T 1335/18 () of 29.3.2022

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2022:T133518.20220329
Datum der Entscheidung: 29 März 2022
Aktenzeichen: T 1335/18
Anmeldenummer: 13164332.2
IPC-Klasse: B65H 5/32
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Betrieb einer Fadenheftmaschine
Name des Anmelders: Müller Martini Holding AG
Name des Einsprechenden: Meccanotecnica S.p.A.
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 123(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Schlagwörter: Neuheit (nein: Hauptantrag, Hilfsantrag 1a; ja: Hilfsantr. 2a)
Klarheit (nein: Hilfsantrag 1)
Zulassung (nein: Hilfsantrag 2)
Unzulässige Erweiterung (nein: Hilfsantrag 2a)
Erfinderische Tätigkeit (ja: Hilfsantrag 2a)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1646/12
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende und die Patentinhaberin haben gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Fassung, in der das europäische Patent Nr. 2 657 163 (nachfolgend als "das Patent" bezeichnet) in geändertem Umfang aufrechterhalten werden kann, Beschwerde eingelegt.

II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 nicht neu sei, dass es dem Gegenstand des Hilfsantrags 2 an der erfinderischen Tätigkeit fehle und dass der Hilfsantrag 3 einen Klarheitsmangel aufweise. Der Gegenstand des Hilfsantrags 4 hingegen erfülle alle Erfordernisse des EPÜ.

III. Von den von der Einspruchsabteilung berücksichtigten Druckschriften sind die Folgenden für das Beschwerdeverfahren relevant:

D1: WO 2012/028725 A2

D2: GB 1 425 974

D3: WO 01/34403 A2

D5: US 2010/0117286 A1

D6: EP 2 450 195 A1

IV. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer hat am 29. März 2022 als Videokonferenz stattgefunden.

V. Die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt (Hauptantrag) oder hilfsweise in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der Hilfs­anträge 1, 1a, 2, 3, 3a, alle eingereicht zusammen mit der Beschwerdebegründung, oder des Hilfsantrags 2a, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus beantragte sie, die Beschwerde der Beschwerdeführerin II zurückzuweisen.

Die Beschwerdeführerin II (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Darüber hinaus beantragte sie, die Beschwerde der Beschwerdeführerin I zurückzuweisen.

VI. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 14 des Patents lauten wie folgt (die von der Patentinhaberin vorgeschlagene Merkmals­gliederung ist in eckigen Klammern angegeben):

"1. [1a] Verfahren zum Betrieb einer Fadenheftmaschine (1) für die Verarbeitung von Druckbogen zu Buchblocks, wobei [1b] die Fadenheftmaschine im Wesentlichen aus mindestens einem Transportsystem (2, 3) für die Druckbogen (5) und [1c] aus mindestens einer Nähstation (9) besteht, dadurch gekennzeichnet, dass [1d] die Nähstation in Wirkverbindung mit mindestens einem Heftsattel (7) steht, wobei [1e] der Heftsattel seinerseits in Wirkverbindung mit dem Transportsystem für die Zuführung der Druckbogen steht, dass [1f] die Zuführung der in der Nähstation verarbeiteten Druckbogen in einer vertikalen oder quasi-vertikalen und/oder in einer horizontalen oder quasi-horizontalen Ebene gegenüber dem Heftsattel erfolgt, und [1g] die Druckbogen rittlings auf dem Heftsattel aufliegend der Nähstation zugeführt werden, und dass [1h] mindestens die vertikale oder quasi-vertikale Zuführung der Druckbogen direkt auf den Heftsattel erfolgt oder im Bereich des Heftsattels vorgenommen wird."

"14. [14a] Fadenheftmaschine zur Durchführung eines Verfahrens für die Verarbeitung von Druckbogen zu Buchblocks, wobei [14b] die Fadenheftmaschine (1) im Wesentlichen aus mindestens einem Transport­system (2, 3) für die Druckbogen (5), [14c] aus mindestens einem Heftsattel (7) und [14d] aus mindestens einer Nähstation (9) besteht, wobei [14e] die Nähstation in Wirkverbindung mit dem mindestens einen Heftsattel (7) steht, wobei der Heftsattel seinerseits in Wirkverbindung mit dem Transportsystem für die Druckbogen steht, wobei [14f] die Zuführung der in der Nähstation verarbeiteten Druckbogen in einer vertikalen oder quasi-vertikalen und/oder in einer horizontalen oder quasi-horizontalen Ebene gegenüber dem Heftsattel stattfindet, und [14g] die Druckbogen rittlings auf dem Heftsattel aufliegend der Nähstation zuführbar sind, und wobei [14h] mindestens die vertikale oder quasi-vertikale Zuführung der Druckbogen direkt auf den Heftsattel oder im Bereich des Heftsattels bewerkstelligt ist."

Die Ansprüche 1 und 14 des Hilfsantrags 1 unterscheiden sich dadurch von den Ansprüchen 1 und 14 des Haupt­antrags, dass in den Merkmalen 1f und 14f die Worte "aus mindestens zwei verschiedenen Richtungen" nach den Worten "verarbeiteten Druckbogen" eingefügt wurden und die Worte "und/oder" durch "und" ersetzt wurden (Merkmale 1f1, 14f1). Im Anspruch 14 wurden zudem die Worte "mit dem mindestens einen Heftsattel" durch "mit dem mindestens einem [sic] Heftsattel" ersetzt.

Die Ansprüche 1 und 14 des Hilfsantrags 1a unterscheiden sich dadurch von den Ansprüchen 1 und 14 des Hilfsantrags 1, dass in den Merkmalen 1h bzw. 14h die Worte "oder im Bereich des Heftsattels vorgenommen wird" bzw. "oder im Bereich des Heftsattels" gestrichen wurden (Merkmale 1h1, 14h1).

Die Ansprüche 1 und 14 des Hilfsantrags 2 unterscheiden sich dadurch von den Ansprüchen 1 und 14 des Hilfsantrags 1, dass in den Merkmalen 1f1 bzw. 14f1 die Worte "aus mindestens zwei verschiedenen Richtungen" durch "über eine in vertikaler Richtung operierende Zuführeinrichtung, deren Druckbogen-Zuführung immer auf den Heftsattel gerichtet ist" ersetzt wurden und die Worte "über eine horizontal operierende Einrichtung, welche die Druckbogen-Zustellung auf den Heftsattel übernimmt" bzw. "über eine horizontal operierende Einrichtung, welche die Druckbogenzustellung auf den Heftsattel übernimmt" nach den Worten "quasi-vertikalen und" eingefügt wurden (Merkmale 1f2, 14f2).

Die Ansprüche 1 und 14 des Hilfsantrags 2a unterscheiden sich dadurch von den Ansprüchen 1 und 14 des Hilfsantrags 2, dass die Merkmale 1h und 14h durch die Merkmale 1h1 und 14h1 ersetzt wurden. Im Anspruch 14 wurden zudem die Worte "mit dem mindestens einem [sic] Heftsattel" durch "mit dem mindestens einen Heftsattel" ersetzt.

In Anbetracht des Tenors dieser Entscheidung ist der Wortlaut der unabhängigen Ansprüche der Hilfsanträge 3 und 3a hier nicht wiedergegeben.

VII. Der Vortrag der Parteien zu den für die Entscheidung relevanten Fragen lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Hauptantrag: Auslegung

i) Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin)

Die Einspruchsabteilung habe jedes Transportsystem für

die Zuführung der Druckbogen als anspruchsgemäß angesehen, das einen in einer vertikalen Ebene verlaufenden Zuführabschnitt und einen in einer horizontalen Ebene verlaufenden Zuführabschnitt auf­weist, ohne dass es auf die relative Lage dieser Abschnitte in Bezug auf den Heftsattel ankomme. Diese breite Auslegung des Anspruchsgegenstands sei jedoch nicht mit dem Wortsinn des Merkmals 1f des Patent­anspruchs 1 und des entsprechenden Merkmals 14f des Patentanspruchs 14 vereinbar. Dieses Merkmal besage, dass die Zuführung der in der Nähstation verarbeiteten Druckbogen in einer vertikalen oder quasi-vertikalen und/oder in einer horizontalen oder quasi-horizontalen Ebene gegenüber dem Heftsattel erfolgt. Aus dem Merk­mals­bestandteil "Zuführung ... gegenüber dem Heft­sattel" werde deutlich, dass es sich jeweils um an den Heftsattel angrenzende Endbereiche des Transportsystems handle, in denen die Druckbogen dem Heftsattel in einer vertikalen oder quasi-vertikalen Ebene oder in einer horizontalen oder quasi-horizontalen Ebene zugeführt würden. Die Orthogonalität dieser beiden Zuführungen gegenüber dem Heftsattel schließe es insbesondere aus, dass das Merkmal 1f hintereinander angeordnete Abschnitte längs ein- und desselben Transportweges umfasse, auf dem die Druckbogen hintereinander dem Heftsattel zugeführt werden. Die Auslegung der Einspruchs­abteilung sei auch durch die Beschreibung und Zeichnung des angefochtenen Patents ausgeschlossen. Gemäß Absatz [0020] des Patents sei die erfindungs­gemäße Fadenheftmaschine dazu in der Lage, Druckbogen innerhalb einer Produktion gleichzeitig vertikal und horizontal auf den Heftsattel zuzuführen. Letzteres werde im Absatz [0028] unter Bezugnahme auf Fig. 2 zusätzlich erläutert. Danach werde in Fig. 2 die Signatur 4 von dem horizontalen Hilfssattel 6 dem Heftsattel 7 zugeführt und zeitgleich die Signatur Nummer 5 vertikal auf den Heftsattel 7 über die Signatur 4 gelegt. Dabei habe die Vorderkante der Signatur 4 vorher die Hinterkante der von oben zuge­führten Signatur 5 passiert, so dass es zu keiner Kol­li­sion komme. Fig. 2 und ihre vorstehend angespro­chene Beschreibung erläutere die Zuführung der Druck­bogen direkt auf den Heftsattel. Dies sei im Wortlaut des Merkmals 1h als erste Alternative angegeben.

b) Hauptantrag: Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1

i) Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin)

Keine der von der Einspruchsabteilung in Betracht gezogenen Druckschriften D1, D2, D5 oder D6 offenbare den allen Anspruchsfassungen zugrundeliegenden Gedanken, gegenüber dem Heftsattel zeitparallel zueinander betreibbare Zuführungen vorzusehen, deren eine in einer vertikalen oder quasi-vertikalen Ebene und deren andere in einer horizontalen oder quasi-horizontalen Ebene erfolge:

Die Druckschrift D1 zeige in ihren Figuren 1 und 7 zwei Ausführungsformen einer Fadenheftmaschine. In beiden Ausführungsformen werde der Heftsattel 155 ausschließ­lich horizontal von dem feststehenden Hilfssattel 140 aus beladen, der die Transport­station 130 bilde. Dies gelte auch für die auf Seite 19, Zeilen 15 bis 17, und Seite 20, Zeilen 11 bis 13, angesprochene Weglassung der Transportstation 130, auf die sich die Einspruchs­abteilung in ihren Erwägungen beziehe. Sollte der Fachmann wegen der Weglassung der Transportstation 130 die Position der Zuführstation 115 derart ändern, dass davon der Heftsattel 155 direkt beschickt wird, würde er lediglich zu einer Fadenheftmaschine gelangen, die gegenüber ihrem Heftsattel eine einzige Zuführung aufweist. Eine Anregung dahingehend, die Transport­station 130 beizubehalten und zusätzlich den Heft­sattel 155 mit einer parallel betreibbaren weiteren Zuführung auszustatten, sei der Druckschrift D1 nicht entnehmbar. Daher stehe diese keiner der verteidigten Anspruchsfassungen patenthindernd entgegen.

Hinsichtlich der Druckschrift D2 verweise die Einspruchsabteilung auf die Fig. 1 und 3 und merke an, dass dort die Zuführung der Druckbogen gegenüber dem Heftsattel in einer vertikalen oder quasi-vertikalen Ebene erfolge. Die nach Merkmal 1f zusätzlich erfor­derliche, parallel betreibbare Zuführung in einer horizontalen oder quasi-horizontalen Ebene sei jedoch in der Druckschrift D2 weder offenbart noch nahegelegt.

Hinsichtlich der Druckschrift D5 sei aus deren Figuren 1 und 2 der gesamte Zuführungsweg zwischen einem Stapel 18 von Druckbogen 2 zu dem Heftsattel 9 einer Fadenheftmaschine ersichtlich. Dieser Zuführungs­weg verlaufe in einem dem Stapel 18 benachbarten Abschnitt in einer horizontalen Ebene und daran anschließend zum Heftsattel 9 hin in einer vertikalen Ebene. Jedoch sei der Zeichnung und ihrer Beschreibung keine zusätzliche horizontale Zuführung gegenüber dem Heft­sattel entnehmbar, noch enthalte der gesamte Offen­barungs­gehalt der Druckschrift D5 Hinweise dazu.

Bezüglich der Druckschrift D6 weise die Einspruchs­abteilung sinngemäß darauf hin (Seite 5, unteres Drittel, bis Seite 6, oberes Drittel, der angefochtenen Entscheidung), dass die Druckbogen gemäß den Figuren 3B und 3E in einem stromaufwärtigen Abschnitt des Förder­weges in einer orthogonalen Ebene auf den Ladesattel 240c gefördert und anschließend horizontal auf den Näh­sattel 240s verschoben würden. Hier lägen also der in der vertikalen Ebene verlaufende Förderabschnitt und der in der horizontalen Ebene verlaufende Förder­abschnitt längs des Förderweges hintereinander. Es liege also nur eine einzige Zuführung gegenüber dem Heftsattel vor. Zwei zeitparallel betreibbare Zufüh­rungen gegenüber dem Heftsattel gemäß Merkmal 1f seien hierdurch weder vorweggenommen noch nahegelegt.

Zwei zeitparallele Zuführungen gegenüber dem Heftsattel seien somit durch den Stand der Technik weder offenbart noch nahegelegt.

c) Hilfsantrag 1

i) Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin)

Hilfsantrag 1 entspreche inhaltlich dem in erster Instanz mit Schriftsatz vom 9. November 2017 einge­reichten Hilfsantrag 1. In diesem Hilfsantrag seien die Patentansprüche 1 und 14 gegenüber ihrer erteilten Fassung auf die in Punkt 2.2 der angefochtenen Ent­scheidung angegebene Alternative der sowohl horizon­talen oder quasi-horizontalen als auch vertikalen oder quasivertikalen Zuführung beschränkt. Außerdem enthielten die Ansprüche 1 und 14 jeweils die zusätz­liche Angabe, dass die Zuführung der Druckbogen aus mindestens zwei verschiedenen Richtungen erfolgt. Diese zusätzliche Angabe finde sich im Absatz [0005] der A1-Schrift sowie in Absatz [0006] der B1-Schrift.

d) Hilfsantrag 1a

i) Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin)

In diesem Hilfsantrag sei gegenüber den Fassungen der Patentansprüche 1 und 14 gemäß Hilfsantrag 1 jeweils am Schluss dieser beiden Ansprüche die Alternative der vertikalen oder quasi-vertikalen Zuführung der Druck­bogen im Bereich des Heftsattels gestrichen. Im Übrigen stimme Hilfsantrag 1a mit Hilfsantrag 1 überein.

e) Hilfsantrag 2

i) Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin)

Dieser Hilfsantrag entspreche inhaltlich dem

erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 9. November 2017 eingereichten Hilfsantrag 2. Wie schon in den Hilfs­anträgen 1 und 1a seien auch im Hilfsantrag 2 die Ansprüche 1 und 14 darauf beschränkt worden, dass die Zuführung sowohl horizontal oder quasi-horizontal als auch vertikal oder quasi-vertikal erfolgt. Außerdem enthielten die Ansprüche 1 und 14 jeweils die zusätz­liche Angabe, dass die Zuführung der Druckbogen über eine in vertikaler Richtung operierende Zuführ­ein­richtung, deren Druckbogen-Zuführung immer auf den Heftsattel gerichtet ist, und über eine horizontal operierende Einrichtung, welche die Druckbogen-Zustellung auf den Heftsattel übernimmt, erfolgt. Diese zusätzlichen Angaben fänden sich in den Absätzen [0008] und [0009] der A1-Schrift und den Absätzen [0009] und [0010] der B1-Schrift. Im Übrigen enthalte der Hilfsantrag 2 die abhängigen Ansprüche 2 bis 13 und 15 bis 17 der Patentschrift.

ii) Beschwerdeführerin II (Einsprechende)

Die Einspruchsabteilung hat die dem Anspruch 1 zugrundeliegende Änderung als in den Absätzen [0008] und [0009] der ursprünglichen Offenbarung angesehen.

Das neue Merkmal unterscheidet sich aber von Absatz [0009], weil die Worte "in erster Linie" weggelassen wurden. Dies stelle eine unzulässige Zwischenverall­gemeinerung dar.

f) Hilfsantrag 2a: Patentfähigkeit bezüglich der Druckschrift D1

i) Beschwerdeführerin II (Einsprechende)

Neuheit gegenüber der Druckschrift D1

Die Einspruchsabteilung sei zum Schluss gekommen, der Anspruch 1 unterscheide sich vom Inhalt der Druck­schrift D1 dadurch, dass die in der Nähstation verar­beiteten Druckbogen durch eine in vertikaler Richtung arbeitende Zuführeinrichtung zugeführt werden, deren Druck­bogen­zuführung stets in einer vertikalen oder quasi-verti­kalen Ebene auf den Heftsattel gerichtet ist, und dass zumindest die vertikale oder quasi-vertikale Zuführung der Druckbogen unmittelbar auf den Heftsattel erfolgt (siehe Punkt 4.2 der Gründe für die angefochtene Entscheidung). Diese Merkmale seien jedoch unmittelbar und eindeutig in der Druckschrift D1 offenbart. Diese lehre, dass in der Näh­station die Transportstation fehlen könne, wobei in diesem Fall die Signaturen direkt von der Zuführ­station der Nähstation zugeführt werden (siehe Seite 19, Zeilen 14 bis 17 und Seite 20, Zeilen 11 bis 13). Dies gelte auch für die Multi­funktions-Näh­station (siehe Seite 20, Zeilen 22 bis 23). Daher lehre die Druckschrift D1, dass in der Multi­funktions-Nähstation, wie sie in Fig. 7 gezeigt ist (vgl. Anspruch 1, "multi­function binding machine" und Seite 14, Zeilen 25 und 26, "The above-described structure allows making the sewing machine 700 multi­function ..."), die Trans­portsta­tion 130 entfernt werden und die Zuführ­station 115 die Signaturen 105 direkt an die Nähstation 135 liefern könne. Dazu müsse die Zuführstation 115 nahe zur Näh­station 135 verlegt werden (da die Transport­station 130 fehle); außerdem müsse die Zuführ­station 115 seitlich von der Nähstation angeordnet werden (da sie die Signaturen 105 direkt auf diese zuführen müsse), und dann auf der gegenüber­liegenden Seite des Ausgabeförderers 170 (da dies die einzige verfügbare freie Position sei). All dies sei bereits in der Druckschrift D1 ausdrücklich vorgesehen (siehe Seite 20, Zeilen 22 bis 27).

Erfinderische Tätigkeit, ausgehend von der Druckschrift D1

In jedem Fall sei das angebliche Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem Inhalt der Druckschrift D1 naheliegend, wie dies von der Einspruchsabteilung in Punkt 4.3.2 der angefochtenen Entscheidung festgestellt worden sei.

Die Druckschrift D1 offenbare zwei verschiedene Maschinen. Die erste sei in der Fig. 1 offenbart. Sie weise eine Zuführeinrichtung 115, einen festen Sattel 130 [sic], einen Heftsattel 135 und eine Näh­station 160 auf. Die zweite Maschine sei in Fig. 7 dargestellt und weise eine zweite Zuführeinrich­tung 715 auf. Die Druckschrift D1 stelle darüber hinaus im Zusammenhang mit der ersten Ausführungsform fest, dass dieselbe Lösung auch in einer Nähmaschine ohne jede Transport­einrichtung zum Einsatz kommen könne (siehe Seite 19, Zeilen 14 bis 17), also ohne den festen Sattel 130. Die Druckschrift offenbare explizit, dass in diesem Falle die Zufuhr einer Signatur von einer Zuführstation 115 auf die Nähstation erfolge (Seite 19, Zeilen 16 bis 17). Die Druckschrift füge dem noch hinzu, dass sich alle diese Überlegungen auch auf die Maschine der Fig. 7 übertragen ließen (Seite 20, Zeilen 22 und 23). Deshalb sei zumindest implizit offenbart, dass die Maschine gemäß Fig. 7 auch ohne den festen Sattel 130 ausgeführt werden könne, indem die Signa­turen direkt auf den Heftsattel 135 transportiert werden. Für den Fachmann, der den festen Sattel 130 entfernen wolle, sei es naheliegend, die Zuführstation so zu verschieben, dass es möglich sei, die Signaturen direkt auf den Nähsattel zu befördern. In der Druck­schrift D1 sei bereits offenbart, dass die Zuführ­station 115 auf der anderen Seite des Sattels 130 vorgesehen sein könne. Deshalb sei es naheliegend, sie dem Nähsattel anzunähern. Die einzige verfügbare Stelle sei auf der anderen Seite des Nähsystems 130. Dies werde auch durch die Druck­schriften D2 und D5 nahe­gelegt, die eine solche Konfiguration offenbaren. Dies verlange keinen Umbau der Zuführeinrichtung 115. Dasselbe gelte für die Zuführstation 715. Wenn man die Signaturen von der Zuführstation 715 ohne den festen Sattel 130 auf den Heftsattel 135 übertragen wolle, müsse man die Zuführstation 715 dem Heftsattel 135 annähern (Verschiebung nach links in Fig. 7). Dazu bedürfe es keiner Änderung der Zuführ­station 715. Damit erhalte man aber die erfindungs­gemäße Maschine mit einer vertikalen Zuführung von der Zuführstation 115 (im rechten Winkel zum Nähsattel) auf den Heft­sattel 135, sowie einer horizontalen Zuführung durch die Zuführeinrichtung 715 (von rechts nach links in Fig. 7). Es gebe keinen Grund, die Zuführein­rich­tung 715 der Fig. 7 zu entfernen.

Dem Argument der Beschwerdeführerin I, dass die Druck­schrift D1 keine Anregung enthalte, die Transportein­richtung einer Multifunktions-Nähmaschine zu entfernen, sei unzutreffend. Auf den Seiten 19 und 20 der Druck­schrift D1 seien viele Alternativen betreffend die Nähstation der Fig. 1 offenbart. Auf den Seiten 20 und 21 würden andere konkrete Alternativen für die Maschine der Fig. 7 genannt. Jedoch werde auf Seite 20 unzwei­fel­haft festgestellt, dass alle (und nicht nur einige der) obengenannten Betrachtungen ebenso für die Maschine der Fig. 7 anwendbar seien. Ungeachtet der Tatsache, dass in den Ausführungen auf den Seiten 20 und 21 auf den festen Sattel Bezug genommen wird, ändere das nichts an dieser Feststellung, dass die Ausführungen zur Maschine der Fig. 1, einschließlich der Möglichkeit, den festen Sattel zu entfernen, auch für die Multi­funktions-Nähmaschine der Fig. 7 gelten. Auf die Frage der Kammer nach der Motivation des Fachmanns, diese Änderung vorzunehmen, erklärte die Beschwerdeführerin II, dass es keiner Motivation bedürfe, weil die Druckschrift diese Möglichkeit explizit ins Auge fasse. Der Vorteil der Entfernung des festen Sattels sei derselbe für die Maschinen der Fig. 1 und 7. Die Maschine würde dadurch kompakter. Auch das Patent offenbare keinen anderen Vorteil. Es offenbare in den Absätzen [0003] und [0006], dass es möglich sei, den Heftsattel aus zwei verschiedenen Richtungen mit Druckbogen zu versorgen. Die technische Wirkung dieser Lösung bestehe darin, Bücher mit alter­nierenden Signaturen herzustellen (vgl. Fig. 1, wo die Signaturen 1 bis 4 und 6 horizontal und die Signatur 5 vertikal zugeführt würden, bzw. Fig. 2, wo die Signa­turen 4 und 5 kombiniert würden). Die Druckschrift D1 habe genau dieselbe technische Wirkung, siehe Seite 14, Zeile 30, bzw. Fig. 11.

ii) Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin)

Die Erfindung werde von der Druckschrift D1 weder offenbart noch nahegelegt. Die beiden von der Druck­schrift D1 beschriebenen Maschinen seien auf Seite 4 definiert. In den Zeilen 7 bis 9 sei offenbart, dass ein Erfindungsaspekt durch eine Multifunktions-Näh­maschine abgedeckt werde. Ab Zeile 9 werde beschrieben, was darunter zu verstehen sei, nämlich eine Maschine mit einer ersten Zuführ­einrichtung zum Auflegen von Signaturen (d.h. gefal­teten Druck­bogen). Ab Zeile 15 werde von einer weiteren Zuführeinrichtung gesprochen. Sie diene dazu, flache Bögen zu empfangen, die dann zu Signaturen gefaltet und anschließend an die Nähstation geliefert würden. Auf Seite 4, ab Zeile 19, werde dann ein weiterer Aspekt der Erfindung beschrieben, nämlich eine Nähmaschine mit nur einer Zuführstation (für Signa­turen), siehe Zeilen 20 bis 30. Die mit Seite 19 beginnenden Ausführungen (bis Seite 20, Zeile 21) würden sich mit der Nähmaschine, d.h. dem zweiten Aspekt, beschäftigen. Von ihr werde auf Seite 19 in Zeile 15 gesagt, dass sie ohne jede Transportstation auskommen könne. Auf Seite 20, Zeile 22, werde dann auf die Multi­funktions-Nähmaschine eingegangen. Die Betrach­tungen (All the considerations pointed out above ...), die dort erwähnt seien, beträfen die Steuerung (control­ling) der einzelnen Elemente, nämlich die in Fig. 8 gezeigten Motoren, die in der Lage seien, unabhängig voneinander die Maschine zu steuern (ab Seite 19, Zeile 11, vgl. auch Zeilen 18 und 22). Da es sich um eine Multi­funktions-Nähmaschine handle, werde von Zuführ­einrichtungen im Plural gesprochen (Seite 20, Zeilen 23 und 25: feeding stations). Auf Seite 20, ab Zeile 29, werde die Transport­station im Einklang mit der Figuren­darstellung als fester Sattel (fixed saddle) bezeichnet und es werde festgestellt, dass die Signaturen auf dem festen Sattel zu stapeln seien (Zeilen 30 und 31). In der gesamten Beschreibung der Multi­funktions-Nähmaschine sei durch­gehend die Transporteinrichtung als Element der Maschine erwähnt. Deshalb könne nicht der Schluss gezogen werden, dass die Druckschrift D1 dazu anrege, die Transporteinrich­tung einer Multi­funktions-Nähma­schine wegzulassen. Es fehle somit jeder Hinweis, eine Nähmaschine mit zwei verschiedenen Zuführeinrichtungen ohne eine Transport­einrichtung zu nutzen. Deshalb werde eine solche Konfiguration von der Druckschrift D1 nicht nahegelegt. Sollte der Fachmann unter Weglassung der Transport­station 130 die Position der Zuführ­station 115 derart ändern, dass davon der Heftsattel 155 direkt beschickt wird, würde er lediglich zu einer Fadenheft­maschine gelangen, die gegenüber ihrem Heftsattel eine einzige Zuführung aufweise. Eine Anregung, die Trans­port­station 130 beizubehalten und zusätzlich den Heft­sattel 155 mit einer parallel betreibbaren weiteren Zuführung auszu­statten, sei der Druckschrift D1 nicht zu ent­nehmen. Daher stehe die Druckschrift D1 dem Gegenstand der Ansprüche nicht patenthindernd entgegen.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag

1.1 Auslegung der Ansprüche 1 und 14

Die Erfindung betrifft eine Fadenheftmaschine

(Anspruch 14) und ein Verfahren zu ihrem Betrieb (Anspruch 1). Dabei werden Druckbogen (oder "Signaturen", siehe Absatz [0009] des Patents), die zu einem Buchblock verarbeitet werden sollen, mittels eines Transportsystems und unter Zuhilfenahme eines Heftsattels einer Nähstation zugeführt.

Gemäß der Merkmale 1d und 1f sowie 14e steht der Heftsattel "in Wirkverbindung" sowohl mit der Nähstation als auch mit dem Transportsystem. Die Kammer versteht dies so, dass der Heftsattel mit diesen Bauteilen funktionell zusammenarbeitet. Festzuhalten ist auch, dass der Heftsattel als solcher nicht als Teil des Transportsystems angesehen wird.

Die erfindungsgemäße Zuführung der Druckbogen wird in den Merkmalen 1f bis 1h bzw. 14f bis 14h der Ansprüche 1 und 14 näher definiert. Der Kürze halber beschränkt sich die Kammer auf den Anspruch 1, aber das Gesagte ist analog auch für den Anspruch 14 gültig.

Zunächst ist zu klären, was genau unter der "Zuführung" der Druckbogen zu verstehen ist, d.h. zu welcher Position die Bogen geführt werden sollen. Handelt es sich um die Zuführung zum Heftsattel oder zur Nähstation, oder umfasst der Begriff beides?

Das Merkmal 1e ist diesbezüglich ambivalent, je nachdem ob man den Ausdruck "für die Zuführung der Druckbogen" als Attribut des Transportsystems (es handelt sich diesem Verständnis nach um ein "Transportsystem für die Zuführung der Druckbogen") oder als ein Attribut der Wirkverbindung ansieht (die Wirkverbindung hätte gemäß dieser Deutung die Zuführung der Druckbogen zur Aufgabe). Die Syntax spricht eher dafür, dass eine Zuführung zum Heftsattel gemeint ist.

Das Merkmal 1g verlangt, dass die Druckbogen rittlings auf dem Heftsattel aufliegend der Nähstation zugeführt werden. Hier handelt es sich unzweifelhaft um ein Zuführen zur Nähstation. Vorausgesetzt wird hier übrigens, dass die Druckbogen gefalzt sind.

Das Merkmal 1f beschreibt die "Zuführung der in der Nähstation verarbeiteten Druckbogen". Hier ist nicht gemeint, dass die bereits in der Nähstation verarbeiteten Druckbogen einer nicht genannten Position zugeführt werden sollen, denn die beanspruchte Erfindung beschäftigt sich nicht damit, was mit den fertig verarbeiteten Druckbogen, also dem Buchblock, geschieht. Die Kammer versteht "verarbeitet" hier deshalb im Sinne von "zu verarbeitenden", da die Nähstation den Ort der eigentlichen Herstellung des Buchblocks darstellt und dem Heftsattel nachgestellt ist. Das Merkmal 1f verlangt nun, dass die Zuführung der Druckbogen in einer bestimmten Ebene "gegenüber dem Heftsattel" erfolgt. Dies ist so zu verstehen, dass die Bewegung in Bezug auf den Heftsattel (also zum Heft­sattel hin oder ggf. von ihm weg zur Nähstation) in der besagten Ebene stattfinden soll. Weiters wird verlangt, dass die Zuführung "in einer vertikalen oder quasi-vertikalen und/oder in einer horizontalen oder quasi-horizontalen Ebene gegenüber dem Heftsattel" erfolgt. Weder der Anspruch noch die Beschreibung des Patents beschreiben diese Ebenen näher. Der Fachmann würde dies so verstehen, dass die Druckbogen dem Heftsattel im Wesentlichen vertikal und/oder horizontal zugeführt werden (siehe dazu auch z.B. die Absätze [0011] bis [0014] des Patents, wo kurz von einer "horizontalen" bzw. "vertikalen" Zuführung gesprochen wird). Damit wird eine schräge Zuführung ausgeschlossen.

Das Merkmal 1h verlangt, dass "mindestens die vertikale oder quasi-vertikale Zuführung der Druckbogen direkt auf den Heftsattel erfolgt oder im Bereich des Heftsattels vorgenommen wird". Hier handelt es sich unzweifelhaft um eine Zuführung zum Heftsattel. Dieses Merkmal wirft insofern Fragen auf, als es ja gemäß Merkmal 1f nicht unbedingt eine vertikale (oder quasi-vertikale) Zuführung geben muss. Das Merkmal 1h wirkt nur dann beschränkend, wenn der Druckbogen auch oder ausschließlich (quasi-)vertikal zugeführt wird. Seine technische Bedeutung besteht darin, dass es die vertikale Zuführung dem Heftsattel annähert, wobei der "Bereich des Heftsattels" nicht näher definiert ist.

Aus der Beschreibung des Patents geht unzweifelhaft hervor, dass die Zuführung im Sinne von Anspruch 1 eine Zuführung zum Heftsattel sein muss (siehe insbesondere die Absätze [0002], [0004], [0006], [0009], [0016], [0017], [0019], [0020], [0028], [0030]).

Zusammenfassend ist also festzustellen, dass die "Zuführung" der Druckbogen im Sinne von Anspruch 1 als Zuführung zum Heftsattel zu verstehen ist, dass sie vertikal und/oder horizontal (aber nicht schräg oder einer komplexeren Bahn folgend) erfolgt und dass die Zuführung, sofern sie vertikal ist, direkt auf den Heftsattel oder zumindest in seinem nicht näher bestimmten "Bereich" erfolgt.

Die Beschwerdeführerin I hat geltend gemacht, der Erfindungsgedanke bestehe darin, gegenüber dem Heftsattel zeitparallel zueinander betreibbare Zuführungen vorzusehen, deren eine in einer (quasi-)vertikalen Ebene und deren andere in einer (quasi-)horizontalen Ebene erfolge. Dazu ist jedoch festzustellen, dass der Anspruch 1 des Hauptantrags diesen Gedanken nicht zum Ausdruck bringt, da das Merkmal 1f breiter gefasst ist. Wegen der Konjunktion "oder" umfasst das Merkmal auch Verfahren, in denen die Zuführung zum Heftsattel nur horizontal oder nur vertikal erfolgt. Auch die Idee, dass die Zuführungen "zeitparallel" (d.h. zeitgleich) erfolgen könnten, hat in Anspruch 1 keinen Ausdruck gefunden.

Die Beschwerdeführerin I hat auch dargelegt, dass aus dem Merkmalsbestandteil "Zuführung ... gegenüber dem Heftsattel" von Merkmal 1f bzw. 14f hervorgehe, dass es sich jeweils um an den Heftsattel angrenzende Endbe­reiche des Transportsystems handle, in denen die Druck­bogen dem Heftsattel in einer (quasi-)vertikalen oder oder (quasi-)horizontalen Ebene zugeführt würden. Die Orthogonalität dieser beiden Zuführungen gegenüber dem Heftsattel schließe insbesondere aus, dass das Merkmal 1f hintereinander angeordnete Abschnitte längs ein- und desselben Transportweges umfasse, auf dem die Druck­bogen hintereinander dem Heftsattel zugeführt werden. Die Kammer kann sich diesem Vortrag nicht anschließen, da in den genannten Merkmalen zum einen nicht von Endbereichen des Transportsystems die Rede ist und die Orthogonalität der Zuführungen eine Anordnung in Serie nicht ausschließt, sofern beide Abschnitte der Zuführung der Druckbogen zum Heftsattel dienen. Das Argument, eine dem Verständnis der Einspruchs­abteilung entsprechende Auslegung sei durch die Beschrei­bung und Zeichnung des angefochtenen Patents ausgeschlossen, überzeugt nicht, da es in der Regel nicht zulässig ist, einen breit gefassten Anspruch durch Verweis auf in der Beschrei­bung offen­barte Merkmale einschränkend auszulegen (vgl. T 1646/12, Punkt 2.1 der Entscheidungsgründe).

1.2 Neuheit

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 (und von Anspruch 14) von den Druckschriften D1, D2, D5 und D6 neuheitsschädlich vorweggenommen wird.

1.2.1 Neuheit gegenüber der Druckschrift D1

Die Druckschrift D1 offenbart ein Verfahren zum Betrieb

einer Fadenheftmaschine für die Verarbeitung von Druckbogen (signatures) 105 zu einem Buchblock 165. Die Fadenheftmaschine umfasst ein Transportsystem (feeding station bzw. transport station) 115, 130 und eine Nähstation (sewing station) 135. Letztere steht in Wirkverbindung mit einem Heftsattel 155, der seinerseits in Wirkverbindung mit dem Transportsystem für die Zuführung der Druckbogen steht (siehe Fig. 7). Die Druckbogen werden rittlings auf dem Heftsattel 155 aufliegend der Nähstation zugeführt (siehe Fig. 7).

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Strittig war, ob die Zuführung der in der Nähstation verarbeiteten Druckbogen in einer vertikalen und/oder in einer horizontalen Ebene gegenüber dem Heftsattel erfolgt. Auf Seite 4 der angefochtenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung in diesem Zusammenhang auf den bewegbaren Sattel (movable saddle), der auf Seite 13, Zeile 16 der Druckschrift D1 erwähnt wird, hingewiesen und ergänzend auf die Lehre zum bewegbaren Sattel auf Seite 6, Zeilen 32 und 33, verwiesen. Dort ist im Zusammenhang mit der Ausführungsform der Fig. 1 offenbart, dass der Sattel 145 (eigentlich: 155) angehoben wird um den Druckbogen 105 unter den Nähkopf 160 zu bringen.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Es handelt sich bei dieser Zuführung allerdings zum einen um eine Zuführung an die Nähstation und nicht an den bewegbaren Sattel, und zum anderen um eine Bewegung, die sowohl eine vertikale als auch eine simultan erfolgende horizontale Bewegung umfasst (vgl. den gekrümmten Pfeil in Fig. 1).

Der Heftsattel selbst wird ausschließ­lich horizontal von dem feststehenden Hilfssattel 140 aus beladen, wie dies auch von der Beschwerdeführerin I geltend gemacht wird. Damit scheint aber das Merkmal 1f gemäß seiner Deutung durch die Kammer (siehe Punkt 1.1) vorweg­genom­men zu sein, denn die Zuführung erfolgt in einer hori­zontalen Ebene gegenüber dem Heftsattel. Da die Zufüh­rung rein horizontal ist, kann auch das Merkmal 1h die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 nicht be­gründen.

Daraus folgt, dass die Druckschrift D1 den Gegenstand von Anspruch 1 neuheitsschädlich vorwegnimmt.

1.2.2 Neuheit gegenüber der Druckschrift D2

Die Druckschrift D2 offenbart eine Fadenheftmaschine 1.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Die Maschine enthält einen beweglichen Sattel 57, der von zwei Armen 58 getragen wird, die an ihren Enden Rollen tragen, welche in Nockenkanäle 61 eingreifen. Der Nockenkanal 61 und die Arme 58 sind so geformt, dass sich der Sattel 57 periodisch zwischen einer Nähposition (in Fig. 3 dargestellt), in der die Oberseite des Sattels an Nähelemente 63 angrenzt, die mit weiteren, von dem beweglichen Sattel 57 getragenen Nähelementen zusammenwirken, und einer Ladeposition (siehe Fig. 1), in der die Oberseite des Sattels 57 im wesentlichen in einer vertikalen Ebene liegt, die tangential zu den Scheiben 35 des Übergabezylinders des Anlegers 4 verläuft, hin und her bewegt.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Die Zuführung der Druckbogen an den Heftsattel ist quasi-vertikal (siehe Fig. 1) und erfolgt direkt auf den Heftsattel.

Somit nimmt auch die Druckschrift D2 den Gegenstand von Anspruch 1 neuheitsschädlich vorweg.

1.2.3 Neuheit gegenüber der Druckschrift D5

Die Druckschrift D5 offenbart eine Fadenheftmaschine 1 für die Verarbeitung von Druckbogen 2 zu Buchblocks 3. Die Fadenheftmaschine umfasst ein Transportsystem 14 für die Druckbogen und eine Nähstation 4, die in Wirkverbindung mit einem Heftsattel 9 steht, der seiner­seits in Wirkverbindung mit dem Transportsystem steht.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Die Zuführung der Druckbogen erfolgt zunächst in einer horizontalen Ebene entlang dem Transportweg 11 und dann in einer vertikalen Ebene (siehe Fig. 1) gegenüber dem Heftsattel. Die Druckbogen werden der Nähstation rittlings auf dem Heftsattel aufliegend zugeführt (siehe Fig. 2).

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Die vertikale Zuführung der Druckbogen erfolgt direkt auf den Heftsattel (siehe Fig. 2).

Somit offenbart die Druckschrift D5 alle Merkmale von Anspruch 1. Die Beschwerdeführerin I hat geltend gemacht, dass diesem Ausführungsbeispiel der Druckschrift D5 keine zusätzliche horizontale Zuführung gegenüber dem Heftsattel entnehmbar sei. Dies wird von Anspruch 1 aber auch nicht verlangt.

Somit nimmt auch die Druckschrift D5 den Gegenstand von Anspruch 1 neuheitsschädlich vorweg.

1.2.4 Neuheit gegenüber der Druckschrift D6

Die Druckschrift D6 beschreibt eine Fadenheft­maschine 100 für die Verarbeitung von Druckbogen 105 zu Buchblocks 130. Die Fadenheftmaschine umfasst ein Trans­port­system für die Druckbogen und eine Näh­station 125. Letztere steht in Wirkverbindung mit einem Heftsattel 140s, 240s, der seinerseits in Wirkverbindung mit dem Transportsystem für die Zuführung der Druckbogen steht (siehe Fig. 1).

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Zur Zuführung der Druckbogen zum Heftsattel ist festzustellen, dass die Druckbogen zuerst im Bereich des Heftsattels in quasi-vertikaler Richtung auf die Ladesattelplatte 240c geladen werden (siehe Fig. 3C)

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

und dann horizontal direkt auf den Heftsattel befördert werden (sichtbar in der Fig. 3E)

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Die Zuführung der Druckbogen erfolgt somit in einer quasi-vertikalen und in einer horizontalen Ebene gegenüber dem Heftsattel. Die Druckbogen werden dann rittlings auf dem Heftsattel aufliegend der Nähstation zugeführt. Daher offenbart auch die Druckschrift D6 alle Merkmale von Anspruch 1.

Die Beschwerdeführerin I hat geltend gemacht, dass der in der vertikalen Ebene verlaufende Förderabschnitt und der in der horizontalen Ebene verlaufende Förder­abschnitt längs des Förderweges hintereinander lägen. Es läge also nur eine einzige Zuführung gegenüber dem Heftsattel vor, was nicht zwei zeitparallel betreibbare Zuführungen gegenüber dem Heftsattel offenbare. Dieser Vortrag ist aber nicht geeignet, den Einwand der fehlenden Neuheit zu widerlegen, da der Anspruch 1 nicht verlangt, dass die Vorrichtung zwei zeitparallel betreibbare Zuführungen gegenüber dem Heftsattel aufweist (siehe dazu auch Punkt 1.1).

Somit nimmt auch die Druckschrift D6 den Gegenstand von Anspruch 1 neuheitsschädlich vorweg.

1.2.5 Ergebnis betreffend die Neuheit

Der Gegenstand von Anspruch 1 wird von jeder der Druckschriften D1, D2, D5 und D6 neuheitsschädlich vorweggenommen.

1.3 Ergebnis betreffend den Hauptantrag

Da der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 54 (1) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung entgegensteht, kann dem Haupt­antrag nicht stattgegeben werden.

2. Hilfsantrag 1

Dieser Hilfsantrag entspricht dem Hilfsantrag 1, über den die Einspruchsabteilung entschieden hat. Er ist somit im Verfahren.

Die Ansprüche 1 und 14 des Hilfsantrags 1 unterscheiden sich dadurch von den Ansprüchen 1 und 14 des Haupt­an­trags, dass die Zuführung der Druckbogen aus mindes­tens zwei verschiedenen Richtungen in einer (quasi-)verti­kalen und einer (quasi-)horizontalen Ebene erfolgt.

Diese Änderung hat zur Folge, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 nicht mehr klar im Sinne von Artikel 84 EPÜ ist. Die Unklarheit rührt davon her, dass nun sowohl von Richtungen als auch von Ebenen die Rede ist und nicht eindeutig aus dem Anspruch hervor­geht, ob es sich um zwei Richtungen innerhalb jeder der genannten Ebenen handelt oder ob eine (quasi-)hori­zon­tale und eine (quasi-)vertikale Richtung gemeint sind. Um Gewissheit darüber zu erlangen, müsste der Fachmann die Beschreibung zu Rate ziehen. Somit ist der Anspruchs­gegenstand nicht klar definiert.

Da Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 den Erfordernissen von Artikel 84 EPÜ nicht genügt, kann diesem Hilfsantrag nicht stattgegeben werden.

3. Hilfsantrag 1a

Die Ansprüche 1 und 14 des Hilfsantrags 1a unter­schei­den sich dadurch von den Ansprüchen 1 und 14 des Hilfs­antrags 1, dass die Alternative, der zufolge die Zuführung der Druckbogen "im Bereich des Heftsattels" erfolgt, gestrichen wurde.

Die Ansprüche 1 und 14 des Hilfsantrags 1a unter­scheiden sich dadurch von den Ansprüchen 1 und 14 des Hauptantrags, dass die Zuführung der Druckbogen aus mindestens zwei verschiedenen Richtungen in einer (quasi-)vertikalen und einer (quasi-)horizontalen erfolgt (Merkmal 1f1), und dass die Alternative, der zufolge die Zuführung der Druckbogen "im Bereich des Heftsattels" erfolgt, gestrichen wurde (Merkmal 1h1). Damit wird eine direkte Zuführung auf den Heftsattel zwingend erforderlich.

Die Einspruchsabteilung kam zum Schluss, dass die Druck­schriften D5 und D6 das Merkmal 1f1 neuheits­schädlich vorwegnehmen (siehe die Punkte 3.2 bzw. 2.2 der Gründe für die angefochtene Entscheidung). Die Beschwerdeführerin I hat dem entgegengehalten, dass die Auslegung des Merkmals 1f durch die Einspruchs­abteilung zu breit sei. Die Kammer folgt der Auslegung des Merkmals durch die Beschwerdeführerin I nicht (siehe Punkt 1.1) und teilt daher die Auffassung der Einspruchsabteilung bezüglich der Offenbarung der Merkmale 1f bzw. 1f1.

Auch das Merkmal 1h1 kann die Neuheit gegenüber der Druckschrift D5 nicht herstellen, da auch dort die Zuführung der Druckbogen direkt auf den Heftsattel erfolgt. Der Gegenstand von Anspruch 1 ist somit nicht neu gegenüber der Druckschrift D5.

Ergänzend ist festzustellen, dass der Hilfsantrag 1a auch den gegen den Hilfsantrag 1 erhobenen Klarheitseinwand nicht ausräumen kann.

Daher ist es nicht möglich, das Patent auf Grundlage des Hilfsantrags 1a aufrechtzuerhalten.

4. Hilfsantrag 2

Dieser Hilfsantrag entspricht dem Hilfsantrag 2, der von der Patentinhaberin mit Brief vom 9. November 2017 eingereicht, während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung aber durch einen neuen Hilfs­antrag 2 ersetzt wurde. Da dieser Antrag erst­instanz­lich zurückgezogen wurde, konnte sich die Einspruchs­abteilung nicht abschließend dazu äußern. Selbst wenn es nicht unbedingt die Absicht der Beschwerdeführerin I war, hatte die Rücknahme dieses Antrags unweigerlich zur Folge, eine Entscheidung der Einspruchsabteilung über die geänderten Merkmale zu vermeiden. Die Kammer wäre somit gezwungen, entweder erstmalig über diesen neuen Antrag zu entscheiden oder den Fall an die Einspruchsabteilung zurückzuver­weisen. Die Beschwerde­führerin I hat nicht erklärt, warum sie diesen Antrag zurückgezogen hat und nunmehr der Kammer erneut vorlegt. In Anbetracht dieser Sachlage hat die Kammer entschieden, den Hilfsantrag 2 in Anwendung von Artikel 12 (4) VOBK 2007, welcher gemäß Artikel 25 (2) VOBK 2020 hier anwendbar ist, nicht in das Verfahren zuzulassen.

5. Hilfsantrag 2a

5.1 Zulassung

Dieser Hilfsantrag entspricht dem Hilfsantrag 2, über den die Einspruchsabteilung entschieden hat. Er ist somit im Verfahren.

5.2 Änderungen und Auslegung

Die Ansprüche 1 und 14 des Hilfsantrags 2a unter­schei­­den sich dadurch von den Ansprüchen 1 und 14 des Hilfs­antrags 1a, dass die Zuführung der Druckbogen etwas anders definiert wird. Sie erfolgt demnach "über eine in vertikaler Richtung operierende Zuführeinrichtung, deren Druckbogen-Zuführung immer auf den Heftsattel gerichtet ist, in einer vertikalen oder quasi-vertikalen und über eine horizontal operierende Einrichtung, welche die Druckbogen-Zustellung auf den Heftsattel übernimmt, in einer horizontalen oder quasi-horizontalen Ebene gegenüber dem Heftsattel".

Die Kammer versteht dies so, dass es eine erste Zuführeinrichtung gibt, die die Druckbogen (quasi-)vertikal auf den Heftsattel führt, und eine zweite Zuführeinrichtung, die Druckbogen (quasi-)horizontal auf den Heftsattel befördert.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass diese Änderung den Erfordernissen von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ genügt (siehe Punkt 4.1 der Gründe für die ange­foch­tene Entscheidung), da das neue Merkmal in den beiden ersten Absätzen von Seite 3 der ursprünglichen Anmeldung (wortgleich mit den Absätzen [0008] und [0009] des Patents) offenbart ist. Die Beschwerde­führe­rin hat die Weglassung der Worte "in erster Linie" bemängelt und darin eine unzulässige Zwischenverall­gemeinerung gesehen. Die Kammer kann sich diesem Vor­trag nicht anschließen. Der Fachmann hätte den zweiten Absatz auf Seite 3 der ursprünglichen Anmeldung so verstanden, dass die Zuführung der Druckbogen zum Großteil oder zur Gänze über eine in vertikaler Rich­tung operierende Zuführeinrichtung vorgenommen wird, deren Druckbogen-Zuführung immer auf den Heftsattel gerichtet ist. Damit hat die vorgenommene Änderung im Sinne von Artikel 123 (2) EPÜ eine ausreichende Stütze in der ursprünglichen Offenbarung.

5.3 Neuheit gegenüber der Druckschrift D1

Die Druckschrift D1 befasst sich mit Buchbindemaschinen und insbesondere mit Buchnähmaschinen. Sie unter­schei­det zwischen einfachen Nähmaschinen (sewing machines: Seite 4, Zeilen 19 bis 30) und "Multi­funktions­-Näh­maschinen" (multi-function sewing machines: Seite 4, Zeilen 7 bis 18). Beide Typen beinhalten eine Näh­station (sewing station) zum Nähen von Signatur­blöcken sowie eine Zuführstation (feeding station) zur aufeinanderfolgenden Aufnahme von Signaturen, zum Öffnen der Signaturen und zum Zuführen der Signaturen zur Bindestation. Die Multifunktions-Nähmaschine unterscheidet sich von der einfachen Nähmaschine dadurch, dass sie eine weitere Zuführ­station zur aufeinanderfolgenden Aufnahme von Vorsig­naturen (z.B. bestehend aus flachen Blättern, die von der Oberseite eines Stapels entnommen werden), zum Falten von Gruppen von mindestens einer Vorsignatur zu weiteren Signaturen und zum Zuführen der weiteren Signaturen zur Bindestation aufweist.

Fig. 1 zeigt eine Nähmaschine mit einer einzigen Zuführstation 115.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Fig. 7 zeigt eine komplexere Nähmaschine, die zusätz­lich zur Zuführstation 115 eine zweite Zuführ­station 715 aufweist. Es handelt sich also um eine "Multi­funktions-Nähmaschine" im Sinne der Druckschrift D1.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Die Einspruchsabteilung hat sich auf diese Ausführungsform konzentriert und ist zum Schluss gelangt, dass sie den Gegenstand der Ansprüche 1 und 14 nicht neuheitsschädlich vorwegnimmt, da sie nicht offenbart,

- dass die Druckbogen-Zuführung der in vertikaler Richtung operierenden Zuführeinrichtung immer auf den Heftsattel gerichtet ist (Merkmale 1f2 bzw. 14f2), und

- dass die (quasi-)vertikale Zuführung der Druckbogen direkt auf den Heftsattel erfolgt (Merkmale 1h1 bzw. 14h1) (siehe Punkt 4.2 der Gründe für die angefochtene Entscheidung).

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin II sind auch die angeblichen Unterscheidungs­merkmale in der Druckschrift D1 offenbart. Die Beschwerdeführerin II berief sich insbesondere auf Seite 19, Zeilen 14 bis 17, und Seite 20, Zeilen 11 bis 13, der Druckschrift D1.

Der genannte Abschnitt der Druckschrift D1 auf der Seite 19 befindet sich in einem Teil der Druckschrift, in dem, anschließend an die Beschreibung der Ausführungsformen der Abbildungen, verschiedene allgemeine Bemerkungen zur Erfindung gemacht werden. So wird unter anderem die gemeinsame oder getrennte Steuerung der verschiedenen Elemente der Maschine mittels eines oder mehrerer Rechner erörtert (Seite 19, Zeilen 9 bis 13) und festgestellt, dass die Nähstation und die Transportstation mechanisch fest verbunden sein können (Seite 19, Zeilen 13 und 14). Die nachfolgende Aussage:

"... in any case, the same solution also lends itself to be used in a sewing machine without any transport station (wherein the signatures are directly supplied from the feeding station to the sewing station)." (Seite 19, Zeilen 14 bis 17)

kann sich nicht auf das gerade vorher Gesagte beziehen, da die Nähstation und die Transportstation nicht mechanisch fest miteinander verbunden sein können, wenn keine Transportstation vorliegt. Es handelt sich viel­mehr um eine allgemeine Aussage zur Erfindung. Der Satz sagt somit nichts anderes aus, als dass die Erfindung auch in Nähmaschinen ohne Transportstation zum Einsatz gelangen kann. Das ist im Übrigen auch daran zu erkennen, dass in der Druckschrift D1 der Ausdruck "Lösung" (solution) durchgehend den Kern der Erfindung bezeichnet, d.h. die Bereitstellung einer zusätzlichen Zuführ­station. Es handelt sich also nicht um eine Anregung, die Transportstation wegzulassen. Der Spezial­fall von Nähmaschinen ohne Transportstation wird auf Seite 20, Zeilen 11 bis 13, nochmals erwähnt, aber auch hier ist keine Lehre zu erkennen, dass dieser Fall zu bevorzugen wäre. Auf Seite 20, Zeilen 22 und 23, findet sich schließlich die Aussage:

"All the considerations pointed out above apply to the multi-function sewing machine as well."

Die Beschwerdeführerin II sah darin eine implizite Offenbarung der von der Einspruchsabteilung festgestellten Unterschiede. Da die Druckschrift D1 lehre, dass in der Nähstation die Transportstation fehlen könne, wobei in diesem Fall die Signaturen direkt von der Zuführstation der Nähstation zugeführt würden, und dass dies auch für die Multifunktions-Nähmaschine gelte, lehre die Druckschrift implizit, dass in der Multifunktions-Nähmaschine der Fig. 7 die Transportstation 130 entfernt werden könne und die Zuführstation 115 die Signaturen 105 direkt an die Nähstation 135 liefern könne. Zu diesem Zweck müsse die Zuführstation 115 in die Nähe der Nähstation 135 verlegt werden (da die Transportstation 130 fehle); außerdem müsse die Zuführstation 115 seitlich von der Nähstation angeordnet werden (da sie die Signaturen 105 direkt auf diese zuführen müsse), und dann auf der gegenüberliegenden Seite des Ausgabeförderers 170 (da dies die einzige verfügbare freie Position sei).

Die Kammer kann sich diesem Vortrag nicht anschließen. Die Kombination der Aussagen auf Seite 19, Zeilen 14 bis 17, und Seite 20, Zeilen 22 und 23, würde dem Fachmann nur vermitteln, dass die Verwendung einer zusätzlichen Zuführeinrichtung auch in einer Multi­funktions-Nähmaschine ohne Transportstation möglich ist. Eine Offenbarung, die Transportstation einer Multi­funktions-Nähmaschine mit Transportstation - wie jene der Fig. 7 - zu entfernen, ist nicht erkennbar. Daher schließt sich die Kammer der Auffassung der Ein­spruchs­abteilung an, dass die Druckschrift D1 die Merk­male 1f2 bzw. 14f2 und 1h1 bzw. 14h1 nicht offenbart.

Die Kammer ist somit zum Schluss gelangt, dass die Druckschrift D1 den Gegenstand der Ansprüche 1 und 14 nicht neuheitsschädlich vorwegnimmt.

5.4 Erfinderische Tätigkeit, ausgehend von der Druckschrift D1

Die Einspruchsabteilung ist in Punkt 4.3.2 der angefochtenen Entscheidung zum Schluss gelangt, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 und 14 ausgehend von der Druckschrift D1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Sie hat dies folgendermaßen begründet:

"Die Aufgabe ist, das Verfahren des Anspruchs 1 auszubilden, wenn nach Seite 19, Zeilen 15-17 und Seite 20, Zeilen 11-13 der D1 die Transportstation (130) der Figur 7 weggelassen werden soll.

Die horizontale Zuführung (715,130) würde sich nicht ändern, aber lediglich ohne Transport-station (130) auskommen. Für die vertikale Zuführung (115), die in Figur 1 detaillierter gezeichnet ist müsste der Fachmann Änderungen vornehmen, da ein einfaches Verschieben eine Kollision des Teiles 125 (wahrscheinlich ein Förderband) mit Teilen 160 und 170 zufolge hätte. Die Einspruchsabteilung ist der Meinung, dass dem Fachmann die Lösung dieses Problems zugemutet werden kann, er könnte zum Beispiel Förder-band (125) auf der gegenüberliegenden Seite bezüglich den Teilen 160 und 170 anordnen.

Obwohl er es nicht muss (siehe Absatz 4.2 hier oben), wäre es, der Einspruchsabteilung zufolge, zum Lösen der Aufgabe, naheliegend die Zuführ­einrichtung (115) nach Merkmal F1 neu anzuordnen, so dass so wenig wie möglich an (nur die Position) der Zuführung 115 geändert wird.

Der Fachmann gelangt so naheliegend zum Verfahren des Anspruchs 1.

Der Gegenstand des Anspruchs 14 wird aus gleichen Gründen nicht als erfinderisch angesehen."

Die Kammer kann dieser Argumentationslinie nicht folgen. Wie bereits im Rahmen der Neuheits­prüfung festgestellt (siehe Punkt 5.3), stellt die Aussage auf Seite 19, Zeilen 15 bis 17, bzw. Seite 20, Zeilen 12 und 13, keine Anregung dar, die Transport­station zu entfernen, sondern stellt nur fest, dass es möglich ist, zusätzliche Zuführeinrichtungen auch in Nähmaschi­nen ohne Transportstation vorzusehen. Es be­stand also kein erkennbarer Anlass für den Fach­mann, sich zu überlegen, wie die Multifunktions-Nähmaschine der Fig. 7 umzubauen wäre, um sie ohne die Transportstation 130 zu betreiben. Somit ist die von der Einspruchsabteilung formulierte Aufgabe nicht relevant und die darauf aufbauende Argumentation kann nicht überzeugen.

Auch der diesbezügliche Vortrag der Beschwerde­führe­rin II hat die Kammer nicht überzeugt. Wie schon dargelegt, kann die Kammer in der Druckschrift D1 keine Anregung erkennen, die Multifunktions-Nähmaschine der Fig. 7 derart zu verändern, dass sie keiner Transportein­richtung bedürfe. Die Angriffslinie der Beschwerde­führerin II beruht nach Auffassung der Kammer auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.

Die von der Beschwerdeführerin II vorgeschlagene objektive technische Aufgabe, die Multifunktions-Nähmaschine der Fig. 7 kompakter zu gestalten, ist nicht angemessen, da sie nicht die technische Wirkung der Unterscheidungsmerkmale 1f2 (bzw. 14f2) und 1h1 (bzw. 14h1) zum Ausdruck bringt. Die Tatsache, dass die Druckbogen-Zuführung der in vertikaler Richtung operierenden Zuführeinrichtung immer auf den Heftsattel gerichtet ist und dass die (quasi-)vertikale Zuführung der Druckbogen direkt auf den Heftsattel erfolgt, führt nicht notwendigerweise zu einer kompakteren Gestaltung der Maschine, zumal der Wortlaut der Ansprüche 1 und 14 keineswegs ausschließt, dass die erfindungsgemäße Fadenheft­maschine eine Transport­einrichtung beinhaltet.

In Ermangelung einer überzeugenden Formulierung der objektiven technischen Aufgabe kann die Kammer nicht erkennen, warum der Fachmann, der von der Multi­funktions-Nähmaschine der Fig. 7 der Druckschrift D1 ausging, diese derart verändert hätte, dass sie die genannten Unterscheidungsmerkmale aufweist. Die Druck­schrift D1 selbst liefert keine Anregung in diese Richtung. Es ist für die Kammer auch nicht erkennbar, warum der Fachmann die Lehre der Druckschrift D1 mit jener der Druckschriften D2 oder D5 kombiniert hätte bzw. dass ihn diese Druckschriften ggf. dazu bewegt hätten, die Unterscheidungsmerkmale vorzusehen.

Somit ist der Gegenstand der Ansprüche 1 und 14 als erfinderisch gegenüber der Offenbarung der Druckschrift D1, alleine oder in Kombination mit einer der Druckschriften D2 oder D5, anzusehen.

5.5 Ergebnis betreffend den Hilfsantrag 2a

Da keiner der von der Beschwerdeführerin II gegen den Hilfsantrag 2a erhobenen Einwände stichhaltig ist, kann diesem Hilfsantrag stattgegeben werden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Beschreibung:

- Seiten 2 und 3 eingereicht während der mündlichen Verhandlung,

- Seiten 4 bis 6 der Patentschrift;

Ansprüche:

- Nr. 1 und 14 eingereicht während der mündlichen Verhandlung,

- Nr. 2 bis 13, 15 bis 17 der Patentschrift;

Zeichnungen:

- Figuren 1 und 2 der Patentschrift.

3. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin II wird zurückgewiesen.

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