Sachverhalt und Anträge
I. Die am 22. Juni 1981 mit schweizerischer Priorität vom 27. Juni 1980 eingereichte europäische Patentanmeldung 81 810 261.8 (Publikationsnummer 43 349) wurde von der Prüfungsabteilung 001 des Europäischen Patentamts mit Entscheidung vom 30. August 1984 auf der Grundlage von sieben Patentansprüchen zurückgewiesen, von denen die Ansprüche 1 bis 4 und 7, wie folgt, lauteten:
"1. Synergistisches Mittel zur selektiven Unkrautbe kämpfung, dadurch gekennzeichnet, daß es neben Träger- und/oder anderen Zuschlagstoffen als wirksame Komponente einerseits 4-(3',5'-Dichlorpyridyl-2'-oxy)- -phenoxy- propionsäurepropargylester (Ia) oder 4-(3',5'-Dichlor pyridyl-2'-oxy)- -phenoxypropionthiolsäurepropargylester (IB) und andererseits 3-Isopropyl-(1H)-benzo-2,1,3- thiadiazin-4-on-2,2-dioxid (II) enthält.
2. Mittel gemäß Patentanspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß im genannten Mittel die Komponente (II) gegenüber der Komponente (I) in etwa gleichem Gewichtsverhältnis oder im Überschuß vorhanden ist.
3. Mittel gemäß Patentanspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß das Gewichtsverhältnis zwischen Komponente (I) und Komponente (II) 1:1 bis 1:4, vorzugsweise 1:1 bis 1:2 beträgt.
4. Verfahren zur selektiven Unkrautbekämpfung in Getreide und Sojabohnenkulturen, dadurch gekennzeichnet, daß man verunkrautete Getreide- und Sojabohnenkulturen post-emergent mit einer wirksamen Menge eines Mittels gemäß Patentanspruch 1 behandelt.
7. Verwendung einer wirksamen Menge eines Mittels gemäß Patentanspruch 1 zur postemergenten selektiven Unkrautbekämpfung in Getreide und Sojabohnenkulturen."
II. Die Zurückweisung erfolgte wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit unter gleichzeitigem Hinweis auf Art. 83 EPÜ (unzureichende Offenbarung). Dazu wurde sinngemäß ausgeführt, Aufgabe der Erfindung sei es gewesen, synergistisch wirkende Mittel zur selektiven Bekämpfung von mono- und von dikotylen Unkräutern, insbesondere in Getreide- und Soja bohnenkulturen, zu entwickeln.
Aus (1) EP-A-4414 seien Mischungen aus zwei Wirkstoffen mit komplementären herbiziden Eigenschaften bereits bekannt, wobei die eine Wirkstoffkomponente mit der einen erfindungsgemäßen (II) identisch, die andere mit den entsprechenden erfindungsgemäßen (IA, IB) strukturell verwandt sei. Die Anmelderin (Beschwerdeführerin) stütze demgegen über die erfinderische Tätigkeit des Anmeldungsgegenstandes auf einen synergistischen Effekt, der aber nur bei bestimmten Mischungsverhältnissen oder Konzentrationen auftreten könne. Daher, und da es für den Fachmann ohne Angabe des Bereiches der Mischungsverhältnisse nicht möglich sei, tatsächlich synergistische Mischungen herzustellen (Art. 83 EPÜ), sei der geltende Anspruch 1 nicht gewährbar. Patent fähig wäre nach Ansicht der Vorinstanz ein Anmeldungsgegen stand, welcher die Merkmale der Ansprüche 1 und 3 in sich vereinigte.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 19. September 1984 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 7. Januar 1985 begründet. Zur erfinderischen Tätigkeit macht sie geltend, daß die anmeldungsgemäß eingesetzten Verbindungen IA und IB nicht strukturähnlich zu den entsprechenden Verbindungen nach (1) seien, sondern sich hinsichtlich zweier Substituenten von diesen unterscheiden, somit nicht naheliegend gewesen seien. Die Lehre nach (1) führe sogar vom Anmeldungsgegenstand weg, da die dort getesteten Mischungen überwiegend stärker phytotoxisch, aber weniger stark gegen Unkräuter wirksam seien, als auf Grund der einzelnen Mischungskomponenten zu erwarten gewesen wäre.
Der Anspruch 1 in der der Zurückweisung zugrundeliegenden Fassung sei seinem Wortlaut nach auf "synergistische", d.h. auf solche Mittel beschränkt, bei denen der behauptete Effekt tatsächlich eintritt. Die bevorzugten Gewichtsverhältnisse gemäß Ansprüchen 2 und 3 und die Angaben in der Beschreibung gewährleisten die geforderte deutliche Offenbarung der Erfindung; eine Beschränkung auf diesen bei spielhaften Bereich entspräche jedoch nicht dem Billigkeitserfordernis angemessenen Schutzes für die Erfindung.
IV. Die Kammer hat als weiteren Stand der Technik die Dokumente
(2) Proc. 9th Br. Weed Control Conf. 1968, 1042, und
(3) EP-A-3114 in das Verfahren eingeführt.
V. Am 26. September 1986 hat die Beschwerdeführerin einen neuen Anspruch 1 des folgenden Wortlautes vorgelegt:
"Mittel zur selektiven Unkrautbekämpfung auf Basis einer Mischung aus 3-Isopropyl-(1H)-benzo-2,1,3-thiadiazin-4-on-2,2-dioxid (II) und aus einer Verbindung vom Typ der 4-Pyridyloxy- -phenoxypropionsäureester (I) neben Träger- und/oder anderen Zuschlagstoffen, dadurch gekennzeichnet, daß es als Verbindung des Typs (I) 4-(3',5'-Dichlorpyridyl-2'-oxy)- - phenoxy-propionsäurepropargylester (Ia)
oder 4-(3',5'-Dichlorpyridyl-2'-oxy)- -phenoxypropionthiolsäure proparglyester (Ib) in einer eine synergistische Herbizid wirkung erzeugenden Menge enthält." Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des vorstehenden Anspruchs 1, unveränderter Ansprüche 2 bis 7 sowie einer angepaßten Beschreibung zu erteilen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.
2. Der geltende Anspruch 1 entspricht inhaltlich der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Fassung. Er unterscheidet sich davon nur dadurch, daß der nächste Stand der Technik (1) gebührend im Oberbegriff berücksichtigt und daß das Adjektiv "synergistisch" durch die deutlichere Wortfolge "in einer eine synergistische Herbizidwirkung erzeugenden Menge" ersetzt wurde. Die zweite Änderung trägt dem Umstand Rechnung, daß nur eine "mengenmäßig in bestimmten Grenzen variable Kombination der beiden Wirkstoffe ... eine synergistische Wirkung entfaltet" (Seite 2, vor letzter Absatz, Zeilen 1 bis 4 der Erstunterlagen). Der Anspruch ist daher formell nicht zu beantanden.
3. Die Anmeldung betrifft gemäß Anspruch 1 ein Mittel zur selektiven Unkrautbekämpfung auf Basis einer Mischung aus 3-Isopropyl-(1H)-benzo-2,1,3-thiadiazin-4-on-2,2-dioxid (II) und aus einer Verbindung vom Typ der 4-Pyridyloxy- -phenoxypropionsäureester (I). Die formal unabhängig formulierten Ansprüche 4 und 7 richten sich auf ein Unkrautbekämpfungsverfahren unter Einsatz des Mittels nach Anspruch 1 bzw. auf die genannte Verwendung dieses Mittels.
4. Aus dem nächsten Stand der Technik (1) sind komplementäre, d.h. sich hinsichtlich der zu vernichtenden Unkrautarten ergänzende Mischungen aus Herbiziden des Typs (I) und verschiedenen anderen Herbiziden, u.a. (II), bereits bekannt.
5. Aufgabe der Erfindung ist demgegenüber die ökonomisch und ökologisch wünschenswerte Senkung der herbiziden Aufwand menge und zudem die Erhöhung der Sicherheitsmarge auf Getreide- und Sojabohnenkulturen (vgl. auch Seite 3, Absatz 2, der Anmeldungsschrift).
6. Zur Lösung dieser Aufgabe wird erfindungsgemäß - zusammen mit (II) - die Verwendung als Verbindung des Typs (I) von 4-(3',5'-Dichlorpyridyl-2'-oxy)- -phenoxy-propionsäure propargylester (Ia) oder dem entsprechenden Propionthiol säurepropargylester (Ib) in einer eine synergistische Herbizidwirkung erzeugenden Menge vorgeschlagen.
7. Daß durch den kombinierten Einsatz zusammen mit (II) von (Ia) oder (Ib) in bestimmten Mengenverhältnissen gegenüber bestimmten Unkrautarten tatsächlich eine synergistische Wirkung und damit eine Reduzierung der Herbizidmenge erzielt wird, ist durch die Tabellen I bis VI glaubhaft belegt; vgl. insbesondere hinsichtlich (Ia) die Wirkung von 0,5 kg/ha in Kombination mit 0,5 kg/ha (II) gegenüber Ipomoea purpurea in den Tabellen I und II (Mengenverhältnis 1:1) und von 0,25 kg/ha in Kombination mit 1 kg/ha (II) gegenüber Chrysanthemum segetum (4:1) in den Tabellen III und V sowie hinsichtlich (Ib) die Wirkung von 0,25 oder 0,5 kg/ha in Kombination mit 1 bzw. 0,5 g/ha (II) gegenüber ebenfalls Chrysanthemum segetum (4:1 bzw. 1:1) in den Tabellen IV und VI. Die beiden angeführten Mengenverhältnisse entsprechen den Grenzwerten gemäß Anspruch 3, und insoweit hat die Vorinstanz die Patentfähigkeit des Anmeldungsgegenstandes auch ausdrücklich anerkannt (siehe Seite 4, Absatz 2, Seite 9, Absatz 1, und Seite 10, Absatz 4, der angefochtenen Entscheidung).
8. Dagegen hat die Vorinstanz gegen Anspruch 1 in der ihrer Entscheidung zugrundeliegenden Fassung jeweils unter Hinweis auf Art. 83 EPÜ eingewandt,
(i) es sei für den Fachmann "ohne Angabe des Bereichs der Mischungsverhältnisse nicht möglich, tatsächlich synergistische ... Mischungen ... herzustellen" (Seite 9, Absatz 2), und
(ii) es sei "nicht glaubhaft ..., daß die ... synergistische Wirkung im gesamten beanspruchten Mischungsbereich ... auftritt" (Seite 10, Absatz 3).
Die Kammer deutet die angezogenen Stellen der angefochtenen Entscheidung in dem Sinne, daß die Vorinstanz bestreitet, daß der beanspruchte Lösungsvorschlag die bestehende Aufgabe auch tatsächlich in seiner ganzen Breite löst.
8.1. Nach Auffassung der Kammer bietet Art. 83 EPÜ, der auf das Erfordernis der Erfindungsoffenbarung "in der europäischen Patentanmeldung" abstellt, keine Grundlage für eine solche Beanstandung. Keinesfalls darf die Frage der ausreichenden Erfindungsoffenbarung allein vom Inhalt der Patentansprüche her beurteilt werden (vgl. Entscheidung T 14/83, Vinyl chloridharze/Sumitomo", Abl. EPA 1984, 105, Leitsatz I). Daß aber die Beschreibung die Erfindung nicht hinreichend deutlich und vollständig offenbare, behauptet die Prüfungsabteilung zurecht nicht; denn dort wird - ebenso wie in Anspruch 3 - genau gesagt, welche Mengenverhältnisse "im allgemeinen" und "vorzugsweise" in Frage kommen (Seite 3, letzte drei Zeilen), in welchen Mengen die Wirkstoffkombinationen. anzuwenden sind (Seite 4, Zeilen 1 bis 4) usw. Weitere deutliche Hinweise sind den Beispielen 1 bis 6 zu entnehmen.
8.2. Vielmehr ist die Beanstandung einer unzulässigen Anspruchsbreite auf Art. 84 in Verbindung mit R. 29(1) und (3) EPÜ zu stützen, denen zufolge die Patentansprüche "die technischen Merkmale, die zur Festlegung des beanspruchten Gegenstands der Erfindung notwendig sind," enthalten müssen (R. 29, Abs. 1, lit. a) und (R. 29, Abs. 3) unabhängige Patentansprüche "die wesentlichen Merkmale der Erfindung" wiederzugeben haben (vgl. die unveröffentlichte Entscheidung T 115/83 vom 8.11.83, unter Ziffer 4).
8.3. Im vorliegenden Fall ergibt sich allerdings aus dem Hinweis in den Erstunterlagen, Seite 2, vorletzter Absatz, Zeile 2, auf die mengenmäßig "in bestimmten Grenzen" variable Kombination der beiden Wirkstoffe, daß nicht jedes beliebige Mengenverhältnis von (Ia) oder (Ib) zu (II) eine synergistische Wirkung entfaltet, d.h. die hier bestehende Aufgabe löst. Diesem Umstand trägt jedoch das Merkmal des geltenden Anspruchs hinreichend Rechnung, wonach das beanspruchte Mittel - neben (II) - (Ia) oder (Ib) "in einer eine synergistische Herbizidwirkung erzeugenden Menge" enthält.
8.4. Bei dieser Formulierung handelt es sich um ein "technisches Merkmal" im Sinne von Regel 29(1) und (3) EPÜ.
8.4.1. Technische Merkmale sind grundsätzlich solche, denen der Fachmann eine zielführende Anweisung zum technischen Handeln entnehmen kann. Dabei kann es sich um eine konkrete Anweisung - z.B. auf dem Gebiete der Chemie "Äthanol als Lösungsmittel" oder "Ausgangsstoff der Formel X" - oder auch um eine funktionelle, d.h. durch das Ergebnis definierte, Formulierung - z.B. "fettlösendes Lösungsmittel" oder "Verbindung mit reaktivem Wasserstoff atom" - handeln. Auf den vorliegenden Fall angewandt, wäre das Merkmal von Anspruch 3 "Gewichtsverhältnis 1:1 bis 1:4" ein konkretes, das Merkmal von Anspruch 1 "in einer ... erzeugenden Menge" dagegen ist ein funktionelles Merkmal. Die Wahl eines funktionellen Merkmals entspringt in der Regel dem berechtigten Anliegen, dem Erfundenen die allgemeinste Fassung zu geben, um sich einen ausreichenden und angemessenen Schutz dafür zu sichern. Während auf dem Gebiete der Chemie häufig den konkreten vor den funktionellen Merkmalen der Vorzug gegeben wird, sind diese auf anderen technischen Gebieten viel gebräuchlicher: So dürfte im Anspruch eines mechanischen Patentes kaum von einem Nagel oder einer Niete gesprochen werden, sondern eben von einem Befestigungsmittel (funktionelles Merkmal). Da das Patentrecht unteilbar ist, ist nicht einzusehen, warum auf dem Gebiet der Chemie nicht ebenfalls die funktionellen gleichberechtigt an die Seite der konkreten Merkmale treten sollen.
8.4.2. Die Wahl, wie ein Merkmal im Patentanspruch zu definieren ist, steht allerdings nicht im freien Belieben des Anmelders; vielmehr ist die objektiv präziseste Form zu wählen (vgl. die bereits zitierte Entscheidung T 14/83, a.a.O., insbesondere Leitsatz II, sowie auch T 4/80 "Polyätherpolyole/Bayer", Abl. EPA 4/1982, 149). Dies ist hier der Fall, weil für die Kammer nicht ersichtlich ist, wie die Grenzen des synergistischen Zusammenwirkens der beiden Herbizidpaare ohne Einschränkung der erfinderischen Lehre präziser als geschehen zu fassen wären. Die von der Vorinstanz angeregte weitere Präzisierung des damaligen Anspruchs 1 durch Hereinnahme des zahlenmäßigen Merkmals von Anspruch 3 würde den Gegenstand der angemeldeten Erfindung ungerechtfertigter Weise auf ein bestimmtes Gewichtsverhältnis einschränken und damit den Schutzbereich gegenüber dem Inhalt der offenbarten Erfindung unzumutbar limitieren.
8.4.3. Andererseits muß das Streben nach funktioneller Definition eines Merkmals dort seine Grenze finden, wo die Deutlichkeit des Patentanspuches im Sinne von Art. 84 EPÜ nicht mehr gewährleistet wäre. Zu der erforderlichen Deutlichkeit gehört es, daß der Fachmann die Aussage des Anspruchs nicht nur verstehen, sondern auch in die Praxis umsetzen kann. Mit anderen Worten ausgedrückt, das Merkmal muß dem Fachmann eine ausreichend klare technische Lehre offenbaren, die er mit zumutbarem Denkaufwand - wozu auch die Durchführung üblicher Versuche gehört - ausführen kann.
8.4.4. Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen der Deutlichkeit vor:
Bei der Anweisung im Patentanspruch 1, die Verbindung (II) mit der Verbindung (Ia) oder (Ib) "in einer eine synergistische Herbizidwirkung erzeugenden Menge" zu kombinieren, wird der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens bereits allzu extreme Mengenverhältnisse aus schließen. Er kann sich auch an den bevorzugten Mengen verhältnisse der Ansprüche 2 und 3 orientieren, um weitere geeignete Mengenverhältnisse - die je nach der zu schützenden Nutzpflanze und dem zu vernichtenden Unkraut variieren mögen - aufzufinden. Auch wird dem Fachmann, soweit er dessen überhaupt bedarf, mit den Angaben von Seite 9, Absatz 3, bis Seite 10, Zeile 5, der Beschreibung sowie der Beispiele 1 und 1a eine genaue Anleitung erteilt, wie er das Vorliegen von Synergismus, d.h. den erfolgten Einsatz "einer eine synergistische Herbizid wirkung erzeugenden Menge" von (Ia) oder (Ib), mit Hilfe einiger Versuche erkennen und sogar berechnen kann (Methode von Colby). Zwar dauern die Tests verhältnismäßig lange; denn es muß das Auflaufen der Pflanzen und danach noch eine Periode von 15 bis 20 Tagen abgewartet werden, ehe die Auswertung eines Versuches erfolgt. Dennoch muß der Aufwand des Fachmannes nach den gesamten Umständen des Falles als zumutbar bezeichnet werden; denn solche Versuche sind auf diesem Fachgebiet üblich, und auch das übliche Versuchsausmaß wird nicht überschritten.
8.5. Der beanspruchte Lösungsvorschlag löst somit die bestehende Aufgabe in seiner gesamten Breite.
9. Keinem der entgegengehaltenen Dokumente ist der Gegenstand des Anspruches 1 in seiner Gesamtheit zu entnehmen. Dieser ist daher neu, was auch von der Vorinstanz anerkannt wurde (Seite 6, Zeilen 1 bis 2, der angefochtenen Entscheidung).
10. Es ist somit, ausgehend vom nächsten Stand der Technik (1), zu prüfen, ob der beanspruchte Lösungsvorschlag auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
10.1. In (1) werden - von (Ia) und (Ib) verschiedene - Verbindungen vom Typ (I) als Herbizide offenbart; ferner werden Mischungen davon mit zahlreichen komplementären Herbiziden (Seite 3, Zeilen 1 bis 2 und 6 bis 7) beschrieben, darunter auch mit Bentazon (II); siehe Tabelle IV auf Seite 28, wo die Wirkung einer Mischung von (II) mit einer "Verbindung No. 6" beschrieben wird, bei der es sich gemäß Tabelle I auf Seite 2 um einen Butylester der der 4-(5'-Trifluormethylpyridyl-2'-oxy)- -phenoxypropionsäure handelt, also um eine von (Ia) und (Ib) in mindestens zweierlei Hinsicht verschiedene Verbindung.
10.2. Zwar sind aus (3) auch bereits die Verbindungen (Ia) und (Ib) als Herbizide bekannt; siehe z.B. Ansprüche 8 und 9 auf den Seiten 42 bis 43. Doch sind dort keine (Ia) oder (Ib) enthaltenden Wirkstoffkombinationen mit anderen Herbiziden, erst recht nicht gerade mit (II) oder unter Erzielung eines synergistischen Effektes, erwähnt. Der Fachmann erhielt aus (3) auch keine Anregung, zur Lösung der anmeldungsgemäßen Aufgabe (II) gerade mit den Herbiziden gemäß (3), insbesondere mit (Ia) oder (Ib), zu kombinieren: Von den 48 Meßwerten für Mischungen von (II) mit "Verbindung No. 6", die in Tabelle IV auf Seite 28 von (1) angegeben sind, zeigen sechs einen gewissen Synergismus, zehn dagegen einen antagonistischen - also entgegen gesetzten - Effekt; es bestand daher kein Anreiz, bei der Suche nach synergistischen Herbizidmischungen im Sinne der bestehenden Aufgabe (II) mit irgendwelchen Verbindungen vom Typ (I), erst recht nicht gerade mit (Ia) oder (Ib) zu kombinieren.
10.3. Aus (2) - Seite 1045, Absatz 2 - ist es auch bereits bekannt, durch Kombination des dort mit "V" bezeichneten Bentazons (II) mit Wachstumsreglern vom Phenoxypropion säuretyp seine Wirkung auf dicotyle Unkräuter zu intensivieren. Bei (Ia) und (Ib) handelt es sich zwar ebenfalls um Verbindungen vom Phenoxypropionsäuretyp, doch bestehen gegenüber der in (2) in diesem Zusammenhang einzig spezifisch genannten 2-(Methyl-4-chlorphenoxy)-propionsäure, wie von der Beschwerdeführerin in der am 10.07.86 eingegangenen Eingabe zutreffend ausgeführt, sehr erhebliche strukturelle Unterschiede; vor allem aber hat die Beschwerdeführerin dort (Seite 2, Zeile 8 von unten, bis Seite 3, Zeile 2) derzeit unwiderlegbar dargelegt, daß es sich bei (Ia) und (Ib) nicht um Wachstumsregler handelt. Auf Grund dieser Darlegungen konnte der Fachmann auch aus (2) keine Anregung erhalten, zur Lösung der bestehenden Aufgabe (II) mit (Ia) oder (Ib) zu kombinieren.
10.4. Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht somit auf erfinderischer Tätigkeit.
11. Die untereinander im wesentlichen inhaltsgleichen Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 4 und 7 beruhen auf der gleichen erfinderischen Idee wie Anspruch 1 und sind daher ebenfalls patentfähig.
12. Die abhängigen Ansprüche 2 und 3 sowie 5 und 6 betreffen vorteilhafte Ausführungsformen der Ansprüche 1 bzw. 4 und werden von deren Patentfähigkeit getragen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Vorinstanz zurückverwiesen, mit der Auflage, ein Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:
- Patentansprüche 1 bis 5, eingegangen am 26.09.86, Patentansprüche 6 und 7, wie ursprünglich eingereicht;
- Beschreibung Seiten 1 und 3 bis 18, wie ursprünglich eingereicht;
Seite 2, eingegangen am 26.09.86,
Seite 2a, eingegangen am 03.05.83.