T 0002/01 () of 20.10.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T000201.20041020
Datum der Entscheidung: 20 October 2004
Aktenzeichen: T 0002/01
Anmeldenummer: 91104029.3
IPC-Klasse: C08L 23/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 67 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Gefäßverschluß mit einem Dichtungselement aus einem Polymercompound
Name des Anmelders: DS-Chemie GmbH
Name des Einsprechenden: W. R. Grace & Co. - Conn.
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(3)
European Patent Convention 1973 Art 100(c)
European Patent Convention 1973 Art 112(1)
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
European Patent Convention 1973 R 71(2)
Schlagwörter: Disclaimer - Zulässigkeit (Hauptantrag - verneint)
Vorlage an die Große Beschwerdekammer (abgelehnt)
Neuheit (Hilfsantrag - bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/93
G 0001/03
G 0002/03
T 0004/80
T 0153/85
T 0433/86
T 0124/87
T 0170/87
T 0666/89
T 0288/90
T 0597/92
T 0500/00
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents Nr. 0 503 124 mit dem Titel "Gefässverschluss mit einem Dichtungselement aus einem Polymercompound" auf die am 15. März 1991 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 91 104 029.3 erfolgte am 10. Juni 1998 (Patentblatt 1998/24).

Die erteilte Fassung des Patents enthielt 14 Ansprüche, deren unabhängige Ansprüche folgenden Wortlaut hatten:

"1. Gefäßverschluß mit einem Dichtungselement, insbesondere Kronenkork- oder Schraubenverschluß, für Flaschen, Gläser und dergleichen, der im Schließzustand eine Gas-Barrierewirkung und/oder eine Überdruckventilwirkung aufweist und bei dem das Dichtungselement aus einem Polymercompound besteht, bestehend aus einem Gemisch von Butylkautschuk und einer Poly-a-Olefin-Komponente [sic] aus Polyethylen hoher Dichte (HDPE), einem Gleitmittel und üblichen Zusätzen wie Pigmente, Talkum und Stabilisatoren sowie gegebenenfalls einer oder mehreren weiteren Polymerkomponenten mit Ausnahme von Polyethylen (PE), Polyethylen niedriger Dichte (LDPE) und Polyethylen sehr niedriger Dichte (VLDPE) und EVA-Copolymer.

11. Dichtungselement für Gefäßverschlüsse, insbesondere Flaschen- und Gläserverschlüsse aus Metall oder Kunststoff, bestehend aus einem Polymercompound gemäß einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 10.

14. Verwendung des Polymercompounds nach einem der Ansprüche 1 bis 6, in Gefäßverschlüssen als Barriere gegen den Zutritt von Sauerstoff."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 10 betreffen spezielle Ausgestaltungen des Gefäßverschlusses gemäß Anspruch 1, die abhängigen Ansprüche 12 und 13 solche des Dichtungselements gemäß Anspruch 11.

II. Gegen das Patent wurde am 10. März 1999 Einspruch eingelegt und der Widerruf des Patents in vollem Umfang beantragt. Der Einspruch stützte sich auf den Einspruchsgrund fehlender Neuheit gemäß Artikel 100 a) bzw. 54 (3) EPÜ gegenüber den folgenden drei älteren, aber nachveröffentlichten europäischen Patentanmeldungen

D1: EP-A-0 478 109,

D2: EP-A-0 478 110 und

D3: EP-A-0 488 491,

sowie wegen des Disclaimers auf den Einwand unzulässiger Erweiterung gemäß Artikel 100 c) EPÜ.

Im Laufe des Einspruchsverfahrens wurde von der Einsprechenden auch noch die folgende Druckschrift benannt:

D5: EP-A-0 331 485.

Die Patentinhaberin ihrerseits legte mit Schreiben vom 11. Juli 2000 einen Versuchsbericht vom 16. Juni 2000 vor, der als D4 bezeichnet wurde, um zu zeigen, daß Mineralöl unter den gegebenen Umständen nicht als Gleitmittel wirke.

Der Einspruch wurde mit einer am Ende der mündlichen Verhandlung am 29. September 2000 verkündeten Entscheidung, deren schriftliche Begründung am 3. November 2000 zur Post gegeben wurde, zurückgewiesen.

In der nun angefochtenen Entscheidung wurde, selbst unter Berücksichtigung der Verweise auf das Verfahren von D5, Neuheit gegenüber jeder der Druckschriften D1, D2 und D3 anerkannt, da D5 einerseits den Zusatz eines Trennmittels verlangt, andererseits nicht aber die auf D1 bis D3 übertragbare Lehre vermittelt habe, ein Gleitmittel zur Verminderung des Aufdrehwiderstands eines Gefäßverschlusses einzusetzen, und da weder D1, noch D2, noch D3 offenbart habe, ihren HDPE enthaltenden Zusammensetzungen ein Gleitmittel zuzusetzen.

Außerdem wurde auch der Einwand gemäß Artikel 100 c) EPÜ zurückgewiesen, da der im Prüfungsverfahren in Anspruch 1 eingefügte Disclaimer, der das Handelsprodukt Svelon 855 CSO habe ausschließen sollen, im Hinblick auf die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 1/93 (ABl. EPA 1994, 541) sich mit den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ im Einklang gefunden habe.

III. Am 29. Dezember 2000 erhob die Beschwerdeführerin (Einsprechende) unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde. Sie beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.

a) In der am 8. März 2001 eingereichten Beschwerdebegründung machte die Beschwerdeführerin weiterhin die unzulässige Erweiterung gegenüber der ursprünglichen Fassung der Anmeldung durch die Einfügung des Disclaimers in Anspruch 1 geltend. Sofern, wie in der angefochtene Entscheidung festgestellt, sich der Disclaimer auf das Handelsprodukt Svelon 855 CSO gestützt habe und dieses der Allgemeinheit vor dem Anmeldetag des Streitpatents zugänglich gemacht worden sei, dann sei er nicht zulässig, da er dann nicht nur der Abgrenzung bezüglich der Neuheit gedient habe.

Darüber hinaus sei die Entscheidung G 1/93 (oben) falsch angewendet worden. Im vorliegenden Fall sei es möglich gewesen, den unabhängigen Anspruch weiter auf eine nur aus HDPE und Butylkautschuk bestehende Zusammensetzung einzuschränken. Solch eine Beschränkung wäre im Einklang mit Artikel 123 (2) EPÜ gewesen. Daher sei es unnötig und unangemessen, Ansprüche auf der Basis einer Bedingung aufrechtzuerhalten, die in G 1/93 formuliert worden sei, um einen Patentinhaber in einer Situation zu retten, in der es ihm unmöglich sei, die Ansprüche weiter einzuschränken, um einem Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ zu begegnen.

b) Auch hielt sie unter Hinweis auf die Entscheidungen T 666/89 (ABl. EPA 1993, 495), T 124/87 (ABl. EPA 1989, 491), T 153/85 (ABl. EPA 1988, 001) und T 288/90 vom 1. Dezember 1992 (nicht im ABl. EPA veröffentlicht) ihren Einwand fehlender Neuheit auf der Basis der Entgegenhaltungen D1, D2 bzw. D3 in Verbindung mit einem Hinweis in jeder dieser Druckschriften auf D5 aufrecht.

Laut Patentinhaberin sei Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 durch das Merkmal der Anwesenheit einer undefinierten Menge von Gleitmittel für einen undefinierten Zweck und gegebenenfalls weiterer Additive wie Pigment, Talk und Stabilisator gegeben. Derartige konventionelle Additive seien aber dem Fachmann bei der Lektüre von D1, D2 oder D3 inhärent offenbart worden.

Druckschrift D5 beschreibe zwei bekannte Verfahren zur Herstellung von Gefäßverschlüssen und mögliche Probleme bei diesen Verfahren durch ein Kleben der Dichtungsmassen an Schneid- und Transfer- Vorrichtungen. Die Probleme würden dort aber durch Additive zur eingesetzten thermoplastischen Zusammensetzung überwunden. Diese Additive seien "lubricants" (Gleitmittel), die demselben Zweck dienten wie die Silicium-Gleitmittel im Streitpatent. Insgesamt zeige D5 die Verwendung konventionellen Gleitmittels, z. B. eines Fettsäureamids, eines primären Schmelze-Trennmittels, wie Fluorelastomer oder Siloxan, und eines sekundären Schmelze- Trennmittels, wie Silikon- und Kohlenwasserstofföl (z. B. Weiß- oder Mineralöl) und Mischungen von Silikon- und Kohlenwasserstoffölen.

Angesichts der Tatsache, daß Zusammensetzungen aus HDPE und Butylkautschuk beim Einsatz als Dichtungsmaterial Vorteile böten, wenn Gasbarriere- und/oder Überdruckventil-Eigenschaften bei Gefäßverschlüssen erforderlich seien, und daher bevorzugt seien, liefere jede der Druckschriften D1, D2 oder D3, in Verbindung mit dem Verfahren von D5, eine explizite Offenbarung von thermoplastischem Polymer, das HDPE und Butylkautschuk zusammen mit Additiven enthalte, einschließlich einiger Gleitmittel ("lubricants"), d. h. sowohl Verarbeitungs- als auch Gleithilfen ("both processing aids and slip aids") (Beschwerdebegründung 4.4 und 11.1). Zusammengenommen ergäben diese Punkte eine explizite Offenbarung eines Produkts mit allen Merkmalen der erteilten Fassung von Anspruch 1.

IV. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) unterstützte hingegen in ihrer Beschwerdeerwiderung vom 10. Juli 2001 die angefochtene Entscheidung und widersprach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in allen Punkten.

a) Zur Frage der Zulässigkeit des Disclaimers in Anspruch 1 argumentierte die Beschwerdeführerin unter Verweis auf die Rechtssicherheit, daß die Zulässigkeit eines Disclaimers, der zum Zeitpunkt seiner Einfügung zulässig gewesen sei, nicht nachträglich in Frage gestellt werden könne, wenn sich später einmal die Rechtsprechung ändere. Sie verwies auch auf die Zeitpunkte der von ihr vorgenommenen Änderungen in der seinerzeitigen Anmeldung einerseits und die von Entscheidungen andererseits, die die Rechtsprechung zu Disclaimern betrafen. Außerdem beziehe sich der Disclaimer nur auf die Beschränkung einer optional einsetzbaren Polymerkomponente und "schneide" auch nur einen Teil der ursprünglich offenbarten Lehre im Sinne eines Teilverzichts "heraus". Hierdurch habe sich die Patentinhaberin also keinesfalls einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft. Der Disclaimer entspreche daher den in G 1/93 (oben) festgelegten Bedingungen und verstoße nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ.

b) Den von der Einsprechenden/Beschwerdeführerin genannten, zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ gehörenden Druckschriften D1, D2 und D3 sei der beanspruchte Gegenstand weder unmittelbar und eindeutig noch hinsichtlich aller seiner beanspruchten Merkmale zu entnehmen, daher sei er neu. Auch sei keiner dieser Druckschriften ein Hinweis auf ein Gleitmittel als Bestandteil der dort beschriebenen Dichtungscompounds zu entnehmen.

Auf die später im Einspruchsverfahren genannte Druckschrift D5 sei in den Entgegenhaltungen D1 bis D3 nur in Bezug auf das Herstellungs- bzw. Verarbeitungsverfahren hingewiesen worden. Daher könne auch nur dieses zum Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltungen gezählt werden. Die Inkorporation von Gleitmitteln in Polymercompounds sei jedoch trotz des Hinweises in D1, D2 oder D3 auf das Verfahren von D5 keinesfalls Teil des tatsächlichen Offenbarungsgehalts dieser drei Druckschriften. Wie schon in der angefochtene Entscheidung festgestellt, betreffe der Zusatz von Trennmitteln ("melt-release materials") der Herabsetzung der Klebrigkeit bei der Verarbeitung. Dabei handele es sich eindeutig nicht um Gleitmittel im Sinne des Streitgegenstands. D5 sehe auch nicht den Einsatz von HDPE in seinem Verfahren vor, sondern vielmehr den von LDPE oder VLDPE.

Außerdem gehöre es zur Lehre einer jeden der Druckschriften D1 bis D3, daß die dort vorgeschlagenen Compounds gerade kein Gleitmittel enthielten. Die Zusammensetzungen aller dieser Compounds seien ohne Gleitmittel vollständig und abschließend definiert worden. Die Offenbarungsgehalte dieser Druckschriften müßten also in ihr Gegenteil verkehrt werden, um statt der Compounds von D1 bis D3 ein gleitmittelhaltiges Compound vorzusehen. Dies sei selbst dann unzulässig, wenn D5 tatsächlich ein solches Compound offenbart hätte.

V. Am 20. Oktober 2004 fand eine mündliche Verhandlung statt, die gemäß Regel 71 (2) EPÜ in Abwesenheit der Beschwerdeführerin durchgeführt wurde. Diese hatte mit Schreiben vom 30. September 2004 die ordnungsgemäße Ladung bestätigt und ihr Fernbleiben angekündigt, im übrigen aber ihre Einwände gegen das Streitpatent auf der Basis ihres vorherigen schriftlichen Vortrags (d. h. ohne sachliche Ergänzungen) aufrechterhalten.

a) In Vorbemerkungen eingangs der mündlichen Verhandlung verwies die Kammer zur Frage der Zulässigkeit des Disclaimers auf die zwischenzeitlich veröffentlichten Entscheidungen G 1/03 und G 2/03 der Großen Beschwerdekammer (ABl. EPA 2004, 413 bzw. 448) sowie auf die Entscheidung T 500/00 einer technischen Beschwerdekammer vom 17. Juni 2004 (nicht im Amtsblatt veröffentlicht), die dem Vertreter der Beschwerdegegnerin nach seiner Aussage allesamt bekannt waren. Da die beiden genannten Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer inhaltsgleich sind und nur der vollständige Text von G 1/03 im Amtsblatt wiedergegeben ist, wird im folgenden der Einfachheit halber stets nur auf diese Entscheidung verwiesen.

In diesen beiden Entscheidungen hat die Große Beschwerdekammer die Bedingungen präzisiert, unter denen nicht in den ursprünglichen Unterlagen offenbarte Disclaimer im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ als zulässig angesehen werden.

Darüber hinaus ist in der genannten Entscheidung T 500/00 festgestellt worden, daß in anhängigen Fällen kein Vertrauensschutz besteht gegen die Anwendung der Prinzipien für die Zulässigkeit von Disclaimern, wie sie in der oben genannten G 1/03 festgelegt worden sind.

Folglich stellte sich auch in Anbetracht des schriftlichen Vorbringens beider Parteien die Frage der Zulässigkeit des in Anspruch 1 enthaltenen Disclaimers. Hierbei wurde auch angemerkt, daß gemäß Punkt 3 der Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung ein Teil des Disclaimers weder durch die ursprünglichen Unterlagen noch durch die Entgegenhaltungen gestützt gewesen sei.

b) Zur Frage der Zulässigkeit des Disclaimers trug die Beschwerdegegnerin vor, es bestehe kein Zweifel, daß er zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, d. h. nach der Entscheidung G 1/03, nicht zulässig wäre, da er zur Herstellung der Neuheit nicht notwendig sei. Jedoch sei er, wie die Einspruchsabteilung richtig festgestellt habe, seinerzeit bei seiner Einfügung rechtens gewesen. Wenn nun eine Einzelentscheidung (T 500/00, oben) die Anwendbarkeit des Tenors der neuen Entscheidung G 1/03 (oben) auf solche Fälle ausdehne, so werde hierdurch die Rechtssicherheit ("nulla poena sine lege"), die Fairneß der Verfahrensführung und schließlich auch die Gültigkeit einer großen Anzahl erteilter europäischer Patente ernstlich gefährdet. Bei einer Aufstellung neuer Kriterien für die Zulässigkeit von Disclaimern in Bezug auf die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ durch die Rechtsprechung dürfe dies nicht zu Lasten von Patentinhabern gehen, die im Vertrauen auf die alte Rechtsrechung damals zulässige Disclaimer eingefügt hätten. Daher dürfe es keine Rückwirkung der in G 1/03 definierten Kriterien auf früher vorgenommene Handlungen in Verfahren vor dem EPA geben. Wenn die Positivliste für die Zulässigkeit von Disclaimern in G 1/03 als abschließend zu verstehen wäre, was sie aber wegen der Tatsache, daß nicht alle Fallgestaltungen für Disclaimer berücksichtigt worden seien (z. B. die Abgrenzung zwischen Stamm- und Teilanmeldungen), nicht sei, könnte die Entscheidung G 1/93 (oben) nicht mehr angewendet werden, obgleich die darin festgelegten Grundsätze durch G 1/03 nicht aufgehoben worden seien (so werde in Nummer 2.1.2 von G 1/03 auf G 1/93 verwiesen). Nach diesen Grundsätzen sei aber nur entscheidend, ob das auszuschließende Merkmal einen technischen Beitrag zur beanspruchten Erfindung leiste. Da dies in der vorliegenden Sache nicht der Fall sei und nicht einmal der Schutzumfang von Anspruch 1 durch die An- oder Abwesenheit des Disclaimers berührt werde, denn er betreffe nur ein optionales Merkmal, dürfe sein Verbleib in dem Anspruch nicht zum Widerruf des Streitpatents führen. Ohnehin habe sich die bisherige Rechtsprechung immer mit Fällen befaßt, in denen die Disclaimer sich auf zwingende Merkmale bezogen hätten, im Unterschied zu diesem Fall, in dem der Disclaimer quasi nur ein Beispiel des beanspruchten Gegenstands betreffe.

c) Im Laufe der Diskussion wies die Kammer dann darauf hin, daß im Hinblick auf die Entscheidung T 597/92 (ABl. EPA 1996, 135) Bedenken dagegen bestanden, daß der Disclaimer bei seiner erstmaligen Einreichung die Kriterien für seine Zulässigkeit gemäß damaliger ständiger Rechtsprechung erfüllt habe.

d) Für den Fall, daß die Kammer ihrem Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde nicht folge, stellte die Beschwerdegegnerin den verfahrensrechtlichen Antrag,

"die Sache wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung betreffend das Verhältnis der Entscheidungen G 1/93 und G 1/03 zueinander der Großen Beschwerdekammer vorzulegen.".

e) Außerdem stellte die Beschwerdegegnerin vorsorglich einen Hilfsantrag, in dem das auf die optionale Polymerkomponente gerichtete Merkmal einschließlich des dazugehörigen Disclaimers aus Anspruch 1 gestrichen worden war. Anspruch 1 erhielt somit gemäß diesem Antrag folgenden Wortlaut:

"1. Gefäßverschluß mit einem Dichtungselement, insbesondere Kronenkork- oder Schraubenverschluß, für Flaschen, Gläser und dergleichen, der im Schließzustand eine Gas-Barrierewirkung und/oder eine Überdruckventilwirkung aufweist und bei dem das Dichtungselement aus einem Polymercompound besteht, bestehend aus einem Gemisch von Butylkautschuk und einer Poly-a-Olefin-Komponente [sic] aus Polyethylen hoher Dichte (HDPE), einem Gleitmittel und üblichen Zusätzen wie Pigmente, Talkum und Stabilisatoren.".

Die restlichen Ansprüche 2 bis 14 wurden in diesem Hilfsantrag unverändert beibehalten.

VI. Gemäß ihrem schriftlichen Vorbringen beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents in vollem Umfang.

Die Beschwerdegegnerin hingegen beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), die Sache wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung betreffend das Verhältnis der Entscheidungen G 1/93 und G 1/03 zueinander der Großen Beschwerdekammer vorzulegen, hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Basis des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Patentanspruchs 1 und der Patentansprüche 2 bis 14, wie erteilt, aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Da alle Parteien ordnungsgemäß geladen waren, wurde das Verfahren gemäß Regel 71 (2) EPÜ in Abwesenheit der Beschwerdeführerin fortgesetzt.

Hauptantrag

3. Zulässigkeit des Disclaimers in Anspruch 1

3.1. Wie bereits erwähnt (Abschnitt Vb), oben), trug die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor, es bestünden keine Zweifel, daß die Einfügung eines Disclaimer in der in Anspruch 1 enthaltenen Form nach der Entscheidung G 1/03 (oben) nicht mehr zulässig sei, da er weder auf der Offenbarung in den ursprünglich eingereichten Unterlagen beruhe, noch zur Abgrenzung gegenüber den im Prüfungs- und im Einspruchsverfahren genannten Druckschriften und damit zur Herstellung der Neuheit notwendig sei.

3.2. Allerdings hat die Beschwerdegegnerin auch die Ansicht vertreten, daß aus den oben in Abschnitt Vb) wiedergegebenen Gründen diese neueste Rechtsprechung nicht auf den vorliegenden Disclaimer angewendet werden dürfe, denn er sei gemäß der Entscheidung G 1/93 (oben) zum Zeitpunkt seiner Einfügung in Anspruch 1 im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ zulässig gewesen.

3.2.1. Unter den Nummern 12 bzw. 11 der Entscheidungsgründe wird in G 1/93 (oben) dargelegt, mit welcher Rechtsfrage die Große Beschwerdekammer damals befaßt bzw. nicht befaßt war:

"11. ... Wird während der Prüfung einer Anmeldung ein hinzugefügter Gegenstand nicht beschränkender Art unter Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ eingeführt und im Einspruchsverfahren ein Einwand nach Artikel 100 c) EPÜ erhoben, so kann der hinzugefügte Gegenstand aus dem Patent herausgenommen werden, ohne daß gegen Artikel 123 (3) EPÜ verstoßen wird, denn der Schutzbereich des Patents wird dadurch nicht erweitert, sondern eingeschränkt, und das Patent kann nach Artikel 102 (3) EPÜ auf der Grundlage des Inhalts der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung in geändertem Umfang aufrechterhalten werden. Mit anderen Worten: Es kann wieder ein angemessener Interessenausgleich zwischen dem Patentinhaber und Dritten hergestellt werden.

12. Die Rechtsfrage, mit der die Große Beschwerdekammer im vorliegenden Fall befaßt worden ist, betrifft jedoch nicht den vorstehend geschilderten Sachverhalt, sondern den Sonderfall, daß während des Prüfungsverfahrens ein nicht offenbartes technisches Merkmal hinzugefügt wurde, das den Schutzbereich der Ansprüche des Patents in der erteilten Fassung im Vergleich zur eingereichten und veröffentlichten Anmeldung einschränkt. Im Hinblick auf die Rechtssicherheit für Dritte unterscheidet sich dieser Fall offensichtlich insofern grundlegend von dem vorstehend geschilderten, als sich Dritte, die sich auf die Anmeldung in der eingereichten und veröffentlichten Fassung verlassen haben, einem erteilten Patent gegenübersehen, das keinen breiteren, sondern einen engeren Schutzbereich hat als erwartet und daher ihre Tätigkeit weniger behindert." (Hervorhebungen in Kursivschrift durch diese Kammer).

3.2.2. Der vorliegende Sachverhalt entspricht also dem in vorstehend unter Nummer 11 beschriebenen Fall, d. h., die Grundlagen von G 1/93 sind von denen des vorliegenden Sachverhalts verschieden. Dies wurde auch von der Beschwerdegegnerin dadurch bestätigt, daß sie in ihrem schriftlichen und mündlichen Vortrag jeweils hervorhob, daß sich der Disclaimer nur auf ein optionales Merkmal, also quasi auf einen "Unteranspruch" (siehe z. B. die Beschwerdeerwiderung vom 10. Juli 2001, Seite 8, insbesondere Absatz 2), bzw. auf eine "Ausführungsform" oder "ein Beispiel" (mündlicher Vortrag) beziehe (Abschnitte IVa) und Vb), oben).

3.2.3. In der weiteren, auf die oben zitierte Nummer 12 folgenden Begründung der Entscheidung G 1/93 befaßte sich die Große Beschwerdekammer dann mit Merkmalen, die den Schutzumfang beschränken, und der Frage, ob diese als Gegenstand zu betrachten sind, der im Sinne des Artikels 123 (2) EPÜ über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Sie stellt dazu fest, daß dies "natürlich nur nach der Sachlage im Einzelfall entschieden werden" kann (vgl. Nummern 15 und 17 der Entscheidungsgründe). In diesem Rahmen führte sie dann weiter aus, daß im Unterschied zu einem nicht ursprünglich offenbarten Merkmal, das einen technischen Beitrag zum beanspruchten Gegenstand leistet und deshalb nicht im Patent verbleiben darf, da es dem Patentinhaber zu einem ungerechtfertigten Vorteil verhelfen würde, ein Merkmal, welches lediglich den Schutz für einen Teil des Gegenstands der beanspruchten Erfindung gemäß der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ausschließt, keine Hinzufügung darstellt, die dem Anmelder zu so einem ungerechtfertigten Vorteil verhilft.

Unter diesen besonderen Umständen kann ein Merkmal der letztgenannten Art daher in den Ansprüchen verbleiben, ohne daß ein Verstoß gegen Artikel 123 (2) und (3) EPÜ vorliegt (Nummer 16 der Entscheidungsgründe). Auf diese Weise wird dann gemäß Großer Beschwerdekammer auch dem unter den Nummern 8 und 9 der Entscheidungsgründe von G 1/93 genannten "angemessenen Interessenausgleich zwischen den Anmeldern und Patentinhabern einerseits und den Wettbewerbern und sonstigen Dritten andererseits" Rechnung getragen, der nach dem Verständnis der Großen Beschwerdekammer auch Zweck und Aufgabe des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ war (vgl. die Entscheidungsgründe: Nummer 15, letzter Satz).

3.2.4. In Anbetracht dieser Feststellungen in G 1/93 kann diese Kammer der zu G 1/93 vorgetragenen Argumentation der Beschwerdegegnerin nicht folgen, daß die Zulässigkeit des vorliegenden Disclaimers durch die Entscheidung G 1/93 bestätigt werde. Vielmehr trifft die Beurteilung der Beschwerdeführerin unter Punkt 13.2 der Beschwerdebegründung zu (Abschnitt IIIa), oben), daß im vorliegenden Fall Anspruch 1 geändert werden konnte, ohne mit den Bestimmungen von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ in Konflikt zu geraten, nämlich durch Beschränkung auf die obligatorischen Komponenten der beanspruchten Zusammensetzung, wie dies dann auch im Rahmen des Hilfsantrags von der Beschwerdegegnerin beantragt wurde.

3.3. Abgesehen von den vorstehend wiedergegebenen Schlußfolgerungen aus der Entscheidung G 1/93 ist die Kammer zudem noch aus den nachfolgend dargelegten Gründen zu der Ansicht gelangt, daß der Disclaimer auch zum Zeitpunkt der Einreichung des Anspruchssatzes, der die Grundlage der erteilten Fassung des Streitpatents bildete, nicht mit der damaligen gefestigten Rechtsprechung in Einklang stand (Abschnitt Vc), oben).

3.3.1. So wurde bereits vor der Einreichung der fraglichen Fassung des Anspruchssatzes, die am 3. Dezember 1996 in Erwiderung eines Bescheides der Prüfungsabteilung erfolgt war, und in Kenntnis der oben diskutierten G 1/93 vom 2. Februar 1994 (ABl. EPA 8/1994, 541) die Entscheidung T 597/92 vom 1. März 1995 (ABl. EPA 3/1996, 135) veröffentlicht. Darin wird unter Nummer 3 der Entscheidungsgründe darauf hingewiesen, daß gemäß ständiger Rechtsprechung ein Disclaimer nur ausnahmsweise zugelassen werden kann, "um einen Anspruch, der eine Überschneidung mit dem Stand der Technik aufweist, die Neuheit zu sichern, und zwar auch dann, wenn sich in der ursprünglich eingereichten Fassung keine Stützung für den Ausschluß des Überschneidungsbereichs findet (s. T 4/80, ABl. EPA 1982, 149 und T 433/86 vom 11. Dezember 1987, die nicht im Amtsblatt veröffentlicht ist); ein Disclaimer darf aber in anderen als solchen Ausnahmefällen nicht dazu benutzt werden, einem Anspruch zu erfinderischer Tätigkeit zu verhelfen, da die Einführung eines Disclaimers dann faktisch auf nichts anderes als auf die Aufnahme eines neuen, in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung nicht vorhandenen (negativen) Merkmals des Gegenstands hinausläuft, was gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstößt (s. T 170/87, ABl. EPA 1989, 441). Auf einen Disclaimer darf also, wie bereits in der Entscheidung T 4/80 festgestellt wurde, nur ausnahmsweise zur Vermeidung einer neuheitsschädlichen Vorwegnahme zurückgegriffen werden, wenn sich der Gegenstand eines Anspruchs auf der Grundlage der ursprünglichen Offenbarung nicht durch eine positive Formulierung beschränken läßt, ohne seine Klarheit und Knappheit ungebührend zu beeinträchtigen; ...".

In der in T 597/92 genannten Entscheidung T 170/87 (oben) heißt es in Nummer 8.4.1 der Begründung: "Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist es in Fällen einer Überschneidung des generell Beanspruchten mit dem Stand der Technik zulässig, einen speziellen Stand der Technik durch Disclaimer von der beanspruchten Erfindung auszuschließen, auch wenn den ursprünglichen Unterlagen keine (konkreten) Anhaltspunkte für einen solchen Ausschluß zu entnehmen sind ..." und in 8.4.3: "... Durch die bloße Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik bzw. dem, was sich als nicht funktionierend erwiesen hat, erfährt die in der Anmeldung ursprünglich konkret offenbarte erfinderische Lehre als Ganzes keine Änderung; vielmehr wird durch den Disclaimer (oder durch eine zum gleichen Ergebnis führende 'positive' Formulierung) aus dieser Lehre nur derjenige Teil im Sinne eines Teilverzichts 'herausgeschnitten', den der Anmelder wegen fehlender Neuheit oder Ausführbarkeit nicht beanspruchen kann." Keine dieser vorstehend zitierten Feststellungen steht im Widerspruch zu den Feststellungen der Großen Beschwerdekammer in G 1/93 (oben).

3.3.2. Die erste Version des in Rede stehenden, später noch auf den Ausschluß von EVA-Copolymer erweiterten Disclaimers war zusätzlich zu einer Umformulierung der Definition der Poly- Alpha-Olefin-Komponente im damaligen Anspruch 1, die in Erwiderung eines Neuheitseinwandes im ersten Prüfungsbescheid vom 28. Mai 1993 zur Abgrenzung gegen den damals angezogenen Stand der Technik (AU-A-439 947, veröffentlicht 1972) erfolgt war, eingefügt worden. Dabei ging die damalige Anmelderin bereits von einer hinreichenden Abgrenzung gegen den Stand der Technik durch die präzisierte Definition der Poly-Alpha-Olefin- Komponente aus. Der Disclaimer sollte den geltend gemachten Unterschied nur weiter verdeutlichen (Brief vom 2. Dezember 1993: Seite 4, Zeilen 9 bis 27).

In der Diskussion während der mündlichen Verhandlung akzeptierte die Beschwerdegegnerin, daß der in Anspruch 1 eingefügte Disclaimer auf jeden Fall durch die weitere Beschränkung auf eine "Poly-Alpha-Olefin- Komponente aus Polyethylen hoher Dichte (HDPE)" (Anspruch 1 vom 3. Mai 1994) überflüssig geworden war.

Dennoch war der Disclaimer auch noch in der letztlich erteilten Fassung von Anspruch 1 vom 3. Dezember 1996 verblieben, obgleich er bereits zu diesem Zeitpunkt nicht notwendig war, um Neuheit herzustellen (siehe den oben genannten Brief vom 2. Dezember 1993). In anderen Worten, er diente nicht dazu, das aus dem Stand der Technik Bekannte aus dem Schutzbereich des angestrebten Patents herauszuschneiden oder auszuklammern, ohne die Lehre der damaligen Anmeldung zu ändern.

3.3.3. Folglich verletzte die am 3. Dezember 1996 eingereichte Fassung von Anspruch 1, deren Wortlaut mit Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags identisch ist, auch schon nach der damaligen ständigen Rechtsprechung und damit unabhängig von deren späterer Weiterentwicklung, wie etwa durch G 1/03, oben, die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ. Selbst die Tatsache, daß das Streitpatent in der Form erteilt worden ist, kann an dieser Beurteilung weder etwas ändern, noch diesen Fehler beheben oder heilen, denn die Große Beschwerdekammer hatte damals in G 1/93, oben, bereits festgelegt: "Die Verantwortung für Änderungen an einer Patentanmeldung (oder einem Patent) trägt letztlich immer der Anmelder (bzw. der Patentinhaber)." (letzter Satz von Nummer 13 der Entscheidungsgründe).

3.4. Die vorstehend dargelegten Argumente und Feststellungen werden also auch nicht durch den Vortrag der Beschwerdegegnerin (Abschnitt Vb), oben) zur Anwendbarkeit bzw. Nichtanwendbarkeit der Entscheidung G 1/03 (oben) im vorliegenden Fall entkräftet oder widerlegt.

Ergänzend sei aber noch darauf hingewiesen, daß das Argument der Beschwerdegegnerin, die in G 1/03 (oben) dargelegten Kriterien für die Zulässigkeit von Disclaimern dürften aus Gründen der Rechtssicherheit, der Verfahrens-Fairneß und des Vertrauensschutzes nicht auf den vorliegenden Fall angewendet werden, durch G 1/03 selbst nicht getragen wird. In Nummer 2.6.1 der Entscheidungsgründe dieser Entscheidung wird ausgeführt: "... Dennoch ist nicht mit absoluter Sicherheit auszuschließen, daß sich eine Beschränkung durch einen Disclaimer später noch als technisch relevant erweist... . der Disclaimer kein reiner Disclaimer im Sinne der vorliegenden Entscheidung ist, sondern zur technischen Lehre beiträgt und die Erfindung im Sinne des Artikels 123 (2) EPÜ erweitert. Der Disclaimer müßte dann im nachhinein für unzulässig befunden werden." Die Entscheidung G 1/03 bestätigt also, abgesehen vom Verbot von Disclaimern für nichtfunktionsfähige Ausführungsformen (Nummer 2.5 ff. der Entscheidungsgründe), die entsprechenden Ausführungen zur Zulässigkeit von Disclaimern in T 597/92 und T 170/87, oben (Abschnitt 3.3.1, oben). Darüber hinaus wird das Argument der Beschwerdegegnerin aber offensichtlich auch durch die erste Folgeentscheidung T 500/00 (oben) widerlegt, die sich ausführlich mit dieser Frage (Nummer 2.8 ff. der Entscheidungsgründe) auseinandergesetzt hat.

3.5. Aus diesen vorstehend dargelegten Sachverhalten und Gründen folgt, daß Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch die Anwesenheit des Disclaimers gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstößt und, da über einen Antrag nur als Ganzes entschieden werden kann, dieser Antrag folglich zurückgewiesen werden muß.

Hilfsantrag der Beschwerdeführerin auf Vorlage dieser Sache an die Große Beschwerdekammer

4. Im Hinblick auf die obige Zurückweisung des Hauptantrags ist der Hilfsantrag der Beschwerdeführerin auf Vorlage der Sache (siehe Abschnitt Vd), oben) gemäß Artikel 112 (1) a) EPÜ zu prüfen.

4.1. Gemäß diesem Artikel des EPÜ befaßt die Beschwerdekammer, bei der ein Verfahren anhängig ist, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung oder wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten die Große Beschwerdekammer, wenn sie hierzu eine Entscheidung für erforderlich hält.

4.2. Wie in den Abschnitten 3.1 bis 3.4 (oben) dargelegt, befindet sich die Kammer mit der Zurückweisung des Hauptantrags im Einklang mit der gefestigten Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA. Daher besteht in diesem Beschwerdeverfahren kein Bedarf an einer Entscheidung der Großen Beschwerdekammer zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung.

4.3. Im übrigen sieht die Kammer im Zusammenhang mit der oben entschiedenen Frage im Hinblick auf die gefestigte Rechtsprechung zum Zeitpunkt der erstmaligen Einreichung der in Rede stehenden Fassung von Anspruch 1 auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die einer weitergehenden Beurteilung durch die Große Beschwerdekammer bedürfte.

4.4. Der Antrag auf Vorlage der Frage der Beschwerdeführerin an die Große Beschwerdekammer wird daher zurückgewiesen.

Hilfsantrag

Die Streichung des Merkmals der laut erteilter Fassung von Anspruch 1 gegebenenfalls vorhandenen Komponente aus der abschließend formulierten Definition des Polymercompounds in diesem Anspruch gemäß Hilfsantrag steht im Einklang mit Artikel 123 (2) EPÜ und auch mit dem Verbot einer Schutzbereichserweiterung gemäß Artikel 123 (3) EPÜ.

5. Neuheit

Im Hinblick auf die erhobenen Einspruchsgründe (vgl. Abschnitt II, oben) verbleibt noch, über die Neuheit des Patentgegenstands gemäß Hilfsantrag gegenüber den nicht vorveröffentlichten, im Hinblick auf Artikel 54 (3) EPÜ zitierten Druckschriften zu entscheiden.

Gemäß Anspruch 1 besteht das Polymercompound des in den beanspruchten Gefäßverschluß eingebrachten Dichtungselements aus einem Gemisch von Butylkautschuk und einer Poly-Alpha-Olefin-Komponente aus Polyethylen hoher Dichte (HDPE), einem Gleitmittel und üblichen Zusätzen.

5.1. Die ältere Patentanmeldung D1 betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer Flaschendichtung, D2 eine mit Bier befüllte Flasche, bei der eine Dichtung zwischen Verschluß und Flaschenkörper angebracht ist, und D3 ein Gebinde, das eine mit trinkbarem Material befüllte Flasche einschließt, bei der wie in D2 eine Dichtung vorliegt. Die jeweilige Dichtung, die die Flaschenöffnung bei moderatem Innendruck abdichtet, bei erhöhtem Innendruck aber als Sicherheitsventil wirkt, ist ein homogenes Blend von 20 bis 60 Gew.-% Butylkautschuk mit 40 bis 80. Gew.-% anderen thermoplastischen Polymeren (vgl. die jeweiligen Ansprüche 1).

Die Druckschriften geben mehrere Beispiele geeigneter thermoplastischer Polymeren an. So werden Polyethylen, und Ethylen-Copolymere mit Buten, Octen oder anderen "niedrigeren" Alkenen, Polypropylen, thermoplastische Kautschuke, Ethylen-Propylen-Copolymere, säure- modifizierte Ethylen-Propylen-Copolymere (EPM), Polybutadiene, Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR), carboxyliertes Styrol-Butadien, Polyisopren, Styrol- Isopren-Styrol-Blockcopolymere, Styrol-Butadien-Styrol- Blockcopolymere (SBS), Styrol-Ethylen-Butadien-Styrol- Blockcopolymere (SEBS), Polystyrol, Ethylen-Vinylacetat- Copolymere (EVA), Ethylen-(Meth-)Acrylat-Copolymere und Ethylen-Vinylalkohol-Copolymere als bevorzugte thermoplastische Materialien bezeichnet (D1: Seite 4, Zeilen 3 bis 8; D2: Seite 4, Zeile 57 bis Seite 5, Zeile 4; D3: Seite 3, Zeilen 52 bis 57).

Anschließend an diese Aufzählung werden in D1 Polyethylene als Bestandteile besonders bevorzugter Materialien bezeichnet. HDPE gibt gute Ergebnisse, insbesondere wenn es einen Schmelzflußindex (MFI) im Bereich von etwa 5 bis 30 ausweist. Die Verwendung von LDPE kann auch zufriedenstellend sein, wobei im allgemeinen dieses vorzugsweise höhere MFI-Werte, z. B. über 12, beispielsweise bis etwa 25 aufweisen soll, auch wenn LDPE-Sorten mit einem MFI unter 10 verwendet werden können.

Weiterhin werden Blends von "Butyl" mit Mischungen von einem Teil SBS mit 3 bis 8 Teilen Polyethylen, im allgemeinen LDPE, beschrieben, die besonders gute Ergebnisse zeitigen können, insbesondere wenn das LDPE einen relativ niedrigen MFI, typischerweise im Bereich von 5 bis 10, aufweist.

Auch werden gute Ergebnisse erzielt mit Blends mit Ethylen-Propylen-Kautschuken (EPM), insbesondere wenn es mit Mineralöl, im allgemeinen in einer Menge von 1 Teil Öl auf 1,5 bis 4 Teile EPM, abgemischt ist.

Blends von Polyethylen (üblicherweise LDPE), EVA und dem Butylkautschuk können ebenfalls eingesetzt werden, jedoch wird die Zusammensetzung im allgemeinen bevorzugt nur aus Polyethylen und Butylkautschuk hergestellt (D1: Seite 4, Zeilen 9 bis 21).

Die entsprechenden Passagen in D2 (Seite 5, Zeilen 5 bis 17) und D3 (Seite 3, Zeile 58 bis Seite 4, Zeile 10) unterscheiden sich von der zitierten Darstellung aus D1 nur in geringem Maße. So wird dort HDPE als im wesentlichen besser geeignet als LDPE bezeichnet, sein MFI solle typischerweise im Bereich von 5 bis 30 liegen, auch wenn höhere oder niedrigere Werte möglich sind.

Daran anschließend werden jeweils mehrere Vorgehensweisen zur Herstellung der Dichtungen und der Blends beschrieben. Besonders bevorzugt sei es, das in "EP 331 485" beschriebene Verfahren durchzuführen.

5.2. In den Beispielen der drei Druckschriften wurde eine Reihe verschiedener Blends auf ihre Eignung als Flaschendichtung in Kronenkorken (D2 und D3) untersucht (Messung der Durchlässigkeiten von Sauerstoff, 2,4,6-Trichloranisol oder p- Dichlorbenzol), bzw. auf ihre Eignung zur Herstellung solcher Flaschendichtungen (D1). Dabei wurden zwei verschiedene LDPE- Typen (als "PE1" und "PE2", bzw. "LDPE 1" und "LDPE 2" bezeichnet), drei HDPE-Sorten ("PE3", "PE4" und "HDPE"), verschiedene Isopren-Butylen-Copolymere ("BU1", "Butyl 1", "BU2", "Butyl 2" und "BU3"), drei EVA-Copolymere ("EVA1", "EVA2" und "EVA3"), SBS, SEBS, EPM und zum Vergleich auch ein kommerzielles Polyvinylchlorid-Plastisol ("PVC"), sowie Mineralöl eingesetzt.

So wurden binäre Blends aus jeweils einem LDPE oder einem HDPE und einem der Isopren-Butylen-Copolymeren hergestellt. Darüber hinaus wurde LDPE auch in binären Blends mit SBS bzw. mit EVA untersucht. Außerdem wurden einige ternäre Blends hergestellt, so einerseits aus HDPE mit einem Isopren-Butylen-Copolymer und SEBS, andererseits LDPE mit einem Isopren-Butylen-Copolymer und SBS oder EVA, bzw. LDPE mit zwei unterschiedlichen Isopren-Butylen-Copolymeren.

Daneben sind in D1 und D2 auch noch Blends aus EPM, Mineralöl und einem Isopren-Butylen-Copolymer sowie aus EPM und Mineralöl beschrieben worden.

Zum Vergleich wurden auch LDPE (D1, D2 and D3), EVA (D2, D3) und das PVC-Plastisol (D2) jeweils allein für sich untersucht.

In keiner der Druckschriften, insbesondere auch in keinem ihrer Beispiele, ist ein Hinweis auf irgendwelche weiteren Ingredienzien der Blends, z. B. von Gleitmittel, wie in Anspruch 1 des Hilfsantrags verlangt, zu entnehmen.

5.3. Im Hinblick auf den Verweis in jeder der drei Anmeldungen D1, D2 bzw. D3 auf die Druckschrift D5 haben die Parteien zum Offenbarungsgehalt der drei Anmeldungen unterschiedliche Positionen eingenommen. Dabei hat die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen durch Verweise auf die Rechtsprechung zu stützen gesucht. So gehöre die Zugabe konventioneller Additive, z. B. von Gleitmitteln, inhärent zur Offenbarung einer jeden der drei Anmeldungen und werde vom Fachmann bei deren Lektüre mitgelesen. Zudem gehöre wegen des Hinweises auf D5 deren Inhalt ohnehin zur Offenbarung von D1, D2 und D3. Diesem Vorbringen hat die Beschwerdegegnerin jedoch insgesamt widersprochen (vgl. die Abschnitte IIIb), IVb) und 5.1, letzter Satz, oben).

5.3.1. Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin zu, daß die Entgegenhaltungen im Lichte des allgemeinen Fachwissens zu lesen sind (vgl. T 288/90, oben). Jedoch stellt sich gerade im Hinblick auf die in jeder der Druckschriften D1 (Seite 2, Zeilen 5/6 und Zeile 58 bis Seite 3, Zeile 24), D2 (Seite 2, Zeilen 5 bis 12 und 21, Seite 3, Zeilen 9 bis 27) und D3 (Seite 2, Zeilen 28 bis 55) behandelten Probleme bezüglich Verunreinigung und Geschmacksveränderungen des Flascheninhalts durch die Kontamination mit schon geringsten Mengen von Fremdstoffen die Frage, ob und inwieweit in diesem Kontext in die offenbarten Zusammensetzungen einer jeden dieser Druckschriften unter Hinweis auf allgemeines Fachwissen der Zusatz weiterer Substanzen hineingelesen werden kann. Dies um so mehr, als, abgesehen von der einen Ausnahme des Zusatzes von Mineralöl zu EPM, keine der drei Entgegenhaltungen, sei es in der allgemeinen Beschreibung, sei es in den Beispielen, auch nur den geringsten Hinweis auf den Zusatz irgendwelcher Additive oder weiterer Komponenten enthält.

5.3.2. Daher kann sich die Kammer der seitens der Beschwerdeführerin unwidersprochen gebliebenen Darstellung der Beschwerdegegnerin nicht verschließen, daß ein solcher Zusatz gerade nicht zum Informationsgehalt von D1, D2 oder D3 gehört und folglich der beanspruchte Gegenstand "nicht unmittelbar und eindeutig und hinsichtlich aller seiner beanspruchten Merkmale in einem der Dokumente D1, D2 oder D3 offenbart ist".(Schriftsatz vom 10. Juli 2001, insbesondere Seiten 2 und 6, jeweils vorletzter Absatz).

5.3.3. Zur Unterstützung ihres Vorbringens hinsichtlich des Offenbarungsgehalts von D1, D2 und D3 zitierte die Beschwerdeführerin die Entscheidung T 124/87 (oben). Dort ging es darum, ob ein durch inhärente Merkmale (Monomerzusammensetzung, Dichte und Schmelzindex) gekennzeichnetes Copolymer bereits zum Stand der Technik gehörte, wenn sich das darin vorveröffentlichte Verfahren zugegebenermaßen zur Herstellung solcher Polymeren eignete, auch wenn die Beispiele der Entgegenhaltung keine Polymeren mit Merkmalen innerhalb der speziellen beanspruchten Bereiche offenbarten. Im vorliegenden Fall ist aber keiner der drei Entgegenhaltungen überhaupt ein Hinweis auf den Zusatz von Gleitmitteln zu entnehmen, vor allem nicht im Zusammenhang mit HDPE-haltigen Compounds.

5.3.4. Die Entscheidung T 666/89 befaßte sich damit, daß sich die Prüfung der Neuheit nicht nur auf bestimmte Teile, z. B. die Beispiele, einer Entgegenhaltung beschränken darf, sondern daß die gesamte Offenbarung der Entgegenhaltung berücksichtigt werden muß. Daher bleibt zu untersuchen, ob der von der Beschwerdeführerin zitierte Verweis auf D5 in jeder der drei Entgegenhaltungen einen Hinweis auf den Zusatz von Gleitmittel beinhaltet. In ihrem oben genannten Schriftsatz vom 10. Juli 2001 hat die Beschwerdegegnerin darauf hingewiesen, daß sich dieser Verweis ausschließlich auf das Verfahren von D5 beziehe, also nur einen Teil der Offenbarung von D5 (Seite 5, vorletzter Absatz), und deshalb auch nur dieses Verfahren den Entgegenhaltungen zugerechnet werden dürfe. Mit dieser Stellungnahme befindet sich die Beschwerdegegnerin im Einklang mit der Entscheidung T 153/85 (oben; Absatz 3 in Nummer 4.2 der Entscheidungsgründe und Leitsatz IV). Auch blieb dieses Vorbringen im weiteren Verfahren von seiten der Beschwerdeführerin unwidersprochen.

5.3.5. Es stellt sich also die Frage, welche Einzelheiten von D5 als Teil der Offenbarung in den Druckschriften D1, D2 und D3 zu betrachten sind.

In D5 werden Compounds aus thermoplastischem Polymermaterial zu geformten Artikeln verarbeitet, z. B. zu Dichtungen für Behälterverschlüssen (Spalte 2, Zeile 48). Hierbei wird gemäß dem kennzeichnenden Teil von Anspruch 1 dem Compound ein Schmelze-Trennmittel zugesetzt, welches eine Trennschicht auf den bei der Verarbeitung eingesetzten Schneide- und Transportwerkzeugen bildet und während des Verfahrens kontinuierlich ergänzt. In Spalte 5 (Zeilen 20 bis 44) werden die gleichen thermoplastischen Polymeren aufgezählt wie in den drei Druckschriften D1 bis D3, jedoch mit der Ausnahme, daß als mögliche Polyethylen- Typen nur LDPE und VLDPE genannt werden. Damit steht diese Druckschrift in Übereinstimmung mit dem im Streitpatent abgehandelten Stand der Technik (Seite 3, Zeilen 35 bis 44, bzw. in der A-Schrift: Seite 3, Zeilen 36 bis 45) vor dem Problem des Anklebens des zu verarbeitenden Materials an den Werkzeugen, zu dessen Lösung im Verfahren von D5 der Einsatz des Trennmittels dient.

Auf das Trennmittel wird in Spalte 3, Zeilen 46 bis 58, und Spalte 4, Zeilen 4 bis 61 näher eingegangen. Zum einen werden Fluorkohlenstoff- und Organosilicium- Polymere, d. h. Siloxane, und vor allem Fluorelastomere und Siloxan-Polymere empfohlen. Zum anderen können Silikonöle und sogar Kohlenwasserstofföle zusätzlich eingesetzt werden. So bringt die Mitverwendung von Silikonöl als sekundäres Trennmittel Vorteile, insbesondere durch den Aufbau einer Trennschicht beim anfänglichen Hochfahren der Vorrichtung.

Als weiteres wesentliches Merkmal dieses Verfahrens kann die einsetzbare Vorrichtung angesehen werden, die in Spalte 3, Zeilen 1 bis 45, näher erläutert wird.

Darüber hinaus wird in D5 auch auf Zusätze hingewiesen, die in Dichtungen aus thermoplastischem Material eingebracht werden können. So wird zwar beispielsweise auch auf Gleitmittel hingewiesen, aber auch deren fehlende Relevanz für das dort beanspruchte Verfahren und für das dort durch dieses Verfahren zu lösende Problem wegen ihrer zu langsamen Migration an die Oberfläche der Dichtung angesprochen (Spalte 3, Zeile 59 bis Spalte 4, Zeile 4).

Daher kann auch das Argument der Beschwerdeführerin, der Begriff Gleitmittel sei in den ursprünglichen Unterlagen des Streitpatents nicht nur auf "slip agent" bezogen gewesen, sondern habe auch andere "lubricants" wie Silikonöl eingeschlossen, nicht überzeugen. Dies bestätigen auch die folgenden Überlegungen: In D5 wird Silikonöl gleichwertig neben Kohlenwasserstoffölen, zu denen dort auch Mineral- oder Weißöle gezählt werden, als (sekundäres) Schmelze-Trennmittel genannt, das jedoch wegen häufig nicht optimaler Eigenschaften mit anderen Trennmitteln eingesetzt werden sollte, namentlich mit Fluorelastomer oder Siloxan (d. h. Organosilicium-Polymer) (D5: Spalte 4, Zeilen 30 bis 34 und 45 bis 61). Alle diese Verbindungen werden aber in D5 eindeutig nicht zu den Gleitmitteln gezählt. Zudem hat die Beschwerdegegnerin mit ihrem Versuchsbericht D4 gezeigt, daß z. B. Mineralöl, welches gemäß D5 nur als Trennmittel-Pendant zu Silikonöl sowie in den Entgegenhaltungen D1 bis D3 nur im Zusammenhang mit EPM genannt worden ist, nicht als Gleitmittel für Polyethylen-Blends wirksam ist. Diesen experimentellen Ergebnissen, die sich auch genau mit den Ausführungen im Brückenabsatz der Spalten 3 und 4 von D5 in Übereinstimmung befinden, ist nicht widersprochen worden. Nur das Argument der Patentinhaberin, Mineralöl sei kein Gleitmittel, wurde seitens der nunmehrigen Beschwerdeführerin, allerdings ohne nähere Erklärung oder Belege, in Abrede gestellt (Schreiben vom 22. September 2000: "The opponent disagrees with the patentee's argument that mineral oil is not a lubricant").

5.3.6. Aus all dem läßt sich nach Ansicht der Kammer nur der Schluß ziehen, daß der Zusatz von Gleitmittel nicht als Merkmal des Verfahrens von D5 angesehen werden kann, allenfalls als Option für ein danach herstellbares Produkt. Folglich kann im Hinblick auf den Wortlaut der Verweise in D1, D2 bzw. D3 auf das Verfahren von D5 ein solcher Zusatz nicht als Bestandteil der Offenbarungen dieser Druckschriften D1, D2 bzw. D3 anerkannt werden.

Folglich führt auch die Berücksichtigung des Verfahrens von D5 als Teil der Offenbarung der Entgegenhaltungen D1, D2 bzw. D3 nicht zu einer anderen Beurteilung als derjenigen, die in Abschnitt 5.3.2, oben, bereits dargelegt worden ist. Keine der Druckschriften D1, D2 oder D3 offenbart unmittelbar und eindeutig und hinsichtlich aller seiner beanspruchten Merkmale den beanspruchten Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag.

5.4. Nur am Rande sei noch vermerkt, daß die einzige Information über das Produkt Svelon 855 CSO (Abschnitt IIIa), oben), die der Kammer vorliegt, sich auf eine Zusammensetzung aus "jeweils mehr als 20 Gew.-% Butylgummi, Polyethylen hoher Dichte (HDPE) und Ethylen-Vinylacetat" bezieht (Anlage D8 zur Eingabe der Anmelderin vom 3. Dezember 1996; Seite 9, Absatz 1) und daher hinsichtlich des Hilfsantrags keine Rolle spielt.

5.5. Aus all dem folgt, daß der beanspruchte Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrags neu ist (Artikel 54 EPÜ).

6. Auch die Neuheit der in den unabhängigen Ansprüchen 11 und 14. beanspruchten Gegenstände sowie die der Ausführungsformen gemäß den abhängigen Ansprüchen 2 bis 10, 12 und 13, die sämtliche Merkmalen des in Anspruch 1 definierten Polymercompounds mit einschließen, wird durch die vorstehend wiedergegebenen Tatsachen und Feststellungen getragen. Diese Gegenstände und Ausführungsformen erfüllen demzufolge ebenfalls die Erfordernisse von Artikel 54 EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Der Hauptantrag wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer wird zurückgewiesen.

3. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben, die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent aufrechtzuerhalten auf der Basis des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Anspruches 1, der Ansprüche 2 bis 14 wie erteilt und einer noch daran anzupassenden Beschreibung.

Quick Navigation