T 0590/15 () of 4.6.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T059015.20190604
Datum der Entscheidung: 04 Juni 2019
Aktenzeichen: T 0590/15
Anmeldenummer: 08804615.6
IPC-Klasse: A23L 3/00
A23L 3/10
A23L 3/14
A61L 2/04
A61L 2/07
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VORRICHTUNG ZUM STERILISIEREN VON QUADERFÖRMIGEN KARTON/KUNSTSTOFF-VERBUNDPACKUNGEN IN EINEM AUTOKLAVEN
Name des Anmelders: SIG Technology AG
Name des Einsprechenden: Tetra Laval Holdings & Finance SA
Kammer: 3.3.09
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 84
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Hauptantrag und Hilfsantrag 2 - Neuheit (nein)
Hilfsantrag 1 - Klarheit (nein)
Hilfsantrag 3 - Nicht zugelassen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0068/85
T 0500/89
T 0204/90
T 0455/92
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden richten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, wonach das europäische Patent Nr. 2 190 308 in geänderter Fassung den Erfordernissen des EPÜ genügt.

II. Die Einsprechende hatte den Widerruf des Patents im gesamten Umfang auf der Grundlage der Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) und Artikel 100 b) EPÜ beantragt.

III. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem vorgelegt:

D1: |US 6,009,800 |

D7: |WO 02/28721 A1 |

D10:|US 2006/0266226 A1 |

D12:|Bescheid des US-Patentamts vom 10. November 2014|

D13:|US 2007/0280044 A1.|

IV. Der Entscheidung der Einspruchsabteilung lagen die erteilten Ansprüche (Hauptantrag) sowie die Ansprüche des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags zugrunde.

Der erteilte Anspruch 1 lautet wie folgt:

"Vorrichtung zum Sterilisieren von quaderförmigen Karton/Kunststoff-Verbundpackungen in einem Autoklaven, wobei die aus Produkt und Verpackung bestehenden Packungen einer Wärmebehandlung bei einer bestimmten Temperatur über eine bestimmte Dauer unterzogen werden, wobei das Produkt aus einer Flüssigkeit und stückigen Anteilen besteht, wobei im Inneren des Autoklaven Einrichtungen zum rotatorischen Antrieb der Packungen um eine Drehachse vorgesehen sind, wobei eine Mehrzahl von in parallelen Reihen dicht benachbart angeordneten Packungen (P) auf Tragböden angeordnet sind, und wobei eine Mehrzahl von mit Packungen (P) bestückten Tragböden übereinander angeordnet und in ihrer gegenseitigen Lage fixiert sind,

dadurch gekennzeichnet, dass zur Aufnahme der Packungen ein im Wesentlichen quaderförmiges Rahmengestell (1) vorgesehen ist, welches eine Mehrzahl übereinander angeordneter tablettartiger Einsatzbleche (2) zur Aufnahme einer Mehrzahl von in parallelen Reihen dicht hintereinander angeordneten und auf ihren Schmalseiten liegenden Packungen (P) enthält und die Einsatzbleche (2) so ausgebildet sind, dass zwischen dem Boden (18B) eines Einsatzbleches (2) und den darunter befindlichen Packungsoberflächen des darunter angeordneten Einsatzbleches (2) bei Beladetemperatur ein schmaler Luftspalt (G) vorhanden ist."

Anspruch 1 des Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch das zusätzliche, am Ende eingefügte Merkmal "und dass der Boden (18) jedes Einsatzbleches (2) keine Ausnehmungen oder Löcher aufweist".

V. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung kann wie folgt zusammengefasst werden:

- Die beanspruchte Erfindung erfüllt die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ.

- Der erteilte Anspruch 1 ist so auszulegen, dass nur die Merkmale des kennzeichnenden Teils den Gegenstand des Anspruchs einschränkenden, während diejenigen, die auf den Autoklav und die Packungen gerichtet sind, nicht zu berücksichtigen sind.

- Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist nicht neu gegenüber D1, D7 und D10.

- Die Ansprüche des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags sind klar im Sinne des Artikels 84 EPÜ und der beanspruchte Gegenstand erfüllt die Erfordernisse der Artikel 54 und 56 EPÜ.

- Das von der Einsprechenden verspätet eingereichte Dokument D10 ist als prima facie relevant einzustufen und in das Verfahren einzuführen. Die Dokumente D12 und D13 werden, neben anderen, nicht in das Verfahren zugelassen.

VI. Gegen diese Entscheidung legte sowohl die Patentinhaberin als auch die Einsprechende Beschwerde ein. Da im vorliegenden Beschwerdeverfahren die

Patentinhaberin und die Einsprechende zugleich Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin sind, wird die Kammer die Parteien weiterhin als Patentinhaberin bzw. Einsprechende bezeichnen.

VII. Im laufe des Verfahrens reichten die Parteien folgende neue Dokumente ein:

Einsprechende (Schreiben vom 25. September 2015)

D14:|Ansprüche der Anmeldung US 12/675,010, die am 23. September 2008 beim US-Patentamt eingereicht wurden|

D15:|Bescheid des US-Patentamts vom 8. Juli 2015; Attorney Docket No. 3988-100244 |

D16:|EP 0 724 887 A1 |

Patentinhaberin (Schreiben vom 13. Oktober 2015)

D17: Internet-Dokument, von ,,Hyfoma"

VIII. In der Mitteilung vom 4. Dezember 2018 teilte die Beschwerdekammer den Beteiligten mit, welche Punkte in der anberaumten mündlichen Verhandlung zu diskutieren sein werden.

IX. Mit Schreiben vom 2. Mai 2019 legte die Patentinhaberin die folgenden Dokumente vor: D18:|Perfectly packaged bit by bit. Food in combiblock and combisafe; SIG Combiblock (SIG) |D19:|Tetra Recart® Midi. From Internet site: https://www.tetrapack.com//packaging/tetra-pak-r2 |D20:|J. O. Winmalm und S. Thorsell. Development of a new lifting device for Tetra Pak R1; Lund University, 2016| Außerdem reichte sie mit dem gleichen Schreiben die Hilfsanträge 2 und 3 ein. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch das zusätzliche, am Ende eingefügte Merkmal "und dass wenigstens im Kontaktbereich mit den Packungen (P) der Boden (18) jedes Einsatzbleches (2) keine Ausnehmungen oder Löcher aufweist". Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 der anderen Anträge dadurch, dass die Kategorie von einem Erzeugnis- auf einen Verfahrensanspruch gewechselt wurde.| | | |

X. Am 4. Juni 2019 fand die mündlichen Verhandlung vor der Kammer statt.

Die Anträge zu Beginn der Verhandlungen waren folgende:

Die Patentinhaberin beantragte die Aufhebung der Entscheidung der Einspruchsabteilung und die Zurückweisung des Einspruchs (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 3:

- Hilfsantrag 1 wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung;

- Hilfsanträge 2 und 3 wie eingereicht mit Schreiben vom 2. Mai 2019.

Ferner beantragte sie, die nicht in das Einspruchsverfahren zugelassenen Dokumente D12 und D13 sowie die mit Schreiben vom 25. September 2015 eingereichten Dokumente D14 bis D16 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.

Die Einsprechende beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Im Weiteren beantragte sie, das Dokument D16 in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.

Während der mündlichen Verhandlung beantragte die Einsprechende, die Hilfsanträge 2 und 3 nicht in das Verfahren zuzulassen.

Nach Beendigung der sachlichen Debatte und Beratung der Kammer verkündete der Vorsitzende die Entscheidung.

XI. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Einsprechenden lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Anspruch 1 des Hauptantrags sei nur auf eine Vorrichtung gerichtet, bei der ein im Wesentlichen quaderförmiges Rahmengestell vorgesehen sei, das eine Mehrzahl übereinander angeordneter tablettartiger Einsatzbleche enthalte. Alle anderen im Anspruch genannten Merkmale bezögen sich lediglich darauf, wie die Vorrichtung zu verwenden sei. Insbesondere der Autoklav, die Packungen und die Art und Weise, wie diese Packungen angeordnet seien, seien nicht Teil der beanspruchten Vorrichtung. Weiterhin sei das Erfordernis, dass zwischen dem Boden eines Einsatzbleches und den darunter befindlichen Packungsoberflächen bei Beladetemperatur ein schmaler Luftspalt vorhanden sei, der während der Sterilisation durch die Ausdehnung der Packungen überwunden werde, sodass die Packungen sich verklemmten, im Anspruch 1 völlig abwesend. Dieses Erfordernis könne nicht limitierend sein, wenn die die Packungen charakterisierenden Merkmale (Abmessungen, Inhalt und Materialien) sowie die Bedingungen des Autoklaviervorgangs (Temperatur, Druck) nicht im Anspruch angegeben seien. Die vorliegenden Dokumente (z. B. D17-D20) lieferten auch keinen Nachweis dafür, dass es eine klare Standardisierung der Größe der Verpackungen auf dem relevanten technischen Gebiet gebe. Aus diesen Gründen erfasse der Anspruch jede Vorrichtung, die zur Aufnahme von Packungen in der in Anspruch 1 angegebenen Anordnung geeignet sei und in einem Sterilisationsvorgang in einem Autoklav nach Anspruch 1 verwendet werden könne. Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber D1, D7 und D10. Diese Dokumente offenbaren quaderförmige Rahmengestelle, die eine Mehrzahl übereinander angeordneter tablettartiger Einsatzbleche enthielten, die für den beanspruchten Einsatzzweck geeignet seien. Auch sei bei Beladetemperatur ein Luftspalt vorhanden.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 sei grundsätzlich wie Anspruch 1 des Hauptantrags auszulegen und unterscheide sich davon durch das zusätzliche Merkmal, dass ,,der Boden (18) jedes Einsatzbleches (2) keine Ausnehmungen oder Löcher aufweist". Dieses in den erteilten Ansprüchen nicht vorhandene technische Merkmal sei jedoch unklar. Die Position des Bodens innerhalb der Einsatzbleche sowie die Position, an der kleine Löcher vorhanden sein dürften, seien aus dieser Definition nicht ersichtlich. Zum Beispiel enthalte die obere Schicht (18A) der in Figur 5 des Streitpatents abgebildeten Einsatzbleche Ausnehmungen (17). Diese Ausnehmungen befänden sich in einem Teil (16) der oberen Schicht (18A), die als Bestandteil des Bodens der Einsatzbleche betrachtet werden könne. Umgekehrt enthalte die untere Schicht (18B) der Einsatzbleche keine Ausnehmung. Ob die in der Figur 5 abgebildeten Einsatzbleche in den Geltungsbereich der Ansprüche fielen, bleibe daher völlig unklar.

Des Weiteren sei der Gegenstand des Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 und 2 nicht neu gegenüber der in D10 offenbarten Vorrichtung. Diese Vorrichtung enthalte erfindungsgemäße Einsatzbleche, die keine Ausnehmungen oder Löcher im Boden aufwiesen. Figur 16C von D10 offenbare zwar ein Einsatzblech, das Löcher in seinem Boden besitze. Allerdings seien diese Löcher gemäß Absatz [0121] nur optional. Die englische Formulierung "may" drücke die Möglichkeit eines Vorhandenseins aus, nicht aber ein zwangsläufiges Vorhandensein. Die absichtliche Wahl des Wortlauts "may", um das optionale Vorhandensein bestimmter Merkmale auszudrücken, gehe aus Absatz [0167] hervor. Somit sei klar, dass eine Ausführungsform, in der keine Löcher vorhanden seien, im Absatz [0121] offenbart werde. Daher sei Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 nicht neu gegenüber D10.

Darüber hinaus seien die Hilfsanträge 2 und 3 verspätet eingereicht worden und nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen. Insbesondere der Hilfsantrag 3, der eine Änderung der Anspruchskategorie enthalte, führe zur Entstehung eines komplexen divergierenden Anspruchssatzes. Zwar beziehe sich Anspruch 1 auf ein Verfahren, doch seien alle folgenden Ansprüche, die von Anspruch 1 abhingen, auf ein Erzeugnis gerichtet.

XII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Patentinhaberin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Der in der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Fachmann berücksichtige nicht die gesamte Offenbarung des Patents. Außerdem lege er das Patent ohne Verständnisbereitschaft aus und missverstehe es willentlich. Insbesondere ignoriere er sämtliche die Packungen und den Luftspalt betreffenden Merkmale. Der Anspruch 1 des Streitpatents schreibe eine Dimensionierung mit den Merkmalen der Packungsorientierung und des schmalen Luftspalts vor. Dieser Luftspalt solle, gemäß der Beschreibung des Streitpatents, durch die Ausdehnung der Packung überwunden werden, sodass die Packungen sich verklemmen. Es handele sich hier um funktionelle Merkmale, die laut ständiger Rechtsprechung nicht ignoriert werden können (z. B. T 68/85, T 500/89).

Im Falle des Streitpatents sei die Dimensionierung des Luftspalts abhängig von den Dimensionen, der Orientierung und dem Ausdehnverhalten der Packungen. Die Packungsdimensionen seien im Patent implizit definiert und das Ausdehnverhalten der Packungen könne ausgehend von den Eigenschaften der Packungen und den Bedingungen während des Sterilisationsverfahrens mit zumutbarem Aufwand ermittelt werden. Diese Auffassung werde nicht beeinträchtigt durch die Tatsache, dass die Packungen nicht Teil der Vorrichtung seien. Laut den Entscheidungen T 204/90 und T 455/92 sowie den Richtlinien für die Prüfung im EPA (F-IV, 4) könne ein Gegenstand durch Bezugnahme auf den Verwendungszweck oder einen anderen Gegenstand definiert werden. In diesem Zusammenhang zeigen D17, D18, D19 und D20, dass quaderförmigen Karton/Kunststoff-Verbundpackungen, die unterschiedlichen Volumen, aber die gleiche Standfläche aufwiesen, auf dem Markt erhältlich seien. Man könne daher die Packungsgrößen als standardisiert betrachten.

Unter Berücksichtigung der oben genannten funktionellen Merkmale sei daher der im Hauptantrag beanspruchte Gegenstand neu gegenüber D1, D7 und D10. In diesen Dokumenten werde mindestens eines der folgenden Merkmale allein oder in Kombination nicht offenbart: 1) die quaderförmigen Karton-/Kunststoff-Verbundverpackungen, 2) auf ihren Schmalseiten liegende Packungen, 3) Einsatzbleche, die so konstruiert seien, dass ein Luftspalt vorhanden sei. Vor allem weise die in D10 offenbarte Vorrichtung keinen schmalen Luftspalt bei Beladetemperatur im Sinne des Streitpatents auf. Der in D1, D7 und D10 dargestellte Luftspalt sei viel größer als der gemäß Streitpatent und daher nicht geeignet, den Effekt zu erzielen, dass die Packungen sich durch Ausdehnung während des Autoklavierens verklemmen.

Des Weiteren sei der in den Hilfsanträgen beanspruchte Gegenstand auch neu, weil keines der Dokumente D1, D7 und D10 Einsatzbleche offenbare, die keine Löcher aufwiesen. Der in D10 verwendete Wortlaut "may" bedeute nicht, dass keine Löcher vorhanden seien.

Die Hilfsanträge 2 und 3 seien eingereicht worden, um die erhobenen Einwände zu beseitigen, und stellten keine komplexe Änderung des beanspruchten Gegenstands dar.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag (Ansprüche wie erteilt)

1. Neuheit

1.1 Anspruch 1 (siehe Punkt IV) ist auf eine Vorrichtung zum Sterilisieren von Verpackungen in einem Rotationsautoklav gerichtet. Aus dem Wortlaut geht klar hervor, dass der Autoklav selbst nicht Teil der Vorrichtung ist, und dessen Merkmale die Vorrichtung somit nicht weiter einschränken. Die Vorrichtung muss lediglich für den Einsatz in einem Rotationsautoklav geeignet sein.

1.2 Ferner erfordert Anspruch 1, dass eine Mehrzahl von in parallelen Reihen dicht benachbart angeordneten Packungen (P) auf Tragböden angeordnet werden können. Wie die Patentinhaberin selbst zugegeben hat, sind die zu sterilisierenden Packungen und deren Inhalt auch nicht Teil der Vorrichtung. Folglich sind das Vorhandensein der Packungen und die Art und Weise, wie diese Packungen angeordnet und auf die Einsatzbleche gelegt werden, Merkmale, die eher das zu implementierende (und nicht beanspruchte) Verfahren kennzeichnen, nicht aber die beanspruchte Vorrichtung.

1.3 Des Weiteren sollen gemäß Anspruch 1 die Einsatzbleche so ausgebildet sein, dass zwischen dem Boden eines Einsatzbleches und den darunter befindlichen Packungsoberflächen des darunter angeordneten Einsatzbleches bei Beladetemperatur ein schmaler Luftspalt vorhanden ist. Da jedoch die Packungen nicht Teil der Vorrichtung sind und ihre Größe nicht definiert wird, bleibt die Größe der Vorrichtung unbestimmt. Daher fällt jede Vorrichtung, die geeignet ist, auf ihren Schmalseiten liegende Packungen einer nicht definierten Größe zwischen den Einsatzblechen so anzuordnen, dass ein Luftspalt vorhanden ist, unter die Definition des Anspruchs 1.

1.4 Die in den Dokumenten D1 (siehe Figuren 8, 10 und 11 in Zusammenhang mit Spalte 3, Zeilen 5-10) und D10 (siehe Figuren 4A, 4B, 5, 16C1, 16D1 und Absätze [0002], [0012-0015] und [0073]) offenbarten Vorrichtungen sind zur Verwendung in einem Rotationautoklav bestimmt und sind mit einem im Wesentlichen quadratischen Rahmengestell versehen, das eine Mehrzahl übereinander angeordneter tablettartiger Einsatzbleche enthält. Diese Vorrichtungen und die entsprechenden Einsatzbleche sind geeignet, eine Mehrzahl auf ihren Schmalseiten liegender Packungen aufzunehmen. Außerdem ist der Abstand zwischen den Einsatzblechen ausreichend, dass zwischen den Packungen und dem darüber liegenden Einsatzbleche ein "Luftspalt" vorhanden bleibt (siehe D1, Spalte 3, Zeile 5-10 und D10 Figur 5).

1.5 Laut Patentinhaberin sind die in D1 und D10 vorhandenen Lehrräume kein "schmaler Luftspalte" im Sinne der Erfindung. Ihrer Meinung nach muss der im Anspruch 1 erwähnten Luftspalt so schmal sein, sodass er während der Sterilisation durch die Ausdehnung der Packungen überwunden wird.

1.6 Dieses funktionelle Erfordernis ist jedoch nicht Teil des Anspruchs. Aus dem gleichen Grund sind auch die von der Patentinhaberin erwähnten Entscheidungen T 68/85 und T 204/90 für den vorliegenden Fall nicht relevant. In beiden Entscheidungen waren die beanspruchten Erfindungen durch funktionelle Merkmale bzw. Erfordernisse gekennzeichnet, die klar und eindeutig in den Ansprüchen definiert waren. Ein Rückgriff auf die Beschreibung zur Auslegung des Anspruchs war auch nicht notwendig. Bei näherer Betrachtung lagen in der Sache T 204/90 ganz besondere Umstände vor. Beansprucht war ein Atemschutzgerät, das auf den Mund eines Patienten aufgebracht werden sollte. Unter Berücksichtigung dieser besonderen Verwendung und des Erfordernisses, dass die Vorrichtung sich an die Form eines Mundes anpassen musste, wurden die im Anspruch angegebenen funktionellen Merkmale als klar betrachtet.

1.7 Auch die Entscheidung T 500/89 ist für den vorliegenden Fall nicht maßgebend. Diese Entscheidung bezog sich auf einen Fall, in dem der Anspruch auf ein Verfahren gerichtet war, wobei das charakterisierende technische Merkmal des Verfahrens - "im wesentlichen vermischungsfreies Auftragen" - im Anspruch angegeben war. Wie bereits erwähnt enthält der erteilte Anspruch 1 kein entsprechendes funktionelles Merkmal. Der entscheidende Punkt in T 500/89 war, ob ein in der Beschreibung einer Entgegenhaltung offenbartes funktionelles Erfordernis als Bestandteil der Offenbarung zu betrachten sei.

1.8 Unter Berufung auf die Entscheidung T 455/92 argumentierte die Patentinhaberin, dass die Abmessungen und/oder Form eines ersten Gegenstands durch allgemeine Bezugnahmen auf einen zweiten Gegenstand, der nicht Teil des beanspruchten Gegenstands sei, aber mit diesem bei Verwendung in Beziehung stehe, definiert werden könne. Dies gelte insbesondere, wenn der zweite Gegenstand eine gewisse standardisierte Größe aufweise.

1.9 In diesem Zusammenhang reichte die Patentinhaberin D17, D18, D19 und D20 ein. Diese Dokumente zeigen, dass Packungen von zwei verschiedenen Herstellern ("TetraRecart**(®)" von TetraPak und "combisafe" von SIG) auf dem Markt erhältlich sind, die die gleiche Standfläche aufweisen. Insbesondere werden drei "combisafe"-Verpackungen von der Firma SIG hergestellt, die unterschiedliche Volumen (200 ml, 300 ml, 400 ml, 500 ml) aber eine gleich große Standflache aufweisen (76 x 47.5 mm, siehe D18, Seite 43). Ihrer Meinung nach sei daher von einer Standardisierung der Packungen auszugehen. Die Höhe der Packungen, die anspruchsgemäß auf ihrer Schmalseite liegen, sei dann immer gleich. Diese Höhe würde dann zwangsläufig auch den Abstand zwischen den Einsatzblechen und die Größe des Luftspalts bestimmen.

1.10 Dieses Argument ist nicht überzeugend. Die bloße Tatsache, dass zwei Hersteller Packungen auf den Markt bringen, die die gleiche Standfläche aufweisen, ist kein Beweis dafür, dass es für die Herstellung von Packungen eine allgemein akzeptierte Standardgröße gibt. Darüber hinaus zeigt das Dokument D18, Seite 43, dass Verpackungen hergestellt werden, die sowohl eine kleinere als auch eine größere Standfläche als diejenige der "Combisafe"-Serie aufweisen (63x40 mm, 72x70 mm, 90x59 mm). Die Herstellung dieser Verpackungen ist eine rein kommerzielle Wahl, die sich jederzeit ändern kann.

1.11 Demzufolge kann man nicht von einer Standardisierung der Packungsgröße ausgehen, so dass es auch keinen untrennbaren Bezug zwischen Packungen eines standardisierten Formats und der Struktur der beanspruchten Vorrichtung geben kann. Die Größe des Luftspalts bleibt daher ebenfalls unbestimmt.

1.12 Die in den Dokumenten D1 und D10 offenbarten Vorrichtungen sind deshalb geeignet, eine Mehrzahl von in parallelen Reihen dicht hintereinander angeordneten und auf ihren Schmalseiten liegenden Packungen zu enthalten, so "dass zwischen dem Boden (18B) eines Einsatzbleches (2) und den darunter befindlichen Packungsoberflächen des darunter angeordneten Einsatzbleches (2) bei Beladetemperatur ein schmaler Luftspalt (G) vorhanden ist". Daher ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu (Artikel 54(2) EPÜ).

Hilfsantrag 1

2. Klarheit

2.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch das zusätzliche Merkmal "und dass der Boden (18) jedes Einsatzbleches (2) keine Ausnehmungen oder Löcher aufweist". Dieses Merkmal, das während des Einspruchsverfahrens in den Anspruch aufgenommen wurde, findet seine Stütze in der Beschreibung und kommt als solches in den erteilten Ansprüchen nicht vor. Es gilt daher zu prüfen, ob durch die Einführung des oben genannten Merkmals ein Mangel an Klarheit im Vergleich zu dem erteilten Anspruch 1 des Streitpatents entsteht (G 3/14, Leitsatz).

2.2 Der geänderte Anspruch 1 sieht vor, dass "der Boden (18) jedes Einsatzbleches keine Ausnehmungen oder Löcher aufweist". Aus diesem Wortlaut ist jedoch nicht klar, was mit "der Boden (18)" gemeint ist. Eine Definition des Bodens (18) ist im Oberbegriff des Anspruchs 1 nicht angegeben. Aus dem Anspruch kann in Kombination mit Figur 5 hergeleitet werden, dass die in der Vorrichtung vorhandenen Einsatzbleche einen oberen Boden (18A) und einen unteren Boden (18B) aufweisen. Es ist jedoch nicht klar, ob der Verweis auf den "Boden (18)" bedeutet, dass entweder der obere Boden (18A) oder der untere Boden (18B) oder beide Böden keine Löcher aufweisen sollen.

2.3 Dabei ist auch zu bedenken, dass der obere Boden (18A) der in Figur 5 dargestellten Einsatzbleche durch vertikale Stegbleche (16) unterbrochen ist, die Ausnehmungen (17) aufweisen. Da die Stegbleche hohl sind, sind in der Basisschicht (18A) an der Stelle, an der sich die Stegbleche befinden, Schlitze vorhanden (siehe den Brief der Beschwerdeführerin/Einsprechenden vom 26. Mai 2015, Seite 5, Figur 5, "Slot"). Ob diese Schlitze als Ausnehmungen oder Löcher im Sinne von Anspruch 1 angesehen werden können oder nicht, ist unklar. Daher scheint es für den Fachmann nicht möglich zu bestimmen, ob die in der Figur 5 dargestellte Ausführungsform innerhalb des beanspruchten Bereichs liegt.

2.4 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 erfüllt somit nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.

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Hilfsantrag 2

3. Zulässigkeit

3.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch das zusätzliche Merkmal "und dass wenigstens im Kontaktbereich mit den Packungen (P) der Boden (18) jedes Einsatzbleches (2) keine Ausnehmungen oder Löcher aufweist". Dieser Anspruch ergibt sich aus der Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 9. Daher ist er nach Artikel 84 EPÜ nicht zu beanstanden (G 3/14, Leitsatz).

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3.2 Die Einreichung des Hilfsantrags 2 kann als Reaktion auf die von der Einsprechenden mit dem Brief vom 5. April 2019 vorgebrachten Klarheitseinwände bezüglich des Anspruchs 1 betrachtet werden. Da dieser Anspruch sich aus einer einfachen Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 9 ableiten lässt und er den Einwand der mangelnden Klarheit ausräumt, wird der Hilfsantrag 2 in das Verfahren zugelassen.

4. Neuheit

4.1 Die Einsprechende macht mangelnde Neuheit gegenüber D10 geltend. Wie oben ausgeführt, offenbart D10 eine Vorrichtung nach Anspruch 1 des Hauptantrags. Es gilt daher zu untersuchen, ob diese Vorrichtung auch Einsatzbleche offenbart, deren Böden "wenigstens im Kontaktbereich mit den Packungen keine Ausnehmungen oder Löcher aufweisen".

4.2 Die Einsatzbleche, die in Figur 16C1 dargestellt sind, weisen Löcher (470) in ihrem Boden auf.

4.3 Absatz [0121] von D10, der sich auf Figur 16C1 bezieht, lehrt jedoch, dass: ,,..tray 404 may include perforations 470 for the process water to penetrate the complete stack.." (Hervorhebung durch die Kammer).

4.4 Die Aussage im Absatz [0121], dass das in der Figur 16C gezeichnete Einsatzblech Perforationen enthalten kann, ist ein klarer und eindeutiger Hinweis darauf, dass die Perforationen optional sind. Deswegen offenbart D10 ebenfalls eine Vorrichtung mit Einsatzblechen, die keine Perforationen im Boden enthalten.

4.5 Laut den Ausführungen der Patentinhaberin sei der Schreibstil des gesamten Dokuments D10 von einer häufigen Verwendung des Modalverbs ,,may" geprägt. In diesem Zusammenhang wurde z.B. auf die Absätze [0003] und [0012] hingewiesen. Ihrer Meinung nach zeige dies, dass die Verwendung von ,,may" im letzten Satz von Absatz [0121] nicht auf eine mögliche Ausführungsform ohne "Perforations 470" hinweise. Weiterhin zeigten die Ausführungsbeispiele der die Erfindung betreffenden Figuren 16C1, 16D1, 16E1 und 27A von D10 Perforationen. Des Weiteren lehre der letzte Satz des Absatzes [0121], dass das Vorhandensein der Perforationen eine Durchdringung des Prozesswassers durch den gesamten Stapel an Tragböden ermögliche.

4.6 Die Kammer kann diesem Argument nicht folgen. Die englische Formulierung "may" drückt die Möglichkeit oder die Wahrscheinlichkeit aus, dass etwas vorhanden ist. Sie bedeutet jedoch nicht, dass etwas zwangsläufig vorhanden ist, wie die Patentinhaberin behauptet. So zeigt Absatz [0167], dass sich die Anmelderin von D10 sehr wohl der Bedeutung von "may" bewusst war. In diesem Absatz wird deutlich unterschieden zwischen Merkmalen, die vorhanden sein müssen, und denen, die lediglich vorhanden sein können ("may"). Der entscheidende Satz in Absatz [0167], der sich auf Figuren 28, 29 und 16 bezieht, lautet: "In this regard, ridges 2302 are formed in the web 2304 of the tray, which web may be perforated as in the webs of trays 404 shown in FIGS. 16C2 and 16D2" (Hervorhebung durch die Kammer).| |

4.7 Aus diesen Gründen offenbart der Absatz [0121] von D10 dem Fachmann unmittelbar und eindeutig eine Ausführungsform, bei der die Einsatzbleche der Vorrichtung keine Perforationen aufweisen. Da solche Einsatzbleche keine (wie auch immer gearteten) Löcher oder Ausnehmungen aufweisen, erfüllen sie auch das Erfordernis, dass sie "wenigstens im Kontaktbereich mit den Packungen keine Ausnehmungen oder Löcher aufweisen".

4.8 Daher ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 nicht neu (Artikel 54(2) EPÜ).

Hilfsantrag 3

5. Zulässigkeit

5.1 Der Hilfsantrag 3 wurde am 2. Mai 2019 nach der Anberaumung der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereicht.

5.2 Mit dem Hilfsantrag 3 wurde ein neues Patentbegehren eingereicht, indem Anspruch 1 jetzt auf ein "Verfahren zum Sterilisieren von quaderförmigen Karton-Kunststoff- Verbundpackungen in einem Autoklaven" gerichtet ist.

Allerdings sind alle übrigen Ansprüche weiterhin auf eine Vorrichtung gerichtet, die auf Anspruch 1 direkt oder indirekt rückbezogen sind. So lauten zum Beispiel die Ansprüche 2, 3, 6 und 7 wie folgt:

"2. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet dass der Autoklav (A) ein Dampf/Luft-Rotationsautoklav ist."

"3. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet dass der Autoklav (A) ein Berieselungs-Rotationsautoklav ist."

"6. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet dass jedes Einsatzblech (2) einen umlaufenden Rahmen (15) und zwischen den Packungsseiten verlaufende Stegbleche (17) aufweist."

"7. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet dass der Rahmen (15) und/oder die Stegbleche (17) hohl ausgebildet sind und Ausnehmungen (17) aufweisen."

5.3 Aufgrund dieser Anspruchskonstruktion ist nicht klar, welche Verfahrensmerkmale des Anspruchs 1 in die Erzeugnisansprüche 2-11 hineingelesen werden müssen.

Des Weiteren enthält Hilfsantrag 3 de facto neue unabhängige Erzeugnisansprüche (z.B. Ansprüche 2 und 3). Anspruch 7 bezieht sich auf eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 6, obwohl Anspruch 6 selbst auf eine Vorrichtung gerichtet ist, was zur weiteren Verwirrung beiträgt.

5.4 Die Ansprüche des Hilfsantrags 3 beinhalten nicht nur ein neues Anspruchsbegehren, sie stellen auch keine konsistente Verteidigungslinie dar. Durch die ständig wechselnde Bezugnahme auf Verfahren und Vorrichtung werfen sie neue Fragen auf, inwieweit diese Merkmale den Anspruchsgegenstand einschränken, und dies zu einem sehr späten Zeitpunkt des Verfahrens. Der Antrag wird daher nicht in das Verfahren zugelassen (Artikel 13(1) VOBK).| |

6. Zulässigkeit der Dokumente D12-D16

In Anbetracht der oben genannten Schlussfolgerungen und der Tatsache, dass sich die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung nicht mehr auf diese Dokumente berief, ist es nicht notwendig, über die Zulässigkeit von D12-D16 zu entscheiden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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