T 0170/87 (Heissgaskühler) of 5.7.1988

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1988:T017087.19880705
Datum der Entscheidung: 05 Juli 1988
Aktenzeichen: T 0170/87
Anmeldenummer: 81105938.5
IPC-Klasse: C10J 3/86
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: A
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: OJ | Published
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Sulzer
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: 1. Eine Figur, die lediglich der schematischen Erläuterung des Prinzips des Patentgegenstands und nicht dessen Darstellung in all seinen Einzelheiten dient, läßt keinen sicheren Schluß darauf zu, daß die offenbarte Lehre ein nicht dargestelltes Merkmal gezielt ausschließt. Ein solches "negatives" Merkmal (hier: "einbautenfrei") darf nicht nachträglich in den Anspruch aufgenommen werden.
2. Mit dem Instrument des Disclaimers kann eine sich mit dem Stande der Technik überschneidende erfinderische Lehre neu, nicht aber eine naheliegende Lehre erfinderisch gemacht werden.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (verneint)
Weitere Lösung eines bereits gelösten Problems ohne Überwindung eines Vorurteils oder Erzielung eines unerwarteten Ergebnisses
Ursprüngliche Offenbarung (verneint)
Fehlen eines Merkmals in schematischer Zeichnung als einzige Grundlage für dessen Ausschluss;
Disclaimer allein zur Begründung erfinderischer Tätigkeit
Negatives Merkmal
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
G 0001/03
G 0002/03
G 0002/10
G 0001/16
T 0278/88
T 0650/88
T 0511/89
T 0839/90
T 0156/91
T 0393/91
T 0410/91
T 0857/91
T 0885/91
T 0597/92
T 0606/92
T 0653/92
T 0710/92
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T 0084/93
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T 0521/93
T 0885/93
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T 0827/00
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T 1028/02
T 1120/05
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T 0380/09
T 2136/10
T 0474/15
T 0621/15
T 0462/19
T 0939/21
T 0204/22
T 0571/22

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung 81 105 938.5, die am 28. Juli 1981 mit schweizerischer Priorität vom 19. September 1980 angemeldet worden war, wurde am 27. Dezember 1984 das europäische Patent 48 325 auf der Grundlage von fünf Ansprüchen erteilt, wovon die beiden ersten wie folgt lauten:

"1. Heißgaskühler mit einem vertikal angeordneten Druckbehälter und darin befindlichem, einen vertikalen von Heißgas durchströmten Innenraum bildendem, die Wand des Druckbehälters vor unzulässigem Wärmeeinfall abschirmendem Kühleinsatz aus miteinander dichtverschweißten, von einem Wärmeübertragungsmedium durchflossenen Rohren, wobei der Kühleinsatz heißgaseintrittsseitig über einen die Wand des Druckbehälters durchdringenden Eintrittskanal an eine Heißgasquelle angeschlossen ist und gasausgangsseitig einen Austrittskanal aufweist, der ebenfalls die Druckbehälterwand durchdringt, wobei der Eintritts- und Austrittskanal kleineren Querschnitt aufweisen als der Innenraum und wobei ferner aus dem Bereich des Heißgaseintrittes eine Druckausgleichsverbindung mit einer Kühlstrecke zum Zwischenraum zwischen dem Kühleinsatz und der Druckbehälterwand führt, dadurch gekennzeichnet, daß der Eintrittskanal (8; 71) für das Heißgas am oberen Ende des Innenraums (7) angeordnet ist und daß die Druckausgleichsverbindung (30; 82, 84) vom obersten Teil des Innenraums (7) ausgeht.

II. Gegen die Patenterteilung legte die jetzige Beschwerdegegnerin am 21. September 1985 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit Einspruch ein. Sie stützte sich dabei auf die Dokumente

(1) DE-A- 2 726 716 und

(2) DE-A- 2 705 558.

III. Mit Entscheidung vom 5. März 1987 widerrief die Einspruchsabteilung das Streitpatent. Sie führte dazu im wesentlichen aus, die Aufgabe, wonach im Fall einer Leckbildung die Druckbehälterwand ausschließlich von gekühltem Gas bestrichen werden soll, sei aus (1) bereits zu entnehmen. Sie werde dort durch Anbringen einer gekühlten Druckausgleichsverbindung am Eintrittsende des Heißgas Heissgaskühlers gelöst, wobei es sich um das untere Kühlerende handle. Aus Dokument (2), wo eine Druckausgleichsverbindung freilich nicht erwähnt werde, sei es aber bereits als vorteilhaft bekannt, den Eintrittskanal für das Heißgas am oberen Ende des Kühlers anzuordnen. Daher habe es - ungeachtet einer geltend gemachten neuen Wirkung - nahegelegen, die Vorrichtung nach (1) entsprechend abzuwandeln und dabei die Anordnung der Druckausgleichsverbindung am Eintrittsende, nunmehr dem oberen Ende, beizubehalten. Es könne daher auch dahingestellt bleiben, ob die geltend gemachte neue Wirkung nicht auch schon nach (1) auftritt.

(...)

IV. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die unterlegene Patentinhaberin am 5. Mai 1987 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde erhoben.

(...)

VII. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Einspruch zurückzuweisen; nach einem ersten kurz vor Ende der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag mit der Maßgabe, daß im Anspruch 1, letzte Zeile, vor "Innenraums" das Wort "einbautenfreien" eingefügt wird; sowie nach einem zweiten Hilfsantrag ...

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie Regel 64 EPU; sie ist daher zulässig.

Zum Hauptantrag

2. Nächster Stand der Technik, von dem richtigerweise auch der Oberbegriff des Anspruchs 1 ausgeht, ist unstreitig (1). In seiner breitesten Formulierung (vgl. Anspruch 1) beschreibt dieses Dokument bereits einen Heißgaskühler mit einem unter Uberdruck stehenden Innenraum, an dessen einem Ende das zu kühlende Gas zu- und an dessen anderem Ende es abgeführt wird (ohne Festlegung auf Zu- oder Abfuhr am unteren bzw. oberen Ende), wobei die der Kühlung dienenden Rohrwände unter Bildung eines abgeschlossenen Zwischenraumes von einem Druckmantel umgeben sind und der Zwischenraum durch eine einen Druckausgleich herstellende, gekühlte Nebenleitung angeschlossen ist.

Als wesentliches Ergebnis - im Sinn eines gelösten Problems - wird herausgestellt, "daß im Falle einer Leckage in einer der Rohrwände keine Strömung des heißen Gases in den Zwischenraum entsteht, durch die die Gastemperatur in dem Zwischenraum ansteigt und der ... Druckmantel Schaden nehmen kann" (Seite 3, Absatz 3). Dies Entspricht inhaltlich dem, was in Spalte 1, Zeilen 20 bis 26, der Streitpatentschrift als Aufgabe des Streitpatents dargestellt wird. Wenn es an der genannten Stelle von (1) ferner heißt, daß "bei einer Leckage ... das ... (Gas durch die) Nebenleitung gekühlt in den Zwischenraum gelangt", so kann dies, wie die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, nur im Sinne eines "Nachsaugens" als Folge dessen verstanden werden, daß zunächst an der lecken Stelle Gas aus dem Zwischenraum in den Innenraum strömt, und dies kann wiederum nur eintreten, wenn an der betreffenden Stelle der Druck im Innenraum niedriger ist als im Zwischenraum. Das ist angesichts des oben unter VI. wiedergegebenen Sachverhaltes wegen der Wasserdampfrohre (W) auch für die in Fig. 1 skizzierte Ausführungsform von (1) ohne weiteres glaubhaft. Das in Spalte 1, Zeilen 20 bis 26, angeführte Problem ist daher schon durch (1) gelöst worden.

3. Da die Beschwerdeführerin demgegenüber keine unerwartete, z. B. überlegene Wirkung des beanspruchten Heißgaskühlers dargetan hat, ist unter objektiven Gesichtspunkten als Aufgabe des Streitpatents nur der Vorschlag einer weiteren Lösung für das obige Problem anzusehen. Diese Aufgabe ist zur Uberzeugung der Kammer durch die beanspruchte Anordnung des Eintrittskanals am oberen Ende des Innenraums und, damit verbunden, der Druckausgleichsverbindung ausgehend vom oberen Teil des Innenraumes glaubhaft gelöst. Dies wird von der Beschwerdegegnerin auch nicht bestritten.

4. Der beanspruchte Lösungsvorschlag ist dem nachgewiesenen Stand der Technik auch nicht mit allen seinen Merkmalen konkret zu entnehmen, also neu. Da auch dies unstreitig ist, erübrigen sich nähere Ausführungen hierzu.

5. Es bleibt somit zu untersuchen, ob der Gegenstand des Streitpatents auf erfinderischer Tätigkeit beruht oder für den Fachmann im Hinblick auf die bestehende technische Aufgabe nahelag.

5.1. Angesichts einerseits der breiten Offenbarung von (1), wonach das zu kühlende Gas am einen Ende des Kühlers zu- und am anderen abgeführt werden soll, sowie andererseits der dort konkret beschriebenen Ausführungsform nach Fig. 1 (Zufuhr am unteren, Abfuhr am oberen Ende) mußte es auf der Suche nach einer bloß weiteren Lösung nicht nur naheliegen, sondern von vornherein der absolut nächstliegende Gedanke sein, das Gas in Umkehr von Fig. 1 oben zu- und unten abzuführen und dabei die Anordnung der Druckausgleichsverbindung am Eintritts-, also nunmehr am oberen Ende beizubehalten.

(...)

5.4. Insgesamt handelt es sich beim Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents nach Hauptantrag um eine im Bereich des handwerklichen Könnens des Fachmannes liegende Abwandlung der in Fig. 1 von (1) gezeigten Ausführungsform, wogegen ersichtlich kein Vorurteil bestand und womit kein unerwartetes Ergebnis erzielt wird. Es fehlt diesem Gegenstand daher an erfinderischer Tätigkeit.

(...)

Zum ersten Hilfsantrag

6. Dieser Hilfsantrag richtet sich auf die Einfügung eines einzigen Wortes in den Anspruch 1 gemäß Hauptantrag. Er wurde erst unmittelbar vor Ende der mündlichen Verhandlung gestellt. Die Kammer hat sich daher zunächst die Frage gestellt, ob er überhaupt zu berücksichtigen oder aber als verspätet vorgebracht unberücksichtigt zu lassen ist. Dabei wurde folgendes in Erwägung gezogen:

Mit der Einfügung des Wortes "einbautenfreien" soll der Gegenstand des Streitpatents offensichtlich stärker von der Ausführungsform nach Fig. 1 von (1) abgehoben werden, nach der im Innenraum Einbauten in Gestalt der Wasser dampfrohre (W) vorgesehen sind. Die Einbauten sind bei der genannten Ausführungsform des Standes der Technik (Gasstrom von unten nach oben) Voraussetzung für Druckverhältnisse, die die Erzielung des angestrebten Ergebnisses gestatten. Dieser technische Sachverhalt ist jedoch erst im Verlaufe der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 1988 klar hervorgetreten (vgl. oben unter VI.). Unter diesen besonderen Umständen ist das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht als verspätet zu betrachten. Der erste Hilfsantrag ist daher zu berücksichtigen.

7. Im Falle von Änderungen, die im Einspruchsverfahren, einschließlich des Einspruchsbeschwerdeverfahrens vorgenommen werden, ist nach gefestigter Rechtsprechung der Beschwerdekammern Artikel 84 EPU zu beachten, obwohl dieser an sich keinen Einspruchsgrund darstellt. Insbesondere ist dabei zu gewährleisten, daß durch solche Änderungen die Deutlichkeit (Klarheit) der Ansprüche nicht beeinträchtigt wird. Im vorliegenden Fall hat die Kammer erhebliche Zweifel daran, ob das Merkmal eines "einbautenfreien" Innenraums im Einklang mit der Ausführungsform nach Fig. 2 der Streitpatentschrift stünde oder ob nicht vielmehr die der Umlenkung des Gasstromes dienenden Teile (z. B. das Hemd 42) ebenfalls als "Einbauten" anzusprechen wären. Angesichts der folgenden Ausführungen braucht hierüber jedoch nicht abschließend entschieden zu werden.

8. Der erste Hilfsantrag muß nämlich nach Uberzeugung der Kammer jedenfalls am Erfordernis der ursprünglichen Offenbarung -Artikel 123 (2) EPU - scheitern.

8.1. Das in Rede stehende Merkmal ist - unbestritten - in der Beschreibung und den Ansprüchen der Erstunterlagen mit keinem Wort erwähnt; die Beschwerdeführerin hält sich zu seiner Einführung in den Anspruch dennoch für berechtigt, weil in der Zeichnung (jedenfalls in Fig. 1) keinerlei Einbauten im Innenraum gezeigt sind.

8.2. Zum "Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung", über den gemäß Artikel 123 (2) EPU der Gegenstand eines europäischen Patents zufolge von Änderungen nicht hinausgehen darf, gehört auch das, was aus der ursprünglich eingereichten Zeichnung für den fachmännischen Leser in eindeutiger Weise zu entnehmen ist. Die Kammer hätte daher z. B. in dem hypothetischen Fall keine Bedenken unter dem Gesichtspunkt von Artikel 123 (2) EPU, daß etwa der Anspruch durch ein Merkmal eingeschränkt werden sollte, wonach die Druckausgleichsverbindung (30) nahe dem oberen Ende der Konusfläche (6) angeordnet wäre, obwohl es in der Beschreibung (Spalte 2, Zeilen 21 bis 22) nur "im Bereich der Konusfläche" heißt; dieses hypothetische Merkmal wäre nämlich aus Fig. 1 eindeutig zu entnehmen.

8.3. Im vorliegenden Fall handelt es sich aber um das sozusagen "negative" Merkmal "einbautenfrei", das ausschließlich dadurch gerechtfertigt sein soll, daß Fig. 1 keine Einbauten im Innenraum zeigt. Nun dient aber Fig. 1 ihrer ganzen Natur nach lediglich der schematischen Erläuterung des Prinzips des Streitpatentgegenstandes und nicht dessen Darstellung in all seinen Einzelheiten. Daher läßt sich allein aus dem Fehlen eines Merkmales in der Darstellung der Fig. 1 jedenfalls nicht in eindeutiger Weise entnehmen, daß ein solches Merkmal auszuschließen ist. Somit vermag der Fachmann auch den Erstunterlagen als ganzen nicht die Lehre zu entnehmen, gezielt von Einbauten im Innenraum abzusehen. Ist das in Rede stehende Merkmal zwar von der Offenbarung der ursprünglichen Unterlagen umfaßt, aber in individualisierter Form weder der ursprünglichen Fassung von Beschreibung oder Ansprüchen noch - in eindeutiger Weise - der Zeichnung zu entnehmen, so ist es nicht konkret ursprünglich offenbart und darf daher nicht in den Anspruch aufgenommen werden.

8.4. Zu einem für die Beschwerdeführerin günstigeren Ergebnis gelangt man auch nicht, wenn man das genannte Merkmal als Disclaimer auffaßt, durch den Heißgaskühler mit Einbauten vom Schutz ausgeschlossen werden sollen.

8.4.1. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist es in Fällen einer Uberschneidung des generell Beanspruchten mit dem Stand der Technik zulässig, einen speziellen Stand der Technik durch Disclaimer von der beanspruchten Erfindung auszuschließen, auch wenn den ursprünglichen Unterlagen keine (konkreten) Anhaltspunkte für einen solchen Ausschluß zu entnehmen sind (vgl. Entscheidung T 04/80, "Polyätherpolyole/BAYER", ABl. EPA 1982, 149; ferner z. B. T 433/86 vom 11. Dezember 1987, unveröffentlicht, insbesondere Punkt 2).

8.4.2. In der Entscheidung T 313/86 vom 12. Januar 1988 (unveröffentlicht) hat die Kammer auch schon zum Ausdruck gebracht, daß die gleichen Grundsätze gelten, wenn ein kleinerer Teilbereich des allgemein definierten Erfindungsgegenstandes nicht im Hinblick auf den Stand der Technik, sondern deswegen ausgeschlossen werden soll, weil er die bestehende technische Aufgabe nicht löst (Unterabschnitt 3.5, Seiten 8 bis 9, der angegebenen Entscheidung).

8.4.3. Die in den beiden vorangehenden Unterabschnitten erwähnte Praxis rechtfertigt sich aus den folgenden Erwägungen: Durch die bloße Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik bzw. dem, was sich als nicht funktionierend erwiesen hat, erfährt die in der Anmeldung ursprünglich konkret offenbarte erfinderische Lehre als Ganzes keine Änderung; vielmehr wird durch den Disclaimer (oder durch eine zum gleichen Ergebnis führende "positive" Formulierung) aus dieser Lehre nur derjenige Teil im Sinne eines Teilverzichts "herausgeschnitten", den der Anmelder wegen fehlen der Neuheit oder Ausführbarkeit nicht beanspruchen kann. Hierfür besteht ein erhebliches praktisches Bedürfnis. Erforderlich ist nur, auf geeignete Weise zu definieren, was unter den gegebenen Umständen von der ursprünglich offenbarten erfinderischen Lehre an Schutzfähigem noch übrigbleibt.

8.4.4. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend dadurch, daß durch die Einfügung eines neuen Merkmals der Einwand fehlender erfinderischer Tätigkeit ausgeräumt werden soll. Es soll also nicht aus einer ursprünglich offenbarten erfinderischen Lehre etwas herausgeschnitten werden, sondern einer - wie oben in Abschnitt 5 gezeigt - durchaus naheliegenden Lehre soll durch nachträgliches Hinzufügen eines ursprünglich nicht konkret offenbarten Merkmals Erfindungsqualität erst verliehen werden. Damit würde die in den Erstunterlagen enthaltene technische Lehre wesentlich modifiziert. Dies kann aber wegen des Korrelats von Offenbarung und Erfindungsschutz auf dem Weg eines Disclaimers ebensowenig zulässig sein wie sonstwie. Vereinfacht ausgedrückt, kann mit dem Instrument des Disclaimers zwar eine sich mit dem Stande der Technik überschneidende erfinderische Lehre neu, nicht aber eine naheliegende Lehre erfinderisch gemacht werden.

8.5. Zusammenfassend ergibt sich, daß der erste Hilfsantrag an seiner formalen Unzulässigkeit scheitern muß.

Zum zweiten Hilfsantrag

(...)

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Der Hauptantrag und der erste Hilfsantrag der Beschwerde führerin werden zurückgewiesen.

3. Die Sache wird zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens auf der Grundlage des zweiten Hilfsantrages an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.

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