T 0462/19 () of 12.10.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T046219.20211012
Datum der Entscheidung: 12 October 2021
Aktenzeichen: T 0462/19
Anmeldenummer: 07022601.4
IPC-Klasse: E03B 7/04
E03B 7/09
F24D 17/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Trink- und Brauchwassersystem sowie Verfahren zum Betrieb eines solchen Systems
Name des Anmelders: Gebr. Kemper GmbH + Co. KG Metallwerke
Name des Einsprechenden: Georg Fischer JRG AG
Viega Technology GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(b)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
European Patent Convention Art 88(4)
Schlagwörter: Priorität - Hauptantrag (ja)
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Spät eingereichte Beweismittel - Ermessensfehler in erster Instanz (nein)
Spät eingereichte Beweismittel - Antrag hätte bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht werden können (ja)
Spät eingereichter Einwand - zugelassen (ja)
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0007/93
G 0002/98
T 0170/87
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das Europäische Patent mit der Nummer 1 887 150 (im Folgenden: "das Patent") betrifft ein Trinkwassersystem sowie ein Verfahren zu dessen Betrieb.

II. Die Einspruchsabteilung hat die auf den Gründen gemäß Artikel 100 b) und 100 a) EPÜ in Verbindung mit Neuheit und erfinderischer Tätigkeit basierten Einsprüche gegen das Patent mit der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen.

III. Gegen diese Entscheidung wendeten sich die Einsprechende 1 (im Folgenden "Beschwerdeführerin 1") sowie die Einsprechende 2 (im Folgenden "Beschwerdeführerin 2") mit der Beschwerde.

IV. Am 12. Oktober 2021 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Die Verhandlung wurde im Einverständnis mit den Beteiligten als Videokonferenz unter Verwendung der Zoom-Plattform durchgeführt.

Die Schlussanträge lauteten wie folgt:

Die Beschwerdeführerinnen beantragten, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Weiterhin beantragten sie, die Hilfsanträge 1 bis 13 nicht in das Verfahren zuzulassen.

Die Patentinhaberin (im Folgenden "Beschwerdegegnerin") beantragte, die Beschwerden zurückzuweisen, hilfsweise, das Patent in eingeschränkter Fassung auf der Grundlage

der Hilfsanträge 1 bis 13, eingereicht mit der

Beschwerdeerwiderung, aufrechtzuerhalten. Außerdem beantragte sie, die Dokumente E12 bis E14 sowie E18 bis E21 nicht in das Verfahren zuzulassen.

V. Die folgenden bereits während des Einspruchsverfahrens vorgebrachten Dokumente sind für die Entscheidung relevant:

P1: DE 10 2006 017 807 (Prioritätsdokument für das

Streitpatent; "A2" im schriftlichen Verfahren);

E1: DE 93 02 446 U1;

E2: DE 89 15 477 U1;

E6: DE 10 2005 024 252 A1 (Offenlegungstag:

30.11.2006)

E7: DE 100 31 854 A1;

E8: US 5,622,203 A1;

E9US: US 5,518,022 A1;

E9EP: EP 0 809 079 A1;

E11: ViegaCAD für die Haustechnik, Benutzerhandbuch

Release '98;

E12: JP 2000-192520 A und Übersetzung;

E13: JP 1990-74734 A und Übersetzung;

E14: US 6,705,344 B2;

E15: US 6,125,880 A;

E16: DIN 1988, Teil 3 (Fassung vom Dezember 1988);

GKS1: Definition "Reinstwasser", Wikipedia 2017.

Die folgenden Dokumente wurden seitens der Beschwerdeführerin 1 erstmalig mit der Beschwerdebegründung vorgebracht:

E18: DE 10 2004 033 770 A1;

E19: DE 38 32 837 A1;

E20: EP 1 493 873 A2;

E21: A. Gaßner, "Der Sanitätsinstallateur" (2003).

VI. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 17 des Hauptantrags lauten (Patent wie erteilt, die Merkmalsgliederung wurde in Anlehnung an die angefochtene Entscheidung in "[]" hinzugefügt):

Anspruch 1:

"[1.a] Wassersystem

[1.aa] mit einer Übergabestelle (22) aus einem öffentlichen Trinkwasser-Versorgungsnetz und

[1.ab] wenigstens einem Stockwerks- bzw. Steigrohrstrang (2) sowie

[1.ac] mehreren in Erstreckungsrichtung des Stranges hintereinander angeordneten und jeweils zu wenigstens einer Entnahmestelle (12) führenden Ringleitungen (10), die jeweils über einen Abzweig (14) von dem Strang (2) abgehen und in Strömungsrichtung des Stranges dahinter jeweils über eine Mündung (16) in den Strang (2) münden,

[1.b] wobei die Ringleitungen (10) und/oder der Abzweig (14) bzw. die Mündung (16) der jeweiligen Ringleitung (10) am Strang (2) derart ausgebildet sind,

[1.ba] dass bei Entnahme von Wasser an einer an den Strang angeschlossenen Entnahmestelle (12) durch eine Strömung in dem Strang zwischen dem Abzweig (14) und der Mündung (16) der in Strömungsrichtung der Entnahmestelle (12) vorgelagerten Ringleitung (10) oder Ringleitungen (10) des Stranges eine Druckdifferenz erzeugt wird,

[1.bb] durch welche in der vorgelagerten Ringleitung (10) oder in den vorgelagerten Ringleitungen (10) eine Spülströmung erzeugt wird,

dadurch gekennzeichnet,

[1.c] dass das Wassersystem ein Trinkwassersystem ist [1.d] und die Strömung bzw. Spülströmung in dem Trinkwassersystem allein aufgrund der Differenz zwischen dem Druck an der Übergabestelle (22) aus dem öffentlichen Trinkwasser-Versorgungsnetz und der an den Strang (2) angeschlossenen Entnahmestelle (12) erzeugt wird."

Anspruch 17:

"Verfahren zum Betreiben eines Trinkwassersystems nach einem der Ansprüche 1 bis 16 mit wenigstens einem Stockwerks- oder Steigrohrstrang (2) sowie mehreren in Erstreckungsrichtung des Stranges (2) hintereinander angeordneten und jeweils zu wenigstens einer Entnahmestelle (12) führenden Ringleitungen (10), die jeweils über einen Abzweig (14) von dem Strang (2) abzweigen und in Strömungsrichtung des Stranges dahinterliegend jeweils über eine Mündung (16) in den Strang münden, wobei durch Entnahme von Trinkwasser an einer an den Strang angeschlossenen Entnahmestelle (12) durch eine Strömung in dem zu der Entnahmestelle (12) führenden Strang zwischen dem Abzweig (14)und der Mündung (16) der in Strömungsrichtung der Entnahmestelle vorgelagerten Ringleitung oder Ringleitungen (10) des Stranges eine Druckdifferenz erzeugt wird, durch welche in der vorgelagerten Ringleitung (10) oder in den vorgelagerten Ringleitungen (10) eine Spülströmung erzeugt wird, wobei die Strömung bzw. Spülströmung allein aufgrund der Druckdifferenz zwischen einer Übergabestelle (22) aus einem öffentlichen Trinkwasser-Versorgungsnetz und der an den Strang (2) angeschlossenen Entnahmestelle (12) erzeugt wird."

VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:

a) Deutlichkeit und Vollständigkeit der Offenbarung

Die Erfindung sei nicht deutlich und vollständig genug offenbart. Soweit das Merkmal [1.d] als beschränkend anzusehen sei, offenbare das Patent keine Lehre, wie ein entsprechendes Leitungssystem konkret auszugestalten sei. Die in Figur 7 gezeigte Ausführungsform der Installation der Ringleitungsspülarmatur werde nicht näher beschrieben. Die zugehörigen Absätze [0033] bis [0035] der Beschreibung machten lediglich allgemeine Aussagen zur Ringleitungsspülarmatur, ohne die spezifische Maßnahmen zu beschreiben, die gemäß der Beschwerdeführerin zur Verwirklichung von Merkmal [1.d] erforderlich seien. Zudem seien Warmwassersysteme vom Patent mit umfasst, für die keine mögliche Ausführungsform angegeben sei.

b) Gültigkeit der Priorität

Die Priorität könne durch das Prioritätsdokument P1 für die Ansprüche 1 und 17 nicht gültig in Anspruch genommen werden. Es finde sich in P1 keine Offenbarung in Bezug auf den Druck an der Übergabestelle und eine ggf. resultierende Druckdifferenz. Die Passage in Absatz 3 auf Seite 7, gemäß derer auf eine in dem System installierte Pumpe zur Durchspülung verzichtet werden solle, beziehe sich lediglich auf die Durchspülung der einzelnen Ringleitungen und des Stranges, schließe Pumpen und andere Druckerhöhungsmaßnahmen im Gesamtsystem jedoch nicht aus. Zudem fehle im Anspruch die in der genannten Passage im Zusammenhang genannte Ausbildung des Vollstrom-Absperrventils als Kugelventil. Weiterhin seien üblicherweise in der Übergabestelle weitere Einbauten wie Druckminderer, Druckerhöhungsstufen und Filter verbaut, so dass das Merkmal nicht implizit offenbart, sondern zumindest aus mehreren Alternativen auszuwählen sei. Die Tatsache, dass die schematischen Figuren 3 bis 5 in P1 keine Pumpe zeigten, sei nicht als eindeutige Offenbarung anzusehen, dass keine Pumpe vorhanden sei, wie dies z.B. auch in T 170/87 in einem vergleichbaren Fall entschieden worden sei. Dies gelte insbesondere weil das Patent selbst Ausführungsformen mit einer Pumpe explizit umfasse, siehe Absatz [0008], letzter Satz und Figur 6.

c) Zulassung E12 bis E14 und E18 bis E21

Die Ermessensausübung der Einspruchsabteilung sei bezüglich der Nichtzulassung der Dokumente E12 bis E14 fehlerhaft, da diese Dokumente im Sinne von Regel 116(1) EPÜ rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren eingereicht worden und zudem prima facie relevant seien.

E12 zeige eine Strangleitung mit hiervon über Venturi-Armaturen abgehenden Ringleitungen. Auch wenn es sich nur um einen Ausschnitt einer Anlage handele, so sei die Anbindung an ein öffentliches Trinkwassernetzwerk mittels einer Übergabestelle implizit offenbart, und eine zwischengeschaltete Zirkulationspumpe sei nicht erwähnt.

Die Übergabestelle in Figur 6 von E13 könne als stromaufwärts der Strangleitung liegend angesehen werden. E14 offenbare als Stockwerks- und Steigrohrstränge geeignete Leitungen im Sinne von Anspruch 1 und 17. Eine Übergabestelle müsse stromaufwärts angenommen werden.

E18 bis E21 seien erst mit der Beschwerde vorgebracht worden, da erst in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung überraschenderweise erkennbar wurde, dass E12 bis E14 von der Einspruchsabteilung nicht berücksichtigt würden.

Die Dokumente seien daher sämtlich im Verfahren zu berücksichtigen.

d) Mangelnde Neuheit

Jedes der Dokumente E1, E2 und E7 nehme den Gegenstand der Ansprüche 1 und 17 neuheitsschädlich vorweg.

Merkmal [1.aa] sei in E1 implizit offenbart, da für Frischwasser die Aufbereitungsanlage und die Kreislaufführung nicht notwendig seien. E1 offenbare auch lineare Stränge (Anspruch 1, Seite 7, Absatz 1), und die in E1 beschriebene kontinuierliche Strömung umfasse eine zeitlich begrenzte, durch eine Entnahme verursachte Strömung, welche keine Pumpe voraussetze. Die Wasserversorgung aus einem öffentlichen Netz sei implizit offenbart, da weitere Zwischenstufen wie ein Tank nicht plausibel seien. Somit sei auch Merkmal [1.d] inhärent erfüllt.

Auch die in E2 offenbarte Reinstwasseranwendung impliziere eine Eignung für Trinkwasser. Zusätzlich zur Offenbarung von E1 zeige die Figur 1 der E2 explizit einen Anschluss an ein öffentliches Trinkwassernetzwerk.

Da Anspruch 1 nicht auf ein Gebäude und hierin verlegte Leitungen beschränkt sei, sondern lediglich entsprechende Eignungsbezeichnungen definiere, müssten auch die in E7 offenbarte Versorgungsleitung und deren abzweigende Ringleitungen als unter Anspruch 1 fallend angesehen werden. Der Begriff "Übergabestelle" sei zudem nicht genau definiert und könne daher kein Unterscheidungsmerkmal darstellen.

e) Mangelnde erfinderische Tätigkeit

Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 17 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit in Hinblick auf

- E1 oder E2 als Ausgangspunkt unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens,

- oder E11 als Ausgangspunkt in Verbindung mit E1 oder E2,

- oder E9 in Verbindung mit dem allgemeinem Fachwissen.

In der breitestmöglichen Auslegung offenbare E1 lediglich eine lineare Strangleitung mit abzweigenden Ringleitungen und geeigneten Spülarmaturen ohne Pumpe und Aufbereitungsstufe. Die Anbindung an ein öffentliches Trinkwassernetzwerk nur über den Versorgungsdruck sei allgemeines Fachwissen und beispielsweise aus E11 bekannt.

Eine entsprechende Argumentation ergebe sich auch ausgehend von der im Streitpatent als Stand der Technik genannten E2.

E11 offenbare bereits ein Trinkwassernetzwerk mit den Merkmalen [1.aa] und [1.d]. Die nicht offenbarten Spülarmaturen für die Ringleitungen seien der Fachperson aus E1 oder E2 nahegelegt.

E9 offenbare ein Zirkulationssystem für Warmwasser mit einer oder mehreren Ringleitungen, die über Venturiventile an einen Strang angebunden seien. Die Anbindung der Ringleitung gemäß Anspruch 1 und 17 an den Strang sei eine im Fachwissen übliche Alternative.

VIII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:

a) Deutlichkeit und Vollständigkeit der Offenbarung

Die Auslegung von Trinkwasserversorgungssystemen, die nur mit dem Versorgungsdruck betrieben werden, seien allgemeines Fachwissen, wie beispielsweise E16 belege. Gleiches gelte auch für die entsprechende Auslegung der für die Spülung der Ringleitung notwendigen Ringleitungsarmatur gemäß Figur 7. Die Frage nach der Auslegung für Warmwasserversorgungssysteme stelle sich nicht, da dies nicht zwingend beansprucht sei.

b) Gültigkeit der Priorität

Die Priorität könne durch das Prioritätsdokument P1 für die Ansprüche 1 und 17 gültig in Anspruch genommen werden. Aus dem Gesamtzusammenhang werde deutlich, dass insbesondere in der Ausführungsform der Figur 3 keine Pumpe vorhanden sei. Dies entspreche auch der expliziten Offenbarung in Seite 7, Absatz 3. Somit komme für die Ausführungsformen ohne Pumpe nur eine Druckdifferenz zwischen der Entnahmestelle und der ebenfalls in P1 offenbarten Übergabestelle als treibende Kraft in Frage. Druckerhöhungsstufen seien nicht die Standardausführung für Trinkwassernetzwerkanschlüsse. Ausführungsformen mit einer Pumpe im Strang seien vom Anspruchswortlaut sowieso nicht umfasst. Sofern eine solche Ausführungsform im Patent als unter den Anspruch fallend bezeichnet werde, handele es sich lediglich um einen im Einspruchsbeschwerdeverfahren nicht angreifbaren Mangel unter Artikel 84 EPÜ.

c) Zulassung E12 bis E14 und E18 bis E21

Die Ermessensausübung der Einspruchsabteilung sei bezüglich der Nichtzulassung der Dokumente E12 bis E14 korrekt. Die Dokumente seien verspätet eingereicht und prima facie nicht relevant. E12 offenbare keine Übergabestelle, die Strangleitung in E13 sei hydraulisch von der Übergabestelle getrennt, und E14 betreffe kein Wassernetzwerk stromabwärts einer Übergabestelle. Die in E14 offenbarten Versorgungsleitungen seien zudem nicht als Steig- oder Stockwerksstrang geeignet.

E18 bis E21 seien verspätet vorgebracht und nicht zuzulassen, da die Begründung für das späte Vorbringen nicht überzeuge.

d) Mangelnde Neuheit

E1 offenbare das Merkmal [1.aa] nicht klar und eindeutig. Zudem seien keine Details zu der in E1 offenbarten Aufbereitungsanlage und der genannten Vorrichtung zur Ergänzung des Wassers gezeigt. Auch sei fraglich, ob "Frischwasser" als Trinkwasser anzusehen sei. Schließlich führe das Erfordernis einer "kontinuierlichen Strömung" in E1 zwangsweise zu der in Figur 1 offenbarten Ringleitung mit Umwälzpumpe, da diese mittels eines linearen Stranges nicht realisierbar sei. Der Verweis auf andere Ausführungsformen statt einer Ringleitung auf Seite 7, Absatz 1 ändere nichts am Erfordernis einer kontinuierlichen Strömung. Auch sei zur Realisierung von Merkmal [1.d] eine bestimmte Dimensionierung des Rohrleitungssystems und ein entsprechender Druckverlust zu Grunde zu legen, worüber aber in E1 keine Aussage gemacht würde.

E2 sei nicht auf ein Trinkwassersystem gerichtet. In dem einzig offenbarten Kreislaufstrang sei außerdem stets eine Zwangsumwälzung gegeben.

Die in E7 beschriebene Versorgungsleitung sei Teil des öffentlichen Leitungsnetzes und stromaufwärts der Übergabestelle gelegen. Die Leitung weise auch keine Eignung als Steigrohr- oder Stockwerksstrang auf.

e) Mangelnde erfinderische Tätigkeit

Das System gemäß E1 oder E2 weise bereits eine Lösung für eine Durchspülung der an den Strang angeschlossenen Ringleitungen auf. Die Fachperson würde weder aus dem Fachwissen noch aus E11 oder E10 dazu angeregt, die in E1 und E2 als wesentlich dargestellte kontinuierliche Durchströmung in einem Kreislaufstrang aufzugeben, um lediglich die Druckdifferenz zur Übergabestelle zur Erzeugung einer dann diskontinuierlichen Strömung zu nutzen.

Auch ausgehend von E11 könnten weder E1 noch E2 auf Grund des grundlegend unterschiedlichen Aufbaues (kontinuierliche Zirkulation vs. keine Zirkulation) den Gegenstand der Ansprüche 1 und 17 nahelegen.

Entscheidungsgründe

1. Deutliche und vollständige Offenbarung

Die Ausführungen der Beschwerdeführerin 2, es liege bezüglich Merkmal [1.d] ein Offenbarungsmangel vor, überzeugen nicht.

1.1 Merkmal [1.d] als Eignungsbezeichnung des in Anspruch 1 beanspruchten Systems fordert, dass das System so auszulegen ist, dass sich eine Strömung sowie die Spülströmung gemäß der Merkmale [1.ba] und [1.bb] allein aufgrund der Differenz zwischen dem Druck an der Übergabestelle aus dem öffentlichen Trinkwasser-Versorgungsnetz und der an den Strang angeschlossenen Entnahmestelle ergibt. Dieses Eignungsmerkmal ist so auszulegen, dass das System keine zusätzlichen Umwälzpumpen oder Druckerhöhungsstufen aufweist.

1.2 Für ein Trinkwasserversorgungsnetzwerk in einem Gebäude ist eine Auslegung nur auf Basis des Versorgungsdruckes üblich (siehe z.B. E16, Tabelle 2, Nr.1 und Seite 10, Punkte 10 und 11 oder E11, Figuren 2.5-11). Die Berechnungen zur Auslegung und Dimensionierung von Trinkwasserversorgungsnetzwerken, und zwar unabhängig davon, ob es sich um lineare (Patent, Figur 5) oder vermaschte (Patent, Figuren 3 und 4) Systeme handelt, ist übliches Fachwissen. Dieses Fachwissen ist beispielsweise in der Normschrift E16 dokumentiert, die Auslegungsregeln zur Leitungsdimensionierung solcher Netzwerke offenbart.

1.3 Auch das Argument der Beschwerdeführerin 2, die Offenbarung zur Ausführungsform der Installation der Ringleitungsspülarmatur (Absätze [0033] und [0035] sowie Figur 7) zeige mangels Bezug zum Druck an der Übergabestelle und der Darstellung der Rohrleitung zwischen der Übergabestelle und der Entnahmestelle nicht, wie eine Spülarmatur gemäß Merkmal [1.d] auszulegen ist, überzeugt nicht. Die Berechnung für ein konkretes Leitungsnetzwerk und einen gegebenen Druck an der Übergabestelle gemäß den oben genannten Berechnungsgrundlagen liegt auch hier im Rahmen üblichen fachlichen Handelns.

1.4 Es kann dahingestellt bleiben, ob der Gegenstand der Ansprüche 1 und 17 auch für Warmwassersysteme ausführbar ist, da eine Ausführung als Warmwassersystem von den Ansprüchen nicht gefordert ist. Soweit solche Systeme eine Umwälzpumpe verwenden, fallen sie nicht unter den Gegenstand der Ansprüche. E9 zeigt zudem, dass Warmwassersysteme auch ohne eine Umwälzpumpe betreibbar sind.

Gütigkeit der Priorität

2. Die Ansprüche des Patents nehmen die Priorität A2 gültig in Anspruch, wie im Folgenden gezeigt wird. Hieraus folgt, dass das Dokument E6 nicht zum Stand der Technik gemäß Artikel 54(2) EPÜ und als deutsche Patentanmeldung auch nicht zum Stand der Technik gemäß Artikel 54(3) EPÜ gehört.

2.1 Das Merkmal [1.d] ist im Prioritätsdokument P1 unstreitig nicht explizit offenbart. Insbesondere findet sich keine explizite Erwähnung, dass im System eine Strömung und eine Spülströmung allein aufgrund der Differenz zwischen dem Druck an der Übergabestelle aus dem öffentlichen Trinkwasser-Versorgungsnetz und der an den Strang angeschlossenen Entnahmestelle erzeugt wird. Wie zuvor ausgeführt, schließt Merkmal [1.d] Druckerhöhungsstufen im beanspruchten System aus.

2.2 Laut G 2/98 (ABl. 2001, 413) kann die Priorität nicht deshalb verweigert werden, weil bestimmte Merkmale der Erfindung, für welche die Priorität beansprucht wird, nicht in den Patentansprüchen der Anmeldung enthalten sind, deren Priorität in Anspruch genommen wird, sofern nur die Gesamtheit der Anmeldung diese Merkmale deutlich offenbart. Die Priorität für einen Anspruch ist gemäß Artikel 88(4) EPÜ anzuerkennen, wenn der Gegenstand des Anspruchs - implizit oder explizit - in den die Offenbarung betreffenden Anmeldungsunterlagen deutlich offenbart ist. Hierunter fallen insbesondere auch in der Beschreibung der Prioritätsanmeldung genannten Ausführungsarten oder ein dort aufgeführtes Beispiel. Der Gegenstand des Anspruchs muss also für die Fachperson unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig der früheren Anmeldung als Ganzes entnehmbar sein.

2.3 Es ist zwar richtig, dass das Prioritätsdokument nicht explizit eine Druckdifferenz zwischen Übergabestelle und Entnahmestelle offenbart, sondern nur eine "Speisung" über die Übergabestelle (P1, Seite 2, Absatz 2). Auch bezieht sich, wie von den Beschwerdeführerinnen korrekt festgestellt, das Merkmal "Spülströmung allein bewirkt durch Druckdifferenz" auf Seite 7, Absatz 3 in P1 zunächst nur auf die Strömung in der Ringleitung. Hierdurch wird ausgesagt, dass sich die Spülströmung in der Ringleitung allein aufgrund der Druckdifferenz ergibt, die von der Strömung im Strang induziert wird, und zwar ohne Bezug auf den Druck an der Übergabestelle.

2.4 Es wird allerdings im nächsten Satz an gleicher Stelle gefordert, dass "auf eine erzwungene Strömung durch eine in dem Trink- oder Brauchwassersystem installierte Pumpe ... zur Durchspülung des Stranges ... verzichtet werden" sollte. Der hier genannte "Strang" ist gerade derjenige Leitungsabschnitt, welcher das Wasser an der Übergabestelle aufnimmt und von dem die Ringleitungen abgehen (Seite 2, Absatz 2: "Strang, der über eine Übergabestelle gespeist wird"). Da somit im gesamten System von der Übergabestelle bis zu den Ringleitungen mit ihren Entnahmestellen keine Pumpe vorhanden ist, kann die zuvor beschriebene Strömung nur aufgrund einer Druckdifferenz zwischen Übergabestelle und Entnahmestelle erzeugt werden. Entsprechende Ausführungsformen sind in den Figuren 3 bis 5 offenbart. In Übereinstimmung mit der Aussage auf Seite 7, Absatz 3 weisen die dort gezeigten Systeme keine Pumpe auf. Die in der Entscheidung T 170/87, Punkt 8, vertretene Auffassung, ein in einer schematischen Zeichnung nicht gezeigtes Merkmal sei nicht gezielt ausgeschlossen, ist hier nicht einschlägig, da die Fachperson aus dem Gesamtzusammenhang der Offenbarung, insbesondere der Seite 7, Absatz 3 direkt und eindeutig erkennt, dass in keinem der Systeme der Figuren 3 bis 5 eine Kreislaufpumpe integriert ist.

2.5 Auch der Verweis auf mögliche den Druck verändernde Einbauten nach der Übergabestelle, die in den schematischen Figuren der Beispiele nicht dargestellt, aber trotzdem vorhanden sein könnten, überzeugt nicht. Eine übliche Trinkwasseranlage hat gemäß DIN 1988 (E16) als Berechnungsgrundlage den Mindestversorgungsdruck an der Übergabestelle, optional nach einem Druckminderer. Ein Druckminderer steht, wie auch andere druckverlustbehaftete Einbauten wie Filter nicht im Widerspruch zu Merkmal [1.d], das sich lediglich auf die Quelle der Triebkraft richtet. Lediglich in Fällen, in denen der Versorgungsdruck nicht ausreicht (beispielsweise für die oberen Stockwerke eines Hochhauses), wird zusätzlich optional eine Druckerhöhungsanlage vorgesehen (E16, Seite 8 und Seite 11). Die Fachperson liest also den Versorgungsdruck als einzige Triebkraft für die Anlagen gemäß der Ausführungsformen der Figuren 3 bis 5 von P1 als Standardausführungsform mit. Es gibt keinerlei Hinweise in P1, dass etwas anderes gemeint ist, denn eine Druckerhöhungsstufe im Strang enthielte ja eine im Strang installierte Pumpe zur Durchspülung des Stranges, auf die gemäß Seite 7, 3. Absatz gerade verzichtet werden soll.

2.6 Das Argument, die Offenbarungsstelle zum Verzicht auf Pumpen auf Seite 7, Absatz 3 von P1 sei nur im Zusammenhang mit Vollstrom-Absperrventilen in Form von Kugelventilen offenbart, ist im Hinblick auf den hier explizit optionalen Charakter der Ventilmerkmale nicht überzeugend.

2.7 Die im Patent, Absatz [0008] erwähnte mögliche Ausführung des Trinkwassersystems mit einer Pumpe ändert an der Offenbarung der Prioritätsanmeldung nichts. Sie ist nicht vom Anspruchswortlaut umfasst, da ein derartiges System aufgrund der druckerzeugenden Wirkung der Pumpe die Spülströmung nicht allein aufgrund der Differenz zwischen dem Druck an der Übergabestelle und der Entnahmestelle erzeugen würde. Es handelt sich daher lediglich um ein für die erteilte Fassung im Einspruchsbeschwerdeverfahren nicht angreifbares Problem bezüglich der Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.

2.8 Somit erkennt die Fachperson direkt und unmissverständlich aus der gesamten Offenbarung der P1, dass das Merkmal [1.d] implizit in Kombination mit den weiteren Merkmalen von Anspruch 1 offenbart ist. Die Argumentation gilt analog für Anspruch 17.

Zulassung der Dokumente E12 bis E14 sowie E18 bis E21

3. Dokumente E12 bis E14

Gemäß Artikel 12(4) VOBK 2007 hat die Kammer die Befugnis, Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren unter Anwendung des Ermessens gemäß Artikel 114(2) EPÜ nicht zugelassen worden sind. Es ist zudem in solchen Fällen nicht Aufgabe der Beschwerdekammer, die Sachlage nochmals wie ein erstinstanzliches Organ zu prüfen, um zu entscheiden, ob sie das Ermessen in derselben Weise ausgeübt hätte (G 7/93, Punkt 2.6). In Anwendung dieser Grundsätze werden die Dokumente E12 bis E14 nicht im Beschwerdeverfahren berücksichtigt.

3.1 Die Dokumente E12 bis E14 wurden seitens der Beschwerdeführerin 1 im Einspruchsverfahren zwar innerhalb der durch Regel 116(1) EPÜ gesetzten Frist vor der mündlichen Verhandlung, jedoch nach der 9-monatigen Einspruchsfrist vorgebracht. Die Einspruchsabteilung hatte daher gemäß Artikel 114(2) ein Ermessen, diese nicht zu berücksichtigen.

3.2 In der angefochtenen Entscheidung wurde begründet ausgeführt, dass keines der Dokumente prima facie relevant für die Neuheitsbetrachtung ist. Die prima-facie-Relevanz ist ein in der Rechtsprechung anerkanntes Kriterium bei der Ermessensausübung. Dies wird seitens der Beschwerdeführerinnen auch nicht bestritten. Sie bewerten lediglich die Relevanz der Dokumente anders.

3.3 Die mangelnde prima facie Relevanz von E12 ist in der angefochtenen Entscheidung jedoch überzeugend begründet. Gemäß der Absätze [0003] und [0006] von E12 muss davon ausgegangen werden, dass das Warmwasserrohr in Form einer Zirkulationsleitung ausgeführt ist. E12 enthält keine Informationen, wie und unter Verwendung welcher zwischengeschalteter Apparaturen die Zirkulationsleitung an eine Übergabestelle anzuschließen ist. Somit lässt E12 keine Aussagen bezüglich Merkmal [1.d] zu. Vielmehr ist - wie von der Einspruchsabteilung ausgeführt (Entscheidung, Punkt II.11.3) - davon auszugehen, dass die Zirkulation wie im Fachgebiet üblich mittels einer Zirkulationspumpe bewirkt wird.

3.4 Auch hinsichtlich der prima facie Beurteilung der Relevanz der E13 seitens der Einspruchsabteilung ist kein Mangel erkennbar. Die Übergabestelle des Wassersystems zu einem Versorgungsnetzwerk in Figur 6 der E13 ist stromaufwärts des Wasserstandsreglers (3) verortet. Die Übergabestelle gemäß Merkmal [1.aa] kann nicht innerhalb eines geschlossenen Wassersystemkreislaufs angenommen werden, also auch nicht, wie von der Beschwerdeführerin 1 behauptet, am Behälter 6. Durch die hydraulische Aufteilung des Systems zwischen Übergabestelle und Strang mittels der Behälter ist die Realisierung des Merkmals 1.d) nicht möglich.

3.5 Der prima facie Bewertung der Offenbarung von E14, derzufolge es sich um ein öffentliches Leitungsnetz handelt und nicht um ein Leitungssystem nach einer Übergabestelle mit Steigrohr- und Stockwerkssträngen, wird ebenfalls zugestimmt. Die Beschwerdeführerin 1 argumentierte, das Patent fordere nicht, "dass das Wassersystem gemäß Anspruch 1 ein privates Wassersystem sein soll". Aus einer Unterscheidung zwischen privatem und öffentlichem Wassersystem lasse sich "eine patentrechtliche Relevanz nicht ableiten". Diese Argumente überzeugen jedoch nicht. Die Fachperson erkennt die in den Ansprüchen 1 und 17 definierte "Übergabestelle" in einem Wasserversorgungssystem eindeutig an einem hier stets installierten Wasserzähler und hat für eine Einzelanlage keine Schwierigkeiten zu bestimmen, ob ein bestimmtes Wassernetzwerk stromauf- oder abwärts dieser Übergabestelle liegt.

4. Dokumente E18 bis E21

Die Befugnis der Kammer gemäß Artikel 12(4) VOBK 2007 erstreckt sich unter anderem auch darauf, Beweismittel nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können.

4.1 Die Beschwerdeführerin 1 begründet das Vorbringen der Dokumente E18 bis E21 erst mit der Beschwerdebegründung damit, sie habe von der Haltung der Einspruchsabteilung, die Dokumente E12 bis E14 als nicht zulässig zu betrachten, erst in der mündlichen Verhandlung Kenntnis erhalten. Dies habe eine Nachrecherche nötig gemacht.

4.2 Diese Begründung überzeugt nicht, da die Beteiligten die Pflicht haben, alle relevanten Dokumente zum frühestmöglichen Zeitpunkt vorzubringen. Die Nicht-Zulassung verspäteter Dokumente (E12 bis E14) ist dabei keine ausreichende Begründung für die Zulassung noch weiter verspäteter Dokumente (E18 bis E21) bezüglich derselben Einspruchsgründe, zumal die Angriffe gegen das Patent noch immer unverändert die erteilte Fassung betreffen.

4.3 Daher werden die Dokumente E18 bis E21 in Ausübung des Ermessens gemäß Artikel 12(4) VOBK 2007 nicht im Beschwerdeverfahren berücksichtigt.

Zulassung des Neuheitseinwandes basierend auf E2

5. Die Beschwerdeführerin 2 macht erstmals mit der Beschwerdebegründung einen Einwand mangelnder Neuheit im Hinblick auf die Offenbarung von E2 geltend. E2 wurde bereits in der Einspruchsbegründung von der Beschwerdeführerin 2 als Ausgangspunkt eines Einwandes mangelnder erfinderischer Tätigkeit verwendet und ist auch in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigt worden. Da bei der Verwendung von E2 als Ausgangspunkt gemäß des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes zunächst die Bestimmung der Unterscheidungsmerkmale - also faktisch eine Neuheitsüberprüfung - durchzuführen ist, hielte es die Kammer für unangemessen, der Beschwerdeführerin 2 das Vorbringen einer ergänzenden Bewertung der Merkmale von E2 zu verwehren. Denn allein daraus resultiert kein neuer Fall, den zu beurteilen für die Kammer oder die Beschwerdegegnerin unzumutbaren Aufwand darstellte. Daher wird der Einwand unter Artikel 12(4) VOBK 2007 in der Beschwerde berücksichtigt.

Hauptantrag - Neuheit

6. Neuheit im Hinblick auf E1

6.1 E1 offenbart unstreitig ein Wasserrohrleitungsnetz, das eine Hauptleitung und daran im Sinne der Merkmale [1.b], [1.ba] und [1.bb] angeordnete Ringleitungen umfasst. Die Bezeichnung "Frisch- oder Reinwasserrohrleitungsnetz" umfasst zudem für Trinkwasser geeignete Anlagen im Sinne von Merkmal [1.c]. E1 offenbart jedoch nicht die Merkmal [1.aa] und [1.d] und ist somit nicht neuheitsschädlich.

6.2 Aus der gesamten Offenbarung von E1 ergibt sich, dass es wesentlich ist, in der Hauptleitung eine kontinuierliche Strömung aufrecht zu erhalten. Dies ergibt sich beispielsweise aus Seite 3, Zeilen 27 bis 31 und Seite 4, Absatz 3 und ist auch in der einzigen Ausführungsform so realisiert (siehe Seite 6, Zeilen 18 bis 25), in der ein Kreislauf als Hauptleitung offenbart ist, in dem das Wasser kontinuierlich umgepumpt wird. Ein "kontinuierlicher" Flüssigkeitsstrom bedeutet dabei gemäß der auf Seite 1, Zeilen 18-25 eingeführten Verwendung der Begriffe eine ständige Durchspülung. Die Argumentation der Beschwerdeführerin 2, unter "kontinuierlicher Strömung" sei in E1 bereits eine Strömung zu verstehen, die durch intermittierende Wasserentnahme an einem Verbraucher entstehe, überzeugt im Hinblick auf diese Offenbarungsstellen nicht. Auch die von den Beschwerdeführerinnen genannten Ausführungsformen auf Seite 7, Absatz 1 erfordern einen kontinuierlichen Flüssigkeitsstrom.

6.3 Zwar definiert Merkmal [1.d] lediglich eine Eignungsbezeichnung. Jedoch lassen sich im Hinblick auf die fehlende Offenbarung eines Anschlusses an eine Trinkwasserversorgungsstelle im Sinne einer Übergabestelle (Merkmal [1.aa]) keine Aussagen bezüglich der Eignung des Systems zum Betrieb gemäß Merkmal [1.d] machen. Für das Ausführungsbeispiel, in dem das Wasser kontinuierlich umgepumpt wird, wird erwähnt, dass entnommenes Wasser in der Aufbereitungsanlage 3 "ergänzt" wird (Seite 6, Zeilen 27 bis 32). Wie hier die Aufbereitungsanlage mit der Kreislaufpumpe im Einzelnen verschaltet ist, und ob diese direkt mit einer Wasserversorgungsleitung hydraulisch gekoppelt ist, ist E1 nicht zu entnehmen. Wie von der Beschwerdegegnerin zutreffend ausgeführt, kann dies auch durch Maßnahmen erfolgen, die keine direkte Übergabestelle an eine Versorgungsleitung erfordern wie etwa das Vorsehen eines internen Tanks.

6.4 Dass E1 in Anspruch 1 und Seite 7, Absatz 1 auch eine einfache (linearen) Strangleitung ohne Kreislauf und Aufbereitungsanlage offenbart, in der entsprechend auch keine Kreislaufpumpe benötigt wird, überzeugt nicht. E1 zeigt nicht, wie in einem derartigen Strang eine kontinuierliche, ständige Strömung erzeugt werden könnte. Die einzige Möglichkeit, eine kontinuierliche Strömung in einer linearen Hauptleitung aufrecht zu erhalten, wäre, den Hauptstrom kontinuierlich zu verwerfen. Diese Auslegung ist jedoch weder durch die Offenbarung von E1 gestützt, noch würde die Fachperson diese technisch nicht sinnvolle Variante mitlesen, dies schon gar nicht im Hinblick auf die in E1 offenbarten und hierfür offensichtlich geeigneten Kreislaufsysteme. Für den Verfahrensanspruch 17 gilt dies entsprechend.

7. Neuheit im Hinblick auf E2

7.1 Es ist unstreitig, dass auch E2 ein Wassersystem mit einer Hauptleitung und daran in Sinne der Merkmale [1.b], [1.ba] und [1.bb] angeordneten Ringleitungen offenbart. Auch ein Anschluss an eine Übergabestelle im Sinne von Merkmal [1.aa] ist umfasst (der die Seiten 5 und 6 überspannende Satz und Figur 1, No. 22: "Leitungswasser" ). Allerdings offenbart E2 zumindest das Merkmal [1.d] nicht und ist somit ebenfalls nicht neuheitsschädlich für die Ansprüche 1 und 17.

7.2 Im Gegensatz zu der Offenbarung von E1 ist für das Reinstwassersystem (gemäß GKS1 enthält Reinstwasser "so gut wie keine Fremdstoffe") in E2 eine Aufbereitungsanlage unverzichtbar, insbesondere, da diese mit "Leitungswasser" versorgt wird. Daher ist gemäß E2 auch eine Kreislaufführung mit ständiger Zwangsumwälzung erforderlich (siehe Anspruch 1 und Figur 1). Zu diesem Zwecke ist eine Pumpe ("Reinstwasserumwälzer 14") offenbart. Schon aus diesem Grund erfüllt das in E2 offenbarte System nicht die Eignungsbezeichnung des Merkmals [1.d].

7.3 Für den Leitungswasseranschluss ist lediglich dargestellt, dass dieser mit der nicht näher ausgeführten "Reinstwasseraufbereitung 20" in Verbindung steht. Ob hier eine direkte Verbindung des Leitungswasseranschlusses an die Ringleitung gegeben ist, oder ob über die Aufbereitung eine hydraulische Trennung erfolgt (beispielsweise durch einen Zwischenspeicher), ist E2 nicht zu entnehmen. Somit ergibt sich im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin 2 das Merkmal [1.d] nicht "ohne Weiteres", was direkt und eindeutig bedeuten würde, aus E2. Daher ist die Offenbarung von E2 nicht neuheitsschädlich für die Ansprüche 1 und 17.

7.4 Die Frage, ob "Reinstwasser" als "Trinkwasser" anzusehen ist, kann somit im Hinblick auf die Neuheitsüberprüfung, insbesondere für Anspruch 17, dahingestellt bleiben.

8. Neuheit im Hinblick auf E7

Auch die Offenbarung von E7 nimmt den Gegenstand der Ansprüche 1 und 17 nicht neuheitsschädlich vorweg.

8.1 Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 17 ist auf ein Trinkwassersystem und dessen Betrieb gerichtet, das für ein Gebäude (Steigrohr- und Stockwerksstränge) vorgesehen ist, und zwar stromabwärts einer Übergabestelle. In der Praxis umfasst diese Übergabestelle einen Wasserzähler.

8.2 Eine Abgrenzung zu dem erdverlegten Systeme gemäß E7 ergibt sich somit zum einen aus dem Merkmal [1.aa], in dem eine solche Übergabestelle definiert ist. In der Praxis ist eine solche Übergabestelle mittels eines Abzweigs mit einer öffentlichen Versorgungsleitung verbunden und befindet sich innerhalb eines Gebäudes. E7 offenbart hingegen eine "erdverlegte Versorgungsleitung 1" (Absätze [0015] bis [0021]), von der eine Ringleitung ("Abzweigleitung 3 mit Trennwand 4") abzweigt. Gemäß Absatz [0022] ist "in der Abzweigleitung kurz vor dem Gebäude die Trennwand entfernt oder mit einem Loch versehen", um eine ständige Zirkulation in dieser Leitung zu erzeugen. Diese Zirkulation liegt also noch stromaufwärts der eigentlichen Übergabestelle. Diese Auslegung deckt sich auch mit der in E7 genannten Aufgabenstellung, die sich auf über Wochen und Monate stagnierendes Wasser in einer Abzweigleitung einer im Straßenbereich verlegten Versorgungsleitung z.B. eines nicht bewohnten Hauses bezieht (Absatz [0002]). Somit ist das Merkmal [1.aa] nicht in E7 offenbart.

8.3 Zum anderen ergibt sich eine weitere Abgrenzung durch das fehlende Merkmal [1.ab]. Denn die Argumentation der Beschwerdeführerin 1, die Begriffe "Stockwerksstrang" und "Steigrohrstrang" seien, da diese lediglich eine Eignungsbezeichnung darstellten, auf die Versorgungsleitung gemäß E7 lesbar, überzeugt nicht. Die Eignung umfasst unter anderem eine übliche Dimensionierung und geeignete Materialauswahl, die die Fachperson mitliest. Es handelt sich daher nicht um eine lediglich "denklogische" Unterteilung. Eine zur Erdverlegung ausgelegte und für eine Verteilung an eine Vielzahl an Hausanschlüssen dimensionierte Leitung wie in E7 wird die Fachperson nicht als Stockwerks- bzw. Steigrohrstrang geeignet ansehen. Somit ist auch das Merkmal [1.ab] nicht in E7 offenbart.

Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

9. E11 unter Berücksichtigung der Lehre von E1 oder E2

Ausgehend von E11 beruht der Gegenstand der Ansprüche 1 und 17 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

9.1 E11 ist gegenüber dem von der Beschwerdeführerin 2 ebenfalls vorgeschlagenen Dokument E10 ein besser geeigneter Ausgangspunkt, da E11 Anlagen offenbart, die lediglich mittels des Versorgungsdruckes an der Übergabestelle betrieben werden. Jedenfalls ist E11 für sich besehen unstreitig ein geeigneter Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit. Es handelt sich um die Dokumentation eines Auslegungsprogramms für Trinkwasseranlagen in Gebäuden, in denen über Steigrohrstränge die Stockwerksstränge in den Etagen mit Wasser versorgt werden, welche als Stichleitungen vom Steigrohr abzweigen. Beispielhaft wird auf die Darstellung in Figuren 2.5-17 und 2.5-18 verwiesen.

9.2 Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdegegnerin sind die Stichleitungen in den Stockwerken eine Ausführungsform von Stockwerkssträngen. Die Figur 2.5-16 zeigt eine Ausführung eines Stockwerkstranges. Hier ist offenbart, dass an den Stockwerkssträngen Ringleitungen zur Versorgung der Verbraucher angeschlossen sind, in diesem Fall am Kaltwasserstrang zwei aufeinanderfolgende Ringleitungen. Dieser Anschluss weist jedoch keine Armatur auf, die im Sinne der Eignungsmerkmale [1.ba], [1.bb] und [1.d] des Anspruchs 1 beziehungsweise der korrespondierenden Verfahrensmerkmale von Anspruch 17 eine entsprechende Spülströmung bewirkt.

9.3 Die technische Aufgabe dieser Unterscheidungsmerkmale entspricht der im Patent, Absatz [0005] genannten Aufgabe, ein Trink- oder Brauchwassersystem sowie ein Betriebsverfahren hierfür anzugeben, welches einen möglichst hygienischen Betrieb sicherstellt und mit welchem dem Risiko einer Verkeimung wirksam begegnet werden kann.

9.4 Es überzeugt nicht, dass die Fachperson in Kenntnis der Lehre von E1 die Anschlüsse der Ringleitung in offensichtlicher Weise mit entsprechenden Anschlussarmaturen versehen würde. Zwar ist auch E1 auf eine hygienische Auslegung des Wassersystems gerichtet, jedoch ist, wie zuvor ausgeführt, hierfür eine kontinuierliche Durchströmung der Hauptleitung zwingend vorgesehen. Eine solche ist in E11 aber weder für die Steigrohrleitung vorgesehen, die nicht als Zirkulationsleitung ausgeführt ist, noch für die Stockwerksleitung.

9.5 Sollte die Fachperson nichtsdestotrotz die Lehre von E1 oder E2 berücksichtigen, so würde sie eine Zirkulationsleitung mit Zwangsumlauf für den Stockwerksstrang vorsehen. In dem Fall wäre jedoch das Merkmal [1.d] nicht erfüllt. Eine isolierte Berücksichtigung der Ringleitungsanschlüsse würde sich somit lediglich aus einer rückschauenden Betrachtungsweise ergeben.

10. E9EP als Ausgangspunkt

Auch ausgehend von E9 beruht der Gegenstand der Ansprüche 1 und 17 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

10.1 Es war unstreitig, dass E9US, E9EP und E8 auf Grund der Ähnlichkeit der Offenbarungen äquivalente Ausgangspunkte zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellen. Daher ist es hinreichend, die folgenden Ausführungen auf E9EP als Ausgangspunkt zu beschränken.

10.2 Das in E9EP offenbarte Trinkwassersystem umfasst eine Strangleitung nach der Übergabestelle und eine Armatur ("unit 21"), die eine auf dem Venturi-Effekt beruhende Spülströmung in der Warmwasserzirkulationsleitung mittels der Strömung in der Versorgungsleitung ("water supply line 22") erzeugt. Der Beschwerdeführerin 1 wird insoweit zugestimmt, dass die Verwendung einer Umwälzpumpe in E9EP ausgeschlossen ist (D9EP, Spalte 2, Punkte G und H).

10.3 Allerdings zweigt die Ringleitung nicht vor der Venturi-Armatur von dem Strang ab, wie gemäß Merkmal [1.ac] gefordert, sondern sie wird zunächst nach der Venturi-Armatur als Fortsetzung der Versorgungsleitung in die Warmwasserbereitung geführt und dann über die Verbraucher in den Versorgungsstrang vor der Venturi- Armatur zurückgeführt. Dort vermischt sich das zurückfließende Warmwasser mit dem einströmenden Kaltwasser. Somit ist die Leitung hinter dem Mischpunkt (i.e. hinter der Venturi-Armatur) in Figur 1 nicht als Strang-, sondern bereits als Ringleitung anzusehen. Die Beschwerdeführerin 1 verwies insbesondere auf Spalte 5, Zeilen 30 bis 32 von E9EP, gemäß derer auch mehrere Armaturen in Serie geschaltet werden könnten. Wie genau dann die weiteren Ringleitungen geführt würden, ist der D9EP nicht zu entnehmen. Sie könnten allerdings tatsächlich erst nach der Warmwasserbereitung als eigene Ringleitungen abzweigen, da das Wasser in diesen Leitungen sonst nicht erwärmt würde. Bei der D9EP handelt es sich somit um eine alternative Ausführungsform einer nur mit dem Versorgungsdruck an der Übergabestelle betriebenen Trinkwasserversorgungsanlage, die speziell für Warmwassersysteme kleinerer Hausanlagen entwickelt wurde. Bei dieser wird auf die anspruchsgemäße Strangleitung (von der die Ringleitungen abgehen und in die die Ringleitungen wieder einmünden, siehe Merkmal [1.ac]) verzichtet.

10.4 Die erfindungsgemäße Lösung könnte sich ausgehend von E9EP allerdings nur dann ergeben, wenn man gänzlich von dem Konzept der Vermischung vor der Warmwasseraufbereitung abrücken würde. Dies würde die Fachperson jedoch nicht berücksichtigen, da dann die gewünschte Wiedererwärmung des zirkulierenden Warmwassers nicht möglich wäre. Daher ergibt sich ausgehend von E9EP der Gegenstand der Ansprüche 1 und 17 nicht in naheliegender Art und Weise.

11. E1 unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens oder der Berücksichtigung der Lehre aus E11

Ausgehend von E1 beruht der Gegenstand der Ansprüche 1 und 17 ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit.

11.1 Wie zuvor ausgeführt (Punkt 6.), offenbart E1 nicht die Merkmale [1.aa] und [1.d]. Bezüglich dieser Merkmale führte die Beschwerdeführerin 2 aus, dass zur Versorgung der Strangleitung und Ergänzung des entnommenen Wassers der Anschluss an eine Übergabestelle eines öffentlichen Leitungsnetzes durchaus eine der Fachperson bekannte und somit offensichtliche Möglichkeit sei. Das Merkmal [1.aa] könne somit keine erfinderische Tätigkeit begründen. Dieser Sichtweise stimmt die Kammer nicht zu.

11.2 Im Hinblick auf das Unterscheidungsmerkmal [1.d] müsste das in E1 offenbarte System wie folgt umgestaltet werden:

a) Die Übergabestelle müsste direkt und ohne weitere hydraulische Trennung (durch Speicher, Aufbereitungsstufen etc.) an den Strang angeschlossen sein.

b) Es dürfte keine Umwälzpumpe bzw. andere Einrichtung zur Erzeugung einer kontinuierlichen Strömung im Strang vorgesehen sein.

11.3 E1 ist jedoch bezüglich dieser Anforderungen kein geeigneter Ausgangspunkt. Es ist keine Aufgabenstellung ersichtlich, die die Fachperson zu der Erkenntnis bringen könnte, auf die kontinuierliche Umwälzung im Strang zu verzichten. Gemäß E1 ist gerade die kontinuierliche Durchspülung der Ringleitungen selbst bei diskontinuierlicher Entnahme zu gewährleisten (Absatz [0003]). Aus dem allgemeinen Fachwissen ergibt sich eine solche Erkenntnis somit nicht.

11.4 E11 selbst gibt keine Informationen zur Durchspülung von Ringleitungen. Selbst wenn man aus E11 die Erkenntnis ableitete, dass eine Wasserergänzung der Anlage aus E1 über einen direkten Anschluss an eine Wasserversorgungsleitung erfolgen könnte, so stellte dies allein keinen verwertbaren Hinweis auf die patentgemäße Lösung dar. Also würde die Fachperson trotzdem die in E1 als wesentlich dargestellte kontinuierliche Strömung und damit eine Umwälzpumpe beibehalten.

12. Die Beschwerdeführerin 2 brachte im schriftlichen Verfahren Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit mit E2 als Ausgangspunkt vor. Da E2 jedoch ein Reinstwassersystem mit zwingend erforderlicher Aufbereitungsstufe (vergleiche Punkt 7.3) und ebenfalls kontinuierlicher Durchspülung der Ringleitungen betrifft, gelangte man ausgehend von diesem Dokument ebenfalls nicht in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand.

13. Nach alledem ist der Gegenstand der Ansprüche 1 und 17 des Hauptantrags ausführbar, neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Beschwerden sind daher nicht begründet.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

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