European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2015:T164612.20150626 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 26 Juni 2015 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1646/12 | ||||||||
Anmeldenummer: | 03759917.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | B42D 15/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Schichtverbund für Sicherheitselement | ||||||||
Name des Anmelders: | Giesecke & Devrient GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Fedrigoni S.p.A. Hueck Folien GmbH |
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Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Auslegung von Ansprüchen Unzulässige Erweiterung (nein) Ausführbarkeit (ja) Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent
Nr. 1 515 857 zu widerrufen, Beschwerde eingelegt.
Mit den beiden Einsprüchen war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. 52 (1), 54(1)
und 56 EPÜ 1973, Artikel 100 b) und Artikel 100 c) EPÜ 1973 angegriffen worden.
Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, die Erfindung sei nicht ausführbar.
II. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten, hilfsweise das Patent in geändertem Umfang auf Grundlage der als Hilfsantrag 1 mit Schreiben vom 7. Februar 2012 oder der als Hilfsantrag 2 mit Schreiben vom 5. Juli 2013 eingereichten Ansprüche aufrechtzuerhalten. Hilfsweise
beantragte sie zudem, die Angelegenheit an die erste Instanz zur Diskussion der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit zurückzuverweisen.
Die Beschwerdegegnerinnen 1 und 2 (Einsprechende 1 und 2) beantragten, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte die Beschwerdegegnerin 2, die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur Diskussion der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit zurückzuverweisen, falls es zu einer Diskussion der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit kommen sollte.
III. Der erteilte Anspruch 1 hat den folgenden Wortlaut:
"Verfahren zur Herstellung eines Schichtverbunds (6) mit mindestens zwei registerhaltig zueinander angeordneten Sicherheitsmerkmalen, umfassend die folgenden Schritte:
- Bereitstellen einer ersten Trägerfolie (100) mit wenigstens einem ersten Sicherheitsmerkmal und ersten Registermarken,
- Bereitstellen einer zweiten Trägerfolie (200) mit wenigstens einem zweiten Sicherheitsmerkmal und zweiten Registermarke,
- Verbinden der ersten Trägerfolie mit der zweiten Trägerfolie, wobei wenigstens eine der beiden Trägerfolien unter Zugspannung gehalten wird und wobei die zweite oder gegebenenfalls die erste Trägerfolie in Trägerfolienlängs- und querrichtung anhand der ersten und zweiten Registermarken derart gesteuert wird, dass ein Schichtverbund entsteht, in dem die ersten und zweiten Sicherheitsmerkmale eine registerhaltige Anordnung zueinander einnehmen, wobei die Steuerung der zweiten Trägerfolie (200) oder gegebenenfalls der ersten Trägerfolie (100) durch Dehnung der Trägerfolie in Trägerfolienlängsrichtung erfolgt."
IV. Die Beschwerdeführerin hat Folgendes zum Hauptantrag vorgetragen:
a) Unzulässige Erweiterung
Der Einwand gemäß Artikel 100 c) EPÜ gehe ins Leere, da die Begriffe "registerhaltig" und "registergenau" synonym wären.
b) Ausführbarkeit
Das Merkmal "wobei die Steuerung der zweiten Trägerfolie (200) oder gegebenenfalls der ersten Trägerfolie (100) durch Dehnung der Trägerfolie in Trägerfolienlängsrichtung erfolgt" sei von der Einspruchsabteilung zu Unrecht so ausgelegt worden, dass die Steuerung lediglich durch diese Dehnung erfolgt. Die Einspruchsabteilung hätte gemäß Artikel 69 (1) Satz 2 EPÜ die Beschreibung zur Auslegung des Anspruchs heranziehen müssen. Der Hinweis der Einspruchsabteilung auf den Satz der Beschreibung "Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß mit den Merkmalen der nebengeordneten Ansprüche gelöst" (Anmeldung, Seite 5, Zeilen 4 bis 5) sei nicht geeignet, den Inhalt des Anspruchs in irgendeiner Weise zu erläutern. Anstatt den Anspruch im Lichte der Beschreibung sinnvoll auszulegen, habe die Einspruchsabteilung ihr Verständnis des Anspruchs als axiomatisch richtig vorausgesetzt. Ihre Auslegung führe dazu, dass sowohl die Ansprüche als auch die Beschreibung unlogisch seien und keinen Sinn ergeben, was im Widerspruch zur Rechtsprechung steht. Richtig verstanden, sei der Gegenstand der Ansprüche ausführbar.
Artikel 69 (1) EPÜ werde hier nicht zur Auslegung der Ansprüche im Hinblick auf Neuheit oder erfinderische Tätigkeit, sondern in Hinsicht auf ihre Ausführbarkeit bzw. Klarheit herangezogen, was gemäß der Entscheidung
T 1808/06 zulässig sei.
Im Gegensatz zur vorläufigen Meinung der Beschwerdekammer, wie sie im Ladungszusatz zum Ausdruck kommt, sei ein Anspruch nicht nur dann im Kontext der Beschreibung auszulegen, wenn er unklar ist, sondern grundsätzlich immer, insbesondere weil die Anmeldung die verwendeten Begriffe definieren könne.
Das Merkmal, dem zufolge die zweite Trägerfolie anhand der Registermarken gesteuert wird, sei so zu verstehen, dass die Folie in zwei Richtungen verschoben werde (noch ohne jede Dehnung), bis eine Registerhaltigkeit hergestellt sei. Das zweite Merkmal führe die Steuerung durch Dehnen ein. Es sei nicht möglich, die Registerhaltigkeit lediglich durch die Dehnung der zweiten Folie zu erreichen; deshalb scheide eine solche Auslegung als technisch nicht sinnvoll aus. Das Merkmal "wobei die Steuerung ..." sei zu verstehen, dass die zweite Folie bei dieser Steuerung gedehnt werde. Das schließe nicht aus, dass auch noch andere Dinge passieren, z.B. dass die Folien richtig übereinandergelegt werden. Eine andere Auslegung würde der Beschreibung widersprechen und die Ansprüche 5 und 6 sinnlos machen.
Der Einwand der Einsprechenden 2, die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene Auslegung des Anspruchs 1 führe zu einem Mangel an Rechtssicherheit, sei nicht zutreffend, da alle wesentlichen Merkmale im Anspruch 1 angeführt seien und gemeinsam den Schutzbereich definierten.
Sogar eine enge Auslegung des Anspruchs würde nicht zur Unausführbarkeit der Erfindung führen, da für schmale Folien keine Dehnung in Querrichtung erforderlich sei.
V. Die Beschwerdegegnerinnen haben Folgendes zum Hauptantrag vorgetragen:
a) Unzulässige Erweiterung
Anspruch 1 sei unzulässig erweitert worden, da das Merkmal, dem zufolge die Sicherheitsmerkmale zueinander eine registerhaltige Anordnung einnehmen in der ursprünglichen Anmeldung nicht unmittelbar und eindeutig offenbart sei. Das Merkmal sei in unzulässiger Weise aus dem ursprünglichen Zusammenhang isoliert worden.
b) Ausführbarkeit
Der ursprüngliche Anspruch 1 sei klar und verlange, dass die Registerhaltigkeit durch eine Steuerung der Trägerfolie in Längs- und Querrichtung erreicht werde. Der ursprüngliche abhängige Anspruch 2 beziehe sich auf "die Steuerung", die im Anspruch 1 erwähnt sei.
Aus dem erteilten Anspruch 1, der die ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 kombiniert, erfahre der Fachmann, dass es möglich sei, mit einer Dehnung einer der beiden Trägerfolien in Längsrichtung eine Registerhaltigkeit in Längs- und Querrichtung zu erreichen.
Der Fachmann frage sich, wie das geschehen solle und würde daher die Beschreibung heranziehen. Dabei würde er folgende Feststellungen machen:
- Absatz [0021] der Patentschrift offenbart, dass "[d]ie Steuerung der zweiten Trägerfolie in Folienlängsrichtung ... durch Dehnung ... in Folienlängsrichtung" erfolgt. Die Absätze [0022] und [0023] offenbaren drei Alternativen hierzu. Der Absatz [0029] beschreibe dies näher im Rahmen des Ausführungsbeispiels.
- Die Steuerung in Querrichtung werde in den Absätzen [0024] und [0033] behandelt. Im Falle breiter Folien sei die Registerhaltigkeit an den Folienrändern problematisch. Anspruch 1 sage aber gerade das Gegenteil, nämlich dass durch die Dehnung in Längsrichtung die Breitenabweichung korrigiert werden könne. Gemäß Absatz [0033] könne die Breite der zweiten Folie durch die Längsdehnung sogar zunehmen. Der Fachmann stehe nun vor der Frage, wie er in Längsrichtung ziehen müsse, um die Registerhaltigkeit in beiden Richtungen zu erreichen.
Die Beschreibung offenbare daher lediglich, dass eine Steuerung der Folienlängsrichtung durch eine Dehnung in Folienlängsrichtung erfolgt, und dass eine Steuerung in Querrichtung durch eine Dehnung in Querrichtung erwirkt wird. Hingegen stehe im erteilten Anspruch 1, dass die Steuerung der Trägerfolie in Längs- und Querrichtung durch Dehnung der Folie in Längsrichtung erfolgen kann. Dies lasse sich dadurch verstehen, dass im Erteilungsverfahren durch mangelnde Sorgfalt ein aliud geschaffen worden sei, also ein Gegenstand, der im Streitpatent nicht so ausführlich dargelegt ist, dass er ausführbar wäre.
Bezüglich der Ansprüche 5 und 6 sei anzumerken, dass durch die Kombination von höherrangigen Ansprüchen im Hinblick auf davon abhängige Ansprüche Gegenstände geschaffen werden können, die ursprünglich nicht beabsichtigt waren. Dies sei aus Absatz [0015] und [0021] der Beschreibung ersichtlich. Aus unbekannten Gründen habe die Steuerung in Längsrichtung keinen Niederschlag in Anspruch 2 gefunden. Dies ließe sich nicht nachträglich durch Auslegung korrigieren.
Artikel 69 (1) EPÜ beziehe sich auf den Schutzbereich des Patents. Die Einspruchsabteilung habe den Anspruch richtig verstanden und nicht in unlogischer Weise ausgelegt. Der Anspruch enthalte eine klare technische Lehre und sei zumindest nicht über den gesamten beanspruchten Bereich ausführbar.
Entscheidungsgründe
1. Die Anmeldung, auf der das Streitpatent beruht, wurde am 6. Juni 2003 eingereicht. Deshalb ist im vorliegenden Fall in Anwendung von Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (Sonderausgabe Nr. 4, ABl. EPA 2007, 217) und des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (Sonderausgabe Nr. 4 ABl. EPA 2007, 219) der Artikel 100 EPÜ 1973 anzuwenden.
2. Auslegungsfragen
2.1 Grundsätzliches
Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, die Einspruchsabteilung hätte die Beschreibung unbedingt zur Auslegung des Anspruchs 1 heranziehen müssen und hat in diesem Zusammenhang auf Artikel 69 (1) Satz 2 EPÜ hingewiesen.
Die Beschwerdekammern haben wiederholt darauf hingewiesen, dass Artikel 69 (1) EPÜ nur den Schutzbereich des Patents betreffe, der wiederum nur im Zusammenhang mit der Prüfung in Hinblick auf die Erfordernisse von Artikel 123 (3) EPÜ und in Verletzungsverfahren vor nationalen Gerichten von Bedeutung sei (siehe "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA", 7. Auflage, 2013, II.A.6.3.2). Ein allgemeines Gebot der Auslegung der Ansprüche unter Heranziehung der Beschreibung lässt sich aus Artikel 69 (1) EPÜ nicht herleiten.
Die von der Beschwerdeführerin zitierte Entscheidung T 1808/06 enthält ein obiter dictum, dem zufolge in Situationen, in denen es aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht möglich ist, Unstimmigkeiten zwischen Beschreibung und Ansprüchen mit Berufung auf Artikel 84 EPÜ 1973 zu beseitigen, die Ansprüche hilfsweise ("purely as an auxiliary construction") unter Zuhilfenahme von Artikel 69 (1) EPÜ 1973 ausgelegt werden können (siehe Punkt 2 der Entscheidungsgründe). Diese Entscheidung befasste sich aber mit der Anpassung der Beschreibung und hat keinen direkten Bezug zu den Fragen, mit denen die Kammer im gegenwärtigen Fall befasst ist.
Dessen ungeachtet sind die Ansprüche eines Patents Texte, deren Auslegung den allgemeinen Grundsätzen zur Auslegung von Texten unterliegt. Zu diesen Grundsätzen gehört auch, dass ein Begriff bzw. ein Textbestandteil nur im Kontext ausgelegt werden kann. Auf Patente angewandt bedeutet dies, dass Begriffe eines Anspruchs bzw. der Anspruchswortlaut als solcher kontextuell, d.h. im Gesamtzusammenhang des Anspruchssatzes bzw. der Beschreibung auszulegen sind. Sie können daher in der Regel nicht völlig losgelöst von der Beschreibung betrachtet werden.
In diesem Zusammenhang gilt es zwei Extreme zu meiden. Zum einen ist es nicht zulässig, die Ansprüche und die Beschreibung gewissermaßen als kommunizierende Gefäße zu betrachten, zum Beispiel, indem man einschränkende Merkmale, die zwar in der Beschreibung beschrieben sind, aber nicht in den Ansprüchen, in letztere hineinliest (siehe dazu "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA", 7. Auflage, 2013, II.A.6.3.4). Eine solche Übertragung von einschränkenden Merkmalen kann nicht durch Auslegung, sondern nur durch eine Änderung der Ansprüche erreicht werden. Zum anderen kann man den Anspruch auch nicht als von der Beschreibung völlig getrennt betrachten. Der Fachmann, der einen Anspruch auslegt, muss sich zumindest vergewissern, ob die Ausdrücke des Anspruchs ihrem üblichen Wortsinn nach zu verstehen sind oder ob die Beschreibung für diese Ausdrücke eine besondere Bedeutung definiert. Auch bei unklaren Ansprüchen kommt der Fachmann nicht umhin, in den restlichen Ansprüchen, aber auch in der Beschreibung und ggf. in den Figuren nach Elementen zu suchen, die zu einer Klärung beitragen können (siehe dazu "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA", op.cit., II.A.6.3.3). Es ist also innerhalb gewisser Grenzen zulässig, und unter Umständen sogar notwendig, die Beschreibung bei der Auslegung der Ansprüche heranzuziehen; einer Berufung auf Artikel 69 (1) EPÜ bedarf es dazu nicht.
2.2 "registerhaltig"
Es handelt sich um einen dem Fachmann geläufigen typographischen Terminus für Zeichen oder Zeilen, die auf der Vorder- und Rückseite eines Druckerzeugnisses deckungsgleich sind. Unter einer registerhaltigen Anordnung der Sicherheitsmerkmale im Sinne des Anspruchs 1 ist daher eine Anordnung zu verstehen, in der die Sicherheitsmerkmale der ersten und zweiten Trägerfolie deckungsgleich sind.
Der ebenfalls in der ursprünglichen Anmeldung verwendete Ausdruck "registergenau" bringt dieselbe Idee zum Ausdruck. Die Kammer schließt sich deshalb der Auffassung der Einspruchsabteilung an, dass die beiden Ausdrücke "registerhaltig" und "registergenau" synonym sind.
2.3 "steuern"
Der Begriff des Steuerns wird weder in den Ansprüchen noch in der Beschreibung definiert; seine Bedeutung ist deshalb aus dem eigentlichen Wortsinn und dem Zusammenhang zu bestimmen.
Laut Duden hat das Wort "steuern" in der Technik die Bedeutung von " für einen bestimmten Ablauf, Vorgang sorgen; so beeinflussen, ... dass etwas in beabsichtigter Weise abläuft, vor sich geht, lenken".
Im Verfahren gemäß Anspruch 1 wird eine der Trägerfolien in gewissen Richtungen gesteuert, und zwar so, dass die Sicherheitsmerkmale der beiden Trägerfolien in einer gewünschten Anordnung zueinander stehen. Die Steuerung der Trägerfolie wird insbesondere durch eine Dehnung der Trägerfolie erreicht. Gesteuert wird also die relative Position und Erstreckung der einen Trägerfolie in Bezug auf die andere.
2.4 "Steuerung ... durch Dehnung der Trägerfolie in Trägerfolienlängsrichtung ..."
Im erteilten Anspruch 1 wird eine der beiden Folien "in Trägerfolienlängs- und querrichtung anhand der ersten und zweiten Registermarken derart gesteuert ..., dass ein Schichtverbund entsteht, in dem die ersten und zweiten Sicherheitsmerkmale eine registerhaltige Anordnung zueinander einnehmen". Das letzte Merkmal fügt hinzu, dass "die Steuerung der ... Trägerfolie ... durch Dehnung der Trägerfolie in Trägerfolienlängsrichtung erfolgt."
Es ist strittig, wie diese Aussagen zur Steuerung zu verstehen sind. Die divergierenden Auslegungen fußen in einem Klarheitsmangel des Anspruchs, der einerseits von einer Steuerung "in Trägerfolienlängs- und querrichtung" spricht, dann aber "die Steuerung" durch eine Dehnung "in Trägerfolienlängsrichtung" charakterisiert. Der Fachmann würde sich angesichts dieses Anspruchswortlauts die Frage stellen, ob tatsächlich eine Steuerung in beiden Richtungen mit einer Dehnung in einer Richtung beabsichtigt ist, und ob auf diese Art und Weise überhaupt Registerhaltigkeit erreicht werden kann.
Deshalb würde der Fachmann die restliche Anmeldung heranziehen, um diese Frage zu klären.
Die Anmeldung als solche enthält allerdings keinen Hinweis darauf, dass es möglich wäre, eine Steuerung in Längs- und Querrichtung durch eine Dehnung nur in Längsrichtung zu erreichen. Die Anmeldung lehrt vielmehr, dass eine Zuggruppe, die dazu dient, die Abweichungen der Folienbreite in Querrichtung zu korrigieren, "bei der Verarbeitung von Folien in Faden- oder Streifenbreiten nicht notwendig [ist], da die Breitenschwankung minimal ist" (Seite 12, Zeilen 1-2, siehe auch Absatz [0033] der Patentschrift), dass aber im Falle breiter Folien die Breitenschwankungen nicht mehr vernachlässigt werden können, was den Einsatz von Zuggruppen zur Dehnung in Querrichtung erforderlich macht (Seite 12, Zeilen 2-16).
Diese Lehre findet ihren Ausdruck auch in der Struktur der Ansprüche sowohl der ursprünglichen Anmeldung als auch des Streitpatents. Die Ansprüche 5 und 6 des Streitpatents (Ansprüche 6 und 7 der Anmeldung) beschreiben den Einsatz von Zuggruppen zum Verbinden der Trägerfolien bezüglich ihrer Längskanten, also eine Dehnung in Querrichtung. Dies widerspricht einer engen Auslegung von Anspruch 1, der zufolge Anspruch 1 fordern würde, dass die Dehnung lediglich in Längsrichtung erfolgt.
Die Kammer sieht in der Struktur der Ansprüche keinen Hinweis auf Kombinationen, die infolge der Verschmelzung der ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 zu nicht ursprünglich vorhergesehenen Gegenständen geführt hätten, da der ursprüngliche Anspruch 6 von den damaligen Ansprüchen 1 bis 5 - und daher auch vom Anspruch 2 - abhängig war. Hätte die Anmelderin die abhängigen Ansprüche 2 und 6 als unvereinbare Alternativen der Steuerung angesehen, hätte sie Anspruch 6 nicht auf Anspruch 2 rückbezogen.
Der Fachmann würde angesichts dieser Elemente der ursprünglichen Anmeldung verstehen, dass der erteilte Anspruch 1 kein aliud darstellt, sondern so verstanden werden sollte, dass die Folie sowohl in Längs- als auch in Querrichtung gesteuert wird, wobei für die Steuerung in Längsrichtung notwendigerweise eine Dehnung in Längsrichtung stattfindet. Zur Steuerung in Querrichtung macht der Anspruch keine weiteren Angaben. Eine Dehnung, wie sie in Anspruch 5 vorgesehen ist, schließt er nicht aus.
In der Zusammenschau ergibt sich für den Fachmann also, dass die Steuerung der Trägerfolie immer auch durch Dehnung der Folie in Längsrichtung erfolgt, aber nicht notwendigerweise nur durch eine solche Dehnung.
Die Einspruchsabteilung hat ihre enge Auslegung auch auf den formalen Satz der Beschreibung "Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß mit den Merkmalen der nebengeordneten Ansprüche gelöst" gestützt. Dieser Satz hat aber nur zum Ziel, eine explizite Wiederholung des Anspruchswortlauts in der Beschreibung zu vermeiden und stellt deshalb für den Fachmann keine Hilfe bei der Auslegung von Anspruch 1 dar.
Die Tatsache, dass die Absätze [0028] und [0029] der Patentschrift nur Fälle ins Auge fassen, in denen die Dehnung ausschließlich in Längsrichtung erfolgt, ist nicht entscheidend, da die ursprüngliche Anmeldung offenbart, dass bei Folien in Faden- oder Streifenbreite nur minimale Breitenschwankungen auftreten, die vernachlässigbar sind (Anmeldung, Seite 11, Zeile 24 bis Seite 12, Zeile 2), weshalb es nicht in allen Fällen erforderlich ist, Zuggruppen zur Dehnung der Folie in Querrichtung vorzusehen. Es ist also nicht überraschend, dass Teile der Beschreibung sich auf die Längsdehnung konzentrieren und die Möglichkeit einer Querdehnung außer Acht lassen.
3. Unzulässige Erweiterung
Im ursprünglichen Anspruch 1 war die "gleichmäßige Anordnung" der Sicherheitselemente zueinander beansprucht. Dieses Merkmal wurde im Prüfungsverfahren dahingehend verändert, dass die Anordnung "registerhaltig" zu sein hat.
Die ursprüngliche Anmeldung (siehe z.B. Seite 5, Zeilen 8 bis 15) betrifft einen Schichtverbund, dessen Folien registergenau (d.h. registerhaltig) verbunden sind. Dies wird mittels einer bestimmten Steuerung der Folien zueinander erreicht. Das Ziel der "registerhaltigen Anordnung" ist daher für den Fachmann in der ursprünglichen Anmeldung unmittelbar und eindeutig offenbart.
Das Argument, das Merkmal sei in unzulässiger Weise aus dem Zusammenhang gelöst, überzeugt die Kammer nicht, da die Absicht, eine registerhaltige Anordnung zu erreichen, aus der gesamten ursprünglichen Anmeldung klar hervorgeht. Es ist für die Kammer nicht ersichtlich, warum die Offenbarung der Seite 5, Zeilen 15 bis 23, den Fachmann zum Verständnis führen würde, dass dieses Ziel nur mittels gewisser Merkmale, die damit untrennbar verbunden sind, die aber im Anspruch 1 nicht aufscheinen, erreicht werden kann. Die zitierte Passage verlangt nur, dass eine der beiden Folien unter einer vorgegebenen Spannung gehalten und dass die andere in Längsrichtung gesteuert wird. Diese Merkmale finden sich auch im Anspruch 1 wieder.
Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ 1973 steht der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen.
4. Ausführbarkeit
Nach Ansicht der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerinnen offenbart das europäische Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Dieser Befund beruht im wesentlichen auf der Auslegung des Anspruchs 1, der zufolge die Steuerung einer Folie lediglich durch Dehnung der Folie in Längsrichtung erfolgt.
Wie schon oben erläutert (siehe Punkt 2.42.4 ), ist die Kammer zu einem anderen Verständnis des Anspruchs gelangt. Sie legt den Anspruch so aus, dass die Steuerung der Trägerfolie immer auch durch Dehnung der Folie in Längsrichtung, aber nicht notwendigerweise nur durch eine solche Dehnung erfolgt.
Die ursprüngliche Anmeldung offenbart mindestens zwei Ausführungsformen der Erfindung. Die Einspruchsabteilung war der Ansicht, dass keine dieser Ausführungsformen unter den erteilten Anspruch 1 fielen. Sie hat dazu ausgeführt, die Ausführungsform mit Folien "in Faden- oder Streifenbreiten" sei vom Anspruch nicht umfasst, da hier keine Steuerung in Querrichtung notwendig sei, obwohl Anspruch 1 klar eine Steuerung in Querrichtung vorschreibe. Dieses Argument überzeugt die Kammer nicht, da in diesem Fall keine Dehnung in Querrichtung erforderlich ist. Die Steuerung "in Längs-und Querrichtung" kann sich daher auf Translationen bzw. Längsdehnungen beschränken.
Das Argument, die Ausführungsform mit den "Expanderbreitstreckwalzen" sei nicht umfasst, da die Steuerung in Querrichtung nicht durch eine Längendehnung erfolge, ist untrennbar mit der engen Auslegung des Anspruchs durch die Einspruchsabteilung verbunden. Wie schon erklärt (siehe Punkt 2.42.4 ), ist die Kammer zu einem anderen Verständnis des Anspruchs gelangt.
Die beiden Ausführungsbeispiele werden also vom erteilten Anspruch 1 umfasst und erlauben dem Fachmann, die Erfindung auszuführen, und zwar über den gesamten beanspruchten Bereich. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, festzustellen, dass die Frage, ob eine Erfindung ausreichend offenbart ist, anhand des Gesamtinhalts der Patentanmeldung, also unter Berücksichtigung der Beschreibung und der Zeichnungen, zu beantworten ist (siehe dazu "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA", op.cit., II.C.2). Der Fachmann, der versucht, Registerhaltigkeit für breite Folien zu erreichen, könnte angesichts des Anspruchswortlauts versuchen, sich auf eine Dehnung in Längsrichtung zu beschränken, würde dann aber in der Regel feststellen, dass damit eine zufriedenstellende Registerhaltigkeit nicht erreicht werden kann. Dies macht die Erfindung aber nicht unausführbar, denn die Beschreibung des Streitpatents beschreibt ja gerade diesen Fall und offenbart, dass es im Falle breiter Folien notwendig sein kann, die Folie auch in Querrichtung zu dehnen. Daher würde der Fachmann befähigt, auch in diesem Fall die Erfindung auszuführen.
Der Gegenstand ist also im gesamten beanspruchten Bereich ausführbar. Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ 1973 steht daher der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen.
5. Patentierbarkeit
Die Einspruchsabteilung hat Anspruch 1 nur in Hinblick auf die Erfordernisse der Artikel 100 b) und c) EPÜ 1973 geprüft. Ob der Anspruch 1 neu bzw. erfinderisch ist, wurde bislang noch nicht untersucht.
Die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin 2 haben in diesem Zusammenhang eine Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung beantragt. Die Beschwerdegegnerin 1 hat keine Einwände dagegen geäußert.
Die Kammer hat deshalb beschlossen, von ihrer Befugnis gemäß Artikel 111 (1) EPÜ 1973 Gebrauch zu machen und die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
Der Prüfung der Patentierbarkeit ist die unter Punkt 2.42.4 dargelegte Auslegung von Anspruch 1 zugrunde zu legen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.