European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2022:T093519.20220524 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 24 Mai 2022 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0935/19 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06742996.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61K 47/02 A61K 47/12 A61K 9/00 A61K 31/7088 A61K 47/48 C12N 15/87 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
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Bezeichnung der Anmeldung: | OPTIMIERTE INJEKTIONSFORMULIERUNG FÜR MRNA | ||||||||
Name des Anmelders: | CureVac AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | eTheRNA Immunotherapies NV Weinzierl, Gerhard |
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Kammer: | 3.3.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Spät eingereichte Beweismittel - Zulassung im Beschwerdeverfahren Änderung des Beschwerdevorbringens - Zulassung im Beschwerdeverfahren Spät eingereichter Antrag - eingereicht in der mündlichen Verhandlung Spät eingereichter Antrag - außergewöhnliche Umstände (ja) Änderungen - zulässig (ja) Ausreichende Offenbarung - (ja) Priorität - (ja) Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das Europäische Patent Nr. 1 881 847 wurde mit 18 Ansprüchen erteilt. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 11 des Patents lauteten wie folgt:
"1. Verwendung von mRNA und einem wässrigen Injektionspuffer, der ein Natriumsalz, ein Calciumsalz und ein Kaliumsalz enthält, zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung und/oder Prophylaxe von Krebs- bzw. Tumorerkrankungen, Allergien, Autoimmunerkrankungen, viralen und/oder bakteriellen Infektionen, zur Vakzinierung, insbesondere anti-viralen Vakzinierung, oder zur Gentherapie, wobei das Arzneimittel eine mRNA-Injektionslösung zur Steigerung des mRNA-Transfers und/oder der mRNA-Translation in einen/einem Wirtsorganismus enthält und die mRNA-Injektionslösung intradermal, intraepithelial, intraperitoneal oder intranodal verabreicht wird."
"11. mRNA-Injektionslösung zur Steigerung des mRNA-Transfers und/oder der mRNA-Translation in einen/einem Wirtsorganismus, enthaltend mRNA und einen Injektionspuffer, der ein Natriumsalz, ein Calciumsalz und ein Kaliumsalz enthält, zur Verwendung in der Behandlung und/oder Prophylaxe von Krebs- bzw. Tumorerkrankungen, Allergien, Autoimmunerkrankungen, viralen und/oder bakteriellen Infektionen, Vakzinierung, insbesondere zur antiviralen Vakzinierung, oder zur Gentherapie, wobei die mRNA-Injektionslösung intradermal, intraepithelial, intraperitoneal oder intranodal verabreicht wird."
II. Gegen die Erteilung des Patents wurde Einspruch eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden fehlende Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ), unzureichende Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ) sowie unzulässige Erweiterung des Inhalts (Artikel 100 c) EPÜ) angeführt.
III. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass das Patent in geändertem Umfang die Erfordernisse des EPÜ erfüllt. Dieser Entscheidung lag ein während der mündlichen Verhandlung am 29. November 2018 eingereichter Hauptantrag zugrunde.
IV. Folgende Dokumente wurden inter alia in der Entscheidung der Einspruchsabteilung zitiert:
D1: DE 102004035227 A1
D2: WO 2006/008154 A1
D3: Kübler et al., 2015, Journal of ImmunoTherapy of Cancer 3:26
D5: Brostrom et al., 1983, The Journal of Biological Chemistry, Vol. 258, No 23, 14390-14399
D6: Chin et al., 1987, The Journal of Biological Chemistry, Vol. 262, No 34, 16509-16514
D7: Brostrom et al., 1990, Ann. Rev. Physiol., 52, 577-590
D8: Probst et al., 2007, Gene Therapy, 14, 1175-1180
D12: Chen et al., 1987, Molecular and Cellular Biology, 2745-2752
D13: De Lucca et al., 2001, Molecular and Cellular Biochemistry, 228: 9-14
D14: Kleinschmidt et al., 1990, PNAS Biochemistry, Vol. 87, 1283-1287
D17: US 2005/0059624 A1
D20: Brand et al., 1998, AIDS Research and Human Retroviruses, Vol. 14, No 15, 1369-1377
D21: Sigma Katalog für Biochemikalien und Reagenzien für die Life Science-Forschung, 2000-2001, p 1710
D24: US 5 766 903
D29: DE 102005023170 A1
D31: Rausch et al., 2014, Human Vaccines & Immunotherapeutics, 10:11, 3146-3152
D32: Alberer et al., www.thelancet.com, Published online July 25, 2017, http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(17)31665-3
D33: Hoerr et al., Eur. J. Immunol., 2000, 30:1-7
V. Die Einspruchsabteilung führte in ihrer Entscheidung insbesondere Folgendes aus:
a) Das innerhalb der Frist nach Regel 116 EPÜ eingereichte Dokument D32 wurde nicht in das Verfahren zugelassen.
b) Der Hauptantrag erfülle die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ. Insbesondere sei eine aus der beanspruchten mRNA und Injektionspuffer bestehende Injektionslösung in Kombination mit deren Verwendung für die beanspruchten Behandlungen in der ursprünglichen Anmeldung offenbart.
c) Der Hauptantrag genüge den Erfordernissen des Artikels 83 EPÜ. Die Beispiele und Abbildungen des Streitpatents belegten die vorteilhafte Wirkung des beanspruchten Injektionspuffers auf den Transfer und die Translation einer darin gelösten mRNA. Es wurden ferner keine ernsthaften durch nachprüfbare Fakten erhärteten Zweifel an der Ausführbarkeit vorgebracht.
d) Der Hauptantrag erfülle die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ. D1 offenbare nicht den vorliegenden Gegenstand, so dass die beanspruchte Priorität (D29) gültig und D1 für die Beurteilung der Neuheit nicht relevant sei. D2 sei folglich nicht neuheitsschädlich oder kein relevanter Stand der Technik. Ausgehend von D24 müsse eine mehrfache Auswahl getroffen werden, um zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen.
e) Der nächstliegende Stand der Technik sei D17. Die Steigerung der mRNA-Translationseffizienz werde in D17 durch eine Modifizierung der mRNA erzielt, während die besagte Steigerung gemäß vorliegendem Hauptantrag durch die Anwesenheit von Natrium-, Calcium- und Kaliumsalzen erzielt werde. Die dem Hauptantrag zugrundeliegende Aufgabe liege folglich in der Bereitstellung einer alternativen Lösung zur mRNA-Expressionssteigerung. Weder D17 noch die anderen zitierten Dokumente ließen vermuten, dass die Wahl eines Calcium-Ione enthaltenden Injektionspuffers für die Translation der darin gelösten mRNA entscheidend sein konnte. Der Gegenstand der Ansprüche des Hauptantrags sei somit erfinderisch.
VI. Die Einsprechenden 1 und 2 (Beschwerdeführerin 1 und Beschwerdeführer 2) legten Beschwerde gegen die obige Entscheidung ein.
VII. Mit der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdegegnerin einen Hauptantrag, wobei dessen Ansprüche denen des während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten Hauptantrags entsprachen, sowie 10 Hilfsanträge (Hilfsanträge 1-10) ein.
VIII. In ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 14. Dezember 2021 teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung mit. Insbesondere erhob die Kammer einen neuen Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ gegenüber Anspruch 9 des damaligen Hauptantrags aufgrund der Streichung des Wortes "wässrigen".
IX. Mit Schreiben vom 17. Januar 2022 reichte die Beschwerdegegnerin 10 weitere Hilfsanträge (Hilfsanträge 11-20) ein. Während der mündlichen Verhandlung am 24. Mai 2022 reichte sie einen neuen Hauptantrag ein.
X. Die unabhängigen Ansprüche des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrags lauten:
"1. Verwendung von mRNA und einem wässrigen Injektionspuffer, der ein Natriumsalz, ein Calciumsalz und ein Kaliumsalz enthält, zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung und/oder Prophylaxe von Krebs- bzw. Tumorerkrankungen, Allergien, Autoimmunerkrankungen, viralen und/oder bakteriellen Infektionen, zur Gentherapie oder zur Vakzinierung, insbesondere anti-viralen Vakzinierung, zur Prävention der vorstehend genannten Erkrankungen, wobei das Arzneimittel eine mRNA-Injektionslösung zur Steigerung des mRNA-Transfers und/oder der mRNA-Translation in einen/einem Wirtsorganismus enthält und die mRNA-Injektionslösung intradermal, intraepithelial, intraperitoneal oder intranodal verabreicht wird."
"9. mRNA-Injektionslösung zur Steigerung des mRNA-Transfers und/oder der mRNA-Translation in einen/einem Wirtsorganismus, enthaltend mRNA und einen wässrigen Injektionspuffer, der ein Natriumsalz, ein Calciumsalz und ein Kaliumsalz enthält, zur Verwendung in der Behandlung und/oder Prophylaxe von Krebs- bzw. Tumorerkrankungen, Allergien, Autoimmunerkrankungen, viralen und/oder bakteriellen Infektionen, zur Gentherapie oder zur Vakzinierung, insbesondere zur antiviralen Vakzinierung, zur Prävention der vorstehend genannten Erkrankungen, wobei die mRNA-Injektionslösung intradermal,intraepithelial, intraperitoneal oder intranodal verabreicht wird."
XI. Folgende für die Entscheidung relevanten Beweismittel wurden von den Parteien im Laufe des Beschwerdeverfahrens eingereicht:
a) Seitens der Beschwerdeführerin 1 mit der Beschwerdebegründung eingeführtes Beweismittel:
D35: Forg et al., 1998, Gene Therapy, 5, 789-797
b) Seitens des Beschwerdeführers 2 mit der Beschwerdebegründung (D36b, D37 und D38) bzw. am 23. März 2022 (D44 bis D47) eingeführte Beweismittel:
D36b: Kariko et al., 2001, Journal of Neuroscience Methods, 105, 77-86
D37: Sigma-Aldrich: Product Information for Dulbecco's Modified Eagle's Medium (DME)
D38: Williams et al., 1999, Anesth Analg, 88, 999-1003
D44: Eriksson et al., 1980, Microvascular Research, 19, 374-379
D45: Fachtierärztliches Gutachten von Dr. Palamides
D46: Lebenslauf Dr. Palamides
D47: GV-Solas Fachinformation Injektionsvolumina
c) Seitens der Beschwerdegegnerin mit der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung eingeführtes Beweismittel:
D41: Schnee et al., 2016, PLOS Neglected Tropical Diseases, 1-20
XII. Am 24. Mai 2022 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
XIII. Die Beschwerdeführerin 1 und der Beschwerdeführer 2 (Einsprechenden 1 und 2) beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Ferner beantragte die Beschwerdeführerin 1, das Dokument D32 in das Verfahren zuzulassen.
Während der mündlichen Verhandlung beantragte der Beschwerdeführer 2 den während der mündlichen Verhandlung am 24. Mai 2022 eingereichten Hauptantrag nicht in das Verfahren zuzulassen.
XIV. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufrechterteilung des Patents auf der Grundlage des während der mündlichen Verhandlung am 24. Mai 2022 eingereichten Hauptantrags.
Ferner beantragte die Beschwerdegegnerin, die Dokumente D32, D35, D36b, D37, D38 sowie D44 bis D47 nicht in das Verfahren zuzulassen.
Darüber hinaus beantragte sie, die folgenden im Schreiben des Beschwerdeführers 2 vom 23. März 2022 erläuterten Sachvorträge nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen:
- den Sachvortrag bezüglich Artikel 83 EPÜ basierend auf dem Dokument D33,
- den auf den Dokumenten D35 und D45 basierenden Sachvortrag bezüglich Artikel 54 EPÜ, und
- den Sachvortrag bezüglich Artikel 123(2) EPÜ.
Schließlich beantragte die Beschwerdegegnerin, den während der mündlichen Verhandlung neu vorgetragenen Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ (Verbindung der therapeutischen Verwendung mit einem nicht-spezifischen Injektionspuffer) nicht in das Verfahren zuzulassen.
XV. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der beschwerdeführenden Parteien lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Die Dokumente D32, D35, D36b, D37 und D44 bis D47 seien ins Verfahren zuzulassen. Insbesondere seien D36b, D37 sowie D44 bis D47 hochrelevant für die Patentierbarkeitsfrage. D44 bis D47 seien ferner in Reaktion auf die vorläufige Meinung der Kammer eingereicht worden.
b) Die mit Schreiben vom 23. März 2022 und während der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Sachvorträge bezüglich Artikel 123 (2), 83 und 54 EPÜ seien zuzulassen, da sie sich aus bereits vorgetragenen Argumenten oder allgemeinem Fachwissen ergaben.
c) Der während der mündlichen Verhandlung eingereichte Hauptantrag sei als verspätet nicht zuzulassen.
d) Der Hauptantrag verstoße gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ. Der Anspruch 1 umfasse infolge seiner Umformulierung nunmehr Ausführungsformen, die nicht ursprünglich offenbart wurden. Ferner sei die im Anspruch 1 definierte Merkmalskombination nicht ursprünglich offenbart.
e) Der Hauptantrag erfülle die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ nicht. Insbesondere sei der beanspruchte therapeutische Effekt nicht über die gesamte beanspruchte Breite glaubhaft gemacht worden. Die fehlende Angabe eines Referenzpuffers sowie der Osmolarität in den Ansprüchen führe ferner auch zu einer unzureichenden Offenbarung. Schließlich offenbarten die Dokumente D31 und D32 das Vorhandensein nicht funktionierender Ausführungsformen.
f) Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei nicht neu. Das Dokument D1 offenbare Injektionslösungen gemäß dem vorliegenden Anspruch sowie deren Injektion in das Mauseohr. Diese Injektion entspreche oder zumindest überlappe sich mit einer intradermalen Injektion. D1 offenbare somit die gleiche Erfindung wie der vorliegende Hauptantrag und stelle die erste Anmeldung für den entsprechenden Gegenstand dar. Die beanspruchte Priorität des Streitpatents sei folglich nicht gültig und das Dokument D1 sowie das Dokument D2 seien neuheitsschädlich. Ferner offenbare das Dokument D24 ebenfalls alle Merkmale des vorliegenden Anspruchs 1.
g) Der Hauptantrag genüge den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ nicht.
Laut des Beschwerdeführers 2 sei ausgehend von D17 als nächstliegendem Stand der Technik der beanspruchte Gegenstand naheliegend, da die Dokumente D5, D6 und D7 sowie D12, D13 und D14 die vorteilhafte Wirkung von Calcium auf den mRNA-Transfer und die mRNA Translation offenbarten.
Laut des Beschwerdeführers 2 sei das Dokument D20 ein besserer Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit als das Dokument D17. Ausgehend von D20 als nächstliegendem Stand der Technik sei der beanspruchte Gegenstand naheliegend.
XVI. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Dokument D32 nicht ins Verfahren zuzulassen, wurde rechtsfehlerfrei getroffen und sollte nicht aufgehoben werden. Die Dokumente D35, D36b, D37 und D44 bis D47 seien als verspätet eingereicht nicht ins Verfahren zuzulassen.
b) Die seitens des Beschwerdeführers 2 im Schreiben vom 23. März 2022 und während der mündlichen Verhandlung neu vorgetragenen Sachvorträge bezüglich Artikel 123 (2), 83 und 54 EPÜ seien als verspätet nicht zuzulassen.
c) Der während der mündlichen Verhandlung eingereichte Hauptantrag sei in Reaktion auf einen während der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ vorgelegt worden. Der neue Hauptantrag sei somit ins Verfahren zuzulassen.
d) Der Hauptantrag erfülle die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.
e) Das Streitpatent enthalte genügend Anleitung um den beanspruchten Gegenstand auszuführen. Insbesondere belegten Testergebnisse den beanspruchten Effekt. Der Hauptantrag genüge den Erfordernissen des Artikels 83 EPÜ.
f) Der Hauptantrag erfülle die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ. Das Dokument D1 sowie das Dokument D2, insofern letzteres relevanten Stand der Technik darstelle, offenbarten nicht unmittelbar und eindeutig die beanspruchten Verabreichungsrouten. Ausgehend von D24 sei der beanspruchte Gegenstand ausschließlich durch eine mehrfache Auswahl zu erreichen.
g) Der Hauptantrag genüge den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ. Ausgehend von D17 als nächstliegendem Stand der Technik sei der beanspruchte Gegenstand nicht naheliegend. Keines der Dokumente D5 bis D7 und D12 bis D14 betreffe die Verwendung eines wasserlöslichen Calciumsalzes in einem Injektionspuffer zur Verabreichung einer exogenen mRNA.
Entscheidungsgründe
1. Zulassung von Beweismitteln
1.1 Dokumente D32 und D41
1.1.1 Das seitens der Einsprechenden 1 im Einspruchsverfahren nach Ablauf der Einspruchsfrist eingereichte Dokument D32 wurde während der Frist gemäß Regel 116 (1) EPÜ eingereicht. Die Zulassung des Dokuments D32 wurde in der angefochtenen Entscheidung spezifisch diskutiert (s. Seite 8 Punkt 2.2.1).
Das Dokument D32 beinhaltete neue - im Vergleich zu den in der Einspruchsschrift vorgelegten - Tatsachen, und wurde unter Anwendung des Kriteriums der augenscheinlichen Relevanz nicht in das Einspruchsverfahren zugelassen. Die Einspruchsabteilung hat somit ihr Ermessen unter Anwendung des korrekten Kriteriums ausgeübt.
Es gibt ferner keinen Anhaltspunkt dafür, dass diese Ausübung in einer unvernünftigen Weise erfolgt ist. Insbesondere kann die Kammer den Ausführungen der Beschwerdeführerin 1 in ihrer Beschwerdebegründung (s. Seiten 14-15, Punkt 2.4.2.) nicht entnehmen, inwiefern die Ergebnisse von D32 die Nicht-Ausführbarkeit des beanspruchten Gegenstands belegen sollen. Laut D32 ist das Misslingen auf die Injektionsvorrichtung zurückzuführen.
Die Kammer sieht daher keinen Grund, die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Dokument D32 nicht in das Verfahren zuzulassen, aufzuheben bzw. das Dokument aufgrund des eigenen Ermessens der Beschwerdekammer in das Verfahren zuzulassen.
1.1.2 D41 wurde seitens der Beschwerdegegnerin mit der Beschwerdeerwiderung in Reaktion auf D32 eingereicht. Dementsprechend wird das Dokument D41 auch nicht in das Verfahren zugelassen.
1.2 Dokumente D35, D36b, D37 und D38
1.2.1 Die Dokumente D35, D36b, D37 und D38 wurden mit den Beschwerdebegründungen der Beschwerdeführerin 1 (D35) und des Beschwerdeführers 2 (D36b und D37) vor dem 1. Januar 2020 eingeführt. Die Zulassung dieser Dokumente ist folglich gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 zu beurteilen (Artikel 25 (2) VOBK 2020). Da auf D38 im Zusammenhang mit dem Hauptantrag kein Bezug genommen wurde, wird dessen Zulassung nicht weiter begründet.
1.2.2 D35 soll die Überlegenheit einer Injektion in der Ohrmuschel für Vakzinationszwecke belegen (s. Beschwerdebegründung Seite 17, 3. Absatz) und wurde in Erwiderung auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass D1 den Gegenstand des Hauptantrags nicht offenbaren würde (s. Entscheidung Seite 11, letzter Absatz), eingereicht. Dieses Dokument untermauert somit das bereits in dem erstinstanzlichen Verfahren vorgebrachte Argument der Beschwerdeführerin 1. In diesem Zusammenhang argumentierte die Beschwerdegegnerin, dass dieses Dokument bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätte eingereicht werden sollen. Die Kammer vertritt die Auffassung, dass von einer Einsprechenden nicht erwartet werden kann, alle möglichen Beweise für alle möglichen Argumente einzureichen. Die Kammer erkennt keinen Grund, warum D35 hätte im erstinstanzlichen Verfahren eingereicht werden müssen. Das Dokument D35 wird somit in das Verfahren zugelassen.
1.2.3 D36b wurde seitens des Beschwerdeführers 2 als Grundlage eines neuen Einwands mangelnder erfinderischer Tätigkeit eingereicht. Dieses Dokument wurde 2001 veröffentlicht, d.h. lange vor der Einreichung der Einspruchsschrift des Einsprechenden 2 im Juni 2017. Ferner ist die Einreichung dieses Dokuments nicht in Erwiderung auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung gerichtet. Vielmehr wurde anhand dieses Dokuments ein gänzlich neuer Fall geschaffen. Dieses Dokument hätte daher bereits im erstinstanzlichen Verfahren eingereicht werden sollen und wird folglich nicht in das Verfahren zugelassen.
1.2.4 Das Dokument D37 wurde als Beweis für die Zusammensetzung des in D36b verwendeten Puffers eingereicht. Dementsprechend wird das Dokument D37 auch nicht in das Verfahren zugelassen.
1.3 Dokumente D44 bis D47
1.3.1 Die Dokumente D44 bis D47 wurden am 23. März 2022 nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 12. Juli 2021 eingereicht. Die Zulassung dieser Dokumente ist folglich gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020, der im vorliegenden Fall gemäß Artikel 25 (1) VOBK 2020 Anwendung findet, zu beurteilen.
1.3.2 Der Beschwerdeführer 2 argumentierte, dass diese Dokumente in Reaktion auf die vorläufige Meinung der Kammer eingereicht wurden, um allgemeines Fachwissen bezüglich der Anatomie des Mauseohrs und Injektionen darin zu dokumentieren. Laut Beschwerdeführer 2 stellte insbesondere D45 klar, dass die im Streitpatent und in D1 veranschaulichten Injektionen gleichzustellen waren. Somit würden die Dokumente D44 bis D47 belegen, dass D1 unmittelbar und eindeutig eine intradermale Injektion offenbaren würde. D44 bis D47 wären daher hochrelevant für eine sachgerechte Klärung der Neuheitsfrage in Erwiderung auf die vorläufige Meinung der Kammer.
1.3.3 Die Frage einer tatsächlichen Offenbarung einer intradermalen Injektion in D1 war seit Anfang des Verfahrens umstritten. Die seitens der Kammer in ihrer vorläufigen Meinung ausgedrückten Bedenken basierten ferner vollumfänglich auf Punkten, die von den Parteien und in der erstinstanzlichen Entscheidung bereits erörtert wurden. Lediglich wurden die seitens der beschwerdeführenden Parteien in diesem Zusammenhang bereits zitierten Dokumente (D35, D33 und D8) als nicht überzeugend betrachtet, um die Lücken der Offenbarung von D1 zu füllen. Dies kann jedoch keinen Anlass dazu bieten, weitere Dokumente zur Untermauerung des gleichen und bereits ausführlich diskutierten Arguments verspätet einzureichen. Die Kammer vermag somit im vorliegenden Fall keine außergewöhnlichen Umstände erkennen, die die Zulassung der verspätet eingereichten Dokumente D44 bis D47 rechtfertigen würden (Artikel 13 (2) VOBK 2020).
1.3.4 Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers 2 verschaffen die Dokumente D44 bis D47 auch keinen Beleg für allgemeines Fachwissen.
Das Dokument D44, das im Zusammenhang mit D35 benutzt wird, ist ein wissenschaftlicher Artikel, der eine sehr spezifische technische Lehre betrifft. Solch ein Artikel kann dem allgemeinen Fachwissen nicht zugerechnet werden.
Die Dokumente D45 bis D47 bestehen aus der Erklärung einer einzelnen Expertin, deren Lebenslauf und einem in dieser Erklärung zitierten Dokument. Die Erklärung betrifft den Vergleich der im Streitpatent und D1 durchgeführten Experimente und die Auslegung des Begriffs "intradermal" aus dem Patent. Dieser Gegenstand richtet sich ganz spezifisch auf das Streitpatent und das Dokument D1 und gehört folglich auch nicht zum allgemeinen Fachwissen.
1.3.5 Demnach werden die Dokumente D44 bis D47 nicht in das Verfahren zugelassen.
2. Zulassung neuer Sachvorträge
2.1 Sachvortrag bezüglich Artikel 123 (2) EPÜ
2.1.1 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass der seitens des Beschwerdeführers 2 im Schreiben vom 23. März 2022 neu vorgetragene Sachvortrag bezüglich Artikel 123 (2) EPÜ als verspätet nicht zuzulassen sei.
Die Kammer merkt an, dass es sich dabei um folgende Angriffe handelt:
a) Der Anspruch 1 des am 29. November 2018 eingereichten Hauptantrags könne nicht ohne weiteres auf Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Anmeldung aufgrund deren unterschiedlichen Kategorien (Herstellungsverfahren für ein für spezifische therapeutische Verwendungen vorgesehenes Arzneimittel versus "Herstellungsverwendungsanspruch") zurückgeführt werden.
b) Eine mehrfache Auswahl (nämlich (i) der spezifischen Verabreichungswege und (ii) der konkreten RNA-Formulierungen) aus verschiedenen Listen der ursprünglichen Anmeldung müsse getroffen werden, um zum Gegenstand des Anspruchs 1 des am 29. November 2018 eingereichten Hauptantrags zu gelangen.
c) Die beanspruchten Verabreichungswege seien nur in Kombination mit der Verwendung einer "Injektionsspritze" ursprünglich offenbart. Da dieses Merkmal nicht in die Ansprüche aufgenommen wurde, führe es zu einer Erweiterung des beanspruchten Gegenstands.
Der Beschwerdeführer 2 erklärte während der mündlichen Verhandlung bezüglich des Angriffs (b), dass er sich aus dem vorherigen schriftlichen Vortrag der Beschwerdeführerin 1 ergeben würde. Die Kammer bemerkt, dass, obwohl die Beschwerdeführerin 1 das Argument einer mehrfachen Auswahl aus verschiedenen Listen tatsächlich vorgebracht hatte, es sich dabei um unterschiedliche Listen und Merkmale als die des besagten Angriffs (b) handelte. Dieser Angriff wurde folglich genauso wie die Angriffe (a) und (c) zum ersten Mal im Schreiben des Beschwerdeführers 2 vom 23. März 2022 vorgelegt. Sie stellen somit eine Änderung des Vorbringens des Beschwerdeführers 2 dar.
2.1.2 Während der mündlichen Verhandlung argumentierte der Beschwerdeführer 2, dass die beanspruchten therapeutischen Verwendungen in der ursprünglichen Anmeldung ausschließlich in Verbindung mit einem spezifischen Injektionspuffer, nämlich Ringer-Laktat, offenbart wurden (s. Seiten 25-26 der ursprünglichen Anmeldung). Da der vorliegende Anspruch 1 jedoch einen viel breiteren Injektionspuffer definierte, würde ein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ vorliegen. Der Beschwerdeführer 2 führte aus, dass dieser Angriff bereits im Schreiben vom 23. März 2022 enthalten war, zitierte jedoch keinen spezifischen Absatz. Die Beschwerdegegnerin beantragte diesen verspäteten Angriff nicht in das Verfahren zuzulassen.
Entgegen der Ausführung des Beschwerdeführers 2 wurde dieser neue Angriff im Schreiben vom 23. März 2022 nicht formuliert. Dieser Angriff wurde demnach zum allerersten Mal während der mündlichen Verhandlung am 24. Mai 2022 vorgebracht und stellt somit eine Änderung des Vorbringens des Beschwerdeführers 2 dar.
2.1.3 Artikel 13 (2) VOBK 2020, der im vorliegenden Fall gemäß Artikel 25 (1) VOBK 2020 Anwendung findet, bestimmt, dass solche Änderungen zum vorliegenden Zeitpunkt "grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen". Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer 2 keine außergewöhnlichen Umstände und noch weniger stichhaltige Gründe dafür angegeben.
2.1.4 Die im Schreiben vom 23. März 2022 und während der mündlichen Verhandlung neu vorgetragenen Sachvorträge bezüglich Artikel 123 (2) EPÜ werden dementsprechend nicht in das Verfahren zugelassen (Artikel 13 (2) VOBK 2020).
2.2 Sachvortrag bezüglich Artikel 83 EPÜ basierend auf dem Dokument D33
2.2.1 Die Beschwerdegegnerin führte aus, dass der seitens des Beschwerdeführers 2 im Schreiben vom 23. März 2022 vorgetragene Sachvortrag bezüglich Artikel 83 EPÜ basierend auf D33 als verspätet nicht zuzulassen sei. Die Beschwerdegegnerin erklärte, dass das Dokument D33 bereits im erstinstanzlichen Verfahren zitiert wurde und keine Partei hierauf im Zusammenhang mit der Frage der Ausführbarkeit bisher Bezug genommen hatte. Es lagen somit keine außergewöhnlichen Umstände vor, die eine Zulassung rechtfertigen könnten.
2.2.2 Der Beschwerdeführer 2 brachte vor, dass sein Vorbringen basierend auf D33 in Erwiderung auf die vorläufige Meinung der Kammer bezüglich "gängiger" Verabreichungsrouten vorgelegt wurde. D33 sollte belegen, dass es keine gängigen Verabreichungswege, die errechenbare Wirkungen erzielen, gebe. Dies stelle keinen neuen Sachvortrag dar, sondern diene der Untermauerung von bereits erwähnten Bedenken.
2.2.3 Die Kammer ist der Auffassung, dass dieser Sachvortrag des Beschwerdeführers 2 tatsächlich in Reaktion auf einen Punkt, der in der vorläufigen Meinung deutlich gemacht worden ist, vorgebracht wurde. Dementsprechend liegen außergewöhnliche Umstände vor, die die Zulassung dieses Vorbringens in das Verfahren rechtfertigen. Dieser Sachvortrag ist ferner nicht komplex und führt zu keiner Verfahrensverzögerung. Somit wird dieser in das Verfahren zugelassen (Artikel 13 (1) und 13 (2) VOBK).
2.3 Sachvortrag bezüglich Artikel 54 EPÜ basierend auf dem Dokument D35
2.3.1 Die Beschwerdegegnerin wandte ein, dass der seitens des Beschwerdeführers 2 im Schreiben vom 23. März 2022 neu vorgetragene Sachvortrag bezüglich Artikel 54 EPÜ basierend auf dem Dokument D35 als verspätet nicht zuzulassen sei.
2.3.2 Der Beschwerdeführer 2 erklärte, dass dieser Sachvortrag für die Frage der Neuheit hochrelevant sei. Ferner würde er allgemeines Fachwissen darstellen.
2.3.3 In seinem Schreiben vom 23. März 2022 folgte der Beschwerdeführer 2 zum ersten Mal im Verfahren dem ursprünglich von der Beschwerdeführerin 1 erhobenen Einwand mangelnder Neuheit gegenüber D1 (s. Punkt 3.2.1). Dabei verwies er auf das seitens der Beschwerdeführerin 1 eingereichte Dokument D35, das beweisen sollte, dass eine intradermale Injektion in die Ohrmuschel der Maus nicht auf die Dermis begrenzt sei. Die im Streitpatent gemäß D35 durchgeführte Injektion sei somit keine reine intradermale Verabreichung. Folglich seien die in D1 und im Streitpatent beschriebenen Injektionen gleichzustellen.
2.3.4 Die Kammer weist darauf hin, dass sich dieser Sachvortrag von dem der Beschwerdeführerin 1 unterscheidet. Die Beschwerdeführerin 1 schlussfolgerte tatsächlich in ihrer Beschwerdebegründung (s. Seite 17, 5. Absatz), dass die Injektion in der Ohrmuschel in D1 für den Fachmann nichts anderes als eine intradermale/intraepitheliale Injektion bedeuten würde. Der neue Sachvortrag des Beschwerdeführers 2 stellt folglich eine Änderung seines Vorbringens dar. Dieses neue Vorbringen stellt ferner kein allgemeines Fachwissen dar, da es auf einem experimentellen Ergebnis aus einem wissenschaftlichen Artikel beruht.
2.3.5 Entgegen der Vorschrift des Artikels 13 (2) VOBK (s. 2.1.3), hat der Beschwerdeführer 2 keine außergewöhnlichen Umstände und noch weniger stichhaltige Gründe dafür angegeben, die die Zulassung dieser Änderung rechtfertigen könnten.
2.3.6 Der im Schreiben vom 23. März 2022 vorgetragene Sachvortrag bezüglich Artikel 54 EPÜ basierend auf D35 wird dementsprechend nicht in das Verfahren zugelassen (Artikel 13 (2) VOBK 2020).
Hauptantrag
3. Zulassung
3.1 Der Hauptantrag wurde von der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung eingereicht. Seine Zulassung ist folglich gemäß Artikel 13 (1) und 13 (2) VOBK 2020 zu beurteilen.
3.2 Der Hauptantrag basiert auf dem mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrag 9 bzw. dem mit Schreiben vom 17. Januar 2022 eingereichten Hilfsantrag 19, wobei folgende Worten in die jeweiligen Ansprüchen 9 eingeführt wurden:
a) "zur Prävention" vor "der vorstehend genannten Erkrankungen" (Hilfsantrag 9 und 19), und
b) "wässrigen" vor "Injektionspuffer" (Hilfsantrag 9).
Es lag weder ein Antrag auf Nicht-Zulassung des Hilfsantrags 9 noch des Hilfsantrags 19 vor, und die Kammer sieht auch keinen Grund, der die Zulassung dieser Anträge in Frage stellen könnte.
3.3 Bezüglich der Änderung (a) sei laut der Beschwerdegegnerin während der Vorbereitung der Hilfsanträge ein Fehler vorgekommen. Der Wortlaut "zur Prävention der vorstehend genannten Erkrankungen" hätte in ihre beiden unabhängigen Ansprüche 1 und 9 eingeführt werden sollen, um den seitens der Beschwerdeführerin 1 in ihrer Beschwerdebegründung erhobenen Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ auszuräumen. Die Kammer merkt an, dass diese Absicht im Schreiben vom 17. Januar 2022 (s. Seite 1 dritter Absatz) erkennbar ist. Außerdem wurde die Abwesenheit der Worte "zur Prävention" in Anspruch 9 und der damit verbundene Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ erstmalig während der mündlichen Verhandlung seitens des Beschwerdeführers 2 bemängelt und die Änderung (a) ist in Reaktion hierauf durchgeführt worden.
3.4 Die Änderung (b) wurde bereits in dem mit Schreiben vom 17. Januar 2022 eingereichten Hilfsantrag 19 durchgeführt, um den seitens der Kammer erstmalig in ihrer vorläufigen Meinung vom 14. Dezember 2021 erhobenen Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ auszuräumen.
3.5 Laut Erachtens der Kammer stellt der neue Hauptantrag somit eine berechtigte und direkte Erwiderung auf die vorläufige Meinung der Kammer und den während der mündlichen Verhandlung seitens des Beschwerdeführers 2 festgestellten Mangel dar. Dementsprechend liegen außergewöhnliche Umstände vor, die die Zulassung dieses Hauptantrags in das Verfahren rechtfertigen. Beide Änderungen sind nicht komplex, lösen die Einwände unter Artikel 123 (2) EPÜ und werfen keine neuen Fragen auf. Somit wird der neue Hauptantrag in das Verfahren zugelassen (Artikel 13 (1) und 13 (2) VOBK).
4. Änderungen
4.1 Die unabhängigen Ansprüche 1 und 9 des Hauptantrags (siehe Punkt X oben) basieren auf dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1, wobei:
(a) der Anspruch als schweizerischer Anspruch (s. Anspruch 1) oder gemäß Artikel 54 (5) EPÜ (s. Anspruch 9) umformuliert wurde,
(b) "ggf." gestrichen wurde, so dass das Vorhandensein von Kaliumsalz nicht länger optional ist,
(c) RNA auf mRNA eingeschränkt wurde,
(d) die Verabreichungsroute definiert wurde, und
(e) die Verwendung in der Behandlung und/oder Prophylaxe bestimmter Krankheiten sowie in einer Gentherapie oder Vakzinierung zur Prävention dieser bestimmten Krankheiten beansprucht wurde.
4.2 Änderung (a)
4.2.1 Die beschwerdeführenden Parteien argumentierten, dass infolge der gewählten Umformulierung als schweizerischer Anspruch (Änderung (a)) der vorliegende Anspruch 1 nunmehr folgende Ausführungsformen umfasste, die nicht ursprünglich offenbart wurden:
- laut Beschwerdeführerin 1 war lediglich die Injektionslösung und nicht das Medikament gemäß einer spezifischen Route zu verabreichen, d.h. dass auch ein weiterer nicht definierter Bestandteil des Medikaments gemäß einer anderen Route verabreicht werden könnte,
- laut Beschwerdeführer 2 enthielt das im vorliegenden Anspruch 1 definierte Medikament eine mRNA und einen Injektionspuffer sowie eine Injektionslösung, die jedoch nicht zwangsläufig aus der vorgenannten mRNA und dem Injektionspuffer bestehen würde.
4.2.2 Die Kammer ist der Auffassung, dass die Umformulierung im schweizerischen Format der ursprünglichen Anmeldung eindeutig und unmittelbar zu entnehmen ist. Insbesondere offenbaren die Absätze auf Seite 25 Zeile 20 bis Seite 26 Zeile 9 die Verwendung sowohl der RNA und des Injektionspuffers als auch der RNA-Injektionslösung "zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung und/oder Prophylaxe" der beanspruchten Erkrankungen sowie zur Gentherapie oder zur Vakzinierung zur Prävention dieser Erkrankungen (Hervorhebung durch Verfasser).
Es war ferner unbestritten, dass die ursprüngliche Anmeldung die Verwendung einer aus mRNA und Injektionspuffer bestehenden Injektionslösung zur Steigerung des RNA-Transfers und/oder der RNA-Translation sowie zur beanspruchten therapeutischen Behandlung offenbart (s. bspw. Seite 4 Zeilen 11-19 und Seite 25 Zeile 30 bis Seite 26 Zeile 9).
4.2.3 Die Argumente der beschwerdeführenden Parteien bezüglich der Definition des anspruchsgemäßen Medikaments betreffen die Auslegung des vorliegenden Anspruchs 1 und stellen folglich eher eine Klarheitsfrage dar.
Laut Erachtens der Kammer würde der Fachmann den vorliegenden Anspruch 1 so verstehen, dass das beanspruchte Arzneimittel eine aus mRNA und dem Injektionspuffer erhaltene mRNA-Injektionslösung enthält und gemäß einer der in Anspruch 1 definierten Routen verabreicht wird. Der Fachmann würde tatsächlich erwarten, dass eine mRNA-Injektionslösung mRNA und einen Injektionspuffer enthält. Die Annahme, dass das Arzneimittel einen weiteren nicht definierten Bestandteil enthalten und dieser gemäß einer anderen Route verabreicht werden könnte, kann ferner dem Wortlaut des Anspruchs nicht entnommen werden.
Die Auslegung der Kammer wird zusätzlich durch die Beschreibung (s. bspw. Streitpatent, Absatz [0013] letzter Satz) sowie den vorliegenden Anspruch 9 bestätigt.
Die Auslegungen der beschwerdeführenden Parteien basieren hingegen auf einer isolierten Kenntnisnahme des vorliegenden Anspruchs 1 und sind demzufolge konstruiert und formalistisch.
Dementsprechend ist die Kammer der Auffassung, dass der vorliegende Anspruch 1 nur so auszulegen ist, dass er weder eine weitere separate Injektionslösung noch einen weiteren undefinierten auf unterschiedliche Weise zu verabreichenden Bestandteil umfasst. Somit geht der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus.
4.2.4 Der Beschwerdeführer 2 argumentierte, dass diese Auslegung der Kammer das Hineindeuten nicht umfassender Merkmale erfordert. Selbst eine Diskrepanz zwischen den Ansprüchen und der Beschreibung sei kein Grund, die eindeutige linguistische Struktur eines Anspruchs zu ignorieren. Die Auslegung der Kammer stehe dementsprechend der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern, wie in T 1646/12, T 431/03, T 197/10 und T 2221/10 zum Ausdruck gebracht, entgegen.
Die Kammer teilt nicht die Ansicht des Beschwerdeführers 2, dass die linguistische Struktur des vorliegenden Anspruchs 1 eindeutig zu der seinerseits gemachten Auslegung führt. Insbesondere die Präsenz einer funktionellen Definition der Injektionslösung schließt nicht aus, dass die Injektionslösung die mRNA und den Injektionspuffer enthält (was von einem technischen Standpunkt aus eigentlich sinnvoll ist). Der vorliegende Fall unterscheidet sich dementsprechend von den den Entscheidungen T 431/03, T 197/10 und T 2221/10 zugrundeliegenden Fällen.
Ferner bedarf die Auslegung der Kammer keines Hineinlesens von ausschließlich in der Beschreibung offenbarten einschränkenden Merkmalen. Die Auslegung der Kammer beruht primär auf dem Verständnis des Anspruchswortlauts aus Sicht des Fachmanns. Die Beschreibung sowie der weitere vorliegende Anspruch 9 bestätigen lediglich diese Auslegung. Insofern trifft die Bemerkung des Beschwerdeführers 2 basierend auf der Entscheidung T 1646/12 im vorliegenden Fall nicht zu. In diesem Zusammenhang weist die Kammer darauf hin, dass T 1646/12 eigentlich zum Ausdruck bringt, dass ein Anspruch nicht als von der Beschreibung völlig getrennt betrachtet werden kann. Gemäß T 1646/12 komme der Fachmann auch bei unklaren Ansprüchen nicht umhin, in den restlichen Ansprüchen, aber auch in der Beschreibung und den Figuren nach klärenden Elementen zu suchen.
4.3 Änderungen (b) bis (e)
4.3.1 Die Kammer merkt ferner Folgendes an:
- Die Änderung (b) wurde nicht beanstandet.
- mRNA (Änderung (c)) wird als bevorzugte Ausführungsform auf der ursprünglichen Seite 11 Zeilen 4-9 offenbart.
- Die Verabreichungsrouten (Änderung (d)) werden auf der ursprünglichen Seite 29 Zeile 27 bis ursprünglichen Seite 30 Zeile 2 offenbart.
- Die beanspruchten Krankheiten sowie die Vakzinierung und Gentherapie zu ihrer Prävention (Änderung (e)) werden auf folgenden ursprünglichen Seiten offenbart: Seite 25 Zeile 20 bis Seite 26 Zeile 9 und Seite 29 Zeilen 4-19.
4.3.2 Die Beschwerdeführerin 1 war der Auffassung, dass eine Auswahl aus mehreren Listen getroffen werden müsste, um zum vorliegenden Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags zu gelangen. Die vorliegende Merkmalskombination sei demnach nicht ursprünglich offenbart worden.
4.3.3 Dieses Argument ist nicht überzeugend. Lediglich vier Verabreichungsformen wurden aus einer Liste von 9 Alternativen gewählt und zusammen mit anderen unabhängigen und individualisierten bzw. bevorzugten Merkmalen im Anspruch 1 eingeführt. Die Kammer ist der Auffassung, dass die Kombination von bevorzugten Merkmalen mit einer Auswahl von Alternativen eines weiteren Merkmals im vorliegenden Fall der ursprünglichen Anmeldung unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist.
4.4 Die Ansprüche des Hauptantrags erfüllen folglich die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.
4.5 Die beschwerdeführenden Parteien erhoben keinen Einwand unter Artikel 123 (3) EPÜ. Die Kammer betrachtet die Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ für den Hauptantrag als erfüllt.
5. Ausreichende Offenbarung
5.1 Die unabhängigen Ansprüche 1 und 9 sind schweizerische bzw. zweckgebundene Stoffansprüche. Um die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ zu erfüllen, soll das Streitpatent dem Fachmann ermöglichen, die beanspruchte medizinische Wirkung zu erzielen. Der im Beschwerdeverfahren umstrittene Punkt lag vor allem in der Erzielung dieser Wirkung, insbesondere über die gesamte Breite der Ansprüche.
5.2 Die Beispiele und Abbildungen des Streitpatents belegen die vorteilhafte Wirkung des beanspruchten Injektionspuffers auf den Transfer und die Translation einer darin gelösten mRNA im Vergleich zu gängigen Puffern (s. insbesondere Figur 1 und Figur 2). Die Beschreibung gibt außerdem Anweisungen hinsichtlich der Herstellung der Injektionslösung (bspw. Salzkonzentrationen, RNA-Mengen, Gegenionen, weitere mögliche Bestandteile, pH, usw.; s. bspw. Streitpatent Absätze [0014], [0015], [0017], [0018], [0022]-[0025], [0059]). Schließlich gehört es zum allgemeinen Fachwissen, dass mRNA in der Behandlung und/oder Prophylaxe der beanspruchten Erkrankungen benutzt werden können (s. auch Seite 1 des Streitpatents).
5.3 Bezüglich der Argumente der beschwerdeführenden Parteien ist Folgendes anzumerken:
5.3.1 Laut der Beschwerdeführerin 1 war ein wesentliches Merkmal, nämlich die Osmolarität, in den Ansprüchen nicht spezifiziert. Der Beschwerdeführer 2 argumentierte außerdem, dass die Ergebnisse des Streitpatents nur unter spezifischen Bedingungen (insbesondere Ionenkonzentrationen und Osmolarität) erzielt wurden, und folglich die mögliche Durchführung der Erfindung über die gesamte Breite der Ansprüche nicht belegen konnten.
5.3.2 Wie bereits seitens der Einspruchsabteilung festgestellt, zeigt die Figur 7 eine Expression von Luciferase bereits bei niedrigerer Osmolarität. Außerdem wurde das Experiment zur Figur 7 unter spezifischen Bedingungen (Laktat enthaltender Puffer, spezifische mRNA, mRNA Menge) durchgeführt, so dass eine Verallgemeinerung von darunter erhaltenen Mindestwerten fraglich erscheint. Der Fachmann hätte folglich den Wert von 170mOsm wie auf Seite 14 angegeben nicht unbedingt als wesentliches Merkmal identifiziert. Auf jeden Fall ist bei der Beurteilung der Ausführbarkeit die gesamte Offenbarung des Streitpatents zu berücksichtigen. Wie bereits unter Punkt 5.2 erwähnt, werden im Streitpatent Angaben zu den bevorzugten Ionenkonzentrationen gemacht. Der Absatz bezüglich Figur 7 auf Seite 14 lehrt ferner, dass die Osmolarität erhöht werden kann, um die Effizienz des Transfers / der Translation zu erhöhen. Der Fachmann würde also im Streitpatent eine Lehre bezüglich der zu verwendenden Konzentrationen sowie bezüglich der möglichen Anpassung der Osmolarität finden, um die beanspruchte Wirkung zu erzielen. Die Kammer erkennt keinen Anlass zu bezweifeln, dass unter Verwendung entsprechender eventuell angepasster Konzentrationen ein effizienter Transfer und/oder eine effiziente Translation erzielt werden können.
5.3.3 Die Beschwerdeführerin 1 brachte weiterhin vor, dass die fehlende Angabe eines Referenzpuffers in den Ansprüchen zu einer unzureichenden Offenbarung führte.
5.3.4 Wie seitens der Beschwerdeführerin 1 selbst erwähnt, lehrt die Beschreibung, dass die Steigerung des Transfers / der Translation im Vergleich zu herkömmlich für RNA verwendeten Standardpuffern wie HBS oder PBS beobachtet wird (s. Seite 10 Absatz [0051] des Streitpatents). Dies wird auch in den Beispielen bestätigt. Wie bereits unter Punkt 5.3.1 festgestellt, ist bei der Beurteilung der Ausführbarkeit die gesamte Offenbarung des Streitpatents zu berücksichtigen. Da das Streitpatent Referenzpuffer angibt, scheint dieser Einwand lediglich eine Frage der Klarheit zu sein. Den übrigen Argumenten der Beschwerdeführerin 1 bezüglich des Effekts von jedem einzelnen beanspruchten Salz kann nicht gefolgt werden. Die Ansprüche beziehen sich auf einen Puffer mit allen drei Salzen. Für solche Puffer wurde tatsächlich eine Steigerung im Vergleich zu Standardpuffern gezeigt (s. Figur 1 des Streitpatents).
5.3.5 Ferner basierte die Beschwerdeführerin 1 ihre Argumentation anhand von D31 auf das angebliche Vorhandensein nicht funktionierender Ausführungsformen.
5.3.6 D31 ist ein nachveröffentlichter wissenschaftlicher Artikel, der die klinischen Daten zweier mRNA basierter Impfstoffe (RNActive®) der Firma Curevac, CV9103 und CV9104, diskutiert. Wie seitens der Beschwerdegegnerin vorgebracht, enthält D31 an sich keine Angaben bezüglich der Formulierung der mRNA in den besagten RNActive®, insbesondere bezüglich der Träger. D31 kann daher nicht entnommen werden, ob die besagten mRNA Zusammensetzungen mit einem den vorliegenden Ansprüchen entsprechenden Puffer formuliert wurden. Dem seitens der Beschwerdeführerin 1 herangezogenen Dokument D3 kann zwar entnommen werden, dass die in D3 getesteten Impfstoffe (inkl. CV9103) eine mRNA Mischung enthalten, die in einem Ringer Laktat Puffer komplexiert wurde. D3 bezieht sich jedoch nicht auf CV9104, und die Lehre von D3 stellt ferner keine allgemeine Lehre bezüglich nachfolgenden RNActive® dar. Es scheint folglich nicht unmittelbar und eindeutig abgeleitet werden zu können, dass CV9104 ebenfalls einen anspruchsgemäßen Puffer enthält. Da sich laut D31 lediglich CV9104 als nicht effizient erwiesen hat (d.h. CV9103 ist effizient), kann somit das Misslingen nicht zweifelsfrei dem beanspruchten Puffer zugeschrieben werden. Wie von der Beschwerdegegnerin vorgebracht, gibt es ferner weitere mögliche Ursachen für das Misslingen der Behandlung mit CV9104 wie bspw. eine zu geringe Dosierung der mRNA, die Qualität der transkibierten mRNA, eine nicht ausreichende Anzahl an ,,Booster" oder eine falsch ausgewählte Patientenkohorte. Schließlich möchte die Kammer darauf hinweisen, dass der vorliegende Anspruch lediglich festlegt, dass der anspruchsgemäße Puffer zu einer Steigerung des Transfers / der Translation einer therapeutisch wirkenden mRNA führt. Die Beschwerdeführerin 1 bezweifelte, dass dies für jede mögliche mRNA erzielbar sei. Es wurden jedoch keine nachprüfbaren Fakten zur Untermauerung dieses Arguments eingereicht, da D31, wie bereits erklärt, hierzu nicht geeignet ist. Demzufolge erkennt die Kammer nicht, inwiefern D31 eine nicht funktionierende Ausführungsform des vorliegenden Anspruchs 1 darstellen soll.
5.3.7 Der Beschwerdeführer 2 argumentierte ferner, dass der beanspruchte therapeutische Effekt nicht über die gesamte beanspruchte Breite glaubhaft war. Die Ergebnisse des Streitpatents, die unter einer intradermalen Verabreichung in der Ohrmuschel von Mäusen erzielt wurden, konnten nämlich nicht für die weiteren beanspruchten Verabreichungsrouten extrapoliert werden.
Insbesondere erklärte der Beschwerdeführer 2, dass gemäß dem Streitpatent die Translation unter intradermaler Injektion selektiv in Fibroblasten stattfinden würde (s. Figur 8A). Da diese Zellart in dem Epithelium nicht enthalten war, war eine erfolgreiche epitheliale Verabreichung zweifelhaft. Auch die weiteren beanspruchten Verabreichungsrouten enthielten nicht die gleiche Densität an Fibroblasten wie die Ohrmuschel der Maus, so dass auch für diese Verabreichungsrouten das Erzielen des beanspruchten Effekts nicht glaubhaft war.
Ferner wurde in D33 (s. Seite 5, erste Spalte, zweiter Absatz) festgestellt, dass im Gegensatz zu einer Injektion in die Ohrmuschel, eine intramuskuläre oder subkutane Injektion von identischen RNA-Formulierungen keine Immunantwort bewirkten. Laut des Beschwerdeführers 2 belegte D33 demnach, dass experimentelle Ergebnisse, die mit einem bestimmten Verabreichungsweg erzielt wurden, nicht für weitere Verabreichungswege verallgemeinert werden konnten.
Der Beschwerdeführer 2 führte weiterhin allgemein aus, dass derselbe Verabreichungsweg für die eine RNA-Formulierung geeignet und für eine andere RNA-Formulierung jedoch ungeeignet sein konnte.
Schließlich erklärte der Beschwerdeführer 2 während der mündlichen Verhandlung, dass Figur 9B eigentlich das Nicht-Auftreten des beanspruchten Effekts bei einer Injektion im Menschen belegte. Laut Beschwerdeführer 2 konnten die absoluten Werte der verschiedenen Luciferase-Tests verglichen werden, weil diese gemäß Absatz [0088] des Streitpatents standardisiert seien. Die absolute Höhe der Translation im Menschen mit dem beanspruchten Puffer (s. Figur 9B) war niedriger als die in Mäusen mit gängigen Puffern (s. PBS und HBS Figur 1). Somit wurde belegt, dass keine Steigerung der Translation im Menschen stattfand.
5.3.8 Diese Argumente sind nicht überzeugend.
Die selektive Translation in einer bestimmten Zellart unter einer intradermalen Verabreichungsroute ist nicht geeignet, um eine nicht erfolgreiche Verabreichung durch weitere Routen zu belegen. Auch die Abwesenheit experimenteller Daten im Streitpatent bezüglich anderer Verabreichungsrouten als die intradermale Route stellt keinen Beweis einer Nicht-Ausführbarkeit dar.
Die Ergebnisse von D33 betreffen Verabreichungsrouten (intramuskulär oder subkutan), die im vorliegenden Hauptantrag nicht beansprucht werden. Die Formulierung der mRNA in D33 entspricht außerdem nicht der vorliegenden Formulierung (keine Verwendung eines Puffers gemäß den vorliegenden Ansprüchen in D33). Auch wenn die Beobachtungen von D33 die Verallgemeinerung von Ergebnissen für unterschiedliche Verabreichungsrouten eventuell in Frage stellen könnten, stellen sie keinen tatsächlichen Beweis dar, dass der beanspruchte Effekt durch die beanspruchten Verabreichungsrouten nicht erzielt werden kann.
Auch die Tatsache, dass die eine Verabreichungsroute für eine bestimmte mRNA besser geeignet ist als die andere, ist kein Beleg dafür.
Schließlich können die absoluten Werte der Luciferase-Tests in Maus und Mensch nicht direkt verglichen werden. Die in Absatz [0088] erwähnte Standardisierung betrifft ein und dasselbe Experiment. Die Ergebnisse der Figuren 1 und 9B können nicht direkt verglichen werden, da in den entsprechenden Experimenten grundsätzlich unterschiedliche Bedingungen (wie unter anderem die betroffenen Gewebe- und somit Zellarten) verwendet wurden. Ein Nicht-Auftreten des beanspruchten Effekts im Menschen kann folglich dem Streitpatent nicht entnommen werden.
Die Ausführungen des Beschwerdeführers 2 stellen folglich keine ernsthaften durch nachprüfbare Fakten erhärteten Zweifel an der Ausführbarkeit dar.
5.3.9 Der Beschwerdeführer 2 brachte außerdem vor, dass das Streitpatent nicht belegte, dass die Höhe der Expression ausreichend war, um eine immunologische Antwort zu erzeugen.
5.3.10 Wie von der Beschwerdegegnerin erklärt, sind Luciferase Expression Tests im vorliegenden Bereich gängig. Die Kammer merkt an, dass die Expression-Ergebnisse den beanspruchten Effekt bezüglich der Steigerung des Transfers / der Translation zumindest plausibel machen. Wie bereits unter Punkt 5.2 erwähnt, gilt der Zusammenhang zwischen mRNA und den beanspruchten medizinischen Behandlungen als bekannt. In Abwesenheit jeglicher Gegenbeweise ist dieses Argument somit nicht überzeugend.
5.3.11 Schließlich betonte der Beschwerdeführer 2, dass ein therapeutischer Effekt einer mRNA in der Gentherapie nicht glaubhaft sei.
5.3.12 Die Kammer weist darauf hin, dass Gentherapie ein allgemeiner Begriff ist, der ursprünglich die medizinische Methode der Einbringung von Nukleinsäuren (DNA oder RNA) in Körperzellen, um deren Erbgut zu verändern und somit in erster Linie genetisch verursachte Krankheiten zu behandeln, bezeichnet. Mittlerweile wurde auch die Benutzung von mRNA, um die Synthese eines funktionellen Proteins zu erzeugen, als Gentherapie bezeichnet. Dass eine solche Therapie eine dauerhafte Behandlung des Patienten erforderlich macht, ist keine Frage der Ausführbarkeit.
5.4 Dementsprechend erfüllt der Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ.
6. Neuheit
6.1 Neuheit gegenüber D1 bzw. D2
6.1.1 Die beschwerdeführenden Parteien stützten ihre Einwände mangelnder Neuheit gegenüber D1 im Wesentlichen auf das Argument, dass die in D1 beschriebene Injektion in die Ohrmuschel einer intradermalen Injektion entsprach oder zumindest damit überlappte.
6.1.2 D1 offenbart lediglich Injektionen ins Ohr der Mäuse. Die spezifischen beanspruchten Verabreichungsrouten werden nicht erwähnt. Wie von der Einspruchsabteilung ausgeführt, enthält die Ohrmuschel sowohl elastischen Knorpel, Bindegewebe wie auch Haut und Muskel. Eine spezifische intradermale oder intraepitheliale Injektion wird daher nicht unmittelbar und eindeutig in D1 offenbart. Die seitens der Beschwerdeführerin 1 zitierten Textstellen der Dokumente D35, D33 und D8 stellen ferner keinen Beweis für ein diesbezügliches allgemeines Fachwissen dar. D8 ist ein nachveröffentlichter wissenschaftlicher Artikel, der keinen Beleg für das allgemeine Fachwissen vor dem Prioritäts- bzw. Anmeldetag darstellen kann. D33 und D35 sind ebenfalls wissenschaftliche Artikel, die eine intraepitheliale bzw. intradermale Injektion in die Ohrmuschel erwähnen (s. D33, Seite 3, linke Spalte und D35, Seite 790, linke Spalte, erster voller Absatz) jedoch ohne festzulegen, dass eine Injektion ins Ohr zwangsläufig einer intraepithelialen bzw. intradermalen Injektion entspricht.
6.1.3 Der Beschwerdeführer 2 argumentierte, dass in Anbetracht der Dicke der verschiedenen Hautschichten eines Mauseohrs bei einer Injektion ins Mauseohr gemäß D1 zumindest ein Teil der Lösung in die Dermis gelangen musste. Wie seitens der Beschwerdegegnerin erklärt können jedoch Verabreichungsstelle und Wirkstelle nicht gleichgestellt werden. Eine Diffusion des Wirkstoffes nach einer beliebigen Verabreichung tritt meistens auf, ohne, dass die Verabreichungsroute per se als verändert betrachtet wird.
6.1.4 Während der mündlichen Verhandlung argumentierte der Beschwerdeführer 2 in diesem Zusammenhang, dass der in T 1001/01 befolgte Ansatz bezüglich der Verabreichungsroute im vorliegenden Fall angewendet werden könnte. Die Kammer bemerkt, dass in T 1001/01 die im Stand der Technik offenbarte parenterale Verabreichung als neuheitsschädlich für die beanspruchte intravenöse Verabreichung betrachtet wurde, unter anderem weil die intravenöse Verabreichung ursprünglich gegenüber anderen parenteralen Verabreichungsrouten nicht besonders bevorzugt war (siehe Punkt 3.2). Im vorliegenden Fall wurde eine allgemeine definierte parenterale Verabreichungsroute nie in Betracht gezogen, da die Verabreichung ursprünglich bereits auf bestimmte Injektionen limitiert war. In Anbetracht dieses Unterschieds zwischen beiden Fällen ist die Schlussfolgerung von T 1001/01 im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Ferner ist zu beachten, dass die Entscheidung T 1001/01 vor der Entscheidung G 2/08 veröffentlicht wurde. Gemäß G 2/08 kann eine neue spezifische Anwendung in Form einer neuen Verabreichungsart, d.h. auch einer neuen Verabreichungsroute, vorhanden sein.
6.1.5 Folglich ist die in D1 beschriebene Erfindung nicht dieselbe wie im vorliegenden Hauptantrag. Entgegen der Meinung der beschwerdeführenden Parteien kann D1 demnach nicht die erste Anmeldung im Sinne von Artikel 87 (4) EPÜ darstellen. Dass D29 (Prioritätsdokument des Streitpatents) dieselbe Erfindung wie im Hauptantrag offenbart, wurde nicht in Frage gestellt, so dass die beanspruchte Priorität gültig ist. Demzufolge gehört D1 nicht zu dem für die Frage der Neuheit relevanten Stand der Technik.
6.1.6 D2 beansprucht die Priorität von D1. Insofern D2 denselben Gegenstand wie D1 offenbart, ist diese Priorität gültig und D2 ist dementsprechend relevanter Stand der Technik für die Frage der Neuheit gemäß Artikel 54 (3) EPÜ. Wie unter Punkt 6.1.2 erklärt, ist die entsprechende Offenbarung jedoch nicht neuheitsschädlich für den Gegenstand der Ansprüche des Hauptantrags. Bezüglich des Gegenstands von D2, der über die Offenbarung von D1 hinausgeht, insbesondere das Merkmal der intradermalen Verabreichung, kann keine Priorität von D1 gültig beansprucht werden. Folglich gehört der entsprechende Gegenstand von D2 nicht zu dem für die Frage der Neuheit relevanten Stand der Technik.
6.2 Neuheit gegenüber D24
6.2.1 Die Offenbarung von D24 umfasst allgemein den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags. Um zum spezifischen beanspruchten Gegenstand zu gelangen, müssen jedoch folgende Merkmale ausgewählt werden:
(i) die Ringer Lösung als Puffer aus der Liste auf Spalte 12 Zeilen 64-65,
(ii) "pathogen induced diseases", "immunological disorder", "vaccine" als medizinische Verwendung, insofern sie der beanspruchten Verwendung tatsächlich entsprechen, aus der Liste auf Spalte 14 Zeilen 14-21 und 29, und
(iii) die intradermale Verabreichungsroute aus der Liste auf Spalte 14 Zeilen 37-39.
6.2.2 Keines dieser Merkmale wird in D24 besonders bevorzugt. D24 enthält auch keine besondere Lehre mit der Kombination dieser Merkmale zu arbeiten. D24 nimmt somit die Neuheit der vorliegenden Ansprüche nicht vorweg.
6.2.3 Der Beschwerdeführer 2 war der Auffassung, dass die auf derselben Spalte offenbarten Merkmale (ii) und (iii) den beanspruchten Merkmalen gänzlich entsprachen, sodass dementsprechend keine Auswahl getroffen werde musste. Demzufolge musste lediglich der Puffer (Merkmal (i)) ausgewählt werden. Eine einfache Auswahl in einer Liste nahm folglich die Neuheit vorweg. Dieses Argument ist nicht nachvollziehbar. Auch wenn die Merkmale (ii) und (iii) in der gleichen Spalte offenbart werden, müssen weiterhin spezifische Krankheiten und die intradermale Verabreichungsroute aus zwei Listen ausgewählt werden. Insbesondere können metabolische Störungen, hormonelle Krankheiten, neurologische Krankheiten sowie Kreislauferkrankungen nicht als den beanspruchten Krankheiten entsprechend betrachtet werden.
6.2.4 Im schriftlichen Verfahren brachte der Beschwerdeführer 2 das gleiche Argument bezüglich der Anwendung von T 1001/01 im vorliegenden Fall wie bereits im Zusammenhang mit D1 vorgetragen (s. Punkt 6.1.4) vor. Die Kammer ist aus denselben Gründen wie zuvor der Auffassung, dass der in T 1001/01 befolgte Ansatz hier nicht anwendbar ist. Die Kammer stellt ferner fest, dass auch, wenn eine intradermale Verabreichungsroute in D24 offenbart wäre die Problematik der Offenbarung des spezifischen Puffers in Kombination mit der spezifischen medizinischen Verwendung unverändert bleibt.
6.3 Während der mündlichen Verhandlung zog der Beschwerdeführer 2 seinen im schriftlichen Verfahren erhobenen Einwand basierend auf D20 zurück.
6.4 Demzufolge erfüllt der Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ.
7. Erfinderische Tätigkeit
7.1 Nächstliegender Stand der Technik
7.1.1 Die Beschwerdeführerin 1 sowie die Beschwerdegegnerin argumentierten ausgehend von D17 als nächstliegendem Stand der Technik. Der Beschwerdeführer 2 hielt hingegen D17 für nicht geeignet. Während der mündlichen Verhandlung betrachtete er stattdessen D20 als nächstliegenden Stand der Technik.
7.1.2 Der Beschwerdeführer 2 argumentierte diesbezüglich, dass der nächstliegende Stand der Technik nicht nur denselben Zweck wie die Ansprüche des Hauptantrags betreffen sollte, sondern auch die geringste Anzahl struktureller oder funktioneller Unterschiede zum beanspruchten Gegenstand aufweisen sollte. Seiner Ansicht nach betraf D20 (s. Seite 1370, linke Spalte, 4. Absatz unter "Material and Methods"; Seite 1371, linke Spalte, 1. Absatz; Tabelle 1) den gleichen Zweck wie das Streitpatent, nämlich die Bereitstellung von mRNA Formulierungen für medizinische Anwendungen. Ferner offenbarte D20 mRNA Formulierungen in DPBS, das gemäß D21 Natrium-, Kalium- und Calciumsalze enthielt. Der Fachmann hätte tatsächlich den Puffer mit Calcium gewählt, da er dem ursprünglichen Dulbeccos Puffer entsprach. Das Vorhandensein von Calcium stellte somit ein inhärentes Merkmal von D20 dar.
7.1.3 Dieser Ansatz ist nicht überzeugend. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern sollte der Gegenstand des nächstliegenden Stands der Technik vor allem den gleichen Zweck wie die im Streitpatent beanspruchte Erfindung betreffen (s. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 9. Auflage 2019, I.D.3.2.) und ferner die meisten technischen Merkmale mit ihr gemeinsam haben.
Das Streitpatent hat mRNA-Injektionslösungen zur Verwendung in medizinischen Anwendungen (einschließlich zur Behandlung von Tumoren und viralen Infektionen), die eine Steigerung des mRNA-Transfers und/oder der mRNA-Translation erzielen (s. Ansprüche 1 und 9), zum Gegenstand.
D17 betrifft eine mRNA Zusammensetzung zur Gentherapie und genetischen Vakzinierung gegen Tumore. Die Problematik, einen effizienten Transfer und eine effiziente Translation zu erreichen, wird in den Absätzen [0031]-[0033] und [0037] besprochen. Diese wird durch Veränderung der mRNA gelöst. Außerdem wird in den Beispielen die intradermale Injektion von in einem wässrigen Puffer gelöster mRNA beschrieben. Die Art des Puffers ist das einzige unterschiedliche technische Merkmal im Vergleich zu den vorliegenden Verwendungen.
Die Effizienz des Transfers / der Translation wird hingegen in D20 nicht erwähnt, so dass D20 den Hauptzweck des Streitpatents nicht betrifft. Dass D20 die Behandlung einer viralen Erkrankung zum Gegenstand hat, ist in diesem Fall nicht entscheidend. Die medizinische Anwendung ist im Streitpatent sowie in D17 und D20 durch die Art der mRNA bedingt und stellt somit nicht den Kern der beanspruchten Erfindung dar. Dieser liegt allein in der durch die Formulierung bedingten Steigerung des mRNA-Transfers und/oder mRNA-Translation. Im Gegensatz zur Ausführung des Beschwerdeführers 2 weist der Gegenstand von D20 außerdem nicht weniger Unterschiede zur beanspruchten Erfindung als der Gegenstand von D17 auf. Das Vorhandensein von Calcium (Ca) in dem in D20 benutzten DBPS Puffer wurde nicht bewiesen. D21 offenbart lediglich, dass sowohl Ca-freier, als auch Ca-haltiger DPBS erhältlich ist. Die Ausführung des Beschwerdeführers 2 bezüglich der Wahl des Ca-haltigen Puffers bleibt eine reine Vermutung. Ferner werden die beanspruchten Verabreichungsrouten in D20 nicht offenbart. Der Gegenstand von D20 unterscheidet sich somit von den vorliegenden Verwendungen durch die spezifische Auswahl des Puffers und durch die Art der Verabreichungsroute.
D17 stellt folglich eindeutig den nächstliegenden Stand der Technik dar.
7.2 Unterschied und objektive technische Aufgabe
7.2.1 Es war unbestritten, dass sich der Gegenstand des vorliegenden Hauptantrags von den in D17 offenbarten Verwendungen durch die Art des Puffers unterscheidet.
7.2.2 Auch der mit der Präsenz von Calcium im Puffer verbundene Effekt der Steigerung des mRNA-Transfers und/oder mRNA-Translation und somit der Proteinexpression wurde nicht in Frage gestellt.
7.2.3 Die objektive technische Aufgabe ausgehend von D17 besteht demnach in der Bereitstellung einer alternativen mRNA Zusammensetzung für die Verwendung in der Behandlung und/oder Prophylaxe von unter anderem Krebs- bzw. Tumor-Erkrankungen, wobei die Expression erhöht ist.
7.3 Naheliegen der Lösung
7.3.1 Die Beschwerdeführerin 1 argumentierte, dass eine Erhöhung der mRNA-Translation dank Calcium den Dokumenten D5, D6 und D7 zu entnehmen sei. Auch die Dokumente D12, D13 und D14 würden eine Erhöhung des mRNA-Transfers in Präsenz von Calcium offenbaren. Um die vorliegende Aufgabe zu lösen, wäre es dem Fachmann folglich offensichtlich erschienen, Calcium in dem in D17 verwendeten Puffer zuzugeben anstatt die mRNA zu modifizieren.
7.3.2 Diese Argumentationslinie ist nicht überzeugend und basiert auf einer Ex-post-facto-Analyse. Die Lehre von den Dokumenten D5, D6 und D7 betrifft die Rolle von Calcium während der endogenen Proteinsynthese, so dass diese dem Fachmann keinen Hinweis auf eine Zugabe von Calcium im Injektionspuffer einer zu verabreichenden exogenen mRNA gegeben hätte. Die Dokumente D12, D13 und D14 beziehen sich auf die Verwendung von wasserunlöslichen Calciumphosphat Partikeln in in vitro Transfektionsverfahren. Der Fachmann hätte demnach aus diesen Dokumenten nicht entnommen, dass die Verwendung von Calciumsalzen in mRNA-Injektionspuffern zu einer Erhöhung des Transfers und/oder der Translation unter in vivo Injektion geführt hätte.
7.3.3 Keines der zitierten Dokumente gibt einen Hinweis auf die Verwendung eines Calciumsalzes in mRNA-Injektionspuffern, um eine Steigerung des mRNA-Transfers und/oder der mRNA-Translation unter intradermaler Injektion zu erzielen. Somit wäre der Fachmann ausgehend von D17 nicht ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand des vorliegenden unabhängigen Anspruchs 1 gelangt.
7.3.4 Die gleiche Schlussfolgerung gilt mutatis mutandis für den vorliegenden unabhängigen Anspruch 9.
7.4 Der Hauptantrag erfüllt demnach die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.
8. Anpassung der Beschreibung
Während der mündlichen Verhandlung stimmten die Parteien überein, dass keine Anpassung der Beschreibung notwendig war.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in geändertem Umfang in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche 1-16 des während der mündlichen Verhandlung am 24. Mai 2022 eingereichten Hauptantrags
- Beschreibung: Seiten 2-22 der Patentschrift
- Figuren 1-17 der Patentschrift.