European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T047415.20180828 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 28 August 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0474/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08017768.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | A47L 9/20 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Sauggerät | ||||||||
Name des Anmelders: | ELECTROSTAR GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Nilfisk-Advance A/S | ||||||||
Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (ja) Änderungen - unentrinnbare Falle (ja) Kostenverteilung - (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung zur Post gegeben am 7. Januar 2015, das europäische Patent Nr. 2 052 660 nach Artikel 101(3) b) EPÜ zu widerrufen.
II. Der Einspruch gegen das Patent war auf die Gründe Artikel 100 (a) i.V.m. Artikel 54 und 56 EPÜ und Artikel 100 (c) EPÜ gestützt. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der in Artikel 100(c) i.V.m. Artikel 123(2) EPÜ genannte Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstünde.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin als Beschwerdeführerin am 4. März 2015 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 8. Mai 2015 eingereicht.
IV. Eine Ladung zur mündlichen Verhandlung erging am 3. Mai 2018. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK vom selben Tag teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Einschätzung des Sachverhalts mit. Die mündliche Verhandlung fand am 28. August 2018 in Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt.
V. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung als Hauptantrag, oder hilfsweise in der Fassung eines der Hilfsanträge 1 (eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung) oder 2 (eingereicht am 27. Juli 2018).
VI. Die Einsprechende beantragt die Zurückweisung der Beschwerde und die Bestätigung der Entscheidung. Weiterhin beantragt sie, der Patentinhaberin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
VII. Der unabhängige Anspruch 1 der Anträge hat folgenden Wortlaut:
Hauptantrag (wie erteilt)
"Sauggerät mit einem Gehäuse, in dem ein Saugmotor und wenigstens zwei Filter untergebracht sind, denen jeweils eine Ventileinrichtung zugeordnet ist, mit der der Strömungsweg vom Filter zum Saugmotor absperrbar ist, und die mit jeweils einer Reinigungseinrichtung versehen sind und durch welche vom Saugmotor angesaugte Schmutzluft strömt, die nach dem Durchtritt durch die Filter über wenigstens eine Luftaustrittsöffnung des Gehäuses austritt, wobei die Ventileinrichtungen ein jeweils auf einem verschiebbaren Stößel befindliches Ventilelement und Dichtelement aufweisen, mit denen Durchtrittsöffnungen verschließbar sind, wobei jeweils das Ventilelement einen Strömungsraum, der in Strömungsrichtung hinter dem Filter liegt, beim Reinigen des jeweiligen Filters von einem nachfolgenden Strömungskanal trennt, wobei der Stößel durch eine Durchtrittsöffnung in einer Wand des Strömungsraumes ragt, wobei jeweils auf dem Stößel das Dichtelement sitzt, das die Durchtrittsöffnung in der Wand des Strömungsraumes abdichtet, wenn der Strömungsraum mit dem Strömungskanal strömungsverbunden ist, wobei der Stößel durch eine weitere Durchtrittsöffnung ragt, durch welche der Strömungsraum mit dem Strömungskanal strömungsverbunden ist, wobei das Ventilelement während der Reinigung des Filters die weitere Durchtrittsöffnung abschließt, dadurch gekennzeichnet, dass jeweils das Ventilelement und das Dichtelement starr mit dem Stößel verbunden sind, der einen schlagartigen Hub zwischen einer Ausgangs- und einer Endstellung ausführt, wobei in der Ausgangsstellung das eine Ventilelement der Ventileinrichtungen die weitere Durchtrittsöffnung freigibt und das andere Dichtelement des Stößels die Durchtrittsöffnung verschließt, und dass in der anderen Endstellung des Stößels das eine Ventilelement die weitere Durchtrittsöffnung verschließt und das jeweils andere Dichtelement die Durchtrittsöffnung freigibt."
Hilfsantrag 1
Wie im Hauptantrag, wobei im Kennzeichen das Merkmal "starr mit dem Stößel verbunden sind, der einen schlagartigen Hub zwischen einer Ausgangs- und einer Endstellung ausführt"
durch das Merkmal
"in der Weise starr mit dem Stößel, der einen schlagartigen Hub zwischen einer Ausgangs- und einer Endstellung ausführt, verbunden sind, dass beim Verschieben des Stößels das am freien Ende des Stößels sitzende Ventilelement die weitere Durchtrittsöffnung freigibt und gleichzeitig das Dichtelement auf dem Stößel die andere Durchtrittsöffnung freigibt,"
ersetzt wurde.
Hilfsantrag 2
Wie im Hilfsantrag 1, wobei "starr" gestrichen wurde, und wobei "die andere Durchtrittsöffnung freigibt" durch "die andere Durchtrittsöffnung verschließt" ersetzt wurde.
VIII. Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten folgendes vorgetragen:
Der Begriff "starre Verbindung" sei anhand der Anmeldeunterlagen auszulegen. Starr bedeute unverschiebbar oder stationär. Ein Fachmann könne den Anmeldeunterlagen in der ursprünglichen Fassung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig entnehmen, dass das Ventilelement und das Dichtelement starr, also nicht axial verschiebbar, mit dem Stößel verbunden seien.
Unter Verweis auf Lehrbücher wie den "Dubbel" führt die Patentinhaberin aus, dass eine starre Verbindung im Sinne einer unverschiebbaren Verbindung zwischen Ventilscheiben oder sonstigen Dichtelementen und dem Stößel für einen Ventiltechniker eine Selbstverständlichkeit sei. In solchen Lehrbüchern werde nicht ausdrücklich auf eine starre Verbindung hingewiesen, da sie stillschweigend vorausgesetzt werde. Vor dem Hintergrund dieses Fachwissens interpretiere ein Fachmann die in der Anmeldung gezeigte Verbindung ebenfalls als starr.
Im Hilfsantrag 1 sei durch die Wirkungsangabe die genaue Bedeutung des Begriffs "starr verbunden" klargestellt.
Die Streichung eines unzulässig hinzugefügten Merkmals sei nach deutscher Rechtsprechung möglich.
IX. Die Beschwerdegegnerin-Einsprechende hat zu den entscheidungserheblichen Punkten folgendes vorgetragen:
Das Merkmal "starr" im Hauptantrag und Hilfsantrag 1 gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
Im Hinblick auf den Hilfsantrag 2 führe die Streichung des Merkmals "starr" dazu, dass der Schutzbereich des Patents erweitert werde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Anwendungsgebiet der Erfindung
Das Streitpatent betrifft ein Sauggerät mit wenigstens zwei Filtern, bei dem zur Reinigung der Filter Strömungsräume durch Ventileinrichtungen von Strömungskanälen trennbar sind (siehe die einzige Figur). Jede Ventileinrichtung umfasst einen Stößel, ein Ventilelement und ein Dichtelement. Sowohl das Ventilelement als auch das Dichtelement sind starr mit dem Stößel verbunden.
3. Hauptantrag - Änderungen
3.1 Anspruch 1 gemäß Hauptantrag basiert auf einer Kombination der Ansprüche 1-3, 6-8, 12 und 13 der ursprünglich eingereichten Anmeldung und enthält unter anderen das folgende zusätzliche Merkmal
"jeweils das Ventilelement und das Dichtelement starr mit dem Stößel verbunden sind".
3.2 Im Hinblick auf das hinzugefügte Merkmal ist unstrittig, dass der Begriff "starr ... verbunden" nicht wörtlich in der Anmeldung offenbart wird. Daher ist zu klären, was die Bedeutung des Begriffs ist, was das allgemeine Fachwissen zu Ventileinrichtungen bei Sauggeräten ist, und ob ein Fachmann ein solches Merkmal der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung unter Heranziehung dieses allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig entnehmen kann (siehe RdBK, 8. Auflage 2016, II.E.1.2.1).
3.2.1 Hinsichtlich der Bedeutung behauptet die Patentinhaberin, dass der Begriff "starr ... verbunden" anhand der Anmeldeunterlagen als "axial unverschiebbar" auszulegen sei.
Die Kammer kann sich dieser Auffassung nicht anschließen, da nach ständiger Rechtsprechung die Beschreibung nicht herangezogen werden kann, um einem Anspruchsmerkmal, das als solches dem Fachmann eine klare, glaubhafte technische Lehre vermittelt, eine andere Bedeutung zu verleihen (siehe RdBK, 8. Auflage 2016, II.E.1.1.4). Im vorliegenden Fall bedeutet das Adjektiv "starr" unbeweglich (siehe dazu "Brockhaus Wahrig - Deutsches Wörterbuch"). Dieser Begriff ist absolut und schließt daher bei einer "starren Verbindung" jegliche Relativbewegung zwischen dem Stößel und dem damit verbundenen Ventilelement bzw. dem Dichtelement aus. Der Verweis der Patentinhaberin auf die möglichen Bedeutungen "stationär" oder "ortsfest" ändert nichts an dieser Sichtweise, da stationär bzw. ortsfest ebenfalls absolute Begriffe sind und folglich jegliche Relativbewegung ausschließen.
Die in Anspruch 1 genannte starre Verbindung vermittelt dem Fachmann daher die klare, glaubhafte technische Lehre, dass das Ventilelement bzw. das Dichtelement absolut unbeweglich gegenüber dem Stößel ist. Das schließt insbesondere eine radiale Relativbewegung senkrecht zum Stößel oder eine Drehung um die Achse des Stößels aus.
Diese Definition von "starr ... verbunden" ist enger als die von der Patentinhaberin behauptete axiale Unverschiebbarkeit, bei der eine radiale Relativbewegung oder Drehung um die Achse des Stößels weiterhin möglich wäre. Daher ist für die Auslegung des Merkmals unerheblich, ob ein Fachmann den Anmeldeunterlagen unter Heranziehung seines allgemeinen Fachwissens entnehmen kann, dass das Ventilelement und das Dichtelement axial unverschiebbar mit dem Stößel verbunden sind.
3.2.2 Hinsichtlich des allgemeinen Fachwissens behauptet die Patentinhaberin unter Verweis auf "Dubbel Taschenbuch für den Maschinenbau", "Lueger Lexikon der Technik" und "Meyers Lexikon der Technik und der exakten Naturwissenschaften", dass die "Ventilscheiben oder sonstigen Dichtelemente" stets starr mit dem Stößel verbunden seien (Beschwerdebegründung, Seite 4).
Nach geltender Rechtsprechung ist die Behauptung, dass etwas zum allgemeinen Fachwissen gehört, im Streitfall zu beweisen (RdBK, 8. Auflage 2016, I.C.2.8.5). Die von der Patentinhaberin herangezogene Passage aus dem "Dubbel" betrifft Hydraulikventile mit Kolben und Kegel zur Steuerung eines Ölstromes (Seiten H12 bis H15: "Ölstrom", "Pumpe"). Die Passage aus "Lueger" betrifft Tellerventile in einem Verbrennungsmotor (Seite 712). Die Passage aus "Meyers Lexikon" betrifft Ventile in Kolbenpumpen und Verbrennungsmotoren (Seite 2636).
Die Patentinhaberin hat nicht belegt, dass eines dieser Dokumente ein zusätzlich zum Ventilelement vorhandenes Dichtelement offenbart, das mit einem Stößel verbunden ist; und das ist auch aus Sicht der Kammer nicht der Fall. In diesem Zusammenhang überzeugt das Argument der Patentinhaberin nicht, wonach ein anspruchsgemäßes Dichtelement dieselbe Funktion habe wie ein Ventilelement, so dass sich die zitierten Fachbücher gleichermaßen auf Dichtelemente beziehen würden. Aus Sicht der Kammer wird für einen Fachmann bereits aus dem Wortlaut der beiden Merkmale deutlich, dass ein Dichtelement und ein Ventilelement unterschiedliche Wirkungen haben. Nach fachüblicher Lesart dichtet ein Dichtelement eine Durchtrittsöffnung ab, während ein Ventilelement den Durchfluss durch die Durchtritts-öffnung absperren und steuern kann. Im Hinblick auf die Absperrwirkung eines Ventilelements erfüllt ein Dichtelement mit seiner Dichtwirkung daher zwar einen Teil der Eigenschaften eines Ventilelements. Da ein Dichtelement aber keine den Durchfluss steuernde Wirkung hat, handelt es sich bei einem Dichtelement und einem Ventilelement um unterschiedliche Bauteile mit unterschiedlichen Eigenschaften.
Die von der Patentinhaberin genannten Dokumente sind zudem wegen der unterschiedlichen Einsatzgebiete der darin offenbarten Ventile nicht dazu geeignet, das Fachwissen im Zusammenhang mit Ventileinrichtungen für die Luftströmung in einem Sauggerät zu belegen. Außerdem sind sie wegen des nicht genannten Dichtelements auch nicht dazu geeignet, das Fachwissen im Zusammenhang mit Dichtelementen in Ventileinrichtungen für die Luftströmung in einem Sauggerät zu belegen. Deswegen überzeugt das Argument nicht, wonach aus dem Fehlen von Angaben in der Anmeldung, die von einer üblichen Ventilgestaltung abweichen, auf eine starre Verbindung des Ventilelements oder des Dichtelements geschlossen werden könne.
Nach geltender Rechtsprechung ist die implizierte Offenbarung das, was für jeden Fachmann zwangsläufig aus der Patentanmeldung als Ganzes hervorgeht (RdBK, 8. Auflage 2016, II.E.1.2.2). Da das von der Patentinhaberin behauptete Fachwissen nicht bewiesen wurde, offenbaren die Anmeldeunterlagen nicht implizit, dass das Ventilelement und das Dichtelement starr mit dem Stößel verbunden sind. Insbesondere wird nicht implizit offenbart, dass eine radiale Relativbewegung zwischen dem Stößel und dem Ventilelement oder dem Dichtelement, oder eine Drehung der Elemente um die Achse des Stößels ausgeschlossen ist.
3.2.3 Aus den folgenden Gründen wird in den Anmeldeunterlagen eine radiale Relativbewegung oder Drehung um die Achse des Stößels auch nicht explizit ausgeschlossen:
Die Beschreibung und die Ansprüche der Anmeldung offenbaren, dass das Dichtelement auf dem Stößel sitzt (Anspruch 7; Seite 6, Absatz 2; Seite 8, Absatz 3). Da nach geltender Rechtsprechung das Allgemeine nicht das Spezielle vorwegnimmt, offenbart der allgemeine Begriff "sitzt" nicht unmittelbar und eindeutig, dass das Dichtelement mit dem Stößel beispielsweise verklebt oder verschweißt ist. Nur eine solche Verbindung wäre auch in radialer Richtung oder um die Achse des Stößels absolut unbeweglich und damit "starr" im Sinne von Anspruch 1.
Die einzige Figur wird als schematische Zeichnung angesehen, da sie bereits in der Anmeldung als schematisch bezeichnet wird (Seite 7, Absatz 3). Nach geltender Rechtsprechung lassen schematische Zeichnungen, die den Patentgegenstand nicht in all seinen Einzelheiten darstellen, keinen sicheren Schluss darauf zu, dass die offenbarte Lehre ein nicht dargestelltes Merkmal gezielt ausschließt (RdBK, 8. Auflage 2016, II.E.1.12.1 und die dort genannte Entscheidung T170/87). Im vorliegenden Fall lässt die Figur daher nicht den sicheren Schluss zu, dass eine radiale Relativbewegung zwischen dem Stößel und den beiden Ventilelementen bzw. den beiden Dichtelementen oder eine Drehung der Elemente um die Achse des Stößels gezielt ausgeschlossen ist. Jedenfalls ist die genaue Art der Verbindung, ob starr oder nicht, nicht aus den Figuren ableitbar. Höchstens kann daraus, und aus den entsprechenden Teilen der Beschreibung, abgeleitet werden, dass die beiden Elemente in den gezeigten Endstellungen der Hubbewegung sich jeweils an der gleichen axialen Position des Stößels befinden. Dies schließt eine mögliche Verdrehung der Elemente nicht aus. Auch schließt es nicht aus, dass das Dichtelement 42 auf dem Stößel aufgespannt und somit nicht damit verbunden ist.
3.3 Da ein relativ zum Stößel radial oder um die Achse des Stößels unbewegliches Ventilelement oder Dichtelement für den Fachmann weder implizit noch explizit in der Anmeldung offenbart werden, erfüllt der Hauptantrag nicht die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ.
4. Hilfsantrag 1 - Änderungen
Der unabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 enthält ebenfalls das Merkmal "starr ... verbunden".
Das damit zusammenhängende Merkmal "dass beim Verschieben des Stößels das am freien Ende des Stößels sitzende Ventilelement die weitere Durchtrittsöffnung freigibt und gleichzeitig das Dichtelement auf dem Stößel die andere Durchtrittsöffnung freigibt" wird von einer unter den Anspruchswortlaut fallenden Ausführungsform erfüllt, bei der das Ventilelement und auch das Dichtelement absolut unbeweglich mit dem Stößel verbunden sind. Bei dieser Ausführungsform führt nämlich die starre Verbindung beider Elemente mit dem Stößel dazu, dass ihr Abstand zueinander bei einer Bewegung des Stößels gleichbleibt. Da der Abstand zwischen den Durchtrittsöffnungen wegen ihrer Anordnung im Gehäuse zwangsläufig gleichbleibt, werden auch die Durchtrittsöffnungen gleichzeitig freigegeben.
Eine solche Ausführungsform mit einem gegenüber dem Stößel absolut unbeweglichen Ventilelement und Dichtelement wird aus den im Zusammenhang mit dem Hauptantrag genannten Gründen nicht unmittelbar und eindeutig in der Anmeldung offenbart. Daher erfüllt der Hilfsantrag 1 nicht die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ.
5. Hilfsantrag 2 - Änderungen
Im unabhängigen Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 wurde das Merkmal "starr ... verbunden" durch "verbunden" ersetzt. Damit umfasst der Anspruch jede Art von Verbindung, während der erteilte Anspruch 1 auf eine absolut unbewegliche Verbindung zwischen dem Stößel und dem Ventilelement bzw. dem Dichtelement beschränkt war. Da die Änderung den Schutzbereich des Patents erweitert, erfüllt der Hilfsantrag 2 nicht die Erfordernisse von Artikel 123(3) EPÜ, vgl. G001/93 (ABl. EPA 1994, 541).
Dass die deutsche Rechtsprechung bei Nichtigkeitsklagen gegen den deutschen Teil eines Europäischen Patents mit der sg. "Disclaimer-Lösung" ein mögliches Entrinnen der Artikel 123(2)/(3) Falle vorsieht, vermag an dieser Sichtweise nichts zu ändern. Insbesondere basiert die Rechtsprechung des EPA zu dieser Frage auf der Grundentscheidung G 001/93 der Großen Beschwerdekammer des EPA und ihrer konsequenten Anwendung in der nachfolgenden Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA. Diese Grundentscheidung, die Europäische Patente, die in allen Vertragsstaaten Geltung haben können, betrifft, ist mit der besagten Disclaimer-Lösung schwer vereinbar. Die Kammer sieht keinen relevanten Grund, davon abzuweichen.
6. Die Kammer schließt aus den obengenannten Gründen, dass der Gegenstand des Patents gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, Artikel 123(2) EPÜ. Weiterhin wird durch die Änderungen gemäß Hilfsantrag 2 der Schutzbereich des Patents erweitert, Artikel 123(3) EPÜ.
Die Kammer bestätigt somit die Entscheidung der Einspruchsabteilung.
7. Kosten des Beschwerdeverfahrens
Die Einsprechende beantragt, der Patentinhaberin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Die Kammer versteht das als Antrag nach Artikel 16 VOBK.
Dieser Antrag wurde nicht begründet. Ohne Begründung sieht die Kammer keine Veranlassung dafür, diesem Antrag statt zu geben.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.