T 1497/09 (FLUIDREAKTOR/LEHMANN JÖRG ET AL) of 7.10.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T149709.20111007
Datum der Entscheidung: 07 October 2011
Aktenzeichen: T 1497/09
Anmeldenummer: 01944938.8
IPC-Klasse: B01F 5/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zur physikalisch-chemischen Behandlung fluider Medien
Name des Anmelders: Lehmann, Jörg; Stäcker, Hans-Peter
Name des Einsprechenden: KOPEC Koch Facility Engineering Consulting GmbH
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 100
European Patent Convention Art 114(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Hauptantrag: Ausführbarkeit (nein)
Hilfsantrag 1: Ausführbarkeit (ja) - Neuheit (ja) - erfinderische Tätigkeit (ja) - Verbesserung (ja) - technische Lösung (nicht nahegelegt)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/91
T 0068/85
T 0853/02
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die Europäische Patentanmeldung EP01944938.8, welche auf der Internationalen Anmeldung PCT/DE/001868 (veröffentlicht als WO-A-01/87473) beruht, wurde das Europäische Patent Nr. EP-B-1 294 474 mit 24 Patentansprüchen erteilt. Die Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung erfolgte am 10. Mai 2006 im Patentblatt 2006/19.

II. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 8 des Patents haben den nachstehenden Wortlaut:

"1. Verfahren zur physikalisch-chemischen Behandlung fluider Medien, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens zwei Volumenströme des zu behandelnden fluiden Mediums in ein Gehäuse mit einer rotationssymmetrischen, im Längsschnitt herzförmigen Reaktionskammer mit sich vom Medienzufluss zum Medienabfluss verkleinernden Querschnitt und einem axial von oben verstellbaren, bis fast an das untere Ende der Reaktionskammer reichenden Abflussrohr, welches im mündungsnahen Bereich als Lavaldüse ausgestaltet ist, über mindestens eine tangential zur Mantelfläche der Reaktionskammer angeordneten Zuflussöffnung mit fallender Einströmrichtung mit hoher Geschwindigkeit in Form einer Translations- und Rotationsbewegung so zwangsgeführt werden, dass sich strömungstechnisch eine turbulente Grenzschicht ausbilden kann, dass die Volumenströme zueinander eine hohe Geschwindigkeitsdifferenz aufweisen, dass eine hohe Reibung zwischen beiden Schichten sowie hohe Zentrifugalkräfte in den einzelnen Volumenströmen entstehen und dass am unteren Ende der Reaktionskammer die in fallender Schraubenlinie fließende Strömung zum Zentrum der Strömung in eine aufsteigende Richtung umgelenkt wird."

"8. Vorrichtung zur physikalisch-chemischen Behandlung fluider Medien, bestehend aus einem Gehäuse mit einer rotationssymmetrischen, im Längsschnitt herzförmigen Reaktionskammer mit sich vom oberen Medienzufluss zum untern Medienabfluss verkleinernden Querschnitt und einem axial von oben verstellbaren, bis fast an das untere Ende der Reaktionskammer reichenden Abflussrohr, welches in seinem mündungsnahen Bereich als Lavaldüse ausgestaltet ist, mindestens einem tangential zur Mantelfläche der Reaktionskammer mit nach unten fallender Einströmrichtung angeordnetem Zufluß für das zu behandelnde Medium und insbesondere einem Zufluss für ein Zugabemedium."

III. Gegen das erteilte Patent wurde mit Schreiben vom 9. Februar 2007 ein Einspruch eingelegt. Der Einspruch wurde damit begründet, dass der Gegenstand des Patents nicht neu sei und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 100(a) EPÜ) und dass die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne (Artikel 100(b) EPÜ).

IV. Im Einspruchsverfahren wurden u.a. folgende Dokumente zitiert:

D1: AT-B1-272 278

D5: US-A-5 494 585

V. Die Einspruchsabteilung entschied in einer mündlichen Verhandlung am 11. Februar 2009, den Einspruch zurückzuweisen.

Die Ausführbarkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 wurde anerkannt, da eine Variante des Verfahrens mit nur einer Öffnung der Reaktionskammer und nur einem Volumenstrom durch den Wortlaut des Anspruchs und durch die Gesamtlehre des Streitpatents ausgeschlossen sei. Ähnliches gelte für den Vorrichtungsanspruch.

Die Neuheit stand außer Streit.

Als nächstliegender Stand der Technik wurde D1 angesehen. Der Anspruchsgegenstand unterscheide sich von D1 dadurch, dass das Abflussrohr des Reaktors in seinem mündungsnahen Bereich als Lavaldüse ausgeführt sei. Die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe habe darin bestanden, die Vorrichtung bzw. das Verfahren nach D1 weiter zu verbessern. Nach Ansicht der Einspruchsabteilung habe es nicht nahegelegen, eine aus D5 bekannte Kavitationsdüse, insbesondere eine Lavaldüse, im Bereich des Abflussrohres vorzusehen. Der Fachmann hätte keinen Hinweis darauf gehabt, dass der Strömungsdruck im Mündungsbereich des Abflussrohres geeignet sei, eine solche Kavitationsdüse zu betreiben.

VI. Die vorliegende Beschwerde betrifft die vorstehend genannte, am 29. April 2009 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das Europäische Patent Nr. EP-B-1 294 474.

VII. Mit der Beschwerdebegründung vom 8. September 2008 legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) unter anderen die folgenden Dokumente vor:

D4: WO-A-97/30 956

D6: US-A-6 054 048

D7: US-A-5 431 346

D17: US-A-4 190 078

VIII. In einer Mitteilung ging die Kammer u.a. auf den Einwand der mangelnden Ausführbarkeit ein und stellte zunächst fest, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Einspruchsschriftsatz nur die Ansprüche 1 bis 7 substantiiert als nicht hinreichend offenbart angegriffen habe. Gemäß G 9/91 (ABl. EPA 1993, 408; Entscheidungsgründe Nr. 18) habe die Einspruchsabteilung und die Kammer darüber hinaus keine Entscheidungskompetenz, was Artikel 83 EPÜ anlange.

Nach vorläufiger Ansicht der Kammer bestand die Erfindung darin, (mindestens) zwei Volumenströme über (mindestens) zwei Zuflussöffnungen mit hoher Geschwindigkeitsdifferenz, oder aber mit gegenläufiger Strömungsrichtung, dem Reaktor zuzuführen. Es werde daher in der mündlichen Verhandlung zu diskutieren sein, ob das Streitpatent hinreichend deutlich und vollständig offenbare, wie die Erfindung mittels eines Verfahrens verwirklicht werden kann, bei dem der Reaktor, wie vom Wortlaut des Anspruchs 1 umfasst, nur eine einzige Zuflussöffnung aufweise.

IX. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2011 reichten die Beschwerdegegner (Patentinhaber) neue, als Anlagen A3 bis A8 bezeichnete Dokumente, nämlich:

A3: Entstehung von Geschwindigkeitsdifferenzen im erfindungsgemäßen Verfahren

A4: E. Truckenbrodt, "Fluidmechanik", 4. Auflage, Springer Verlag, Berlin, ISBN 3-540-64595-0, 1999, Seiten 120 und 121

A5: O. Fiedler, "Strömungs- und Durchflussmesstechnik", 1992, R. Oldenburg Verlag, München, ISBN 3-486-22119-1, Seite 106

A6: H. Titze et al., "Elemente des Apparatebaues: Grundlagen - Bauelemente - Apparate", 3. Auflage 1992, Springer Verlag, Berlin, Kapitel 21.3, sowie

A6a: http://www.spiegel-innovation.de/spp/prospekt/prospekt.html

A7: Wutz, Adam, Walcher "Theorie und Praxis der Vakuumtechnik", 4. Auflage 1965, Vieweg Verlag, Braunschweig, Seite 114,

und

A7a: http://fischer-group.com/de/fischer_unternehmen/fischer-rohrtechnik...

A8: Römpp Chemie-Lexikon, 9. Aufl., 1992, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, Seite 5013,

sowie neue Ansprüche als Hilfsanträge 1 und 2 ein.

Hilfsantrag 2 entspricht dem Hauptantrag mit der Maßgabe, dass die Ansprüche 1 bis 7 gestrichen und die Nummerierung und Rückbezugszeichen der verbleibenden Ansprüche entsprechend angepasst wurden.

X. Am 7. Oktober 2011 fand eine mündliche Verhandlung statt. Die Patentinhaberin reichte geänderte Ansprüche als Hilfsantrag 1 ein, wobei die Änderungen gegenüber dem mit Schreiben vom 5. Oktober 2011 eingereichten Hilfsantrag 1 nur aus grammatikalischen Korrekturen in Anspruch 1 bestanden.

Anspruch 1 dieses Hilfsantrags 1 unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 (Hauptantrag) dadurch, dass der Wortlaut "mindestens eine tangential ...angeordneten Zuflussöffnung" ersetzt wurde durch den Wortlaut "mindestens zwei tangential ... angeordnete Zuflussöffnungen".

XI. In der Beschwerdebegründung hat sich die Beschwerdeführerin wie folgt geäußert:

Zur Zulässigkeit der neuen Ansprüche und Dokumente

Die Beschwerdeführerin rügte die Einreichung der neuen Dokumente und der Hilfsanträge 1 und 2 vom 5. Oktober 2011 als verspätet und daher unzulässig.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 sei unklar (Artikel 84 EPÜ) und genüge nicht den Bestimmungen von Artikel 123(2) EPÜ, da die Einschränkung auf mindestens zwei Zuflussöffnungen eine unzulässige Zwischenerweiterung der Offenbarung der Ansprüche und der Figuren sei.

Zum Einwand nach Artikel 100(b) bzw. Artikel 83 EPÜ

Das Streitpatent offenbare nicht, auf welche Weise mindestens zwei Volumenströme über nur eine Zuflussöffnung in das Gehäuse derart zwangsgeführt werden können, dass diese beiden Volumenströme zueinander eine hohe Geschwindigkeitsdifferenz aufwiesen. Ein weiterer Mangel unter Artikel 83 EPÜ sei, dass das wesentliche Merkmal betreffend die Geschwindigkeit der in dem Gehäuse geführten Volumenströme nicht offenbart sei. Es bedürfe mehr als nur einiger weniger Versuche sowie zusätzlicher Angaben und einer erfinderischen Tätigkeit, um die von vielen Parametern abhängige geeignete Geschwindigkeit zu ermitteln. Dieser letztere Einwand unter Artikel 83 EPÜ werde durch die Änderungen im Hilfsantrag 1 auch nicht behoben.

Zur erfinderischen Tätigkeit

Die Beschwerdeführerin wiederholte ihren Vortrag aus dem Einspruchsverfahren, wonach D1 den nächsten Stand der Technik darstelle und sich vom Anspruchsgegenstand nur durch das Merkmal einer Lavaldüse im Abflussrohr unterscheide. Dieses Anspruchsmerkmal sei aber ein reines Vorrichtungsmerkmal und müsse daher bei der Prüfung des Verfahrensanspruches 1 außer Acht bleiben.

Die Aufgabe wurde ausgehend von Dokument D1 so definiert, dass das aus D1 bekannte Verfahren zur physikalisch-chemischen Behandlung fluider Medien dahingehend weitergebildet werden solle, dass die Wirkungsweise der Behandlung optimiert werde.

Zur Lösung dieser Aufgabe sei es aus Dokument D5 bekannt, ein bereits vorbehandeltes Abwasser durch eine Lavaldüse ("cavitation nozzle") einer Kavitationsbehandlung zu unterziehen, welche einen positiven Einfluss auf das Ergebnis der Wasseraufbereitung habe. Dadurch würden nämlich laut D5 Schubspannungen im fließenden Medium erzeugt und die physikalisch-chemischen Prozesse so befördert. Der Fachmann würde diese Lavaldüse im mündungsnahen Bereich des Abflussrohres anordnen, weil er wisse, dass das vorbehandelte Wasser nur begrenzt speicherfähig sei.

Ergänzend verwies die Beschwerdeführerin auf die Dokumente D6 und D4. Dort würden ebenfalls Lavaldüsen eingesetzt, um die qualitative und quantitative Zusammensetzung eines Fluids durch Kavitationseffekte zu verändern.

Den Vorrichtungsanspruch 8 betreffend gälten im Wesentlichen dieselben Argumente.

XII. Die Beschwerdegegner (Patentinhaber) argumentierten im Wesentlichen wie folgt:

Die Beschwerdegegner beantragten zunächst, die Dokumente D6, D7 und alle weiteren genannten Dokumente als verspätet und nicht relevant anzusehen und sie nicht ins Verfahren zuzulassen.

Zur Ausführbarkeit:

Es gehöre zum Grundwissen des Fachmanns, wie zwei (oder mehrere) Volumenströme durch (mindestens) eine Zuflussöffnung geführt werden könnten. Auf folgende Möglichkeiten wurde hingewiesen:

- Verwendung von zwei Zuleitungen mit zwei Pumpen unterschiedlicher Leistung, die über ein gemeinsames Mündungsstück in der Zuflussöffnung enden; dies sei in der Beschreibung, beispielsweise Figuren 1 bis 4 und Anspruch 19 offenbart;

- Verwendung von Zweistoffdüsen, Injektoren oder Wasserstrahlpumpen als Mündungsstück; dies sei beispielsweise aus D7 (Figur 12) bekannt;

- Verwendung eines als Doppelwandrohr ausgeführten Mündungsstückes.

Was den zweiten Einwand der Beschwerdeführerin unter Artikel 83 EPÜ betreffe, wonach das Anspruchsmerkmal der "hohen Geschwindigkeitsdifferenz" nicht klar sei und eine geeignete Geschwindigkeit der Volumenströme vom Fachmann nicht durch Routineversuche ermittelt werden könne, so sei es bei Anlagen der Strömungstechnik durchaus üblich, die notwendigen Werte in Versuchsreihen zu ermitteln. Dazu sei dem Fachmann bekannt, dass der Übergang von laminarer in turbulente Strömung durch die Reynoldszahl bestimmt werde. Eine turbulente Strömung könne auch experimentell nachgewiesen werden. Der Fachmann wisse daher, was unter einer "hohen" Geschwindigkeit zu verstehen sei.

Die Ausführbarkeit des Vorrichtungsanspruches sei im Einspruchsverfahren nicht angegriffen worden.

Zur erfinderischen Tätigkeit:

Die Beschwerdegegner schlossen sich der Beurteilung der Einspruchsabteilung hinsichtlich der Wahl von D1 als nächstliegendem Stand der Technik an. Jedoch gebe es hinsichtlich der Aufgabe bedeutsame Unterschiede. D1 befasse sich mit der Entfernung von Schadstoffen aus Luft und Abgasen, während Schwerpunkt des Streitpatents die Behandlung eines Fluids zur mechanischen Zerkleinerung und Zerstörung von darin enthaltenen Stoffen und Mikroorganismen sei.

Dementsprechend wiesen das in D1 offenbarte Verfahren und das Streitpatent nur auf den ersten Blick Ähnlichkeiten auf. Weitere Unterschiede seien nämlich:

- eine nach unten fallende Einströmrichtung;

- eine herzförmige Reaktionskammer; in D1 sei eine eiförmige Kammer offenbart;

- die Ausbildung einer turbulenten Grenzschicht.

Der Fachmann müsste D1 wesentlich abändern, um zum Anspruchsgegenstand zu gelangen. Insbesondere müsste er erkennen, dass durch das Umstülpen einer rotierenden Strömung und durch das Führen dieser umgestülpten Strömung durch eine Lavaldüse besondere Reinigungseffekte erreicht würden. Hierfür seien jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich. Es spräche nichts dafür, den Bereich eines Abflussrohres, der gemäß D1 bereits katalytisch beschichtet sei, als Lavaldüse auszugestalten.

D5 offenbare zudem keine Lavaldüse, sondern eine Kavitationsdüse (Figur 1), durch welche eine laminare Strömung geleitet werde. Durch die Kavitation entstünden Mikroblasen, auf deren Zerplatzen der Reinigungsprozess beruhe. Es gebe keine Veranlassung, die Lehre der D5 zur Modifikation von D1 heranzuziehen. Außerdem würde durch eine Lavaldüse das Einströmen der Sekundärluft durch das Abflussrohr in D1 verhindert.

XIII. Anträge:

Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den vollständigen Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegner beantragten, die Beschwerde zurückweisen, oder hilfsweise, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Form auf der Grundlage der Ansprüche gemäß Hilfsantrag 1, eingereicht während der mündlichen Verhandlung, oder gemäß Hilfsantrag 2, eingereicht mit Schreiben vom 5. Oktober 2011, aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

1. Verspätet vorgelegte Dokumente und Anträge

1.1 Die Hilfsanträge 1 und 2 und die Dokumente A3 bis A8 wurden mit Schreiben vom 5. Oktober 2011, um 17:28 Uhr, also zwei Tage vor dem Termin der mündlichen Verhandlung, per Fax eingereicht.

Die Beschwerdegegner haben sich damit nicht an die schriftliche Anweisung der Kammer gehalten, dass etwaige neue Anträge und Eingaben bis spätestens einen Monat vor dem für die mündliche Verhandlung festgesetzten Termin eingehen sollten (Mitteilung der Kammer vom 19. August 2011 im Anhang zur Ladung zur mündlichen Verhandlung). Die Kammer hatte auch darauf hingewiesen, dass Änderungen des Vorbringens nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen werden könnten, wenn sie Fragen aufwürfen, deren Behandlung der Kammer oder den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten sei (Artikel 13(1) und (3) VOBK; Artikel 114(2) EPÜ).

1.2 Als Erklärung für das verspätete Vorbringen wurde angeführt, dass der Vertreter der Beschwerdegegner sich zum Zeitpunkt des Eingangs der Mitteilung der Kammer in Urlaub befunden habe. Die Dokumente A3 bis A8 belegten nur das allgemeine Fachwissen.

1.3 Die Kammer entschied in der mündlichen Verhandlung, die Dokumente A3 bis A8 nicht ins Verfahren zuzulassen, und zwar aus folgenden Gründen.

Die Verspätung kann erstens nicht mit der urlaubsbedingten Abwesenheit des Vertreters entschuldigt werden, da eine Urlaubsvertretung innerhalb der Sozietät organisiert hätte werden müssen.

Zweitens sind die Dokumente ohne genaue Angaben darüber eingereicht worden, zum Beweis welcher Tatsachenbehauptung sie dienen sollen. Es ist der Kammer und der anderen Partei nicht zuzumuten, innerhalb kurzer Frist selbst ermitteln zu müssen, welchen Zweck die Beschwerdegegner mit der Vorlage der neuen Beweismittel verfolgen.

1.4 Dokument D7 wurde von den Beschwerdeführern bereits mit der Beschwerdebegründung als neues Beweismittel vorgelegt. Das Dokument wird daher ins Verfahren zugelassen.

Eine Entscheidung über die Zulässigkeit weiterer Dokumente erübrigt sich, da die Beschwerdeführerin selbst auf diese Dokumente nicht weiter eingegangen ist.

1.5 Die Kammer entschied außerdem in der mündlichen Verhandlung, die Hilfsanträge 1 und 2 zum Verfahren zuzulassen, und zwar aus folgenden Gründen.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass der Wortlaut "mindestens eine tangential ...angeordneten Zuflussöffnung" ersetzt wurde durch den Wortlaut "mindestens zwei tangential ... angeordnete Zuflussöffnungen".

Diese Änderung ist nicht umfangreich; es bereitet keine besonderen Schwierigkeiten, den geänderten Anspruch zu verstehen. Sie wirft keine Probleme unter Artikel 123(2) und (3) EPÜ auf (siehe Punkt 2.1 unten). Ein formeller Einwand der Beschwerdeführerin unter Artikel 84 EPÜ wurde nicht näher substantiiert und kann daher der Zulässigkeit nicht entgegenstehen. Die Änderung ist zudem geeignet, den Ablauf der Verhandlung zu vereinfachen, indem sie darauf abzielt, einen wesentlichen Einwand auszuräumen.

Hilfsantrag 2 entspricht dem Hauptantrag mit der Maßgabe, dass die Ansprüche 1 bis 7 gestrichen wurden und die Nummerierung und die Rückbezugszeichen der verbleibenden Ansprüche entsprechend angepasst wurden. Die Gründe für die Zulassung des Hilfsantrags 1 treffen ebenfalls auf den Hilfsantrag 2 zu.

2. Änderungen (Hilfsantrag 1) - Artikel 123(2)(3) EPÜ

Das abgeänderte Anspruchsmerkmal "mindestens zwei ... tangential zur Mantelfläche der Reaktionskammer angeordnete Zuflussöffnungen" findet eine Basis in den ursprünglich eingereichten Unterlagen (veröffentlicht als WO-A-01/87473) in der Beschreibung, Seite 8, dritter und vierter Absatz, in Anspruch 1 und in Figur 1 in Verbindung mit der zugehörigen Beschreibung, Seite 14, dritter Absatz. Aus den beiden erstgenannten Stellen geht hervor, dass die Reaktionskammer einen oder mehrere Zuflüsse aufweisen kann; die letztgenannte Stelle auf Seite 14 und die Figur 1 offenbaren konkret eine Reaktionskammer mit zwei Zuflussöffnungen. Es liegt daher auch keine Zwischenerweiterung vor, wie von der Beschwerdeführerin gerügt.

Das neue Merkmal stellt gegenüber dem erteilten Anspruch 1 eine Einschränkung des Schutzumfangs dar. Hiergegen bestehen keine Bedenken.

Die Erfordernisse des Artikels 123(2) und (3) EPÜ sind somit erfüllt.

3. Zum Einwand nach Artikel 100(b) EPÜ bzw. Artikel 83 EPÜ

3.1 Die Beschwerdeführerin hat im Einspruchsschriftsatz nur die Ansprüche 1 bis 7 substantiiert als nicht hinreichend offenbart angegriffen. Gemäß G 9/91 (ABl. EPA 1993, 408; Entscheidungsgründe Nr. 18) haben die Einspruchsabteilung und die Kammer darüber hinaus keine Entscheidungskompetenz, was Artikel 83 EPÜ anlangt. Die folgenden Überlegungen betreffen daher nur den Gegenstand der Ansprüche 1 bis 7 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1.

Hauptantrag

3.2 Beim Einwand mangelnder Ausführbarkeit gilt es, etwaige Informationslücken sowie einen etwaigen Mangel an Anleitung aufzuzeigen und zu untersuchen und gegebenenfalls zu klären, ob solche Defizite durch das Allgemeinwissen des Fachmanns zu beheben sind.

3.3 Ein erster Einwand der Beschwerdeführerin lautet, dass gemäß einem wesentlichen Merkmal der Erfindung der Reaktorkammer zwei Volumenströme über (mindestens) eine Zuflussöffnung zuzuführen sind, wobei diese Volumenströme in der Reaktionskammer zueinander eine hohe Geschwindigkeitsdifferenz aufweisen sollen. Es sei nicht ersichtlich, wie diese Vorgabe technisch zu realisieren sei.

3.4 In der Tat sieht der erteilte Verfahrensanspruch 1 "mindestens eine ... Zuflussöffnung" bzw. "mindestens einen ... Zufluss" vor. Der Anspruch umfasst also Ausführungsformen mit nur einer Zuflussöffnung, jedoch zwei zuzuführenden Volumenströmen.

Die Kammer sieht folgende Informationslücken: Um zwei Volumenströme über eine einzige Zuflussöffnung einer Reaktionskammer so zuzuführen, dass die Volumenströme eine hohe Geschwindigkeitsdifferenz zueinander aufweisen, bedarf es besonderer technischer Vorkehrungen. Konkrete Mittel, um dieses technische Problem zu lösen, offenbart das Streitpatent nicht. Zwar wird in Abschnitt [0019] erwähnt, dass die Volumenströme aus verschiedenen Quellen stammen oder durch Teilung eines Volumenstromes in zwei Teilvolumenströme entstehen könnten. Dabei bleibt es aber nach Auffassung der Kammer im Unklaren, wie die durch Aufteilen entstandenen Teilvolumenströme eine hohe Geschwindigkeitsdifferenz erhalten könnten. Bei einer Aufteilung durch ein Y-Rohr mit im Wesentlichen gleichen Schenkeln (wie in Figur 2 mit Bezugszeichen (18) bezeichnet) würden beide Teilvolumenströme wohl im Wesentlichen die gleiche Geschwindigkeit aufweisen. Diese beiden Volumenströme werden gemäß Figur auch nicht über eine einzige Zuflussöffnung der Reaktionskammer zugeführt. Daher stellen nach Auffassung der Kammer diese Angaben keine geeignete Offenbarung für das betreffende Anspruchsmerkmal dar. Es besteht also ein Mangel an Anleitung zur Ausführung der Erfindung.

Die Teilvolumenströme können nach Abschnitt [0019] des Streitpatents alternativ "auch durch Umlenkung eines Volumenstromes erzeugt werden, sodass die physikalisch-chemischen Prozesse zwischen zwei Abschnitten des gleichen Volumenstromes ablaufen." Die genaue Bedeutung dieses Merkmals und wie es im Zusammenhang mit nur einer Zuflussöffnung konkret zu verwirklichen wäre, ist jedoch nicht offenbart, so dass auch hier eine Informationslücke besteht.

3.5 Eine weitere Informationslücke besteht darin, dass das Streitpatent keinen Hinweis auf die Verwendung von Zweistoffdüsen, Injektoren, Doppelwandrohren oder Zuleitungen mit Pumpen unterschiedlicher Leistung gibt.

3.6 Die Kammer kommt daher insoweit zum Ergebnis, dass das Streitpatent selbst dem Fachmann keine Lehre an die Hand gibt, wie das in Frage stehende Anspruchsmerkmal konkret zu verwirklichen wäre.

3.7 Die Beschwerdegegner argumentierten, es gehöre zum Grundwissen des Fachmanns, wie zwei (oder mehrere) Volumenströme durch eine einzige Zuflussöffnung geführt werden könnten. Sie haben dazu folgende Möglichkeiten angeführt:

- die Verwendung von zwei Zuleitungen mit zwei Pumpen unterschiedlicher Leistung, die über ein gemeinsames Mündungsstück in der Zuflussöffnung enden;

- die Verwendung von Zweistoffdüsen, Injektoren oder Wasserstrahlpumpen als Mündungsstück;

- die Verwendung eines als Doppelwandrohr ausgeführten Mündungsstückes.

3.8 Die Kammer kann zwar akzeptieren, dass Bauteile zum Durchfluss von zwei fluiden Medien, wie Zweistoffdüsen, Injektoren, Wasserstrahlpumpen, Doppelwandrohre und dgl. an sich zum allgemeinen Fachwissen gehören. Jedoch hätte der Fachmann diese im vorliegenden Fall nicht in Betracht gezogen, da im Streitpatent explizit gefordert wird, dass dem zu behandelnden Fluid Energie dadurch zugeführt wird, "dass mindestens zwei Volumenströme des Fluids mit hoher Geschwindigkeit des Fluids bei Richtungsgleichheit der Strömungen in Form einer Translations- oder/und Rotationsbewegung mit unterschiedlicher Geschwindigkeit oder bei jeweils gegenläufiger Strömungsrichtung mit frei wählbarer oder gegebenenfalls gleicher Geschwindigkeit sich flächig berührend ineinander oder aneinander so geführt werden, dass eine hohe Reibung zwischen beiden Schichten sowie hohe Zentrifugalkräfte in den einzelnen Volumenströmen entstehen" (siehe Abschnitt [0018]; Anspruch 1). Dies in Kombination mit nur einer Zuflussöffnung zum Reaktor zu leisten, sind nach Auffassung der Kammer weder die genannten einfachen, dem Fachmann bekannten strömungstechnischen Bauteile noch die genannten schaltungstechnischen Lösungen (getrennte Zuleitung zu einer einzigen Zuflussöffnung) geeignet.

Daher führt im vorliegenden Fall den Durchschnittsfachmann auch sein allgemeines Fachwissen nicht zum beanspruchten Ziel.

3.9 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist daher, was die Ausführungsform des Verfahrens unter Verwendung einer Reaktionskammer mit nur einer Zuflussöffnung betrifft, nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass der Fachmann die Erfindung ausführen könnte.

Der Anspruch 1 ist daher nicht gewährbar (Artikel 83 EPÜ).

Hilfsantrag 1

3.10 Der unter Punkt 3.1 bis 3.9 diskutierte Mangel trifft auf den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 nicht zu, da dieser ein Verfahren zum Gegenstand hat, bei dem die Reaktionskammer mindestens zwei Zuflussöffnungen aufweist.

Ein solches Verfahren, wo (mindestens) zwei Volumenströme über (mindestens) zwei Zuflussöffnungen mit hoher Geschwindigkeitsdifferenz oder aber mit gegenläufiger Strömungsrichtung der Reaktionskammer zugeführt werden, ist im Streitpatent an mehreren Stellen konkret offenbart (vgl. die Abschnitte [0018], [0020] und [0021] und die Figuren 1 bis 4). An der Ausführbarkeit dieses Verfahrens besteht für die Kammer kein Zweifel, da jedem Volumenstrom mindestens eine Zuflussöffnung zugewiesen werden kann, durch welche die Volumenströme der Reaktionskammer mit jeweils unterschiedlichen Geschwindigkeiten oder aber mit gegenläufiger Strömungsrichtung zugeführt werden können.

3.11 Ein Mangel unter Artikel 83 EPÜ besteht nach Ansicht der Beschwerdeführerin aber darin, dass das Streitpatent nicht offenbare, wie die Geschwindigkeit der in das Gehäuse geführten Volumenströme erfindungsgemäß so zu wählen sei, dass sie eine "hohe Geschwindigkeitsdifferenz" zueinander und eine "hohe Reibung" zwischen den Schichten aufwiesen. Es bedürfe, so die Beschwerdeführerin, einer Vielzahl von Versuchen sowie zusätzlicher Angaben und einer erfinderischen Tätigkeit, um die von vielen Parametern abhängige geeignete Geschwindigkeit zu ermitteln. Die Beschwerdeführerin kritisierte zudem, dass es ihrer Meinung nach bei einer turbulenten Strömung keine "Reibung" entlang der Grenzschicht der Volumenströme geben könne.

3.12 Die Beschwerdegegner hielten dem entgegen, es sei bei Verfahren der Strömungstechnik durchaus üblich, die notwendigen Werte in Versuchsreihen zu ermitteln. Dazu sei dem Fachmann bekannt, dass der Übergang von laminarer in turbulente Strömung durch die Reynoldszahl bestimmt werde, die eine Charakteristik der jeweiligen Anordnung sei. Eine turbulente Strömung könne auch experimentell nachgewiesen werden. Der Fachmann wisse daher, was unter einer "hohen" Geschwindigkeit jeweils zu verstehen sei.

3.13 Nach Einschätzung der Kammer fällt dieser Einwand nicht unter die Bestimmungen von Artikel 83 EPÜ, sondern im Wesentlichen unter Artikel 84 EPÜ und ist daher im Einspruchsbeschwerdeverfahren nicht zulässig (Artikel 100 EPÜ).

Der Einwand wäre aber auch in der Sache nicht stichhaltig, da nach Auffassung der Kammer das Streitpatent hinreichende Erläuterungen zur Wahl der Geschwindigkeiten gibt (siehe Abschnitte [0020] bis [0024]). Dabei versteht es sich von selbst, dass die absoluten Werte der Geschwindigkeiten der Volumenströme vom Medium und von der Dimensionierung der Reaktionskammer und der Zuflussöffnungen abhängen (siehe Abschnitt [0023]). Wesentlich für die Ausführung des Verfahrens ist jedenfalls nach Abschnitt [0045] die Schaffung starker Zentrifugal- und Zentripetalkräfte, von Schubspannungen und dadurch verursachten Reibungskräften zwischen den Strömungsschichten unterschiedlicher Geschwindigkeiten sowie von einer gewissen Mahlwirkung (vgl. Abschnitt [0049]). Die konkrete Wahl der Geschwindigkeiten der Volumenströme trifft der Fachmann, gegebenenfalls nach orientierenden Vorversuchen, in Abhängigkeit von der Art und Menge der Medien und der durchzuführenden Reaktion. Solche Vorversuche stellen keinen unzumutbaren experimentellen Aufwand dar, da sie den Umständen des Falles entsprechen und das auf dem Fachgebiet übliche Maß nicht überschreiten (siehe T 68/85, ABl. 6/1987, Seite 228, Entscheidungsgründe Punkt 8.4.4).

Dabei kann der Fachmann auf die Beschreibung einer erfindungsgemäßen Fluidreaktoranlage in den Abschnitten [0092] bis [0106] und den Figuren 3 und 4 und auf die detaillierten Angaben in den Ausführungsbeispielen 1 bis 6 des Streitpatents zurückgreifen. Diese Ausführungsbeispiele demonstrieren die Aufbereitung von Schmierölemulsionen (Beispiel 1), die Trinkwasserentkeimung (Beispiel 2), die Wasseraufbereitung in Industriewaschanlagen (Beispiel 3), die Vorbehandlung industrieller Abwässer (Beispiel 4), die Vorbehandlung kommunaler Abwässer (Beispiel 5) und die Vorbehandlung von Kraft- und Brennstoffen auf Basis pflanzlicher Öle (Beispiel 6) und decken damit weite Anwendungsbereiche der Erfindung ab. In den Beispielen finden sich konkrete Werte zu den Volumenströmen, Drücken und Durchsätzen sowie zu den Drehzahlen des Volumenstromes in der Reaktionskammer. Diese Angaben stellen nach Auffassung der Kammer eine brauchbare und ausreichende Grundlage zur Übertragung des erfindungsgemäßen Verfahrens auf andere Verhältnisse dar. Die Nacharbeitbarkeit der Beispiele selbst wurde seitens der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten.

3.14 Der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 7 des Hilfsantrags 1 genügt daher den Bestimmungen von Artikel 83 EPÜ.

4. Artikel 84 EPÜ

Die Beschwerdeführerin hat gegen den geänderten Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 vorgebracht, dass dieser unklare Ausdrücke wie "hohe Geschwindigkeit" und "hohe Reibung" enthalte und dass versucht werde, die Erfindung durch das zu erreichende Ergebnis zu definieren.

Mit diesen Einwänden hat die Beschwerdeführerin keinen Erfolg. Die Kammer hält sie nämlich für im Einspruchsbeschwerdeverfahren unzulässig, da Artikel 84 kein Einspruchsgrund ist (Artikel 100 EPÜ) (siehe T 853/02, 26. November 2004, Entscheidungsgründe Punkt 3.1.1). Die beanstandeten Begriffe waren bereits in Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung enthalten. Wie sich aus Artikel 100 EPÜ ergibt, unterliegen sie daher im Einspruchsverfahren keiner weiteren Überprüfung auf Unklarheiten im Sinne von Artikel 84 EPÜ. Die einzige vorgenommene Änderung ("mindestens zwei ... Zuflussöffnungen" anstelle von "mindestens eine ... Zuflussöffnung") ist weder für sich, noch im Zusammenwirken mit den anderen Anspruchsmerkmalen ursächlich für die behauptete Unklarheiten bzw. Mängel. Dass die vorliegend erfolgten Änderungen aber unklar seien, hat selbst die Beschwerdeführerin nicht behauptet.

5. Neuheit (Hilfsantrag 1)

Die Neuheit stand nicht zur Diskussion. Die Kammer hat sich ebenfalls davon überzeugt, dass keines der bekanntgewordenen Dokumente alle Merkmal der unabhängigen Ansprüche des Streitpatents offenbart und dass somit die Neuheit anzuerkennen ist.

So ist in D1 zwar ein ei- oder birnenförmiger Reaktor mit einem tangentialen Zufluss und einem zentralen Abflussrohr beschrieben (siehe Figuren 1 bis 3). Jedoch weist dieses zentrale Abflussrohr keine düsenartige Einengung in der Art einer Lavaldüse auf.

Die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ sind somit erfüllt.

6. Erfinderische Tätigkeit (Hilfsantrag 1)

6.1 Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur physikalisch-chemischen Behandlung fluider Medien.

6.2 Die Kammer hält in Übereinstimmung mit der Einspruchsabteilung und den Parteien das Dokument D1 für den nächstliegenden Stand der Technik.

D1 betrifft ebenfalls eine Vorrichtung mit einer Reaktionskammer, einer oder mehreren tangentialen Zuflussöffnungen und einem zentralen Abflussrohr. Die Reaktionskammer weist einen eiförmigen Querschnitt auf (Seite 2, Zeilen 25 und 26; Figuren 1 und 2). In die Reaktionskammer ist im Scheitel ihres breiten Endes ein sich nach innen verjüngender Rohrstutzen eingesetzt, durch welchen das Reaktionsmedium ausgestoßen und gleichzeitig Sekundärluft gegenläufig eingeführt werden kann. Die Einströmrichtung ist ebenfalls leicht abfallend (siehe Stutzen 3 in Figur 1).

6.3 Ausgehend von D1 definierte die Beschwerdeführerin die dem Streitpatent zugrundeliegende technische Aufgabe dergestalt, dass die Wirkungsweise der physikalisch-chemischen Behandlung fluider Medien verbessert werde.

6.4 Das Streitpatent schlägt zur Lösung dieser Aufgabe ein Verfahren und eine Vorrichtung gemäß Anspruch 1 bzw. 8 des Hilfsantrags 1 vor, die dadurch gekennzeichnet sind, dass das bis ans untere Ende der Reaktionskammer reichende Abflussrohr in seinem mündungsnahen Bereich als Lavaldüse ausgeführt ist.

6.5 Die Beschwerdeführerin hat schon nicht bestritten, dass die gestellte Aufgabe gelöst wurde.

Der Kammer erscheint es außerdem auch plausibel, dass im mündungsnahen Bereich durch die Ausführung des Abflussrohres als Lavaldüse zusätzliche Verwirbelungen, Schubspannungen und gegebenenfalls Kavitationen entstehen können, die die physikalischen und chemischen Prozesse weiter befördern (vgl. Abschnitt [0054] des Streitpatents). In der Tat werden derartige Düsen in Vorrichtungen und Verfahren zur Wasserreinigung verwendet (D5, Spalte 1, Zeilen 62 bis 65; Spalte 3, Zeilen 25 bis 31; Figur 1). Die durch Kavitation in solchen Düsen erzielten Effekte, insbesondere die Erzeugung freier Radikale sowie die Oxidation organischer und biologischer Verunreinigungen, sind ebenfalls bekannt (D5, Spalte 6, Zeile 64 bis Spalte 7, Zeile 67).

Die gestellte Aufgabe, nämlich eine Verbesserung der Wirkungsweise der physikalisch-chemischen Behandlung fluider Medien, ist somit als gelöst anzusehen.

6.6 Es bleibt zu entscheiden, ob die beanspruchte Lösung in Hinblick auf den Stand der Technik nahegelegen hat.

6.6.1 Die Frage stellt sich, ob es in den angeführten Entgegenhaltungen einen Hinweis gab, in der Vorrichtung das zentrale Abflussrohr gemäß D1 als düsenartige Einengung in der Art einer Lavaldüse auszubilden. Die Frage ist im Ergebnis zu verneinen.

Die Beschwerdeführerin hat insofern auf das Dokument D5 hingewiesen. Dort ist ein Verfahren und eine Vorrichtung beschrieben, bei dem zur Nachbehandlung des in einer Abwasserbehandlungsanlage vorbehandelten Abwassers eine Düse ("cavitation nozzle") vorgesehen ist (siehe Figuren 1, 2 und 3, Bezugszeichen 10; Beschreibung Spalte 3, Zeilen 25 bis 39). Laut Auffassung der Beschwerdeführerin entspricht diese Düse in Form und Funktion einer Lavaldüse.

Gemäß D5 verursacht diese Düse in dem mit entsprechender Geschwindigkeit durchgeleiteten kontaminierten Abwasser das Entstehen von Mikrobläschen ("micro-bubbles"), deren Kollaps in weiterer Folge sowohl mechanische als auch chemisch-physikalische Effekte auf die Verunreinigungen ausübt (Spalte 6, Zeile 64 bis Spalte 7, Zeile 67). Insoweit hat die Beschwerdeführerin behauptet, dass im Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents vergleichbare Druckbedingungen im Abflussrohr der Reaktionskammer herrschten, die daher zu ähnlichen Effekten wie in D5 beschrieben führten.

Es ist zwar anzunehmen, dass die erfindungsgemäße Gestaltung des Abflussrohres im mündungsnahen Bereich als Lavaldüse in der Tat zu Kavitationseffekten im Medium führt, die ähnlich den in D5 erzielten Effekten sind. Jedoch dient die Lavaldüse in der vorliegenden Erfindung zusätzlich als Drossel (Rückstauelement) zum Aufbau des nötigen Druckes in der Reaktionskammer. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zu D5 ist, dass das fluide Medium die Lavaldüse mit einer zusätzlichen überlagerten Rotationsbewegung durchströmt, die aus der Rotation des Fluids in der Reaktionskammer herrührt. Laut Streitpatent entstehen unter diesen Bedingungen in der Lavaldüse bei wachsenden Geschwindigkeiten des Fluids "Wirbelströme mit Wirbelfaden oder Wirbelröhre, oder je nach Art des Mediums, ein drehungsfreier Wirbel mit Wirbelkern (Potentialwirbel)". Dabei würden nochmals Schubspannungen im fließenden Medium erzeugt, die die physikalischen und chemischen Prozesse weiter beförderten (siehe Streitpatent, Abschnitt [0054]). Angesichts dieses maßgeblichen hydrodynamischen Unterschieds ist es nach Ansicht der Kammer bereits fraglich, ob der Fachmann dieselben Kavitationseffekte wie in D5 hätte erwarten dürfen.

Nach Auffassung der Kammer gab es auch generell keine Anregung, in einem Verfahren nach Anspruch 1 bzw. einer Vorrichtung nach Anspruch 8 eine Kavitations- bzw. Lavaldüse im mündungsnahen Bereich des Abflussrohres vorzusehen, um dadurch eine Optimierung der physikalisch-chemischen Behandlung von fluiden Medien zu bewirken. Selbst wenn der Fachmann die in D5 beschrieben Wirkungsweise einer Kavitationsdüse zum Anlass genommen hätte, ein in einem Reaktor gemäß D1 zu behandelndes, fluides Medium zusätzlich zu behandeln, so hätte er allenfalls eine Aneinanderreihung von Reaktionskammer und Lavaldüse in Betracht gezogen. Die Erfindung weicht hier wesentlich von der Vorgehensweise des Durchschnittsfachmannes ab, indem sie die Lavaldüse quasi in die Reaktionskammer integriert und sich dabei besagte "Wirbelströme mit Wirbelfaden oder Wirbelröhre, oder drehungsfreie Wirbel mit Wirbelkern (Potentialwirbel)" zunutze macht.

Daher ist der Anspruchsgegenstand durch D1 in Zusammenschau mit D5 nicht nahegelegt.

6.6.2 Ergänzend hat die Beschwerdeführerin auch die Dokumente D4 und D6 herangezogen, welche die Erfindung jeweils in Kombination mit D1 nahelegen sollen.

Aus D4 sind ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Behandlung einer Mischung aus flüssigen Kohlenwasserstoffen in einem hydrodynamischen Kavitationsfeld bekannt. Dazu wird ein Volumenstrom an Kohlenwasserstoffen mit hoher Geschwindigkeit durch einen Kanal mit einer lokalen Strömungseinengung (Ablenkplatte, Drossel, Prallfläche, "baffle") geführt, sodass durch Kavitation Gasbläschen entstehen. Dadurch verursacht werden eine Reihe chemisch-physikalischer Prozesse eingeleitet ("micro-cracking"; siehe Seite 4, dritter Absatz bis Seite 6, Mitte). Die Strömungseinengung kann als Venturidüse ausgeführt sein (Figur 2). Eine der Drossel vorgeschaltete Reaktionskammer ist in D4 nicht beschrieben.

Für die Frage des Naheliegens der Erfindung im Hinblick auf D1 und D4 gilt mutatis mutandis die unter Punkt 6.6.1 angeführte Begründung. Selbst wenn der Fachmann zur Behandlung eines Fluids gemäß D1 weitere Behandlungsschritte, beispielsweise eine Drossel- oder Düsenelement, hätte vorsehen wollen, so hätte sich dafür nicht die erfindungsgemäße Position innerhalb der Reaktionskammer, sondern eine externe Position angeboten.

Aus Dokument D6 wiederum ist eine submerse Vorrichtung zur Anreicherung von Sauerstoff in Wasser bekannt. Dazu wird Luft in einer Art Wasserstrahlpumpe über ein Ansaugrohr 5 angesaugt und über einen Ejektor 4 und einen Zerstäubungsauslass 7 unter Wasser zerstäubt und im Wasser dispergiert (siehe Spalte 3, Zeilen 44 bis 65; Figur 1). Das durch den Ejektor gepumpte Wasser wird vorab durch eine kolonnenartigen Behandlungssäule geleitet, die mit Turmalin in Pelletform befüllt ist, wobei es zu einer elektrochemischen Reaktion und zu einer "Aktivierung" des Wassers kommen soll (Spalte 4, Zeilen 7 bis 48). Die Kammer sieht nicht, wie der Fachmann ausgehend von D1 durch D6 zum Gegenstand des Streitpatents hätte gelangen können, da der besagte Ejektor 4 dem Ansaugen von Luft dient und nicht als Lavaldüse ausgeführt ist (siehe Figuren 2 und 3).

Die genannten Dokumente D4 und D6 können daher den Gegenstand der Ansprüche 1 und 8 gemäß Hilfsantrag 1 nicht nahelegen.

6.6.3 Die Beschwerdeführerin zitierte in der Beschwerdebegründung noch zahlreiche weitere, aus dem internationalen Recherchenbericht zu WO-A-01/87473 bekannte Dokumente. Sie ging aber auf diese Dokumente nicht näher ein und stützte sich auch in der mündlichen Verhandlung nicht auf sie, so dass die Kammer keine Veranlassung hat, näher auf diese Dokumente einzugehen.

6.6.4 Die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 und 9 bis 24 definieren nähere Ausgestaltungen des Verfahrens nach Anspruch 1 bzw. der Vorrichtung nach Anspruch 8. Sie haben mit den unabhängigen Ansprüchen Bestand.

6.6.5 Die Gegenstände der Ansprüche 1 bis 24 des ersten Hilfsantrags erfüllen somit die Bedingungen des Artikels 56 EPÜ.

6.7 Da dem ersten Hilfsantrag stattgegeben werden kann, erübrigt sich die Diskussion des zweiten Hilfsantrags.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geänderter Form auf der Grundlage der Ansprüche des Hilfsantrags 1, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer, mit einer anzupassenden Beschreibung, einschließlich der Figuren, aufrechtzuerhalten.

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