T 0460/11 (Synergistische Herbizide/BAYER CROPSCIENCE) of 27.11.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T046011.20151127
Datum der Entscheidung: 27 November 2015
Aktenzeichen: T 0460/11
Anmeldenummer: 99942832.9
IPC-Klasse: A01N 57/20
A01N 43/50
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: HERBIZIDE MITTEL FÜR TOLERANTE ODER RESISTENTE ZUCKERRÜBENKULTUREN
Name des Anmelders: Bayer CropScience AG
Name des Einsprechenden: Syngenta Limited, European Regional Centre,
BASF SE
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 123(3)
European Patent Convention Art 112(1)(a)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13
Schlagwörter: Hauptantrag, Hilfsantrag - zugelassen (ja)
Hauptantrag (nicht gewährbar) - Klarheit, erfinderische Tätigkeit (nein)
Vorlage an die Grosse Beschwerdekammer (nein)
Hilfsantrag (gewährbar)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0068/85
T 0631/06
T 0888/08
T 0371/10
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Patentinhaberin (Beschwerde­führerin 1) und der Einsprechenden 2 (Beschwerde­führerin 2) richten sich gegen die Zwischen­entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1 107 668 in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten.

II. Von den im Einspruchsverfahren und im anschließenden Beschwerdeverfahren zitierten Dokumenten sind die folgenden für diese Entscheidung von Bedeutung:

(1) WO 96/34528

(6) WO 97/31535

(21) CA 1 188 532

(26) EP-A-0 808 569

(28) WO 98/09525

(29) EP-A-0 431 545

(30a) "Experimental Report 1", eingereicht von der

Patentinhaberin mit Schreiben vom 21. August

2009

(30b) "Experimental Report 2", eingereicht von der

Patentinhaberin mit Schreiben vom 21. August

2009

(31) "Ergänzender Versuchsbericht", eingereicht von

der Beschwerdeführerin 1 mit Schreiben vom

26. April 2011

(32) Erklärung von Andreas Schier mit Datum vom

20. September 2010, eingereicht von der

Beschwerdeführerin 1 mit Schreiben vom

26. April 2011

(32a) Erklärung von Andreas Schier mit Datum vom

5. Juli 2010, eingereicht von der

Beschwerdeführerin 2 mit Schreiben vom

21. April 2011

III. Am 26. und 27. November 2015 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Im Verlauf dieser Verhandlung reichte die Beschwerdeführerin 1 als Ersatz für die bis dahin im Verfahren befindlichen Anträge am 26. November 2015 einen geänderten Hauptantrag und am 27. November 2015 einen geänderten Hilfsantrag ein. Außerdem stellte sie am 26. November 2015 einen Antrag auf Vorlage von Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer, der vorrangig gegenüber dem Hilfsantrag zu behandeln sei.

Die Ansprüche 1, 2, und 6 des Hauptantrags lauten wie folgt:

"1. Verwendung von Herbizid-Kombinationen zur

Bekämpfung von Schadpflanzen in Zuckerrübenkulturen,

dadurch gekennzeichnet, dass die jeweilige

Herbizid-Kombination einen synergistisch wirksamen

Gehalt an

(A) dem breitwirksamen Herbizid Glufosinate-

ammonium (A1)

und

(B) einem Herbizid aus der Gruppe der Verbindungen,

welche aus

(B1) Triflursulfuron-methyl,

(B2) Phenmedipham, Clopyralid,

(B3) Quizalofop-P und dessen Ester, Quizalofop

und dessen Ester, Fenoxaprop-P und dessen

Ester, Fenoxaprop und dessen Ester, Haloxyfop-P

und dessen Ester, Haloxyfop und dessen Ester

und

(B4) Sethoxydim, Cycloxydim und Clethodim

besteht,

aufweist und die Zuckerrübenkulturen gegenüber den

in der Kombination enthaltenen Herbiziden (A) und

(B), gegebenenfalls in Gegenwart von Safenern,

tolerant sind.

2. Verwendung von Herbizid-Kombinationen zur

Bekämpfung von Schadpflanzen in Zuckerrübenkulturen,

dadurch gekennzeichnet, dass die jeweilige

Herbizid-Kombination einen synergistisch wirksamen

Gehalt an

(A) dem breitwirksamen Herbizid Glyphosate-

isopropylammonium

und

(B) einem Herbizid aus der Gruppe der Verbindungen,

welche aus

(B1) Ethofumesate,

(B3) Quizalofop-P und dessen Ester, Quizalofop

und dessen Ester, Fenoxaprop-P und dessen

Ester, Fenoxaprop und dessen Ester, Fluazifop-P

und dessen Ester, Fluazifop und dessen Ester,

Haloxyfop-P und dessen Ester, Haloxyfop und

dessen Ester und

(B4) Sethoxydim, Cycloxydim und Clethodim

besteht,

aufweist und die Zuckerrübenkulturen gegenüber den

in der Kombination enthaltenen Herbiziden (A) und

(B), gegebenenfalls in Gegenwart von Safenern,

tolerant sind.

6. Herbizide Zusammensetzung, dadurch gekennzeichnet,

dass sie eine Kombination aus einem synergistisch

wirksamen Gehalt an

(A) dem breitwirksamen Herbizid Glufosinate-

ammonium (A1)

und einem Herbizid (B) aus der Gruppe der

Verbindungen, welche aus

(B1') Triflursulfuron-methyl,

(B2') Phenmedipham, Clopyralid,

(B3') Haloxyfop-P-methyl und

(B4') Cycloxydim und Clethodim besteht,

und gegebenenfalls im Pflanzenschutz übliche

Zusatzstoffe und Formulierungshilfsmittel enthält."

Der Hilfsantrag unterscheidet sich von dem Hauptantrag dadurch, dass in den Ansprüchen 1, 2 und 6 "synergistisch" sowie folgende Verbindungen gestrichen wurden:

- in dem Anspruch 1, die Komponente "Quizalofop-P und

dessen Ester, Quizalofop und dessen Ester,

Fenoxaprop-P und dessen Ester, Fenoxaprop und dessen

Ester" und "Sethoxydim";

und

- in dem Anspruch 2, die Komponente "Quizalofop-P und

dessen Ester, Quizalofop und dessen Ester".

Die von der Beschwerdeführerin 1 formulierten Vorlagefragen lauten wie folgt:

"1. Erfüllt das Merkmal "synergistisch wirksamer Gehalt" das Erfordernis der Klarheit gemäß Art. 84 EPÜ?

2. Wenn ja, kann es als technisches Merkmal zur Abgrenzung gemäß Art. 54 dienen?

3. Wenn ja, kann es auch zur Begrenzung der Anspruchsbreite für die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit nach Art. 56 EPÜ dienen?

4. Ist die Antwort auf die obigen Fragen abhängig von der Anspruchskategorie, insbesondere ob das Merkmal Teil eines Verwendungs oder Stoffanspruchs ist.

5. Wenn das Merkmal zur Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik verwendet wird, sind dann höhere Anforderungen an die Klarheit gem. Art. 84 EPÜ zu stellen?"

IV. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) kann wie folgt zusammengefasst werden:

Der Hauptantrag vom 26. November 2015 sei als direkte Reaktion auf die vorangegangene Diskussion unter Artikel 123(2) EPÜ und die negative abschließende Meinung der Kammer eingereicht worden. Da die zuständige Kammer in den Entscheidungen T 888/08 und T 371/10 bei nahezu identischer Sachlage zu einem anderen Schluss kam, sollte der Beschwerdeführerin 1 eine Gelegenheit gegeben werden, entsprechend zu reagieren. Der Hilfsantrag vom 27. November 2015 sei auch zuzulassen, da lediglich mit einfachen Streichungen auf einen neuen, auf den Dokumenten (21) und (28) gestützten Neuheitseinwand und auf die Meinung der Kammer zum Hauptantrag gezielt reagiert wurde.

In Bezug auf das in den Ansprüchen 1, 2 und 6 des Hauptantrags eingefügte Merkmal "synergistisch wirksamen Gehalt" trug die Beschwerdeführerin 1 unter Hinweis auf die Entscheidung T 68/85 vor, dass dieses klar und eindeutig sei. Dies wurde durch die in dem Dokument (32) vorgelegte Erklärung von Professor Schier bestätigt. Dagegen seien diesbezügliche Schlussfolgerungen der Entscheidung T 888/08 unzutreffend. Es gehöre zum allgemeinen Fachwissen, durch Routineversuche die geeigneten Aufwandmengen und Mengenverhältnisse zweier synergistisch wirksamer Herbizide zu identifizieren. Konkrete Testmethoden unter kontrollierten Bedingungen seien in den Absätzen [0066] bis [0070] des Streitpatents auch angegeben, und die darin offenbarte "Colby-Formel" sei zum Rechnen eines synergistischen Effekts seit langem bekannt. Dadurch seien die Grenzen des beanspruchten Schutzbereichs eindeutig zu identifizieren. Es sei gängige Praxis, Synergie erst im Gewächshaus zu testen. Es gäbe keinen Grund zu zweifeln, dass in Feldversuchen dieser Effekt auch zu beobachten wäre.

Bei ihrer Analyse der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Hauptantrags argumentierte die Beschwerdeführerin 1, dass ausgehend von dem Dokument (28) als nächstliegendem Stand der Technik die Aufgabe darin bestünde, neue synergistische Herbizid-Kombinationen zur Schadpflanzenbekämpfung in toleranten Zuckerrübenkulturen bereitzustellen. Durch die im Streitpatent enthaltenen Daten und die nachgereichten experimentellen Berichte (30a), (30b) und (31) würde die synergistische Wirkung der beanspruchten Kombinationen über die gesamte Breite plausibel gemacht. Außerdem zeigten diese Versuche, dass die Zuckerrübenkulturen nicht beschädigt werden. Wie in der Erklärung (32) bestätigte worden sei, lasse sich die gemeinsame Wirkung zweier Herbizide nicht vorhersehen. Beispielsweise könnten synergistische aber auch antagonistische Wirkung bei einer Schadpflanze bzw. nachteilige erhöhte Schadwirkung bei der Kulturpflanze auftreten. Im Stand der Technik habe es auch keinen Hinweis auf die beanspruchte Lösung gegeben. Zwar befasse sich das Dokument (21) mit synergistischen Herbizid-Kombinationen von Glufosinaten mit verschiedenen Partner-Herbiziden, unter anderem mit Fenoxaprop-Ethyl und Sethoxydim, diese wurden jedoch nicht in Pflanzenkulturen, sondern in typischen Anwendungen für Totalherbizide eingesetzt. Es sei daher für den Fachmann nicht vorhersehbar gewesen, dass diese Herbizid-Kombinationen die Zuckerrübenkulturen nicht schädigen würden. Dokument (6) sei noch weniger geeignet, die erfinderische Tätigkeit in Frage zu stellen, da darin lediglich Herbizid-Kombinationen von Glyphosat-Estern offenbart wurden und konkrete biologische Beispiele für synergistische Wirkungen gänzlich fehlten.

Darüber hinaus argumentierte die Beschwerdeführerin 1, dass angesichts widersprüchlicher Entscheidungen in der Rechtsprechung bezüglich der Frage der Klarheit des Merkmals "synergistisch wirksamen Gehalt" die Klärung der von ihr formulierten Fragen durch die Große Beschwerdekammer erforderlich und auch für eine Vielzahl weiterer Fälle entscheidend sei.

Bezüglich des Hilfsantrags führte die Beschwerdeführerin 1 aus, dass kein Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ vorliege, da die nun in den Ansprüchen aufgeführten Komponenten Glufosinat-Ammonium (A1.2) bzw. Glyphosat-Isopropylammonium (A2.2) jeweils vereinzelt in der ursprünglich eingereichten Beschreibung und Ansprüchen als besonders bevorzugt hervorgehoben seien. Ihre jeweilige Kombination mit den aufgelisteten Komponenten (B) gehe daher aus der ursprünglichen Offenbarung unmittelbar und eindeutig hervor. Der Begriff "weiterer Planzenschutzmittel­wirkstoffe" in Anspruch 3 sei jeweils im Hinblick auf eine konkret verwendete (A)/(B)-Kombination zu verstehen und nicht als formal feststehende Differenzmenge zwischen allen Herbiziden der Ansprüche 1 und 2 und allen übrigen Planzenschutzmittelwirkstoffen. Die Bedeutung dieses Merkmals in Anspruch 3 habe sich demnach durch die Änderung in den Ansprüchen 1 und 2 nicht geändert. Der Anspruch 3 erfülle daher die Erfordernisse der Artikel 123(2),(3) EPÜ.

Die gegen den Hilfsantrag erhobenen Neuheitseinwände seien auch nicht zutreffend. An keiner Stelle der Dokumente (1) oder (29) werden die Gegenstände der Ansprüche 2 bzw. 6 unmittelbar und eindeutig offenbart.

Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit des Hilfsantrags verwies die Beschwerdeführerin 1 auf ihren Vortrag zum Hauptantrag und ergänzte, dass durch Streichungen die erhobenen Einwände ausgeräumt wurden.

V. Die Beschwerdeführerin 2 (Einsprechende 2) und die weitere Verfahrensbeteiligte (Einsprechende 1) haben diesen Ausführungen widersprochen und im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

Der in der mündlichen Verhandlung vom 26. November 2015 eingereichte Hauptantrag solle als verspätet nicht zugelassen werden. Dieses gelte um so mehr für den Hilfsantrag, der am Nachmittag des zweiten Verhandlungstages eingereicht wurde. Diese Anträge seien prima facie nicht gewährbar, da darin nicht sämtliche bereits bestehenden Einwände berücksichtigt worden seien.

Der in dem Hauptantrag eingeführte Begriff "synergistisch wirksame[r] Gehalt" führe zu einem Klarheitsmangel. Im vorliegenden Fall sei das in der Entscheidung T 68/85 genannte Kriterium nicht erfüllt, wonach ein funktionelles Merkmal dem Fachmann eine ausreichend klare technische Lehre offenbaren muss, die er mit zumutbarem Denkaufwand ausführen kann. Anders als im Falle der T 68/85 fehle es im Streitpatent an eindeutigen Angaben, wie ein "synergistisch wirksamer Gehalt" zu messen sei. Wie in dem Dokument (32) bestätigt wurde, hänge das Ergebnis von den verwendeten Testbedingungen ab, und der Fachmann sei daher nicht in der Lage, eindeutig zu bestimmen, ob er innerhalb des anspruchsgemäßen Bereichs liege. Die Grenzen der Ansprüche seien daher unklar, im Einklang mit der Entscheidung T 888/08.

Bei der Analyse der erfinderischen Tätigkeit wurde übereinstimmend das Dokument (28) als nächstliegender Stand der Technik angesehen. Die zu lösende Aufgabe könne lediglich in der Bereitstellung weiterer Herbizid-Kombinationen für die Anwendung in resistenten Zuckerrübenkulturen bestehen, da im vorliegenden Fall, im Einklang mit der Entscheidung T 631/06, nicht glaubhaft belegt wurde, dass ein synergistischer Effekt über die gesamte Anspruchsbreite, beispielsweise bei hoher Dosierung, erzielt werde. Zur Lösung dieser Aufgabe würde der Fachmann selbstverständlich auf bekannte Herbizidkombinationen zurückgreifen.

Selbst wenn eine synergistische Wirkung als Bestandteil der Aufgabe miteinbezogen werden sollte, wäre der beanspruchte Gegenstand nicht erfinderisch. So beschreibe das Dokument (28) selbst als Kombinationspartner Propaquizafop, das bekanntlich ein Ester von Quizalofop-P sei. Auch in dem Dokument (21) sei eine synergistische Wirkung gegenüber Schadgräsern für Herbizid-Kombinationen von Glufosinat-Ammonium mit einer Reihe von Phenoxypropionsäure-Herbiziden, beispielsweise Fenoxaprop-Ethyl, beschrieben. Der Fachmann konnte daher ohne weiteres erwarten, dass Kombinationen von Glufosinat-Ammonium mit dieser Substanzklasse, insbesondere Fenoxaprop-Ethyl, auch in Zuckerrübenkulturen zur Bekämpfung von Schadpflanzen geeignet sei. Das gleiche gelte für das in dem Dokument (21) offenbarte Co-Herbizid Sethoxydim.

In ähnlicher Weise sei der Gegenstand des Anspruchs 2 durch die Kombination der Dokumente (28) und (6) nahegelegt, da das Dokument (6) synergistische Kombinationen von einem Glyphosat-Ester mit einer Reihe von weiteren Herbiziden offenbare, unter anderem Clethodim, Cycloxydim, Fenoxaprop-Ethyl und Sethoxydim. Die Gleichwertigkeit von Glyphosat-Ester und Salzen in synergistischen Herbizidkombinationen sei beispielsweise aus dem Dokument (26) bekannt.

Da in dem vorliegenden Fall das Einsatzgebiet der Herbizid-Kombinationen bei toleranten Zuckerrüben­kulturen sei, wäre es entgegen der Behauptung der Beschwerde­führerin 1 eher als überraschend anzusehen, wenn Schäden auftreten würden. Dies gelte umso mehr als anspruchsgemäße (B)-Herbizide bereits als geeignet zur Bekämpfung von Schadpflanzen in herkömmlichen Zuckerrüben bekannt waren, beispielsweise aus dem Dokument (21).

Der Gegenstand des Hilfsantrags gehe über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus. Die weitgehende Streichung in den Ansprüchen von verschiedenen Verbindungen und Verbindungsklassen der Gruppen (A) und (B) führe zu einer Einschränkung auf bisher nicht ausdrücklich beschriebene, einzelne Herbizid-Kombinationen ("singling out"). Zudem sei in der ursprünglich eingereichten Beschreibung auf Seite 11 unter (B3.2) und (B3.3) lediglich "Fenoxaprop-P" und "Fluazifop-P" offenbart; es gebe daher keine Basis für die in dem vorliegenden Anspruch 2 aufgeführten Komponenten "Fenoxaprop" und "Fluazifop". Schließlich habe der Begriff "weitere Pflanzenschutzmittel­wirkstoffe" in dem abhängigen Anspruch 3 durch die Einschränkung der Ansprüche 1 und 2 einen gravierenden Bedeutungswandel erfahren und umfasse nunmehr Wirkstoffe, die weder durch den ursprünglich eingereichten noch durch den erteilten Anspruch 5 gedeckt seien. Daher verstoße der Hilfsantrag gegen Artikel 123(2) und (3) EPÜ.

Bezüglich des Hilfsantrags wurde des Weiteren die Neuheit unter Hinweis auf die Dokumente (1) und (29) bestritten. So sei auf der Seite 2 und im Anspruch 2 des Dokuments (1) Glyphosat-Isopropylammonium (A2.2) als besonders bevorzugt identifiziert. Zudem werde auf Seite 7 der Einsatz der erfindungsgemäßen Gemische zur Bekämpfung von Schadpflanzen in gegenüber Glyphosate toleranter Zuckerrübe offenbart, und auf Seite 8 seien mehrere Co-Herbizide aufgelistet, darunter Ethofumesat, Fenoxaprop-P, Fenoxaprop, Fluazifop, Haloxyfop und Sethoxydim. Aus dem Dokument (1) ergäben sich damit alle Merkmale des vorliegenden Anspruchs 2. Zudem seien aus dem Dokument (29) mehrere der in dem vorliegenden Anspruch 6 beanspruchten Mischungen bereits bekannt: so offenbare dieses Dokument auf der Seite 3 Glufosinat-Ammonium als besonders bevorzugte Verbindung der Formel I, und dessen Einsatz in Kombination mit Co-Herbiziden, unter anderem Haloxyfop-P-methyl, Cycloxydim und Clethodim.

Schließlich sei aus den für den Hauptantrag zuvor genannten Gründen der im Hilfsantrag beanspruchte Gegenstand auch nicht erfinderisch.

VI. Die Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent im geänderten Umfang auf der Grundlage des während der mündlichen Verhandlung am 26. November 2015 eingereichten Hauptantrags oder, hilfsweise, des während der mündlichen Verhandlung am 27. November 2015 eingereichten Hilfsantrags aufrecht zu erhalten. Die Patentinhaberin beantragte außerdem gestützt auf Artikel 112 EPÜ, der Großen Beschwerdekammer die am 27. November 2015 eingereichten Fragen vorzulegen.

Die Beschwerdeführerin 2 und die weitere Verfahrensbeteiligte (Einsprechenden 2 und 1) beantragten, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

VII. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zulassung des Hauptantrags und des Hilfsantrags

Der Hauptantrag und der Hilfsantrag wurden am 26. bzw. 27. November 2015 während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht. Allerdings sind die durchgeführten Änderungen als direkte und vorhersehbare Reaktion auf die Entwicklung des Verfahrens zu werten:

So sind im Hauptantrag vom 26. November 2015 gegenüber dem vorherigen Hauptantrag vom 26. April 2011 lediglich die in den abhängigen Ansprüchen 3 und 4 offenbarten Komponenten (A) in die unabhängigen Ansprüche 1 bzw. 2 aufgenommen worden und bestimmte Kombinationen aus den Komponenten (B) gestrichen worden. Diese Änderungen waren unmittelbar durch die vorangehende Diskussion in Bezug auf Artikel 123(2) EPÜ veranlasst worden. Obwohl die Einwände aus dem schriftlichen Verfahren bereits bekannt waren, war für die Beschwerdeführerin 1 das Ergebnis der Diskussion nicht absehbar, da in zwei ähnlich gelagerten Fällen die Beschwerdekammer zu divergierenden Ergebnissen gekommen ist. In dieser Situation konnte ihr nicht als treuwidrige Verfahrensführung unterstellt werden, mit der Vorlage des geänderten Hauptantrags zugewartet zu haben. Davon abgesehen warf dieser keine gänzlich neuen Fragestellungen auf und führte daher auch zu keiner Veränderung des Rahmens der Verhandlung.

Für die Zulassung des Hilfsantrags vom 27. November 2015 war ausschlaggebend, dass erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer die Neuheit gegenüber den Dokumenten (21) und (28) in Frage gestellt wurde; aus Gründen der Fairness musste der Beschwerdeführerin 1 die Gelegenheit gegeben werden, angemessen auf den neuen Einwand zu reagieren. Bei den Änderungen im Hilfsantrag vom 27. November 2015 handelt es sich um einfache Streichungen, die als ein zweckdienlicher Versuch zu werten sind, den geltend gemachten Einwänden der mangelnden Klarheit, Neuheit und erfinderischen Tätigkeit zu begegnen.

Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin 2 und der weiteren Verfahrensbeteiligten ist für die Zulässigkeit nicht unabdingbar, dass sämtliche von der Gegenseite vorgetragenen Einwände behoben erscheinen. Vielmehr ist zu prüfen, ob die vorgeschlagenen Änderungen der Beschwerdeführerin 1 durch den Verfahrensverlauf gerechtfertigt und zweckdienlich sind und keine neuen Fragen aufwerfen, deren Behandlung den Gegenparteien nicht zuzumuten wären. Wie vorstehend erläutert, sind im vorliegenden Fall diese Voraussetzungen erfüllt.

Aus diesen Gründen wurden der Hauptantrag vom 26. November 2015 und der Hilfsantrag vom 27. November 2015 gemäß Artikel 13 VOBK in das Verfahren zugelassen.

3. Hauptantrag vom 26. November 2015

3.1 Klarheit (Artikel 84 EPÜ)

3.1.1 Vorab ist anzumerken, dass im vorliegenden Verfahren zwei Erklärungen von Professor Schier eingereicht worden sind, die als Dokumente (32) bzw. (32a) bezeichnet worden sind. Nachfolgend wird, wie von den Parteien bei der Diskussion über die Klarheit während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, ausschließlich auf die Erklärung (32) Bezug genommen. Die relevanten Passagen sind allerdings auch in der Erklärung (32a) zu finden.

3.1.2 Die Ansprüche 1, 2 und 6 enthalten gegenüber den entsprechenden erteilten Ansprüchen das zusätzliche Merkmal "synergistisch wirksame[r] Gehalt". Somit ist zu prüfen, ob durch diese Änderungen die Deutlichkeit der Ansprüche beeinträchtigt wird.

Wie im Falle der Entscheidung T 68/85 (ABl. EPA 1987, 228, insbesondere Punkt 2), sind laut den vorliegenden Ansprüchen die Mengenverhältnisse zweier Herbizide so auszuwählen, dass ein synergistischer Effekt erzielt wird. Nach dieser Entscheidung sind solche funktionelle Anspruchsmerkmale dann zulässig, wenn sie "dem Fachmann eine ausreichend klare technische Lehre offenbaren, die er mit zumutbaren Denkaufwand - wozu auch die Durchführung üblicher Versuche gehört - ausführen kann" (siehe Punkt 8.4.3). Es muss daher geprüft werden, ob anhand der Angaben im Streitpatent zusammen mit dem allgemeinen Fachwissen dieses Merkmal klar und zuverlässig bestimmt werden kann.

Im Anspruch 5 wird ein Verfahren offenbart, bei dem die Herbizide "gemeinsam oder getrennt im Vorauflauf, Nachauflauf oder im Vor- und Nachauflauf auf die Pflanzen, Pflanzenteile, Pflanzensamen oder die Anbaufläche appliziert" werden. Auch in der Beschreibung werden eine Vielzahl an Verfahren und Bedingungen zur Bestimmung der synergistischen Wirkung angegeben und in den spezifischen Beispielen durchgeführt (siehe Seite 13, Zeile 53 bis Seite 19, Zeile 55). Es wird dem Fachmann daher keine klare Anweisungen gegeben, welches Verfahren und welche Bedingungen anzuwenden sind. Da es jedoch unbestritten ist, "dass konkrete Anbaubedingungen (z.B. konkrete Boden- oder Klimaverhältnisse) die Aufwandmengen der Herbizide oder deren Mengenverhältnisse beeinflussen können, die erforderlich sind, dass die Herbizide tatsächlich unter diesen Bedingungen synergistisch wirksam sind" (siehe Dokument (32), Seite 2, 4. Absatz), kann der Fachmann nicht klar feststellen, ob eine bestimmte Mischung als synergistisch gilt oder nicht.

3.1.3 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin 1 ist die Sachlage des vorliegenden Falles mit der in der Entscheidung T 68/85 insofern nicht vergleichbar, weil dort in der Beschreibung und den Beispielen eine genaue Anleitung erteilt wurde, wie das Vorliegen von Synergismus mit Hilfe einiger Versuche festzustellen war (siehe Punkt 8.4.4).

Die Beschwerdeführerin 1 argumentierte, der Fachmann wüsste, welche Tests durchzuführen seien, um die synergistische Mengen zu bestimmen, nämlich Gewächshausversuche. Diese Auffassung wird jedoch nicht von den Beispielen im Streitpatent gestützt, da die Mehrheit der Beispiele Feldversuche betreffen (siehe Tabellen 2, und 4 bis 8). Selbst wenn der Fachmann Gewächshausversuche vorziehen würde, stehen ihm, wie im obigen Punkt 3.1.2 erläutert, eine Vielzahl an möglichen Methoden zur Verfügung, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Während es möglich ist, beim Vorliegen eines positiven Versuchsergebnisses auf das Vorhandensein von Synergismus zu schließen, kann der Fachmann bei einem negativen Ausgang nicht erkennen, ob er tatsächlich außerhalb des beanspruchten Bereichs liegt. In diesem Fall wären weitere Versuche, u.U. sogar die Anwendung der gesamten zur Verfügung stehenden Palette an Versuchsmethoden nötig, um Gewissheit zu erhalten. Unter diesen Umständen kann der Aufwand des Fachmannes nicht als zumutbar bezeichnet werden. Der in dem Dokument (32) vertretenen Auffassung, dass anhand einfacher Routineversuche bestimmt werden könne, ob das beanspruchte funktionelle Merkmal erfüllt ist, kann daher nicht zugestimmt werden.

3.1.4 Folglich ist der Hauptantrag wegen Verletzung von Artikel 84 EPÜ nicht gewährbar.

3.2 Erfinderische Tätigkeit (Artikel 52(1) und 56 EPÜ)

3.2.1 Die Ansprüche 1 und 2 sind auf die Verwendung von Herbizid-Kombinationen zur Bekämpfung von Schadpflanzen in Zuckerrübenkulturen, die gegenüber den verwendeten Herbiziden tolerant sind, gerichtet, wobei die Herbizid-Kombinationen durch einen wirksamen Gehalt des breitwirksamen Herbizids Glufosinat-Ammonium (A1.2) bzw. Glyphosat-Isopropylammonium (A2.2) (vgl. Bezeichnung im Streitpatent, Seite 6, Zeilen 7, 38) und einer Komponente (B) gekennzeichnet sind. Diese toleranten Zuckerrübenkulturen sind bekannt und werden durch klassische Züchtungsverfahren oder mit Hilfe gentechnischer Verfahren erzeugt (siehe Absätze [0016], [0019], und [0042] bis [0047]). Entsprechende Verfahren und ausgewählte Herbizid-Zusammensetzungen werden in den Ansprüchen 5 bzw. 6 beansprucht.

3.2.2 Die Parteien waren sich einig, dass das Dokument (28) den nächstliegenden Stand der Technik darstellt. Die Kammer teilt diese Auffassung. Dieses Dokument offenbart die Verwendung von Kombinationen von Glufosinat oder Glyphosat mit einer synergistischen Menge von mindestens einem weiteren Herbizid, unter anderem Propaquizafop, zur Bekämpfung von Unkraut in Nutzpflanzen, die gegen diese Phospho-Herbizide resistent bzw. tolerant sind, beispielsweise resistente Rübenkulturen (siehe Seiten 1 und 2; Seite 9, letzter Absatz; Ansprüche 1, 9 und 10).

3.2.3 Ausgehend von dem Dokument (28) ist die Aufgabe in der Bereitstellung weiterer synergistischer Herbizid-Kombinationen zur Schadpflanzenbekämpfung in toleranten Zuckerrübenkulturen zu sehen.

Zur Lösung dieser Aufgabe werden die Verwendung von Herbizid-Kombinationen gemäß den Ansprüchen 1 und 2, ein Verfahren zur Bekämpfung von Schadpflanzen in Zuckerrübenkulturen gemäß Anspruch 5 und die Zusammensetzungen gemäß Anspruch 6 vorgeschlagen.

Zum Beleg für eine erfolgreiche Lösung der Aufgabe hat die Beschwerdeführerin 1 auf die im Streitpatent enthaltenen Daten und auf die nachgereichten experimentellen Berichte (30a), (30b) und (31) verwiesen. Diese Daten belegen in repräsentativer Weise, dass für jede der beanspruchten Kombinationen eine synergistische Wirkung erzielt werden kann.

Mit Hinweis auf die Entscheidung T 631/06 machten die Beschwerdeführerin 2 und die weitere Verfahrensbeteiligte geltend, dass ein synergistischer Effekt nicht über die gesamte Anspruchsbreite plausibel gemacht wurde. Die zitierte Entscheidung ist allerdings für den vorliegenden Fall nicht einschlägig, da darin bei sechs von acht Beispielen kein synergistischer Effekt zu erkennen war (vgl. Punkt 2.3.7). Dagegen wird bei den vorliegenden experimentellen Daten durchgehend eine synergistische Wirkung beobachtet. Es wird auch nicht als entscheidend erachtet, dass einzelne Bedingungen gefunden werden könnten, bei denen kein Synergismus beobachtet wird, so lange durch das unterscheidende Merkmal die Aufgabe über die volle Breite der Ansprüche gelöst werden kann. Im vorliegenden Fall ist diese Voraussetzung erfüllt (vgl. vorheriger Absatz).

Folglich kommt die Kammer zum Schluss, dass die oben definierte Aufgabe glaubhaft gelöst wurde.

3.2.4 Es bleibt nun zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, die genannte Aufgabe durch die Bereitstellung der anspruchsgemäßen Kombinationen zu lösen.

Die Komponenten Glufosinat-Ammonium (A1.2) bzw. Glyphosat-Isopropylammonium (A2.2) sind in dem Dokument (28) nicht explizit genannt. Allerdings sind diese dem Fachmann als gängige Salze von Glufosinat und Glyphosat bekannt, die als gleichwertige Alternativen in Herbizid-Kombinationen anzusehen sind. Dies wird auch beispielsweise durch die Dokumente (21) und (26) bestätigt (siehe Anspruch 1 bzw. 2) und wurde von der Beschwerdeführerin 1 nicht bestritten.

Ferner entnimmt der Fachmann bereits dem Dokument (28) die Lehre, als synergistischen Kombinationspartner Propaquizafop, d.h. einen Ester von Quizalofop-P (B3.1), einzusetzen (Seite 9, letzter Absatz; Ansprüche 9 und 10).

Darüber hinaus lehrt das Dokument (21), dass Herbizid-Kombinationen aus Glufosinat und dessen Salze, insbesondere Glufosinat-Ammonium, mit den Co-Herbiziden Fenoxaprop, insbesondere Fenoxaprop-Ethyl (B3.2), und Sethoxydim (B4.1) synergistische Wirkung gegenüber Unkraut aufweisen (siehe Beschreibung, Seite 2, Formel I und Seite 4, Zeilen 12 bis 14, "compound Ia"; Seite 2, Formel II (X = O, R = Cl) und Seite 4, Zeilen 19 bis 22, "compound IIa"; Seite 3, Formel V; Seite 6, Zeilen 15 bis 23; Tabellen I und III).

Aus den Dokumenten (21) und (28) erhält der Fachmann zur Lösung der gestellten Aufgabe somit eine klare Anregung, anspruchsgemäße Herbizid-Kombinationen in toleranten Zuckerrübenkulturen einzusetzen.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin 1, wonach das Dokument (21) nicht den Einsatz in Pflanzenkulturen offenbare und daher der Fachmann dieses Dokument nicht mit dem Dokument (28) kombiniert hätte, kann die Kammer nicht überzeugen: Wie oben bereits erläutert wurde (siehe Punkt 3.2.1), werden beim Streitpatent die Zuckerrübenkulturen so ausgewählt, dass sie gegenüber den jeweiligen in der Kombination enthaltenen Herbiziden (A) und (B) tolerant sind. Da diese Toleranz gerade bezweckt, die Verwendung der entsprechenden Herbizide zum Unkrautbekämpfung in diesen Kulturen zu erlauben (vgl. beispielsweise Streitpatent, Seite 3, Zeilen 6 bis 10; Dokument (26), Seite 2, Zeilen 12 bis 14), hat der Fachmann keinen Grund, eine Schädigung der Kulturpflanze beim Einsatz der Kombinationen gemäß dem Dokument (21) zu erwarten, besonders da die darin offenbarten selektiven Herbizide sogar als geeignet für den Einsatz in herkömmlichen Zuckerrübenkulturen bezeichnet werden (siehe Seite 5, Zeilen 25 bis 32). Daher hätte der Fachmann keine Bedenken, die in dem Dokument (21) offenbarten Herbizidgemische bei den bekannten toleranten Zuckerrübenkulturen zu verwenden.

3.2.5 Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 gemäß dem Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Da über jeden Antrag nur als Ganzes entschieden werden kann, erübrigt sich eine Prüfung der weiteren Ansprüche auf ihre Patentfähigkeit.

4. Vorlagefragen an die Grosse Beschwerdekammer vom 27. November 2015

Nach Artikel 112(1)a) EPÜ liegt es im Ermessen der Beschwerdekammer, bei der ein Verfahren anhängig ist, auf Antrag eines Beteiligten die Grosse Beschwerdekammer zu befassen, wenn sie, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, hierzu eine Entscheidung für erforderlich hält.

Der Antrag der Beschwerdeführerin bezieht sich auf Fragen zur Klarheit des Merkmals "synergistisch wirksamer Gehalt". Wie aus den vorstehend in dem Abschnitt 3.1 dargelegten Gründen ersichtlich wird, liegt in dieser Beziehung keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, sondern eine Auslegungsfrage, die nicht losgelöst vom Kontext und von den speziellen Aspekten des Einzelfalls abstrakt beantwortet werden kann. Die Kammer kann auch nicht erkennen, dass die vorliegende Entscheidung zur Klarheit von der Rechtsprechung T 68/85 abweicht.

Nachdem der beanspruchte Gegenstand zudem nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (siehe obigen Punkt 3.2), ist die Voraussetzung der Erforderlichkeit der Vorlage im vorliegenden Fall auch nicht erfüllt.

Dem Antrag der Beschwerdeführerin 1 zur Vorlage einer Rechtsfrage an die Grosse Beschwerdekammer wird daher nicht stattgegeben.

5. Hilfsantrag vom 27. November 2015

5.1 Änderungen (Artikel 123 EPÜ)

5.1.1 Die unter Artikel 123(2) EPÜ beanstandeten Änderungen betreffen die Beschränkung in den Ansprüchen 1, 2 und 6 auf bestimmte Herbizidkombinationen, nämlich von Glufosinat-Ammonium (A1.2) bzw. Glyphosat-Isopropylammonium (A2.2) als Herbizide (A) mit spezifischen Herbiziden (B). Allerdings werden diese in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung auf der Seite 13, letzte drei Zeilen, und Seite 14, erste zwei Absätze, jeweils individualisiert offenbart. Die entsprechenden Definitionen der Abkürzungen befinden sich in der Beschreibung und in den Tabellen 2 bis 8 (siehe Seite 7 (A1.2), Seite 8 (A2.2); für die Komponente (B), Seite 3 bis 5 und 10 bis 12).

Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin 2 und der weiteren Verfahrensbeteiligte hat keine mehrfache Auswahl stattgefunden, sondern es erfolgte lediglich eine Verkürzung der Liste der offenbarten Kombinationen durch Streichung. Die nun beanspruchten Kombinationen sind damit der ursprünglichen Anmeldung direkt und unmittelbar zu entnehmen.

Es wurde weiter beanstandet, dass auf Seite 11 der ursprünglichen Anmeldung die in dem vorliegenden Anspruch 2 gelisteten Komponenten "Fenoxaprop" und "Fluazifop" nicht zu finden sind. Allerdings sind diese an anderen Stellen der ursprünglichen Anmeldung offenbart (siehe Seite 4, (B3.2) und (B3.3); und Anspruch 4).

Daher sieht die Kammer die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ als erfüllt an.

5.1.2 Gegenüber dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist in den vorliegenden Ansprüchen 1 und 2 eine Beschränkung der obligatorischen Komponenten in der zu verwendenden Zusammensetzung vorgenommen worden. Diese Ansprüche genügen daher den Erfordernissen des Artikels 123(3) EPÜ. Da es sich bei dem Anspruch 3 um einen abhängigen Anspruch handelt, bestehen auch keine Bedenken im Hinblick auf Artikel 123(3) EPÜ. Daher können die Einwände der Beschwerdeführerin 2 bezüglich des Artikels 123(3) nicht greifen.

5.1.3 Somit erfüllt der Hilfsantrag die Erfordernisse der Artikel 123(2) und (3) EPÜ.

5.2 Neuheit (Artikel 52(1) und 54 EPÜ)

5.2.1 Die Neuheit des Gegenstandes der Ansprüche 2 und 6 wurde gegenüber den Dokumenten (1) bzw. (29) in Frage gestellt.

5.2.2 Die Entgegenhaltung (1) betrifft Herbizidgemische aus Triflusulfuronmethyl (Formel I) und Glyphosate (Formel II) bzw. dessen Salze (Formel IIa) mit synergistischer Wirkung gegen Unkräuter, bevorzugt in resistenten Zuckerrübenkulturen (siehe Seite 1, Zeile 22 bis Seite 2, Zeile 15; Seite 2, Zeilen 23 bis 26; Ansprüche 1, 4 und 7). Eine entsprechende Ausführungsform wird unter der Überschrift "Utility" auf der Seite 7, Zeilen 10 bis 31 beschrieben. Im folgenden Absatz (Seite 7, Zeile 32 bis Seite 8, Zeile 5) wird außerdem ausgeführt, dass die erfindungsgemäßen Gemische in Kombination mit anderen handelsüblichen Herbiziden eingesetzt werden können, darunter die Ethofumesate Fenoxaprop-P, Fenoxaprop, Fluazifop, Haloxyfop und Sethoxydim, die im vorliegenden Anspruch 2 als (B)-Herbizide genannt sind. Allerdings werden an dieser Stelle keine der aufgelisteten optionalen Komponenten einer bestimmten Verbindung der Formel II oder IIa individualisiert zugeordnet. Zwar werden an anderer Stelle des Dokuments (1) die Isopropylammonium- und Trimesiumsalze von Glyphosat als bevorzugt aufgeführt (z.B. Seite 2, Zeilen 16 bis 22; Ansprüche 2 und 3), nicht aber in bestimmten Kombinationen mit den auf der Seite 8 offenbarten Herbiziden. Daraus folgt, dass der im vorliegenden Anspruch 2 beanspruchte Gegenstand nicht direkt und unmittelbar aus dem Dokument (1) hervorgeht.

5.2.3 Das Dokument (29) betrifft ein Verfahren zur Bekämpfung von Schadpflanzen in Nutzpflanzenkulturen mit einer bestimmten Aufwandmenge einer Verbindung der Formel (I) (siehe Seite 2, Zeile 39 bis Seite 3, Zeile 1). Die geeigneten Verbindungen der Formel (I) werden auf der Seite 3, Zeilen 2 bis 20 aufgelistet und umfassen unter anderem Glufosinat und dessen Salze, insbesondere Glufosinat-Ammonium (Ib) (siehe Seite 3, Zeilen 2, 3, 19, 20). In diesen Passagen erscheint daher Glufosinat-Ammonium nicht vereinzelt, sondern in einer Liste von geeigneten Verbindungen der Formel (I), und stets neben Glufosinat als besonders bevorzugt.

In einer zweiten Liste werden optional einsetzbare selektive Herbizide aufgeführt (siehe Seite 3, Zeile 21 bis Seite 4, Zeile 7), darunter solche, die auch in dem vorliegenden Anspruch 6 genannt sind (siehe z.B. Clethodim auf Seite 3, Zeile 53).

Es ergibt sich somit aus der Offenbarung auf den Seiten 2 und 3 des Dokuments (29) keine eindeutige Festlegung auf einzelne Kombinationen, da eine Auswahl aus zwei Listen erforderlich ist, um zum Gegenstand von Anspruch 6 zu gelangen. Es werden zwar an anderer Stelle individualisierte Kombinationen von Glufosinat-Ammonium mit weiteren Wirkstoffen offenbart, diese fallen allerdings nicht unter den vorliegenden Anspruch 6 (siehe z.B. Seite 4, Zeilen 40 bis 55; Ansprüche 4, 7 und 8).

Die Kammer kann sich daher der Auffassung der Beschwerdeführerin 2, wonach Dokument (29) für den Anspruch 6 neuheitsschädliche Kombinationen offenbaren würde, nicht anschließen.

5.2.4 Zusammenfassend wird daher festgestellt, dass der Gegenstand des Hilfsantrags gegenüber dem zitierten Stand der Technik als neu anzusehen ist.

5.3 Erfinderische Tätigkeit (Artikel 52(1) und 56 EPÜ)

5.3.1 Bei der Analyse der erfinderischen Tätigkeit für den Hilfsantrag verwiesen die Parteien im wesentlichen auf ihren jeweiligen Vortrag zu dem Hauptantrag. Demgemäß unterscheiden sich der nächstliegende Stand der Technik und die zu lösende Aufgabe im Hilfsantrag nicht von denen, die für den Hauptantrag definiert wurden (siehe obige Punkte 3.2.2 und 3.2.3). Bei der beanspruchten Lösung der gestellten Aufgabe wurden allerdings bestimmte Herbizid-Kombinationen in den Ansprüchen 1 und 2 gestrichen (siehe obiger Punkt III).

5.3.2 Die Beschwerdeführerin 2 und die weitere Verfahrensbeteiligte führten aus, dass trotz der Streichungen die Dokumente (21) und (28) die beanspruchten Gegenstände nahelegten. Es wurde insbesondere argumentiert, dass darin als Co-Herbizide eine Reihe von Phenoxypropionsäuren offenbart wurden und daher die ganze Substanzklasse, wie auch die in den Ansprüchen 1, 2 und 6 beanspruchten Komponenten (B3), nahegelegt werde.

Allerdings ist es, wie in der Erklärung (32) dargelegt wird (siehe Seite 2, 3. Absatz), erfahrungsgemäß nicht vorsehbar, welche Herbizide in Kombination einen Synergismus zeigen werden. Die gleiche Lehre vermitteln die Dokumente (21) und (28), da darin als geeignete Kombinationspartner lediglich eng definierte Verbindungen oder Strukturformeln vorgeschlagen werden. Der Fachmann würde diesen Dokumenten daher keine allgemeine Lehre entnehmen, dass ein Austausch gegen beliebige weitere Verbindungen aus der Substanzklasse der Phenoxypropionsäure-Herbizide zu vergleichbaren Ergebnisse führen würde.

Das Dokument (6) ist auch nicht geeignet, die erfinderische Tätigkeit des Anspruchs 2 in Frage zu stellen. Darin werden nämlich spezifische Herbizid-Kombinationen auf Basis von Glyphosat-Alkylestern offenbart. Entgegen der Ausführungen der Beschwerdeführerin 2 und der weiteren Verfahrensbeteiligten werden in dem Dokument (6) selbst die Glyphosat-Alkylester und Glyphosat nicht als gleichwertig angesehen, da diese als zu unterschiedlichen Wirkstoffgruppen gehörend bezeichnet und selbst als synergistische Kombinationspartner vorgeschlagen werden (Seite 1, Zeile 25 bis Seite 2, Zeile 7; Seite 3, Zeilen 22, 23). Eine solche Gleichwertigkeit in synergistischen Kombinationen kann auch nicht dem zitieren Dokument (26) entnommen werden: Als bevorzugte Derivate von Glyphosat werden darin nämlich lediglich Salze, wie das Monoisopropyl­ammonium-, Natrium- oder Ammoniumsalz, und nicht Alkylester genannt (Seite 2, Zeilen 54, 55).

Schließlich geben die bezüglich der Neuheit zitierten Dokumenten (1) und (29) auch keinen Hinweis, dass die erfindungsgemäßen Kombinationen einen Synergismus zeigen würden.

5.3.3 Aus dem Vorstehenden folgt, dass sich die vorgeschlagene Lösung nicht in einer naheliegenden Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Daher beruht der Gegenstand der Ansprüche 1, 2 und 6 auf einer erfinderischen Tätigkeit. Gleiches gilt für die abhängigen Ansprüche 3 und 4, und für den Anspruch 5 betreffend entsprechende Verfahren zur Bekämpfung von Schadpflanzen in Zuckerrübenkulturen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Ansprüchen und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten:

Ansprüche Nr. 1 bis 6 des während der mündlichen Verhandlung am 27. November 2015 eingereichten Hilfsantrags.

3. Der Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer wird zurückgewiesen.

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