T 0299/86 (Mündliche Verhandlung) of 23.9.1987

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1987:T029986.19870923
Datum der Entscheidung: 23 September 1987
Aktenzeichen: T 0299/86
Anmeldenummer: 81900967.1
IPC-Klasse: C12B 1/00
Verfahrenssprache: EN
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE | EN | FR
Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Secher
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: 1. Die Erklärung "ich behalte mir das Recht vor, nach Artilel 116 EPÜ eine mündliche Verhandlung zu beantragen", ist an sich kein Antrag auf mündliche Verhandlung.
2. Ein Beteiligter hat nur dann Anspruch auf eine mündliche Verhandlung, wenn er sie beantragt. Andernfalls kann das EPA auch eine ihn beschwerende Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 116
Schlagwörter: Mündliche Verhandlung/Vorbehalt des Rechts auf Stellung eines Antrags ist kein Antrag
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0113/89
T 0352/89
T 0663/90
T 0263/91
T 0822/91
T 0870/93
T 0236/94
T 0804/94
T 0528/96
T 0911/04
T 2557/12
T 1310/17

Sachverhalt und Anträge

I. Die PCT-Patentanmeldung PCT/GB81/00067 mit der europäischen Anmeldenummer 81 900 967.1 und der internationalen Veröffentlichungsnummer WO 81/02899, deren internationaler Anmeldetag auf den 13. April 1981 lautete und die am 15. Oktober 1981 veröffentlicht wurde, wurde mit Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 25. März 1986 zurückgewiesen.

Der Entscheidung lagen die am 30. Juli 1984 eingereichten Ansprüche 1 bis 9 und die am 14. November 1983 eingereichten Ansprüche 10 und 11 zugrunde. Die Ansprüche 1 bis 3 lauten wie folgt:

1. Ein monoklonaler Antikörper gegen Humaninterferon-alpha, dadurch gekennzeichnet, daß in einem Verfahren zur immunologischen Reinigung einer Interferon-alpha mit einer spezifischen Aktivität von 2,4 x 104 U/mg enthaltenden rohen Probe eines extrazellulären Mediums aus stimulierten Namalva-Zellen durch einmaliges Passieren einer mittels Bindung des monoklonalen Antikörpers an BrCN-aktivierte Sepharose hergestellten, immunologisch adsorbierenden 0,5-ml-Säule eine ca. 5 000fache Steigerung der spezifischen Aktivität erzielt wird, wobei pro ml Sepharose 14 mg monoklonale Antikörper enthalten sind.

2. Ein monoklonaler Antikörper gegen Humaninterferon-alpha, dadurch gekennzeichnet, daß in einem Verfahren zur immunologischen Reinigung einer Interferon-alpha mit einer spezifischen Aktivität von 1,6 x 106 U/mg enthaltenden Probe durch einmaliges Passieren einer mittels Bindung des monoklonalen Antikörpers an BrCN-aktivierte Sepharose hergestellten, immunologisch adsorbierenden 0,5-ml-Säule eine ca. 100fache Steigerung der spezifischen Aktivität erzielt wird, wobei pro ml Sepharose 14 mg monoklonale Antikörper enthalten sind.

3. Ein monoklonaler Antikörper gegen Humaninterferon-alpha, dadurch gekennzeichnet, daß in einem Verfahren zur immunologischen Reinigung einer Interferon-alpha enthaltenden Probe, bei dem die Probe durch eine mittels Bindung des monoklonalen Antikörpers an eine feste Phase hergestellte Säule geleitet wird, die Probe so gereinigt wird, daß Interferon-alpha mit rund 100%iger Reinheit bezogen auf die spezifische Aktivität entsteht. Die Ansprüche 4 bis 6 beziehen sich auf die Verfahren, durch die der monoklonale Antikörper der Ansprüche 1 bis 3 definiert wird. Anspruch 7 ist auf ein Verfahren gerichtet, bei dem unter Verwendung des besagten monoklonalen Antikörpers durch immunologische Reinigung Interferon-alpha mit rund 100 %iger Reinheit (bezogen auf die spezische Aktivität) erzielt wird. Gegen die Ansprüche 8 bis 11 wurden keine Einwände erhoben.

II. Nach Auffassung der Prüfungsabteilung waren die Ansprüche 1 bis 7 aufgrund des Begriffs "spezifische Aktivität" nicht deutlich. Die Aktivität von Humaninterferon-alpha könne anhand mehrerer Verfahren festgestellt werden, z. B. durch biologische Testverfahren, die entweder mit der Inhibierung der Nukleinsäuresynthese (INAS) oder mit der Reduktion des zytopathischen Effekts (CPE) operierten; darüber hinaus könne die Interferon-alpha-Aktivität nach Seite 8, Zeilen 31 bis 33 der Beschreibung auch durch Ausbeutereduktion bzw. Plaquereduktionsassay bestimmt worden sein. Da es also mehrere verschiedene Verfahren zur Bestimmung der Interferon-alpha-Aktivitäten gebe, seien auch mehrere verschiedene Definitionen von Interferon-alpha-Aktivitätseinheiten möglich, so daß der oben genannte Ausdruck für den Fachmann nicht eindeutig sei und somit die Ansprüche 1 bis 7 nach Artikel 84 EPÜ nicht gewährbar seien.

III. Außerdem sei die Anmeldung nach Artikel 83 EPÜ nicht gewährbar, weil ein Teil der Beschreibung - ein Vorgang, der zu einem NK2/13.35.6 genannten spezifischen Hybridom führe - nicht wiederholbar sei.

IV. Am 24. Mai 1986 wurde unter Entrichtung der entsprechenden Gebühr Beschwerde eingelegt und am 26. Juli 1986 eine Beschwerdebegründung nachgereicht. Der erste darin angegebene Grund betraf das Recht auf mündliche Verhandlung. Dies ist schon Gegenstand einer Zwischenentscheidung der Kammer vom 23. September 1987 gewesen.

V. Der zweite Beschwerdegrund bezog sich auf Artikel 84 EPÜ. Zur Stützung seiner Behauptung, wonach die Ansprüche 1 bis 7 die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllten, brachte der Beschwerdeführer vor, daß der Begriff "spezifische Aktivität", der offensichtlich der einzige Grund für die Zurückweisung nach Artikel 84 EPÜ sei, eine ganz bestimmte Bedeutung habe. Die Aktivität von Humaninterferon-alpha werde mit Bezug auf eine international standardisierte Interferon-Vergleichsprobe in Referenzeinheiten (Reference Research Units (u)) pro Masseeinheit (in mg) gemessen, und es bestehe kein Anlaß, die Definition dieser internationalen Standardvergleichsprobe in die Ansprüche 1 bis 7 aufzunehmen. Die einzelnen internationalen Standardvergleichsproben von Interferon seien entweder miteinander identisch oder exakt gegeneinander kalibriert worden, um den echten Standard sicherzustellen. Da die Messung einer spezifischen Aktivität stets auf den internationalen Aktivitätsstandard pro mg bezogen sei, müßten die Assays in dieser Hinsicht per Definitionen vergleichbar sein.

Darüber hinaus stützten sich die kennzeichnenden Teile der Ansprüche auf die Ergebnisse von Immunreinigungsverfahren, die mit dem erfindungsgemäßen monoklonalen Antikörper durchgeführt worden seien. Dementsprechend sei das Verfahren in den Ansprüchen 1, 2, 4 und 5 im Sinne einer spezifischen Ausgangsaktivität definiert. Geringfügige Änderungen der spezifischen Ausgangsaktivität würden die insgesamt erzielte Reinigung nicht wesentlich beeinträchtigen. In den Ansprüchen 3 und 6 werde dargelegt, daß die Verwendung des monoklonalen Antikörpers bei einer immunadsorbierenden Reinigung zu einer hinsichtlich der spezifischen Aktivität 100%ig reinen Probe führe. Ein Fachmann hätte beim Lesen der Beschreibung der vorliegenden Anmeldung sofort erkannt, daß Humaninterferon-alpha mit einer spezifischen Aktivität von 1,2 x 108 oder 1,6 x 108 U/mg im wesentlichen rein sei.

VI. Der dritte Beschwerdegrund bezog sich auf Artikel 83 EPÜ. Hinsichtlich der Begründung der Zurückweisung nach diesem Artikel brachte der Beschwerdeführer vor, daß die Prüfungsabteilung die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ grundsätzlich falsch beurteilt habe.

Der Beschwerdeführer führte aus, daß die Patentschrift lediglich aufzeigen müsse, wie man eine oder mehrere unter den Schutzbereich des Anspruchs fallende Ausführungsarten herstellen oder durchführen könne; sie müsse aber nicht notwendigerweise die spezifische in der Beschreibung dargelegte Ausführungsart angeben. Die vorliegende Anmeldung lehre den Fachmann durch exemplarische Darstellung einer Präparation die Herstellung eines breiten Spektrums von Hybridom-Zellinien, von denen jede in der Lage sei, einen monoklonalen Antikörper mit den in den Ansprüchen 1 bis 3 festgelegten allgemeinen Merkmalen zu produzieren. Das spezifische Immunogen, das für den Erhalt eines der Zelltypen benötigt werde, deren Fusion schließlich die Hybridome erzeuge, sei der Uberstand von mit dem Sendaivirus infizierten Namalva-Zellen. Dieses System werde gewöhnlich zur Herstellung von Humaninterferon-alpha verwendet, sei schon vor dem Anmeldetag der vorliegenden Patentanmeldung weitgehend zugänglich gewesen und werde in der Beschreibung erläutert.

Ein weiterer Ausgangsstoff für die Herstellung der benötigten Hybridome - die NS-1-Myelom-Zellinie - sei eine öffentlich zugängliche Zellinie, die vom Medical Research Council in Cambridge, Vereinigtes Königreich, hergestellt und aufbewahrt werde. Somit seien der Öffentlichkeit alle benötigten Ausgangsstoffe zugänglich, was auch in einer der Beschwerdebegründung beigefügten eidesstattlichen Versicherung Dr. Sechers, einem der Erfinder der vorliegenden Patentanmeldung, bestätigt worden sei. Die Anweisungen für die Prüfung auf monoklonale Antikörper mit den Merkmalen des Anspruchs 1 seien in der Beschreibung klar dargelegt.

Die Beschwerdeführer räumten ein, daß die Wahrscheinlichkeit sehr gering sei, daß man gemäß den wiederholbaren Offenbarungen der Beschreibung ein Hybridom erhalte, das mit dem in der Beschreibung als Beispiel angegebenen genotypisch identisch sei. Dies sei jedoch im Hinblick auf den beanspruchten Gegenstand für die in Artikel 83 EPÜ vorgeschriebene Wiederholbarkeit nicht relevant gewesen. Die Beschwerdeführer machten ferner geltend, daß dieser Einwand, den die Prüfungsabteilung erst im vierten Bescheid und über zwei Jahre nach Beginn der Prüfung erhoben habe, bereits im ersten Bescheid hätte vorgebracht werden müssen und daß ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliege.

VII. Die Beschwerdeführer beantragen die Aufhebung der Entscheidung der Prüfungsabteilung. Darüber hinaus wird beantragt, der Großen Beschwerdekammer folgende Rechtsfrage vorzulegen:

"Schreibt Artikel 83 EPÜ vor, daß eine in einer europäischen Patentschrift oder Patentanmeldung beschriebene Ausführungsart identisch wiederholbar sein muß, wenn der Schutzbereich der Ansprüche breiter ist als die Ausführungsart?"

Des weiteren wird die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 67 EPÜ beantragt, weil die Einwände nach Artikel 83 EPÜ zu spät erhoben worden seien.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist somit zulässig.

2. Artikel 123 (2) EPÜ Die einzigen noch strittigen Fragen dieser Beschwerde betreffen die Klarheit (Art. 84 EPÜ) und die ausreichende Offenbarung (Artikel 83 EPÜ). Andere Punkte, wie die Gewährbarkeit der Ansprüche 3 und 7 nach Artikel 123 (2) EPÜ, hat die Prüfungsabteilung offengelassen. Da sie nicht unmittelbar mit den Streitfragen dieser Beschwerde zusammenhängen, beschränkt sich die Kammer auf die Prüfung der strittigen Fragen und macht bei den übrigen Punkten von dem ihr in Artikel 111 EPÜ eingeräumten Ermessen Gebrauch (siehe Nr. 14).

3. Klarheit (Art. 84 EPÜ)

3.1. Alle zurückgewiesenen Ansprüche 1 bis 7 enthalten Begriffe im Zusammenhang mit der spezifischen Aktivität des Interferons-alpha.

Der Wortlaut der Ansprüche 1 bis 3 ist so gewählt, daß die beanspruchten monoklonalen Antikörper durch ihre Fähigkeit definiert werden, so an Interferon-alpha zu binden, daß aus einer Interferon-alpha-haltigen Probe Interferon-alpha gereinigt werden kann. Die dabei erzielte Affinität des monoklonalen Antikörpers wird durch den Grad der Reinigung von Interferon-alpha angegeben. Wenn z. B. in Anspruch 1 die spezifische Aktivität von Interferon-alpha in einem Ausgangsstoff einen bestimmten Wert hat, nämlich 2,4 x 104 U/mg, so wird durch einmaliges Passieren einer immunologisch adsorbierenden Säule, an die der beanspruchte monoklonale Antikörper gebunden ist, eine ca. 5 000fache Steigerung der spezifischen Aktivität erzielt. In Anspruch 2 hat der Ausgangsstoff eine spezifische Aktivität von 1,6 x 106 U/mg; nachdem die Interferon-alpha-haltige Probe durch die besagte immunologisch adsorbierende Säule mit dem beanspruchten monoklonalen Antikörper passiert wurde, ist die spezifische Aktivität ca. 100-mal höher. Da die Steigerung der spezifischen Aktivität auf eine gegebene Ausgangsaktivität bezogen ist, sagt sie also etwas über den Reinheitsgrad des erhaltenen Interferons-alpha aus (siehe Beschwerdebegründung, 3.1, letzter Absatz). Der monoklonale Antikörper des Anspruchs 3 ist durch seine Affinität zu Interferon-alpha so definiert, daß eine Probe gereinigt und daraus Interferon-alpha gewonnen werden kann, das in bezug auf seine spezifische Aktivität 100%ig rein ist.

3.2. Der Wortlaut der Ansprüche 4 bis 6 entspricht dem auf das Verfahren gerichteten Teil der Erzeugnisansprüche 1 bis 3. Anspruch 7 ist auf ein Verfahren zur immunologischen Reinigung von Interferon-alpha unter Verwendung des monoklonalen Antikörpers gerichtet.

4. Der in allen zurückgewiesenen Ansprüchen verwendete Begriff "spezifische Aktivität" wird in der Beschreibung der veröffentlichten Anmeldung auf Seite 8, Zeilen 33 bis 35 erläutert. Dort heißt es, daß alle Humaninterferon-Titer in Referenzeinheiten unter Verwendung des Referenzforschungsstandards 69/19 für HuIFN- angegeben werden. Das heißt, daß die Aktivität von Humaninterferon-alpha im Verhältnis zu einer international standardisierten Interferon-Referenzprobe in Reference Research Units (u) pro Masseeinheit (in mg) gemessen wird. Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, daß es sich bei der Standardprobe, auf die Bezug genommen wird (MRC69/19), um einen öffentlich zugänglichen Standard handelt, der gemäß einem internationalen Vertrag vom National Institute for Biological Standards and Control, Holly Hill, Hampstead, London, Vereinigtes Königreich, aufbewahrt wird. Daher vertritt sie die Auffassung, daß es für den Fachmann klar ist, daß sich der Begriff "spezifische Aktivität" auf einen internationalen Standard bezieht und eine unmißverständliche Bedeutung hat. Es ist also nicht erforderlich, die Definition des Merkmals in die Ansprüche aufzunehmen, da seine Bedeutung durch die Beschreibung klar definiert ist. Gemäß Artikel 84 EPÜ müssen die Patentansprüche den Gegenstand angeben, für den Schutz begehrt wird; eine erschöpfende Anleitung zur Benutzung der Erfindung müssen sie jedoch nicht geben. Darüber hinaus gilt nach Artikel 84 Satz 2 EPÜ für Patentansprüche das Erfordernis der Knappheit. Eine Möglichkeit, einen Patentanspruch knapp abzufassen, besteht in der Verwendung von Merkmalen, die in der Beschreibung unmißverständlich definiert sind. Gegen ein solches Vorgehen ist nichts einzuwenden, solange nicht die Deutlichkeit des Anspruchs so beeinträchtigt wird, daß ein Fachmann Schwierigkeiten hätte, seine Bedeutung zu verstehen. In der vorliegenden Sache ergäben sich solche Schwierigkeiten nicht.

5. Die Aussage in der Beschreibung, daß alle Humaninterferon-Titer in Referenzeinheiten (Reference Research Units) unter Verwendung des Referenzforschungsstandards 69/19 für Humaninterferon-alpha (siehe Seite 8, Zeilen 33 bis 35) angegeben werden, zeigt dem Fachmann deutlich auf, wie der Begriff "spezifische Aktivität" in den Patentansprüchen auszulegen ist.

6. In der Entscheidung T 68/85 "Synergistische Herbizide", ABl. EPA 1987, 228 hat die Kammer bereits entschieden, daß funktionelle Merkmale, die ein technisches Ergebnis definieren, dann zulässig sind, wenn diese Merkmale ohne Einschränkung der erfinderischen Lehre anders nicht objektiv präziser umschrieben werden können und wenn die funktionellen Merkmale dem Fachmann eine ausreichend klar technische Lehre offenbaren, die er mit zumutbarem Denkaufwand ausführen kann. Diese Entscheidung wurde durch die Entscheidung T 292/85 "Polypeptid-Expression" vom 27. Januar 1988, ABl. EPA 1989, 275 bestätigt, mit der funktionelle Eigenschaften auf dem Gebiet der Biotechnologie zugelassen wurden.

Nach Ansicht der Kammer sind die in den obigen Entscheidungen erwähnten Voraussetzungen hier erfüllt. Was die erste Voraussetzung (präzisere Umschreibung nicht möglich) betrifft, so ist die genaue chemische Struktur des beanspruchten monoklonalen Antikörpers nicht bekannt und kann daher nicht als Grundlage für eine präzisere Angabe dieses Antikörpers dienen.

Was die zweite Voraussetzung (die technische Lehre der gewählten Umschreibung muß deutlich und wiederholbar sein) betrifft, so scheint es unzweifelhaft, daß der Wortlaut eines Patentanspruchs in Zusammenhang mit der Beschreibung gesehen werden muß. Dieser Grundsatz kommt beispielsweise in Artikel 69 EPÜ zum Ausdruck, wo es heißt, daß der Schutzbereich des europäischen Patents und der europäischen Patentanmeldung durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt wird, jedoch die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen sind. Eine gebräuchliche und deutliche Art der Umschreibung monoklonaler Antikörper ist die Angabe ihrer Affinität zu einer bestimmten Substanz. Diese Affinität wird in den vorliegenden Ansprüchen ausgedrückt durch die Fähigkeit, Interferon-alpha in einer bestimmten Probe in bestimmtem Maße zu binden, d. h. als Affinität zu Interferon-alpha. Dieses Merkmal kann als ein indirektes strukturelles Merkmal aufgefaßt werden, da die Affinität eines monoklonalen Antikörpers von dessen stereochemischer Struktur abhängt.

7. Wenn in den Ansprüchen 3 und 7 gesagt wird, daß die Verwendung des monoklonalen Antikörpers bei einer immunadsorbierenden Reinigung dazu führt, daß man ein bezogen auf die spezifische Aktivität 100%ig reines Interferon-alpha erhält (Anspruch 3) bzw. daß das in einem Verfahren zur immunologischen Reinigung verwendete Interferon bezogen auf die spezifische Aktivität fast 100%-ig rein ist (Anspruch 7), so geht hieraus für den Fachmann klar hervor, daß der monoklonale Antikörper monospezifisch an Interferon-alpha bindet.

8. Die Gründe für die Zurückweisung der Ansprüche 1 bis 7 im Hinblick auf Artikel 84 EPÜ können somit nicht aufrechterhalten werden.

9. Ausreichende Offenbarung (Art. 83 EPÜ) Der zweite Grund für die Zurückweisung der vorliegenden Patentanmeldung lautete, ein bestimmtes Beispiel der Beschreibung sei nicht identisch wiederholbar. Das fragliche Beispiel ist Bestandteil der Beschreibung von Seite 7, Zeile 17 bis Seite 13, Zeile 3 und bezieht sich auf die Herstellung eines Hybridoms, das als Klon "NK2/13.35.6" bezeichnet ist. Die Auffassung der Prüfungsabteilung, wonach dieses spezifische Hybridom mit zumutbarem Denkaufwand nicht wiederholbar ist, ist richtig, weil die Herstellung von Hybridomen - den die beanspruchten monoklonalen Antikörper ausscheidenden Zellverschmelzungsprodukten - mühsam ist und einer Vielzahl von Variationen unterliegt.

Wird der Körper eines Menschen oder Tieres mit einer Substanz, einem sogenannten Antigen, infiziert, so tritt eine Immunreaktion des Körpers ein, in deren Verlauf inter alia Antikörper gegen das Antigen gebildet werden. Die Zellen, die diese Antikörper bilden, werden isoliert und mit einem anderen Zelltyp verschmolzen, der unbegrenzt teilungsfähig ist. Dabei handelt es sich um Tumorzellen, z. B. sogenannte Myelomzellen. Das Verschmelzungsprodukt wird als Hybridom bezeichnet und kann einen monospezifischen, also monoklonalen Antikörper unbegrenzt produzieren; der Antikörper weist eine Spezifität für das Antigen auf, das im Körper des Menschen oder Tieres als Stimulans für die Bildung des Antikörpers verwendet wurde. Im vorliegenden Fall wurde das hier zusammenfassend dargestellte Verfahren in der Beschreibung der Patentanmeldung ausführlich beschrieben wobei als Antigen ein Interferon-alpha diente, das seinerseits durch ein ebenfalls ausführlich erläutertes Verfahren produziert wurde. Dennoch können, wenn der Fachmann nach der Beschreibung vorgeht, viele verschiedene Antikörper gegen das verwendete Interferon-alpha produziert werden; darüber hinaus kann es Unterschiede bei dem als Antigen benutzten Interferon-alpha geben. Ein Grund für die Unterschiedlichkeit der Antikörper besteht darin, daß das verwendete Antigen, hier Interferon-alpha, in seiner Molekularstruktur unterschiedliche sogenannte determinante Regionen aufweisen kann und gegen jede dieser Determinationsregionen Antikörper gebildet werden können. Ferner können sich die Antikörper in ihrer Affinität zu bestimmten Determinanten unterscheiden. Es ist daher unwahrscheinlich, daß das eine in der vorliegenden Anmeldung als Beispiel beschriebene und NK2/13.35.6 genannte Hybridom identisch nachgearbeitet werden könnte. Dieser Klon ist jedoch nur ein Beispiel in der Beschreibung und wird nicht beansprucht.

10. In einer früheren Entscheidung hat die Kammer bereits festgestellt, daß "Artikel 83 EPÜ nicht verlangt, daß ein konkret beschriebenes Verfahrensbeispiel exakt wiederholbar sein muß." Weiter heißt es dort, daß Abweichungen in der Beschaffenheit eines in einem Verfahren verwendeten Mittels, z. B. eines Vorläufers, für eine ausreichende Offenbarung unerheblich sind, sofern das Verfahren zuverlässig zum gewünschten Erzeugnis führt (T 281/86 "Präprothaumatin" vom 27. Januar 1988, ABl. EPA 1989, 202 (Nr. 6 der Entscheidungsgründe)).

Im vorliegenden Fall kann es zusätzlich zu den unter Nr. 8 beschriebenen Unwägbarkeiten auch noch Abweichungen in der Beschaffenheit des Ausgangsstoffs, also des Interferons-alpha, geben, der als stimulierendes Antigen eingesetzt wird, um die Zellen zu erhalten, die den zum Interferon-alpha affinen monoklonalen Antikörper produzieren, so daß ein vom Hybridom NK2/13.35.6 ausgeschiedener monoklonaler Antikörper eventuell nicht exakt wiederholbar ist. Die vorliegende Offenbarung liefert jedoch ausführliche Informationen für eine zuverlässige Wiederholbarkeit des Verfahrens zur Herstellung von Hybridomen, die monoklonale Antikörper mit der in den zurückgewiesenen Ansprüchen angegegebenen Spezifität ausscheiden, was - wie nachstehend erläutert - anhand der Erhöhung der Reinheit einer Interferon-alpha-haltigen Probe gemessen werden kann.

11. Die Definition des beanspruchten monoklonalen Antikörpers durch seine Fähigkeit, so an ein Interferon-alpha zu binden, daß ein Reinigungsgrad von ca. 1,2 x 108 (Anspruch 1) bzw. ca. 1,6 x 108 (Anspruch 2) erzielt wird, deckt eine Gruppe von Antikörpern ab, die jeweils für verschiedene Interferone des alpha-Typs oder für verschiedene antigene determinante Bereiche eines Interferons-alpha spezifisch sein können. Während das Hybridom NK2/13.35.6 einen spezifischen "individuellen" monoklonalen Antikörper ausscheidet, stellen die beanspruchten monoklonalen Antikörper eine Vielzahl davon dar. Der Wortlaut der Ansprüche ist daher breiter gefaßt als das in Frage stehende Beispiel.

12. Die Kammer bestätigt die in der Entscheidung T 81/86 (ibid.) getroffene Feststellung, daß Artikel 83 EPÜ nicht verlangt, daß ein konkret beschriebenes Verfahrensbeispiel exakt wiederholbar sein muß. Der eine bestimmte Klon NK2/13.35.6 zeigt nur ein Beispiel auf, das zum Erfolg führt, wenn nach der allgemeinen Beschreibung der vorliegenden Patentanmeldung gearbeitet wird. Seite 5, Zeile 5 bis Seite 14, Zeile 20 enthält ausreichende Informationen über Einzelheiten des gesamten, weiter oben allgemein beschriebenen Verfahrens; darüber hinaus wird näher erläutert, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Screening im Hinblick auf ein den gewünschten monoklonalen Antikörper produzierendes Hybridom erfolgreich ist. Auf Seite 9, Zeilen 20 bis 25 wird gesagt, daß 48 Zellverschmelzungen erfolgreich vorgenommen worden seien. Auf Seite 10, Zeilen 33 bis 37 und Seite 11, Zeilen 1 bis 17 heißt es dann, daß "mehrere Kulturen" (Seite 10, Zeile 36) Interferonaktivität aufwiesen. Die Zellen aus Kulturen mit geringer Anti-Interferonaktivität produzierten offensichtlich, wenn sie weiter kloniert wurden, Klone, die die gewünschte Anti-Interferonaktivität aufwiesen (Seite 11, Zeilen 15 bis 18). Somit belegt die Beschreibung die Auffassung, daß Hybridome, die den beanspruchten monoklonalen Antikörper ausscheiden, nicht so selten sind, als daß das Verfahren als Ganzes nicht zuverlässig zu dem beanspruchten Stoff führen würde. In Ermangelung des Gegenbeweises vertritt die Kammer daher die Auffassung, daß die in der Beschreibung enthaltene Offenbarung ausreicht, um den beanspruchten monoklonalen Antikörper wiederholt zuverlässig herzustellen; es ist daher nicht notwendig, daß das in der Beschreibung angegebene Beispiel identisch wiederholt wird.

13. Die Beschwerdeführerin hat vorgeschlagen, der Großen Beschwerdekammer die unter Nr. VII genannte Frage vorzulegen. Da die Beschwerde zugunsten der Beschwerdeführerin entschieden wird und die Frage unter Heranziehung des EPÜ und der zitierten Rechtsprechung beantwortet werden kann, sieht die Kammer keinen Anlaß, diesem Vorschlag zu folgen.

14. Offengelassene Fragen

In bezug auf die offengelassene Frage, ob die Ansprüche 3 und 7 nach Artikel 123 (2) EPÜ zulässig sind, möchte die Kammer von ihrem Recht Gebrauch machen, die Sache im Hinblick auf diesen wichtigen Aspekt an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Daneben gilt es bei der Sachprüfung über weitere grundlegende Fragen wie die der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit zu befinden.

15. Rückzahlung der Beschwerdegebühr

Die Beschwerdeführer begründeten den Antrag auf Gebührenrückzahlung damit, daß ihr Antrag auf mündliche Verhandlung abgelehnt und der Einwand nach Artikel 83 EPÜ zu spät erhoben worden sei.

Die Tatsache, daß der Einwand nach Artikel 83 EPÜ erst im vierten Bescheid erhoben wurde, stellt keine die Rückzahlung begründende wesentliche Verfahrensverletzung dar. Diese Einwände wurden bereits im zweiten Bescheid unter Nummer 2 erwähnt. Zwar ist es wünschenswert, daß alle relevanten Einwände so früh wie möglich während des Prüfungsverfahrens erhoben werden. Wird ein Einwand jedoch erst in einem späteren Verfahrensstadium erkannt, so ist das EPA dennoch verpflichtet, diese Frage nach Artikel 114 (1) EPÜ vorzubringen. Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr kann daher nicht gewährt werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Entscheidung der ersten Instanz wird aufgehoben.

2. Die Anträge auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr und auf Vorlage der Sache bei der Großen Beschwerdekammer werden zurückgewiesen.

3. Die Sache wird zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.

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