung und der dem Fachmann darin vermittelten Lehre zu deren Ausführung der Erfindung angemessen sein. Die von den Beschwerdegegnerinnen im vorliegenden Fall erhobenen Einwände heben im wesentlichen darauf ab, daß die Ansprüche des Streitpatents gegen Artikel 84 EPU verstoßen.

3.4. Wie bereits in mehreren Entscheidungen der Beschwerdekammern festgestellt wurde, kann Artikel 84 EPU nicht als Einspruchsgrund im Sinne des Artikels 100 EPU geltend gemacht werden, obwohl die Klarheit eines Anspruchs und sein Umfang bei der Beurteilung etwa der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit nach Artikel 100 a) EPU natürlich ein maßgebender Faktor sein kann. Nach Auffassung der Kammer können Einwände gegen den Umfang der Ansprüche, wie sie im vorliegenden Fall erhoben wurden, bei Einspruchsverfahren grundsätzlich nicht im Rahmen des Artikels 100 b) EPU geltend gemacht werden.

3.5. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin jedoch im Einspruchsverfahren verschiedene Änderungen an der Fassung des Patents vorgeschlagen. In diesem Falle kommt Artikel 102 (3) EPU sowohl im Verfahren vor der Einspruchsabteilung als auch im Einspruchsbeschwerdeverfahren (im Hinblick auf Artikel 111 (1) EPU) zur Anwendung. Werden im Einspruchsverfahren Änderungen am Patent vorgenommen, so muß nach Artikel 102 (3) EPU die Einspruchsabteilung oder die Beschwerdekammer unter Berücksichtigung dieser Änderungen prüfen, ob "das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen dieses Ubereinkommens genügen". Der Wortlaut in Artikel 102 (3) EPU steht in auffälligem Gegensatz zu dem des Artikels 101 (1) EPU (der den Umfang der Prüfung eines Einspruchs gegen ein Patent festlegt und in diesem Zusammenhang vorsieht, daß geprüft wird, "ob die in Artikel 100 genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des europäischen Patents entgegenstehen") und dem ähnlich lautenden Artikel 102 (1) und (2). So schließen die "Erfordernisse des Ubereinkommens" insbesondere auch Artikel 84 EPU ein, während "die in Artikel 100 genannten Einspruchsgründe" erschöpfend aufgezählt sind (d. h. "nur", "only" und "ne ... que") und Artikel 84 oder entsprechende Bestimmungen nicht einschließen.

3.6. Daher stellt sich im vorliegenden Fall auch die Frage, ob - bei richtiger Auslegung des Artikels 102 (3) EPU - schon allein die Tatsache, daß im Einspruchsverfahren Änderungen an dem Patent vorgenommen worden sind, dem Einsprechenden sofort und automatisch die Möglichkeit eröffnet, alle nach dem EPU möglichen Einwände (einschließlich der aufgrund von Artikel 84 EPU) zu erheben, oder ob es bei richtiger Auslegung des Artikels 102 (3) nicht vielmehr erforderlich ist, im Falle einer Änderung des Patents vor dessen Aufrechterhaltung in geändertem Umfang zu prüfen, ob mit den Änderungen als solchen nicht ein Verstoß gegen die Erfordernisse des Ubereinkommens eingeführt wurde.

3.7.In der Entscheidung T 227/88 "Detergenszusammensetzungen" vom 15. Dezember 1988 (ABl. EPA 1990, 292) hat die Kammer zwischen der Befugnis nach Artikel 102 (1) und (2) EPU und der oben erwähnten Befugnis nach Artikel 102 (3) EPU unterschieden; sie hat in Nummer 3 der Entscheidungsgründe außerdem folgendes festgestellt: "Werden an einem Patent sachliche Änderungen in dem Umfang vorgenommen, in dem gegen das Patent Einspruch eingelegt worden ist, so sind beide Instanzen befugt, auf die sich daraus ergebenden Gründe und Fragen einzugehen, auch wenn diese von einem Einsprechenden nicht gemäß Regel 55 c) konkret vorgebracht worden sind." Es war jedoch nicht davon die Rede, daß beide Instanzen befugt sind, sich mit Gründen oder Fragen zu befassen, die nicht durch die vorgenommenen Änderungen bedingt und nicht von einem Einsprechenden vorgebracht worden sind. In der genannten Sache ging es nämlich nicht darum, ob ein Einsprechender Einwände - z. B. aufgrund von Artikel 84 EPU - erheben kann, die nicht auf die vorgenommenen Änderungen zurückgehen.

3.8. Werden im Einspruchsverfahren Änderungen an einem Patent vorgenommen, so verlangt Artikel 102 (3) EPU nach Auffassung der Kammer, daß von einer der beiden Instanzen geprüft wird, ob es durch die Änderungen zu einem Verstoß gegen irgendein Erfordernis des Ubereinkommens, also auch des Artikels 84 EPU, kommt. Artikel 102 (3) EPU läßt jedoch keine auf Artikel 84 EPU gestützten, nicht durch die Änderungen bedingten Einwände zu.

Es schiene auch absurd, wenn wegen einer geringfügigen Änderung außerhalb des Artikels 100 EPU liegende Einwände erhoben werden könnten, die mit der Änderung selbst überhaupt nicht im Zusammenhang stehen.

4. Ausreichende Offenbarung (Artikel 83 EPU)

Wiederholbarkeit

4.1. Der Begründung in der angefochtenen Entscheidung, daß die angeblichen Unzulänglichkeiten in der Definition der rekombinanten Plasmide nach Anspruch 1 b und c und die dadurch bedingte Unklarheit im Schutzumfang sowie die weite Fassung der Ansprüche zwangsläufig dazu führten, daß der Fachmann die Erfindung nicht ausführen könne, kann sich die Kammer nicht anschließen. Es muß hier vielmehr dem besonderen Charakter der Erfindung Rechnung getragen werden.

4.2. Die in dem Streitpatent beschriebene Erfindung zeigt einen Weg auf, wie man über eine Technologie rekombinanter DNA zu bestimmten Interferon-Arten gelangen kann. Die Aufgabe bestand darin, diesen Stoff in größeren Mengen zu einem annehmbaren Preis bereitzustellen. Dies wurde nach Uberwindung erheblicher Schwierigkeiten durch ein langwieriges Verfahren erreicht, bei dessen Wiederholung allerdings nicht immer identische Ergebnisse erzielt werden können.

4.3. Wie bereits erwähnt, hat die Kammer in früheren Fällen entschieden, daß die Erfindung ausreichend offenbart ist, wenn mindestens ein Weg klar aufgezeigt wird, auf dem der Fachmann die Erfindung ausführen kann (vgl. die oben genannte Entscheidung T 292/85). In bestimmten Fällen brauchen sogar konkret beschriebene Beispiele nicht exakt wiederholbar zu sein. Abweichungen bei den Ausgangsstoffen sind zulässig, solange "das beanspruchte Verfahren zuverlässig zu dem gewünschten Produkt führt" (vgl. T 281/86 "Präprothaumatin" vom 27.1.1988, ABl. EPA 1989, 202). In der Sache T 292/85 z. B. wurde die Auffassung vertreten, daß die Offenbarung zur Herstellung von menschlichen Hormonen ausreichend sei, selbst wenn jede Einzelperson als Quelle nur eine individuelle Variante des DNA-Vorläufers des Hormons liefern könne und natürlich nicht gewährleistet sei, daß diese Quelle der Öffentlichkeit immer zugänglich sein werde. Die Kammer begründete damals ihre Auffassung damit, daß es sich in diesem Falle um eine allgemeine Methodologie handle und nicht jedes einzelne Ausgangsmaterial vorher zugänglich gemacht werden müsse, solange die Verfahren zuverlässige Ergebnisse lieferten.

4.4. Der vorliegende Fall ist etwas anders gelagert, doch liegt auch hier eine offene Definition vor, die sich auf eine unbekannte, aber vermutlich endliche Zahl menschlicher und tierischer alpha-Interferone bezieht. Auch wenn sich diese Stoffe in der Zusammensetzung ein wenig voneinander unterscheiden, so weisen sie doch noch eine gewisse strukturelle Ähnlichkeit in bezug auf ihre Affinität in Hybridisierungsversuchen auf. Außerdem liefern die einzelnen Stoffe als Klasse Endprodukte mit derselben biologischen Aktivität. Solange dies durch die Erfindung erzielt wird, braucht nicht vorab eine Anleitung gegeben zu werden, wie jeder einzelne Stoff der Klasse hergestellt werden muß. Angesichts der angewandten Technik ist noch nicht einmal gewährleistet, daß man von derselben Quelle aus nach identischer Wiederholung der komplizierten und langwierigen Experimente zu demselben Erzeugnis gelangt. In diesem weiten Sinne gibt jeder einzelne Stoff der Klasse die Erfindung angemessen wieder.

4.5. Die Kammer vertritt deshalb die Auffassung, daß Abweichungen in der Beschaffenheit innerhalb einer Klasse genetischer Vorläufer wie z. B. rekombinanter DNA-Moleküle, die als eine Kombination struktureller Begrenzungen und funktioneller Tests beansprucht werden, für die ausreichende Offenbarung unerheblich sind, sofern der Fachmann zuverlässig zu einigen Vertretern der Klasse gelangen kann, ohne daß er im voraus zu wissen braucht, welcher Vertreter ihm dadurch zugänglich gemacht wird.

4.6. Es liegt in der Natur der Verfahren, die zur Herstellung von Genen, die für Polypeptide codieren, von natürlichen Quellen ausgehen, daß es unweigerlich zu individuellen Variationen kommt. Solange sich dadurch der Charakter der Verwendung und - wie im vorliegenden Fall - die Aktivität des Endproduktes nicht ändern, stellen solche Unterschiede nur unwesentliche Merkmale dar. Zwar wäre es generell wünschenswert gewesen, wenn alle diese strukturellen Varianten durch eine allgemeine Formel festgelegt worden wären; dazu wäre jedoch ein Forschungsprogramm von ungeheuren Ausmaßen erforderlich gewesen, dem kein sofortiger Gewinn gegenübergestanden hätte. Diese makromolekularen Vorläufer können in bestimmten Fällen aufgrund der Eigenschaften der Endprodukte, zu denen sie gehören, und aufgrund einiger struktureller Merkmale, z. B. einer Ähnlichkeit, die auf der Fähigkeit zur Hybridisierung mit bestehenden Strukturen beruht, als Klasse definiert werden, ohne daß sich dadurch zwangsläufig Unklarheiten ergeben. Im vorliegenden Fall ist der letztere Definitionsaspekt durch die Hybridisierung mit Nucleotidsequenzen gegeben, die in Mikroorganismen mit den entsprechenden Grundstrukturen vorliegen, während die antivirale und immunologische Aktivität von IFN-alpha die Klasse unter funktionellen Aspekten abgrenzt.

4.7. Diese Uberlegungen gelten auch für den Einwand der Einspruchsabteilung, daß bei den Versuchen und der anschließenden Expression Bakterien und andere Mikroorganismen verwendet worden seien, obwohl zum Prioritätszeitpunkt hierfür nur ganz bestimmte E. coli-Stämme verfügbar gewesen seien. Ansprüche, die sich auf funktionell definierte Merkmale stützen, haben sich auf dem Gebiet der Genetik bereits eingebürgert (vgl. ibid., T 292/85); dasselbe sollte auch für Klassen gelten, die auf andere Weise terminologisch nicht abgegrenzt werden können. In der genannten Entscheidung wird insbesondere auf die Frage eingegangen, ob diese Merkmale so erweitert werden dürfen, daß sie neben den bestehenden auch die erst noch zu entdeckenden Mittel einschließen. Wenn Ansprüche mit derartigen funktionellen Merkmalen nicht gewährbar wären, so wäre kein nennenswerter Schutz gegenüber Dritten gegeben, die das patentgemäße Verfahren exakt nacharbeiten und dabei neue, aber ebenso nützliche Varianten der Erfindung erhalten.

4.8. Diese Auslegung des Charakters der Erfindung nach Anspruch 1 hat natürlich zwangsläufig Auswirkungen auf die Erfordernisse einer ausreichenden Offenbarung nach Artikel 83 EPU. Die Beschwerdegegnerinnen konnten nicht überzeugend nachweisen, daß das anspruchsgemäße Verfahren in der im Patent beschriebenen Weise nicht wiederholbar ist, d. h. daß der Fachmann nicht zu einem brauchbaren Vorläufer gelangen kann, der gleichzeitig hybridisiert und zu Polypeptiden des Typs IFN-alpha führt, damit also unter die beanspruchte Klasse fällt. Zu verlangen, daß der Fachmann in dem Patent Anweisungen erhält, wie er nach Belieben zu jedem einzelnen beanspruchten Stoff der Klasse gelangen kann, wäre unangemessen und würde auf dem Gebiet der genetischen Rekombinanten mit ihren großen Klassen zu weit gehen.

4.9. Es besteht natürlich die Möglichkeit, daß der Fachmann bei Wiederholung des patentgemäßen Verfahrens unter anderem auch zu Vorläufern gelangt, deren funktionelle Merkmale möglicherweise am Rand des Spektrums liegen. Daß eine auf diese Weise hergestellte Stoffreihe auch einige Grenzfälle enthält, die weniger ausgeprägte funktionelle Merkmale aufweisen als andere, ist ohne Belang, wenn es dafür in den maßgeblichen Kernbereichen viele andere mit zufriedenstellenden Merkmalen gibt. Dies mag zwar für den Fachmann in einigen Fällen sehr problematisch und daher unerwünscht sein; es ändert jedoch nichts daran, daß Stoffe der beanspruchten Klasse hinreichend zuverlässig und häufig erzielt werden können.

Die Kammer sieht deshalb die Notwendigkeit ein, daß angesichts der besonderen Umstände auf diesem technischen Gebiet in solchen Fällen teilweise auf funktionelle Merkmale zurückgegriffen werden muß. Sie teilt auch nicht die Auffassung, daß diese Frage der Großen Beschwerdekammer vorgelegt werden sollte (vgl. VII iii)), weil es hier weder um die Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung noch um eine grundsätzliche Rechtsfrage geht.

Hinterlegung (Regel 28 EPU)

4.10. Hinterlegungen von Vorläufern in lebenden mikrobiologischen Wirten sind durchaus geeignet, der zur Stützung weitgefaßter Ansprüche dienenden Offenbarung mehr Gewicht zu verleihen, etwa dann, wenn durch eine Hinterlegung Quellen für strukturelle Vergleichsstandards und Ausgangspunkte für Änderungen zur Verfügung gestellt werden. Es ist für den vorliegenden Fall charakteristisch, daß die Patentinhaberin die Beschreibung durch eine stattliche Anzahl von Hinterlegungen von Organismen gestützt hat, so daß dem Außenstehenden eine große praktische Auswahl für die weitere Erforschung der Erfindung zur Verfügung steht.

4.11. Es wurde vorgebracht, daß eine Hinterlegung niemals an die Stelle einer schriftlichen Offenbarung treten sollte, wenn die Struktur durch Sequenzieren bestimmt werden kann. Im vorliegenden Fall stellt jedoch die Hinterlegung nicht den beanspruchten Gegenstand als solchen dar, wie es bei neuen, auf erfinderischer Tätigkeit beruhenden Mikroorganismen der Fall wäre. Deshalb ist der Antrag, die Große Beschwerdekammer gemäß Artikel 112 EPU mit dieser Frage zu befassen (vgl. VII i)), für die hier vorliegenden Streitfragen unerheblich und muß deshalb zurückgewiesen werden.

Die Bezugnahme auf die in den hinterlegten Mikroorganismen enthaltenen DNA-Moleküle könnte durchaus als Definition für eine verfügbare Quelle dienen, d. h. für ein Ausgangsmaterial, anhand dessen man zu dem gewünschten Plasmid oder auch einem Teil davon gelangen kann. Somit bildet die Hinterlegung einen verfügbaren Ausgangspunkt und kann als Grundlage einer impliziten Product-by- process-Definition für das betreffende Endprodukt angesehen werden, da letzteres durch die allgemein bekannten Verfahrensschritte des Isolierens zuverlässig hergestellt werden kann oder in situ zum Klonieren usw. bereitsteht.

Zu Anspruch 17

4.12. Die Behauptung, die spezifische reife Variante nach Anspruch 17 sei nicht herstellbar, wurde auf eine Erklärung des Erfinders in einer späteren Veröffentlichung (vgl. Entgegenhaltung 100, S. 126) gestützt, aus der hervorgeht, daß dem "durch diese oder ähnliche Konstruktionen hergestellten Polypeptid ein Teil der Signalsequenz und einige Aminosäuren der ß-Galactosidase vorangestellt waren, und daß die Signalsequenz im E. coli in keinem Fall richtig abgespalten wurde". In diesen Fällen müssen unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens über die Manipulierung von Polypeptidsequenzen - wie in dem genannten Artikel vorgeschlagen - einige zusätzliche Verfahrensschritte vorgenommen werden, die sich z. B. einer etwas weiter entwickelten Konstruktion bedienen. Solange nicht konkret nachgewiesen wird, daß sich diese bestimmte Verbindung auf dieser Grundlage gar nicht herstellen läßt, kann die Kammer diese Behauptung nicht gelten lassen.

Feststellungen zur Offenbarung

4.13. Angesichts dessen ist nach Ansicht der Kammer die Offenbarung nicht zu beanstanden. Es liegen im Gegenteil eine ausführliche Beschreibung darüber, wie die Erfindung praktisch ausgeführt werden kann, sowie zahlreiche Hinterlegungen vor, die für die Öffentlichkeit viele Möglichkeiten bereithalten, wie sie den mühsamen Weg über die natürlichen Quellen abkürzen kann, um zu der Erfindung zu gelangen. Die Beschreibung liefert auch eine gute Grundlage für die Erzielung anderer Varianten, falls dies gewünscht wird. Bisher ist nichts vorgebracht worden, was einen Zweifel an der Ausführbarkeit der in der Beschreibung dargelegten Lösung zulassen könnte. Die Anforderung an die ausreichende Offenbarung dient nicht dem Zweck, Perfektionisten zufriedenzustellen, sondern soll den Fachmann in die Lage versetzen, die Erfindung unter normalen Bedingungen auszuführen.

5. Neuheit (Artikel 54 EPU)

5.1. In der erstinstanzlichen Entscheidung wird ausgeführt, daß einige der in der "Lawn's gene bank" enthaltenen Fragmente zum Typ IFN-alpha gehörten und deshalb den Anspruch 1 b vorwegnähmen. Nach Artikel 54 (2) EPU bildet den Stand der Technik alles, was vor dem Anmeldetag der europäischen Patentanmeldung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist.

Wenn die erste Instanz mit ihrer aus dem Dokument 93 gezogenen Schlußfolgerung recht hätte, dann wären mit der von Lawn und anderen durch Klonen aufgebauten willkürlichen Sammlung großer menschlicher embryonaler DNA-Fragmente (s. Dokument 93) der Öffentlichkeit auch die DNA-Sequenzen zugänglich gemacht worden, die zu allen in Absatz a von Anspruch 1 konkret genannten DNA- Insertionen hybridisieren und für ein Polypeptid des Typs IFN-alpha codieren.

5.2. Der Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung 93 läßt jedoch keinen Zweifel daran, daß die DNA-Sequenzen nach Anspruch 1 b der Öffentlichkeit weder durch diese Entgegenhaltung selbst, noch auf dem Wege über diese durch die Bank zugänglich gemacht worden sind. Bei der Durchsicht dieses Dokuments erhält die Öffentlichkeit, hier der Fachmann, keinerlei Hinweis darauf, daß die "Lawn's gene bank" Klone umfaßt, die DNA-Sequenzen enthalten, welche für ein Polypeptid des Typs IFN-alpha (Leukocyteninterferon) codieren; es besteht auch keine vernünftige Möglichkeit, diese DNA-Sequenzen in der "Lawn's gene bank" anhand ihrer Hybridisierungseigenschaften ausfindig und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

5.3. Der Fachmann hätte erkannt, daß das Ausgangsmaterial für den Aufbau der "Lawn's gene bank" fetale menschliche Leber-DNA war, während der Stand der Technik auf dem Gebiet des Leukocyteninterferons vorzugsweise von Leukocyten ausgeht, die durch eine besondere Behandlung zu erhöhter Interferon-Bildung angeregt werden. Es war bekannt, daß die Interferon-Boten-RNA in Leukocyten nur in sehr geringer Menge vorliegt. Der Fachmann hätte aber auch erkannt, daß es in Dokument 93 ausschließlich um die Isolierung und Charakterisierung spezifischer Globingene ging, wozu die betreffende geklonte Sammlung menschlicher DNA unter Verwendung eines bestimmten geklonten menschlichen ß- Globin-cDNA-Plasmids als Hybridisierungssonde abgesucht wurde.

5.4. Falls - analog dazu - der Fachmann in Betracht gezogen hätte, die "Lawn's gene bank" nach DNA-Sequenzen abzusuchen, die für ein Polypeptid des Typs IFN-alpha- codieren, so hätte er dazu eine geeignete Hybridisierungssonde gebraucht. Aus der Entgegenhaltung 93 geht jedoch eindeutig hervor, daß nur sehr lange DNA- Sequenzen, z. B. Fragmente aus einem bestimmten ß-Globin-cDNA- Plasmid, die den ß-Globin-Genteil enthalten, hier als Hybridisierungssonden verwendet worden waren.

Demnach hätte der Fachmann, um unter den in der Vielzahl von Klonen der "Lawn's gene bank" versteckten DNA-Insertionen eine DNA-Sequenz nach Anspruch 1 b ausfindig zu machen, spezifische Hybridisierungssonden vergleichbarer Länge benötigt, die vor dem ersten Prioritätstag des Streitpatents noch nicht offenbart waren.

5.5. Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, die Sammlung mit Oligonucleotidsequenzen abzusuchen, die allerdings erst noch im Wege der Synthese aus Teilsequenzen der Polypeptidkette, die in dem Dokument Zoon (108) als Teil eines lymphoblastoiden Interferons identifiziert worden sind, hätten hergestellt werden müssen. Dazu hätten die entsprechenden Nucleotidketten unter Inkaufnahme einer gewissen Degenerierung synthetisch aufgebaut werden müssen. Da die Sonden kürzer als z. B. die "Hif-2h"- Sequenz der Patentinhaberin und nach den Degenerierungsregeln auch noch variabel gewesen wären, wäre der abzusuchende Bereich sehr viel größer und die Wahrscheinlichkeit sehr viel höher gewesen, daß mit Stoffen hybridisiert wird, die nicht zu aktiven Endprodukten führen. Auch hätte dem Fachmann kein unmittelbarer, eindeutiger Hinweis vorgelegen, der ihn zu irgendwelchen relevanten Fragmenten in der Sammlung hätte führen können. Dazu hätten andere Informationsquellen und Veröffentlichungen herangezogen werden müssen, die außerhalb des Rahmens der Neuheitsprüfung liegen.

5.6. Zur allgemeinen Information sei gesagt, daß auch dann, wenn einige Fragmente der Sammlung tatsächlich die geforderten Eigenschaften aufweisen, noch nicht gesagt ist, daß sie ohne unzumutbaren Aufwand zugänglich sind. Daß diese Phagen in einer willkürlichen Sammlung von 240 000 nicht näher bezeichneten Einzelproben versteckt sind, ist hier nicht unerheblich.

Zwar wird in dem Patent zweifellos erwähnt, daß mit der Sonde "Hif-2h" positive Hybridisierungsergebnisse erzielt worden sind; dies bedeutet jedoch noch nicht, daß das davon unabhängige Kriterium der IFN-alpha-Aktivität nach der Expression auch von einigen Stoffen in der Genbank erfüllt worden wäre. Uber diesbezügliche Versuche wird nichts berichtet.

5.7. Das vermutete Vorliegen einiger Fragmente, die die anspruchsgemäßen Kriterien erfüllen, ist nicht vergleichbar mit dem zufälligen Vorhandensein eines nicht verzeichneten Buches in einer Bibliothek. Das Absuchen eines Bibliotheksbestandes ist zumindest für einen Teil der Öffentlichkeit ein unmittelbarer geistiger Vorgang. Im vorliegenden Fall jedoch muß die Sammlung durch physikalische Eingriffe und einen sich daran anschließenden biochemischen Prozeß abgefragt werden. Obwohl jedes Glasfläschchen, das den relevanten Phagen enthält, hier eine separate Einheit ist, ist es unmöglich, zu ihm zu gelangen, ohne sich vorher durch Zehntausende von Proben hindurchgearbeitet zu haben. Es ist so, als ob das Material unter Verschluß wäre und der Schlüssel dazu erst angefertigt werden müsse.

5.8. Die Gegebenheiten sind bestenfalls mit denen vergleichbar, die bei natürlichen Stoffen vorliegen; die Phagen sind nämlich nicht unmittelbar zugänglich, sondern liegen - ähnlich wie Komponenten oder Bakterien, die aus Bodenproben isoliert werden sollen - in Beimengung mit anderen unbrauchbaren Stoffen vor. Daher ist die Theorie nicht haltbar, daß die Genbank als solche ein für allemal alle Erfindungen vorwegnimmt, die sich auf eine Nucleotidsequenz beziehen, die vielleicht irgendwo in dieser Genbank enthalten ist.

Die bloße Tatsache, daß es unter der Vielzahl von Klonen der "Lawn's gene bank" eine DNA-Sequenz gibt, die für ein Polypeptid des Typs IFN-alpha codiert, bedeutet noch nicht zwangsläufig, daß die betreffende chemische Verbindung (Polynucleotid) tatsächlich zum Stand der Technik gehört. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Existenz der betreffenden Verbindung erkennbar öffentlich verfügbar gemacht worden wäre.

Die Ansprüche 1 b, 2 e und 7 sind neu.

6. Priorität (Artikel 87 bis 89 EPU) und Neuheit des Anspruchs 5 (Artikel 54 EPU)

6.1. Anspruch 5 des Hauptantrags, der frühere Anspruch 6, ist erstens auf eine IFN-alpha Codierungssequenz, der Nucleotide vorangestellt sind, die einem Teil der Signalsequenz entsprechen, und zweitens auf eine Sequenz gerichtet, die die Synthese von IFN-alpha2 auslöst und damit den operativen Teil der Nucleotidsequenz "HcIF-II-206" bildet. Diese wurde zusammen mit der relevanten operativen Nucleotid-Teilsequenz am 19. September 1980 in dem "Streuli"-Dokument (21a) veröffentlicht. Diese technischen Merkmale sind mit dieser Genauigkeit erst in der später, nämlich am 2. Oktober 1980, eingereichten Anmeldung (BIOGEN III) beschrieben.

6.2. Die Einspruchsabteilung hat zu Recht entschieden, daß der frühere Anspruch 6 und die entsprechenden Ansprüche 20 und 33 ihre Priorität nur aus der Anmeldung Biogen III herleiten dürften. Die Behauptung, die Bezugnahme auf die Sequenz "II-206" in Biogen II und auf die entsprechende Hinterlegung eines Stammes, der die vollständige Sequenz in rekombinanter Form enthalte, begründe implizit auch die Priorität für einen Teil der Sequenz, kann die Kammer nicht gelten lassen. In ihrer früheren Entscheidung T 81/87 "Prä-Pro-Rennin" vom 24. Januar 1989 (ABl. EPA 1990, 250) wies die Kammer darauf hin, daß für Prioritätszwecke der Gegenstand der Ansprüche "in der früheren Anmeldung insgesamt klar erkennbar sein" und sich auf "dieselbe Erfindung" beziehen muß. In der Entscheidung heißt es weiter, daß die Offenbarung aller wesentlichen Bestandteile entweder ausdrücklich offenbart oder "unmittelbar und unzweideutig in der eingereichten Fassung implizit enthalten sein" müsse (vgl. Nr. 5 und 13 der Entscheidungsgründe). Zwar sind in BIOGEN II das gesamte rekombinante Plasmid und die darin enthaltene "II-206"- Sequenz durch die Hinterlegung und die entsprechende Beschreibung einiger Merkmale von "II-206" vollständig offenbart; dies gilt jedoch nicht für die Einzelheiten, d. h. die verschiedenen Bestandteile dieser Stoffe, die in BIOGEN II überhaupt nicht beschrieben worden sind.

6.3. In der obengenannten Entscheidung wurde auch festgestellt, daß Gegenstände, "die erst später als wesentlich erkannt werden,... nicht zur Offenbarung" gehören.

Ist dem Fachmann ein Stoff als solcher offenbart worden, so bedeutet dies nach Auffassung der Kammer nicht zwangsläufig, daß damit für Prioritätszwecke auch ein Bestandteil offenbart worden ist, wenn dieser nicht unmittelbar und eindeutig als solcher erkennbar ist, sondern es erheblicher Untersuchungen bedarf, um seine Identität festzustellen.

6.4. Somit wurde der Gegenstand des Anspruchs 5, der sich nur auf den operativ wichtigen Teil der sehr viel längeren "II-206"- Sequenz bezieht, nicht in BIOGEN II, sondern erst in der späteren BIOGEN III offenbart. Er wird deshalb von der Entgegenhaltung 21a vorweggenommen, in der alle diese Sequenzen ausdrücklich beschrieben sind. Dasselbe gilt für die neuen Ansprüche 18 und 31.

6.5. Der Hauptantrag wird deshalb zurückgewiesen; in dem eingereichten Hilfsantrag, in dem diese Ansprüche gestrichen sind, ist jedoch keiner der Ansprüche vorweggenommen; er kann daher weiter geprüft werden. Im folgenden wird bei Bezugnahmen auf die Ansprüche die Numerierung im Hilfsantrag verwendet.

6.6. Da hier zugunsten der Beschwerdegegnerinnen entschieden worden ist, ist deren Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer (vgl. VII ii)) nach Artikel 112 EPU nicht mehr gerechtfertigt und wird deshalb zurückgewiesen.

7. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPU)

Zitierbarkeit des "Nagata"-Artikels

7.1. Wie dem Sachverhalt und den Anträgen zu entnehmen ist (s. III iv), wurde die Frage der erfinderischen Tätigkeit von der Einspruchsabteilung nur im Zusammenhang mit den Ansprüchen 2 d und 12 geprüft, die im Hinblick auf die Lehre der Entgegenhaltung 16 für naheliegend erachtet wurden. Bei dieser Entgegenhaltung handelt es sich um einen Artikel über die Synthese eines Polypeptids mit humaner Leukocyten-Interferon- Aktivität in einem E. coli, der am 27. März 1980 in der Zeitschrift Nature veröffentlicht worden ist und zu deren Verfassern auch Charles Weissmann, der Erfinder im vorliegenden Fall, zählt. Die Entgegenhaltung wurde nach dem Namen eines ihrer Autoren in diesem Verfahren allgemein als "Nagata" bezeichnet.

7.2. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung wurde entschieden, daß für die Ansprüche 2 d und 12 nur die Priorität der am 3. April 1980 (also nach der Veröffentlichung des Nagata- Artikels) eingereichten Anmeldung Biogen II in Anspruch genommen werden dürfe. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) machte jedoch geltend, daß der Nagata-Artikel, in dem lediglich der Gegenstand beschrieben sei, der in der am 8. Januar 1980 (also vor Veröffentlichung des Nagata-Artikels) eingereichten Biogen I- Anmeldung offenbart sei, hinsichtlich der Ansprüche 2 und 12 für die Zwecke des Artikels 56 EPU nicht zum Stand der Technik gezählt werden könne. Sie berief sich hierbei auf die Artikel 87 bis 89 EPU und insbesondere auf Artikel 4 B der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (im folgenden PVU genannt). Die Einspruchsabteilung ließ dieses Argument nicht gelten, sondern vertrat die Auffassung, daß der Nagata-Artikel den Ansprüchen 2 d und 12 entgegengehalten werden könne, da er vor dem Prioritätstag dieser Ansprüche veröffentlicht worden sei.

7.3. Die Beschwerdeführerin verfolgte dieses Argument in ihrer Beschwerdebegründung nicht weiter, sondern stützte sich auf die Behauptung, daß die betreffenden Ansprüche gegenüber der Lehre des Nagata-Artikels sehr wohl erfinderische Tätigkeit aufwiesen. Im weiteren Verfahren vor der Kammer kam die Beschwerdeführerin jedoch auf diese Rechtsfrage zurück und verteidigte entschieden den von ihr im Einspruchsverfahren vertretenen Standpunkt. Die Beschwerdegegnerinnen bestritten ebenso nachdrücklich, daß der Nagata-Artikel den Ansprüchen 2 d und 12 nicht als Stand der Technik entgegengehalten werden dürfe.

7.4. Wäre es für die Stellungnahme der Kammer nur auf diese Rechtsfrage angekommen, so wäre es vielleicht gerechtfertigt gewesen, sie der Großen Beschwerdekammer vorzulegen. Wie im folgenden dargelegt wird, vertritt die Kammer jedoch die Auffassung, daß die Ansprüche 2 d und 12 gegenüber der Lehre des Nagata-Artikels eine erfinderische Tätigkeit aufweisen, gleichgültig ob dieser Artikel nun zum Stand der Technik gehört oder nicht. Angesichts dessen verzichtet die Kammer darauf, die Frage der Großen Beschwerdekammer vorzulegen. Dennoch hält sie es für angebracht, diese Frage, die von allgemeinem Interesse und erheblicher Bedeutung ist, nicht ganz unbeantwortet zu lassen, sondern ihren Standpunkt hierzu darzulegen.

7.5. Die Beantwortung der Frage, ob der Nagata-Artikel den Ansprüchen 2 d und 12 entgegengehalten werden kann, hängt von der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des EPU über die Priorität, d. h. der Artikel 87 bis 89 EPU, ab.

Wie die Juristische Beschwerdekammer in der Entscheidung J 15/80 (ABl. EPA 1981, 213) dargelegt hat, bilden diese Bestimmungen eine eigenständige Prioritätsregelung für europäische Patentanmeldungen, da die PVU für das EPA nicht formell bindend ist. In Anbetracht insbesondere der Tatsache, daß das EPU ein Sonderabkommen im Sinne des Artikels 19 PVU darstellt, liegt es jedoch auf der Hand, daß es nicht beabsichtigt ist, daß gegen die in der PVU festgelegten Prioritätsgrundsätze verstoßen wird. Folglich müssen auch die Bestimmungen z. B. des Artikels 4 B PVU, in dem die grundlegende Wirkung des Prioritätsrechts dargelegt wird, bei der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des EPU gebührend berücksichtigt werden. Tatsächlich ist davon auszugehen, daß sich das EPU dort, wo es keine entsprechende ausdrückliche Erläuterung der Wirkung des Prioritätsrechts enthält, auf die in Artikel 4 B PVU festgelegten Grundsätze stützt.

7.6. Nach Artikel 4 B PVU kann eine während des Prioritätsjahrs erfolgte spätere Hinterlegung u. a. nicht dadurch "unwirksam gemacht werden", daß die Erfindung, die Gegenstand der Erstanmeldung ist, innerhalb der Prioritätsfrist veröffentlicht wird. Dies bedeutet insbesondere, daß diese Veröffentlichung für die Erfindung, für die in der späteren Anmeldung die Priorität in Anspruch genommen wird, weder neuheitsschädlich ist noch die darin zum Ausdruck kommende erfinderische Tätigkeit, wie sie am Anmeldetag der prioritätsbegründenden Erstanmeldung gegeben war, schmälert (vgl. Bodenhausen's Guide to the Application of the Paris Convention, BIRPI 1968, S. 40 - 43). Zweck dieser Bestimmung ist es natürlich, den Erfinder nicht nur in die Lage zu versetzen, sondern auch zu ermutigen, seine Erfindung frühzeitig bekanntzumachen, was mit einem der Grundziele des Patentsystems, nämlich der Förderung einer raschen Verbreitung von Informationen und Technologie, voll in Einklang steht. Sie bietet dem Erfinder ferner eine gute Chance, die Erfindung innerhalb einer angemessenen Frist wirtschaftlich zu nutzen.

7.7. Diese Grundsätze bereiten keine größeren Schwierigkeiten bei einfach gelagerten Fällen, bei denen die spätere Anmeldung genau dieselbe Erfindung (Gegenstände, Bestandteile usw.) umfaßt wie die Erstanmeldung, deren Priorität in Anspruch genommen wird. Im vorliegenden Fall ist die Sachlage jedoch komplizierter, da die Beschwerdeführerin für verschiedene Ansprüche ihres streitigen europäischen Patents mehrere Prioritäten in Anspruch nimmt; dies ist nach Artikel 88 EPU zulässig, sofern Einheitlichkeit der Erfindung im Sinne des Artikels 82 EPU vorliegt (vgl. Art. 4 F PVU). Für die Ansprüche 2 d und 12 nimmt sie, wie gesagt, die Priorität der Anmeldung Biogen II in Anspruch. Diese Ansprüche enthalten auch Gegenstände (ganz bestimmte DNA-Sequenzen), die durch die Offenbarung der Anmeldung Biogen I, der ersten prioritätsbegründenden Anmeldung, nicht erfaßt sind. Somit stellt Biogen II eine Weiterentwicklung der in Biogen I offenbarten Erfindung dar. Auch die Anmeldung Biogen III, die letzte prioritätsbegründende Anmeldung, ist eine Weiterentwicklung gegenüber der Offenbarung der beiden früheren Anmeldungen. Hierzu sei festgestellt, daß solche Erweiterungen in späteren Anmeldungen bei Beanspruchung von mehreren Prioritäten kein Hinderungsgrund dafür sind, daß denjenigen Erfindungsgegenständen, die bereits in den früheren Anmeldungen vorhanden waren, der Schutz zuerkannt wird (vgl. Art. 88 (3) EPU und den unter Nr. 7.6 genannten Guide, S. 54). Im vorliegenden Fall ist also die Tatsache, daß BIOGEN II auch Gegenstände enthält, die über die Offenbarung von BIOGEN I hinausgehen, und daß den Ansprüchen 2 d und 12 nur die Priorität aus BIOGEN II zusteht, kein Grund, den in dieser ersten Anmeldung offenbarten Gegenständen den Schutz aus BIOGEN I nicht zuzuerkennen.

7.8. Nach Ansicht der Kammer läßt sich die Rechtslage wie folgt zusammenfassen.

Wird für eine europäische Patentanmeldung gemäß Artikel 88 EPU eine Priorität in Anspruch genommen, so kann eine Veröffentlichung (oder sonstige Offenbarung im Sinne des Artikels 4 B PVU) des Inhalts der prioritätsbegründenden Anmeldung in dem Zeitraum zwischen deren Einreichung und der Einreichung der europäischen Patentanmeldung (als letzter Anmeldung) einem Anspruch der europäischen Anmeldung nicht als Stand der Technik entgegengehalten werden. Geht diese Veröffentlichung jedoch über den Inhalt einer früher eingereichten Anmeldung hinaus und umfaßt Gegenstände, die von deren Offenbarung nicht erfaßt werden, so kann diese Offenbarung einem Anspruch in der (zuletzt eingereichten) europäischen Patentanmeldung, die einen nach dem Veröffentlichungsdatum liegenden Prioritätstag beansprucht, grundsätzlich entgegengehalten werden. Es sei hinzugefügt, daß jede andere Auffassung das System der Mehrfachpriorität illusorisch machen würde.

7.9. Die Sachlage im vorliegenden Fall deutet ganz klar darauf hin, daß der Nagata-Artikel tatsächlich eine echte Offenbarung des Gegenstands der Anmeldung BIOGEN I ist, soweit dieser den Anspruch 1 des streitigen europäischen Patents betrifft. Somit berührt die nach Einreichung von BIOGEN I erfolgte Veröffentlichung des Nagata-Artikels nicht den Anspruch auf den Schutz aus dieser Anmeldung für die europäische Anmeldung, soweit es um die in BIOGEN I offenbarten Gegenstände geht. Entsprechend Artikel 89 EPU bedeutet dies, daß die Ansprüche 2 d und 12 zwar nur die Priorität von BIOGEN II in Anspruch nehmen dürfen, der Prioritätstag von BIOGEN I, also der 8. Januar 1980, jedoch für die entsprechenden Gegenstände als Anmeldetag der vorliegenden europäischen Patentanmeldung gilt. Folglich gehört der Nagata- Artikel für die Ansprüche 2 d und 12 (und eigentlich auch für alle anderen Ansprüche) des europäischen Patents nicht zum Stand der Technik im Sinne des Artikels 56 EPU. Somit liegt bei diesen Ansprüchen grundsätzlich keine mangelnde erfinderische Tätigkeit vor.

Erfinderische Tätigkeit gegenüber "Nagata"

7.10. Selbst wenn das Nagata-Dokument entgegengehalten werden könnte, ließe sich die Feststellung der Einspruchsabteilung nicht aufrechterhalten, daß die beiden Plasmide nach Anspruch 2 d gegenüber der allgemeinen Lehre von Nagata über die Herstellung in Plasmiden, die Polypeptide mit humaner Leukocyteninterferon- Aktivität in E. coli exprimieren könnten, nicht erfinderisch seien.

7.11. Wie bereits weiter oben erwähnt, offenbart der Nagata- Artikel die maßgeblichen Teile von BIOGEN I.

Er beschreibt u. a. die relevanten Rekombinanten des Anspruchs 1 a, die die Mittel zum "Fischen" nach ähnlichen Strukturen mittels der Hybridisierungsreaktion, z. B. die Sondensequenzen an "HcIF-4c", "HcIF-2h" und andere, enthalten. Durch die Veröffentlichung dieser Ergebnisse würde der Fachmann angeblich in naheliegender Weise zu den weiteren in Anspruch 2 d konkret aufgeführten relevanten Sequenzen gelangen.

7.12. Die technische Aufgabe auf diesem Gebiet hätte darin bestanden, durch eine Weiterprozessierung zu bestimmten Vorläufern zu gelangen, die die genannten spezifischen Eigenschaften und besonderen Strukturen aufweisen. Durch die Lösung dieser Aufgabe sollten konkret nur die Strukturen "II-206" und "SN35-AHL6" und keine anderen bereitgestellt werden. Tatsächlich enthalten die transformierten Wirte (Anspruch 12) die Insertionen nach Anspruch 2 d, die gegenüber dem im Nagata- Artikel offenbarten Gegenstand einige überraschende technische Wirkungen aufweisen. Falls es einem Durchschnittsfachmann geglückt wäre, ein E. coli-Klon HB101 (Z-pBR322(Pst)/HcIF-II-206) dadurch zu identifizieren, daß er erkannt hätte, daß das Hybridplasmid dieses Klons, kurz "HcIF-II-206" genannt, und seine DNA-Insertion, kurz "Hif-II-206-Fragment" genannt, schwach hybridisieren zu einem Hif-4c- und Hif-2h-Fragment, die beide Gegenstand des Nagata-Artikels sind, wäre zweifellos nicht zu erwarten gewesen, daß das Hif-II-206-Fragment der Vorläufer eines weiteren wertvollen interferon-ähnlichen Proteins, des sogenannten IFN-alpha2, ist. Als die relative IFN-alpha Aktivität anhand eines ähnlichen Verfahrens wie dem im Nagata-Artikel offenbarten (s. Erläuterung zu Tabelle 3) bestimmt wurde (vgl. EP-B-32 134, S. 33, Zeilen 10 - 29 und 35), war das IFn-2 rund 30mal aktiver bei menschlichen CCL23-Zellen als das strukturell anders geartete IFN-alpha1, das in dem Nagata-Artikel offenbart wird.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, daß die auf DNA- und Protein- Ebene bestehenden Stukturunterschiede dem Gegenstand der Ansprüche 2 d und 12 unerwartet eine wertvolle Eigenschaft verleihen.

7.13. Die Beschwerdegegnerinnen machten in diesem Zusammenhang geltend, daß die in dem Patent (S. 33, Zeile 35) genannte höhere antivirale Aktivität nur visuell ermittelt worden sei, so daß der betreffende Versuch qualitativ nur einen grob informierenden Charakter aufweise und damit eine patentstützende Wirkung nicht ausreichend nachweisen könne. Andererseits hat keine der Beschwerdegegnerinnen irgendwelche Ergebnisse vorgelegt, die die Behauptung erhärten, daß die biologische Aktivität, die in dem obengenannten Test mit menschlichen Zellen offensichtlich für das IFN-alpha2 sprach, bei einem anderen, relevanteren Versuch zur Feststellung der antiviralen Aktivität auf menschliche Zellen geringer ausfallen oder gar ins Gegenteil verkehrt werden könne.

7.14. Das als Z-pBR322(Pst)/HcIF-SN35-AHL6 bezeichnete modifizierte Plasmid soll gegenüber dem aus dem Nagata-Artikel bekannten Ausgangsplasmid Hif-SN35 ebenfalls unerwartete Eigenschaften aufweisen. Wirte, die mit diesem modifzierten Plasmid transformiert worden sind (s. Anspruch 12), erzeugen rund 100mal mehr Protein mit humaner Leukocyteninterferon-Aktivität als Wirte, die mit den aus dem Nagata-Artikel nicht bekannten Z- pBR322(Pst)/HcIF-SN35 transformiert worden sind (vgl. Patent, S. 27, Zeilen 53 - 63). Diese überraschende technische Wirkung hinsichtlich der Ausbeute wird auch dadurch nicht geschmälert, daß in dem E. coli ein Protein hergestellt wurde, das sechs zusätzliche Aminosäurereste aufweist, die mit dem Amino-Endteil der IFN-alpha1 (SN35)-Sequenz fusioniert sind. Die Beschwerdegegnerinnen brachten vor, daß die Verlängerung der Proteinsequenz a priori ein klarer Nachteil sei, ohne diese Behauptung jedoch zu beweisen. Mangels relevanter Versuchsergebnisse gibt es keinen Beweis dafür, daß die Erhöhung der Proteinexpression um das rund 100fache sich wegen der weiteren Verarbeitung oder der Proteinrückgewinnung letztlich als ein Nachteil erweisen könnte.

Der Gegenstand der Ansprüche 2 d und 12 beruht daher auf erfinderischer Tätigkeit.

8. Weitere Fragen

In Anbetracht dessen ist der Hilfsantrag im Hinblick auf alle bisher von der Einspruchsabteilung geprüften Gründe einschließlich des Einwands der mangelnden erfinderischen Tätigkeit bei den Ansprüchen 2 d und 12 gewährbar. Die erste Instanz sollte nun die von ihr bisher noch nicht untersuchten Fragen der erfinderischen Tätigkeit prüfen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Alle Anträge auf Vorlage von Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer werden zurückgewiesen.

2. Der Hauptantrag wird zurückgewiesen.

3. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung wird aufgehoben.

4. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung mit der Auflage zurückverwiesen, auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags eine weitere Prüfung vorzunehmen.

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