T 0043/01 () of 21.12.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T004301.20041221
Datum der Entscheidung: 21 Dezember 2004
Aktenzeichen: T 0043/01
Anmeldenummer: 95942074.6
IPC-Klasse: D01F 2/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 37 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Lösungsmittelgesponnene cellulosische Filamente
Name des Anmelders: Akzo Nobel N.V.
Name des Einsprechenden: Zimmer Aktiengesellschaft
Alceru Schwarza GmbH
Thüringisches Institut für Textil- und Kunststoff-
Forschung e.V.
Kammer: 3.3.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Änderung - Erweiterung - (verneint)
Klarheit der Ansprüche - (bejaht)
Ausreichende Offenbarung - (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit - (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0201/83
T 0301/87
T 1004/01
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 0 797 694 mit der Anmeldenummer 95 94 207.4, die auf die internationale Anmeldung Nr. PCT/EP95/04808 (veröffentlicht als WO96/18760) zurückgeht, wurde mit Wirkung vom 26. August 1998 erteilt. Anspruch 1 lautete wie folgt:

"Lösungsmittelgesponnene cellulosische Filamente aus einer Lösung von Cellulose in einem tertiären Amin-N- oxid und gegebenenfalls Wasser mit einer Festigkeit von 50. bis 80 cN/tex, einer Bruchdehnung von 6 bis 25 % und einer spezifischen Reißzeit von mindestens 300s/tex."

Die Ansprüche 2 bis 7 betrafen Ausführungsformen der Filamente nach Anspruch 1.

II. Gegen die Erteilung wurde Einspruch eingelegt, mit dem Antrag, das Patent aufgrund von Artikel 100 a) und Artikel 100 b) EPÜ zu widerrufen.

III. Mit Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 23. November 2000 wurde das Patent widerrufen. In der angefochtenen Entscheidung wurde die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstandes anerkannt, soweit sich dieser innerhalb des von den Beispielen abgedeckten Bereiches bewege. Es wurde aber festgestellt, daß das Streitpatent den Gegenstand von Anspruch 1 nicht so deutlich und vollständig offenbare, daß ein Fachmann ihn ausführen könne. Der Fachmann sei nicht in der Lage, Filamente im gesamten beanspruchten Bereich herzustellen, da die in der Patentschrift und in den Beispielen dargelegte technische Lehre dazu nicht ausreiche. Insbesondere sei ein Filament mit sowohl einer Bruchdehnung von mindestens 6 % als auch einer spezifischen Reißzeit von mindestens 300 s/tex und gleichzeitig einer Festigkeit von über 70 cN/tex, insbesondere 80 cN/tex, nicht herstellbar. Das gelte auch für ein Filament mit einer Festigkeit von mindestens 50 cN/tex, einer spezifischen Reißzeit von mindestens 300 s/tex und gleichzeitig einer Bruchdehnung von 20 %, insbesondere 25 %.

IV. Am 12. Januar 2001 legte die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin), unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr, gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde ein. Mit der Beschwerde- begründung vom 21. März 2001 wurden neue Ansprüche 1 bis 5. als Hauptantrag eingereicht. Mit Schreiben vom 14. Januar 2002 wurden weitere Ansprüche 1 bis 5 als einziger Antrag eingereicht.

Anspruch 1 lautet wie folgt:

"Lösungsmittelgesponnene cellulosische Filamente aus einer Lösung von Cellulose in einem tertiären Amin-N- oxid und gegebenenfalls Wasser mit einer Festigkeit von 52,7 bis 66 cN/tex, einer Bruchdehnung von 6 bis 13 % und einer spezifischen Reißzeit von 300 bis 1000 s/tex."

Die geänderten Ansprüche 2 bis 5 entsprechen den erteilten Ansprüchen 4 bis 7.

Die Beschwerdegegnerin erhob mit Schreiben vom 12. November 2004 Einwände nach Artikel 123 (2), 84 und 83. EPÜ gegen die neuen Ansprüche.

Die mündliche Verhandlung fand am 21. Dezember 2004 statt.

V. Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefaßt werden:

a) Die geänderten Bereiche für Festigkeit, Bruchdehnung und spezifische Reißzeit seien in der ursprünglichen Beschreibung offenbart, mit Ausnahme des unteren Wertes 52,7cN/tex für die Festigkeit, der auf Beispiel 6 beruhe. Durch diese Änderung, die lediglich eine Einschränkung darstelle, um die Einwände der Einspruchsabteilung auszuräumen, entstehe keine neue Erfindung. Die Merkmale der Filamente könnten unabhängig voneinander beeinflußt werden und obwohl eine gewisse gegenseitige Abhängigkeit bestehe, sei diese nicht so groß, daß die jetzt beanspruchte Kombination nicht zulässig sei.

b) Die Änderungen in den Ansprüchen führten zu keinen Unklarheiten.

c) Die geänderten Ansprüche seien durch die Beispiele gestützt, so daß nachgewiesen sei, wie die beanspruchten Werte erreichbar seien. Aus der Beschreibung gehe hervor, wie die drei Eigenschaften zu beeinflussen seien. Die Bruchdehnung solle übliche Werte annehmen, ohne daß sie durch eine Erhöhung der Festigkeit und Reißzeit verschlechtert werde. Die Reißzeit werde vor allem durch den K-Wert bestimmt, dessen direkte Beeinflussung durch Polymerisations- grad, Konzentration und Wickelgeschwindigkeit, neben anderen Möglichkeiten, detailliert beschrieben sei. Ein K-Wert von über 259 alleine sei jedoch keine Garantie für den Erhalt eines beanspruchten Filaments. Eine weitere Anpassung anderer Parameter könne notwendig sein, wie eine Änderung der Festigkeit oder der Bruchdehnung, für die drei, bzw. zwei "Stellschrauben" angegeben seien. Auch wenn bestimmte Kombinationen von Werten schwierig zu erreichen seien, sei der Fachmann, aufgrund dieser Informationen und der Beispiele in der Lage, Filamente innerhalb der beanspruchten Bereiche herzustellen. Die Beschwerdegegnerin habe nicht nachgewiesen, daß dieses nicht der Fall sei.

d) Zur erfinderischen Tätigkeit wurden im Beschwerdeverfahren keine weiteren Argumente vorgebracht.

VI. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefaßt werden:

a) Die jetzt beanspruchten Bereiche für Festigkeit, Bruchdehnung und spezifische Reißzeit seien in der ursprünglichen Beschreibung so nicht offenbart. Diese geänderte Merkmalskombination stelle eine Art Auswahl dar. Die beanspruchten Merkmale seien nicht völlig unabhängig voneinander wie in der Entscheidung T 201/83 (ABl. 1984, 481), die daher im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Vielmehr sei hier T 1004/01 (vom 1. September 2004, nicht im Amtsblatt veröffentlicht) einschlägig. Diese Kombination sei nach Artikel 123 (2) EPÜ nicht zulässig.

b) Die geänderten Ansprüche seien nach Artikel 84 EPÜ zu beanstanden, da für das Erzielen der beanspruchten Werte wesentliche Merkmale fehlten.

c) Die Informationen, die der Fachmann aus den Beispielen ableiten könne, seien widersprüchlich und gäben keinen Anhaltspunkt dafür, wie die beanspruchten Filamente herzustellen seien. Ein K- Wert über 259 reiche dazu nicht aus, wie die während des Einspruchsverfahrens von der Beschwerdegegnerin eingereichten Versuche zeigten. Die Möglichkeiten, höhere Werte zu erreichen, seien in den Beispielen schon erschöpft, so daß Anweisungen fehlten, wie man weitere Verbesserungen erzielen könne. Auch fehlten Informationen, wie man bei einer hohen Bruchdehnung gleichzeitig eine Erhöhung der Festigkeit bewerkstelligen könne. Wenn zum Erreichen der erwünschten Bereiche so viele Parameter richtig eingestellt werden müßten, werde es praktisch unmöglich, ein Filament innerhalb der beanspruchten Bereiche herzustellen. Artikel 83 EPÜ sei somit nicht erfüllt.

d) Zur erfinderischen Tätigkeit hat sich die Beschwerdegegnerin im schriftlichen Beschwerde- verfahren nicht geäußert. Während der mündlichen Verhandlung nahm sie lediglich auf die im Einspruchsverfahren vorgebrachten Argumente Bezug.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents mit folgenden Unterlagen:

Ansprüche 1 bis 5, eingereicht mit Schreiben vom 14. Januar 2002; Beschreibung wie erteilt mit der Maßgabe, daß Seite 2, Zeile 44 bis zum Ende der Seite durch die in der mündlichen Verhandlung überreichte Fassung ersetzt wird.

Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Änderungen

2. Anspruch 1 unterscheidet sich vom ursprünglich eingereichten und in dieser Form erteilten Anspruch 1 dadurch, daß die Bereiche für die Eigenschaften der beanspruchten Filamente beschränkt wurden. Auf der ursprünglichen Seite 4, zweiter vollständiger Absatz (Seite 2, Zeilen 48 bis 50 in der erteilten Fassung), sind für die Festigkeit Bereiche von 50 bis 70 cN/tex, insbesondere 53 bis 66 cN/tex angegeben, für die Bruchdehnung 6 bis 20 %, insbesondere 6 bis 13 %, und für die spezifische Reißzeit 300 bis 2000 s/tex, beispielsweise 300 bis 1000 s/tex, beziehungsweise 304 bis 767 s/tex. Die Kombination der Bereiche 50 bis 70 cN/tex (Festigkeit), 6 bis 13 % (Bruchdehnung) und 300 bis 1000 s/tex (Reißzeit), sowie die Kombination 53 bis 66. cN/tex, 6 bis 13 % und 300 bis 1000 s/tex sind somit offenbart. Die zu beantwortende Frage ist deshalb, ob der Festigkeitswert von 52,7 cN/tex so in der ursprünglichen Anmeldung offenbart ist, daß er die Grundlage für die Untergrenze eines neu beanspruchten Bereichs bilden kann.

2.1. Eine Festigkeit von 52,7 cN/tex wird in Beispiel 6 beschrieben. Dort wird ein Filament aus Südkiefer- Zellstoff mit einem Polymerisationsgrad von 1360, mit einer Bruchdehnung von 7,3 % und einer Reißzeit von 369 s/tex hergestellt. Die Beschwerdegegnerin war der Meinung, daß der Wert von 52,7 cN/tex als Bereichsgrenze für die Festigkeit nicht zulässig sei, da diese mit bestimmten Werten für Bruchdehnung und Reißzeit verknüpft sei und nicht unabhängig von den anderen Werten gesehen werden könne. Daher lägen die Voraussetzungen gemäß der Entscheidung T 201/83 (supra) im vorliegenden Fall nicht vor.

2.2. In T 201/83 (supra) wurde ein Wert aus einem Beispiel als neue Grenze eines Bereichs akzeptiert, da der Fachmann ohne weiters erkennen konnte, daß dieser Wert mit den übrigen Merkmalen des Beispiels nicht so eng verbunden war, daß er die Wirkung dieser erfindungs- gemäßen Ausführungsform als Ganzes auf außergewöhnliche Weise und in erheblichem Ausmaß bestimmte (Punkt 12, letzter Absatz). Die Beschwerdegegnerin hat keine Gründe angegeben, und die Kammer sieht auch keinen Anlaß, warum dieser Maßstab nicht auch in dem vorliegenden Fall angewendet werden könnte.

Auch in der Entscheidung T 1004/01 (supra) wird auf T 201/83 (supra) Bezug genommen und der dort genannte Maßstab angewandt. Während jedoch in T 201/83 (supra) die Kammer zu dem Schluß kam, daß die betreffenden Merkmale nicht miteinander verknüpft waren, lag in der Entscheidung T 1004/01 ein anderer Sachverhalt vor, aufgrund dessen eine Verknüpfung festgestellt wurde. In beiden Entscheidungen wird also der gleiche Bewertungs- maßstab angewandt. Die zu beantwortende Frage ist deshalb auch hier, ob der spezifische Festigkeitswert von 52,7 cN/tex mit den übrigen Merkmalen des Beispiels 6. so eng verbunden ist, daß er die Wirkung dieser erfindungsgemäßen Ausführungsform als Ganzes auf außergewöhnliche Weise und in erheblichem Ausmaß bestimmt.

2.3. In der Patentschrift (Seite 6, Zeile 37 bis Seite 7, Zeile 14) werden Mittel zur Beeinflussung des K-Wertes, der Festigkeit und der Reißzeit angegeben. Auch wird ausgeführt, daß eine Maßnahme zur Erhöhung der Festigkeit, mit der eine Verringerung der Bruchdehnung auftritt, durch andere Maßnahmen wieder ausgeglichen werden kann (Seite 7, Zeilen 9 bis 10). Aus diesen Angaben geht nicht hervor, daß die Verbesserung einer Eigenschaft notwendig zur Verschlechterung einer anderen Eigenschaft führt. Im Gegenteil, wenn eine Maßnahme, die zur Verbesserung einer Eigenschaft führt, die Verschlechterung einer anderen Eigenschaft zur Folge hat, kann letztere durch eine geeignete Maßnahme wieder verbessert werden. Folglich sind Festigkeit, Bruchdehnung und Reißzeit nicht so eng mit einander verbunden, daß die einzelnen Werte nicht individuell einstellbar wären.

Die Beispiele bestätigen die vorwiegende Unabhängigkeit der Eigenschaften: Eine Kombination Festigkeit- Bruchdehnung-Reißzeit von 52,7 cN/tex - 7,3 % - 369 s/tex (Beispiel 6) ist genausogut möglich, wie eine Kombination von 53,2 cN/tex - 13,0 % - 374 s/tex (Beispiel 1), 52,8 cN/tex - 13,0 % - 1000s/tex (Beispiel 11), oder 53,3 cN/tex - 9,0 % - 621 s/tex (Beispiel 5). Daraus läßt sich schließen, daß bei einer niedrigen Festigkeit ein Filament mit einer niedrigen wie auch einer hohen Bruchdehnung, als auch mit einer niedrigen oder hohen Reißzeit erreicht werden kann. Die Festigkeit von 52,7 cN/tex ist also nicht so eng mit den übrigen Merkmalen des Beispiels verbunden, daß sie die Wirkung dieser erfindungsgemäßen Ausführungsform als Ganzes auf außergewöhnliche Weise und in erheblichem Ausmaß bestimmt. Damit ist die Verwendung des Einzelwertes 52,7 cN/tex aus Beispiel 6, die zudem ganz in der Nähe der allgemein bevorzugten Untergrenze von 53 cN/tex liegt, als neue Untergrenze für den beanspruchten Festigkeitsbereich zulässig und die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ sind erfüllt.

Klarheit

3. Anspruch 1 unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 nur in den Grenzwerten der beanspruchten Eigenschafts- bereiche. Die bloße Änderung der Bereichszahlen verursacht keine Widersprüche im Anspruch 1 selbst oder im Hinblick auf die anderen Ansprüche, was auch nicht von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht wurde. Sofern Unklarheiten bestünden, für die die Kammer aber keine Anhaltspunkte sieht, wären sie schon im erteilten Anspruch vorhanden gewesen und könnten folglich nicht im Einspruchsverfahren den Gegenstand eines Einwands nach Artikel 84 EPÜ bilden (T 301/87, ABl. 1990, 305, Nr. 3 der Entscheidungsgründe).

Die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ sind somit erfüllt.

Offenbarung

3.1. Wie oben ausgeführt (Punkt 2.3), werden in der Beschreibung (Seite 6, Zeile 37 bis Seite 7, Zeile 14) Mittel zur Beeinflussung des K-Wertes, der Festigkeit und der Reißzeit angegeben. Um die erfindungsgemäßen Filamente herzustellen, sind Polymerisationsgrad, Cellulosekonzentration und Aufwickelgeschwindigkeit so einzustellen, daß K einen Wert größer als 259 hat (Seite 6, Zeilen 37 bis 46). Auch werden Angaben gemacht, wie man darüber hinaus die Festigkeit und die Bruchdehnung unabhängig voneinander verbessern kann (Seite 6, Zeile 48 bis Seite 7, Zeile 11). Die Beispiele erläutern diese Angaben.

3.2. Aus dem Vorstehenden geht hervor, daß ein K-Wert von größer als 259 zwar eine Voraussetzung, jedoch keine Garantie für die Erzielung der beanspruchten Filamente ist. Es war zwischen den Parteien auch nicht streitig, daß weitere Maßnahmen dazu notwendig sein können.

3.3. Die Beschwerdegegnerin war jedoch der Auffassung, ein Offenbarungsmangel folge daraus, daß die Patentschrift nicht angebe, wie man Filamente mit Eigenschaftswerten erhalte, die gleichzeitig alle in den beanspruchten Grenzbereichen lägen. Demgegenüber hat die Beschwerde- führerin bestritten, daß Filamente mit Eigenschaften in den Grenzbereichen nicht herstellbar seien, auch wenn vielleicht nicht immer in einfacher Weise.

3.3.1. Die Kammer kann der Argumentation der Beschwerde- gegnerin nicht folgen. Zunächst stellt sich die Frage, ob es stets erforderlich ist, daß bei verschiedenen beanspruchten Eigenschaften, die durch Bereiche definiert sind, immer alle denkbaren Kombinationen von Grenzwerten erreichbar sein müssen. Bei einem Zusammenhang zwischen verschiedenen Eigenschaften, derart, daß die Verbesserung einer Eigenschaft ohne korrigierende Maßnahmen die Verschlechterung oder Verbesserung einer anderen Eigenschaft zur Folge hat, wird man vernünftigerweise nicht erwarten können, daß Produkte herstellbar sind, bei denen tendenziell gegenläufige Grenzwerte gleichzeitig erfüllt sein sollen. Es bestehen also gute Gründe, weshalb bei Produkten, bei denen jeder einzelne Parameter bis zu seinen Grenzwerten erreichbar ist, wenn auch nicht in Kombination mit allen anderen Grenzwerten, die Beanspruchung sämtlicher Grenzwerte berechtigt und mit Artikel 83 EPÜ vereinbar ist. Daher wird es regelmäßig ausreichend sein, daß Produkte für jeden einzelnen Eigenschaftsparameter innerhalb des angegebenen Gesamtbereichs herstellbar sind, sofern die anderen beanspruchten Eigenschaftsparameter gleichzeitig ebenfalls in einem vernünftigen Spielraum erfüllt sind. Diese Voraussetzung wird durch sämtliche Beispiele belegt.

3.3.2. Aus den Beispielen geht hervor, daß verschiedene Wertkombinationen von Festigkeit, Bruchdehnung und Reißzeit faktisch hergestellt wurden. Zudem gibt die Patentschrift eine Reihe von Möglichkeiten, wie man die einzelnen Eigenschaften, insbesondere die Festigkeit und die Bruchdehnung, einstellen kann. Da, wie oben (Punkt 2.3) festgestellt, zwischen den Eigenschaften keine so enge Verknüpfung besteht, daß die Verbesserung einer Eigenschaft notwendig zur Verschlechterung oder Verbesserung einer anderen Eigenschaft führt, ist es im Prinzip möglich, jede einzelne Eigenschaft zu beeinflussen, die angegebenen Grenzwerte für jeweils zumindest eine Eigenschaft zu erreichen und gleichzeitig für die anderen Eigenschaften noch vernünftige Variationsmöglichkeiten innerhalb der definierten Bereiche beizubehalten. Die Beschwerde- gegnerin hat nicht gezeigt, daß dies nicht möglich ist. Die von ihr während des Verfahrens erster Instanz eingereichten Versuche können ihre Behauptungen nicht belegen, da sämtliche Untersuchungen mit Zellstoffen durchgeführt wurden, die nach dem Streitpatent aufgrund des zu niedrigen Polymerisationsgrads die erwünschten Eigenschaften nicht erwarten lassen (Vergleichs- beispiele, Seite 6, Zeilen 11 bis 13, Tabelle II). Darüber hinaus sind bei diesen Versuchen die in der Patentschrift genannten Möglichkeiten, Parameterwerte zu beeinflussen, nicht ausreichend ausgeschöpft worden. Ferner sind auch keine Reißzeiten angegeben.

3.4. Folglich kommt die Kammer zum Schluß, daß der Fachmann aufgrund der in der Patentschrift erhaltenen Informationen in der Lage ist, die Filamente im beanspruchten Umfang herzustellen. Die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ sind daher erfüllt.

Erfinderische Tätigkeit

4. Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit hat sich die Beschwerdegegnerin im schriftlichen Verfahren nicht zur positiven Schlußfolgerung der Einspruchsabteilung geäußert, nach der der beanspruchte Gegenstand, insoweit er sich innerhalb des von den Beispielen abgedeckten Bereiches bewege, als erfinderisch angesehen werden könne. Da sich die eingeschränkten Ansprüche nunmehr in dem durch die Beispiele abgedeckten Rahmen halten, und auch während der mündlichen Verhandlung lediglich auf die in der ersten Instanz vorgebrachten Argumente hingewiesen wurde, sieht die Kammer sieht keinen Anlaß, von der begründeten Meinung der Erstinstanz abzuweichen, auf die verwiesen werden kann.

5. Daraus folgt, daß der Antrag gewährbar ist.

6. Die verkündete Entscheidungsformel wird dadurch gemäß Regel 89 EPÜ berichtigt, daß in Ziffer 2 am Ende eingefügt wird: "Zeichnungen: Figuren 1 bis 3 wie erteilt."

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Ansprüche 1 bis 5, eingereicht mit Schreiben vom 14. Januar 2002;

Beschreibung wie erteilt mit der Maßgabe, daß Seite 2, Zeile 44 bis zum Ende der Seite durch die in der mündlichen Verhandlung überreichte Fassung ersetzt wird.

Zeichnungen: Figuren 1 bis 3 wie erteilt.

Quick Navigation