T 0146/19 () of 25.3.2022

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2022:T014619.20220325
Datum der Entscheidung: 25 März 2022
Aktenzeichen: T 0146/19
Anmeldenummer: 08709143.5
IPC-Klasse: B29C 44/46
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von Verbundkörpern auf der Basis von Schaumstoffen auf Isocyanatbasis
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: The Dow Chemical Company
Huntsman International LLC
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 025(2)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag und Hilfsantrag 1 (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge 2 und 3 (nein)
Spät eingereichter Hilfsantrag 1 - Reaktion auf angefochtene Entscheidung (ja) - zugelassen (ja)
Spät eingereichter Hilfsantrag 4 - Antrag hätte bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht werden können (ja) - zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1646/12
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die am 16. November 2018 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 2 125 323 widerrufen wurde.

II. Zwei Einsprüche waren gegen das Streitpatent in vollem Umfang eingelegt worden und mit den Einspruchsgründen nach Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 54 EPÜ (fehlende Neuheit) und Artikel 56 EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit), Artikel 100 b) und c) EPÜ begründet worden.

III. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass der erteilte Anspruch 13 unzulässig erweitert sei und dass der Gegenstand von Anspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 1 nicht erfinderisch sei. Der während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichte neue Hilfsantrag 2 wurde nicht zugelassen.

IV. Am 7. Mai 2021 wurden die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung geladen. In einer Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern in der Fassung von 2020 (VOBK 2020) vom 4. Februar 2022 erfolgte eine vorläufige Beurteilung des Falles.

V. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer wurde am 25. März 2022 als Videokonferenz durchgeführt.

VI. In der Entscheidung wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:

D9: Broschüre "HENNECKE Ti43 Panel Foamer";

D14: JP H8-266939 A;

D14T': englische Übersetzung des Dokuments D14;

D28: JP 2006-142125 A;

D28Ü: englische Übersetzung des Dokuments D28;

Kunststoffhandbuch, Band 7, "Polyurethane", Kapitel 6, Seiten 271 bis 277, Carl-Hanser-Verlag München, 1. Auflage 1966, 2. Auflage 1983, 3. Auflage 1993; zitiert im Absatz [0059] des Streitpatents.

VII. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten (Hauptantrag). Hilfsweise wurde beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung gemäß einem der Hilfs­anträge 1 bis 4, alle eingereicht mit der Beschwerde­begründung, aufrecht zu erhalten.

Die Beschwerdegegnerinnen I und II beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

VIII. Der Wortlaut des unabhängigen Anspruches 1 des Hauptantrags (Patent wie erteilt) ist wie folgt:

"Verfahren zur Herstellung von Verbundkörpern, bestehend aus mindestens einer Deckschicht a) und einem Hartschaumstoff auf Isocyanatbasis b), wobei die Deckschicht a) kontinuierlich bewegt wird und das Ausgangsmaterial für den Hartschaumstoff auf Isocyanatbasis b) auf die Deckschicht aufgebracht wird, wobei der Auftrag des flüssigen Ausgangsmaterials für den Hartschaumstoff auf Isocyanatbasis b) mittels eines feststehenden, parallel und rechtwinklig zur Bewegungsrichtung zur Deckschicht a) angebrachten, mit Bohrungen versehenen Rohres erfolgt, dadurch gekennzeichnet, dass das flüssige Ausgangsmaterial für den Hartschaumstoff auf Isocyanatbasis b) in der Mitte des mit Bohrungen versehenen Rohres zugeführt wird und dass der Durchmesser des mit Bohrungen versehenen Rohres von der Mitte zu den Rändern des Rohres geringer wird."

Der Wortlaut des unabhängigen Anspruches 13 des Hauptantrages (Patent wie erteilt) ist wie folgt:

"Vorrichtung zum Auftrag von Reaktionsgemischen auf eine kontinuierlich beförderte Deckschicht, wobei die Vorrichtung ein feststehendes, parallel und rechtwinklig zur Bewegungsrichtung zur Deckschicht a) angebrachtes, mit Bohrungen versehenes Rohr ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Zufuhr für das Reaktionsgemisch in der Mitte sitzt und der Durchmesser des mit Bohrungen versehenen Rohres von der Mitte zu den Rändern des Rohres geringer wird."

IX. Hilfsanträge

a) Die Ansprüche 1 bis 12 des Hilfsantrags 1 sind identisch mit denen des Hauptantrags. Der unabhängige Anspruch 13 des Hilfsantrags 1 wurde gegenüber dem Hauptantrag in der Präambel mit folgendem unterstrichenen Merkmal eingeschränkt:

"mit Bohrungen versehenes Rohr mit Löchern an der Unterseite, verteilt über die gesamte Rohrlänge"

b) Im Hilfsantrag 2 wurde der Anspruch 13 gestrichen. Die Ansprüche 1 bis 12 des Hilfsantrags 2 sind identisch mit denen des Hauptantrags. Dieser Hilfsantrag entspricht damit dem Hilfsantrag 1 aus dem Einspruchsverfahren.

c) Im Hilfsantrag 3 wurde in den Ansprüchen das "mit Bohrungen versehene Rohr" durch den Begriff "Gießharke" ersetzt. Der Vorrichtungsanspruch 13 wurde gestrichen. Dieser Hilfsantrag entspricht somit dem am 9. August 2018 eingereichten Hilfsantrag 2 aus dem Einspruchsverfahren.

d) Hilfsantrag 4 umfasst die Ansprüchen 1 bis 12 des Hauptantrags mit folgender unterstrichener Änderung des Anspruchs 1:

"bestehend aus mindestens einer Deckschicht a) und einem Hartschaumstoff auf Isocyanatbasis b), wobei der Polyurethan-Hartschaumstoff kontinuierlich hergestellt wird und die Deckschicht a) kontinuierlich bewegt wird"

X. Die Beteiligten haben im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Anspruch 13 des Hauptantrags - Neuheit

- Beschwerdeführerin (Patentinhaberin)

Das Dokument D14/D14T' zeige kein kontinuierliches Auftragen und keine kontinuierlich beförderte Deckschicht. Im Dokument D14/D14T' beziehe sich die kontinuierliche Zuführung nur auf die Auftrags­vorrichtung inklusive einer Rückführung des Gemisches. Es würden lediglich 40% des Wasser-Ölgemisches aufgetragen und 60% der Mischung zurückgeführt (siehe Absätze [0004] und [0005], Figur 8), was bei härtenden Reaktionsgemischen nicht möglich sei. Der Gegenstand des Anspruchs 13 des Hauptantrags sei damit neu gegenüber dem Dokument D14/D14T'.

- Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende 1 und 2)

Der Gegenstand des Anspruchs 13 des Hauptantrags sei nicht neu gegenüber dem Dokument D14/D14T'. Anspruch 13 des Hauptantrages fordere nicht, dass die Deckschicht kontinuierlich bewegt werde. Es handle sich lediglich um eine Vorrichtung, die zum Auftrag von Reaktions­gemischen auf eine kontinuierlich beförderte Deckschicht geeignet sein müsse. Der Anspruch sei nicht klar, da weder die Richtung der Bewegung der Deck­schicht noch Mittel zur Bewegung der Deckschicht offenbart seien. Daher müsse der Anspruch entsprechend breit interpretiert werden. Die Vorrichtung werde nur durch ein feststehendes Rohr mit entsprechenden Löchern definiert. Im Dokument D14/D14T' werde eine Wasser-Öl-Emulsion auf Stahlplatten aufgetragen. Die Vorrichtung sei aus den Figuren 1 und 9 und den zugehörigen Absätzen [0010] und [0011] des Dokuments D14/D14T' ersichtlich. Die Vorrichtung bestehe aus einem fest­stehenden, rechtwinklig zur Bewegungsrichtung der Stahlplatten 16 angebrachten Rohr 12, 20. Die Zufuhr 11 erfolge mittig. Das Rohr sei mit Öffnungen 23a-h versehen und der Durchmesser des Rohres 20 nehme von der Mitte zu den Rändern 21a, 21b hin ab (siehe Dokument D14/D14T', Figur 1, Anspruch 1 und Absatz [0013]). Diese Vorrichtung sei auch zum Auftrag von Reaktionsgemischen auf eine kontinuierlich bewegte Deckschicht geeignet.

Hilfsantrag 1 - Zulassung

- Beschwerdeführerin (Patentinhaberin)

Die Beschwerdeführerin verwies auf die Ausführungen der Kammer unter Punkt 13.1 der Mitteilung vom 4. Februar 2022. Insbesondere sei die Einspruchs­abteilung von ihrer im Ladungszusatz vom 18. Januar 2018 dargelegten vorläufigen Meinung abgewichen.

- Beschwerdegegnerin II (Einsprechende 2)

Der Hilfsantrag 1 sei verspätet eingereicht worden und nicht zuzulassen. Er hätte bereits im Einspruchs­verfahren eingereicht werden müssen. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 sei ferner prima facie nicht neu.

Anspruch 13 des Hilfsantrag 1 - Neuheit

- Beschwerdeführerin (Patentinhaberin)

Die Argumentation zu Anspruch 13 des Hauptantrags gelte auch für Anspruch 13 des Hilfsantrags 1.

- Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende 1 und 2)

Die hinzugefügten Merkmale seien aus dem Dokument D14/D14T' (siehe Figur 1) bekannt, weshalb die gleiche Argumentation wie für Anspruch 13 des Hauptantrages greife. Der Gegenstand des Anspruchs 13 des Hilfsantrags 1 sei nicht neu gegenüber dem Dokument D14/D14T'.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 - erfinderische Tätigkeit

- Beschwerdeführerin (Patentinhaberin)

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 sei erfinderisch ausgehend von dem Dokument D9 in Verbindung mit dem Dokument D28. Dokument D9 zeige kein Rohr mit einem von der Mitte zu den Rändern hin abnehmenden Rohrdurchmesser. Ferner unterscheide sich der Gegenstand von Anspruch 13 des Hilfsantrags 2 von dem aus Dokument D9 bekannten Verfahren dadurch, dass die Deckschicht kontinuierlich bewegt werde. Bei kontinuierlichen Verfahren liege eine kontinuierliche Auftragung vor. Im Kunststoffhandbuch werde zwischen kontinuierlichen und diskontinuierlichen Verfahren unterschieden. Das Bild 6.5 auf Seite 277 des Kunststoffhandbuchs zeige rechts unten ein diskontinuierliches Verfahren mit einer Gießharke, bei dem die Gießharke bewegt werde.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Im Absatz [0019] des Streitpatents seien Start- und Abbindezeiten von unter 15 Sekunden, respektive 45 Sekunden erwähnt. Derartig kurze Start- und Abbindezeiten seien für diskontinuierliche Verfahren ungeeignet, da während des Schließens der Form und vor dem eigentlichen Pressen das Material bereits aushärten würde wie z.B. auf dem mit Schreiben vom 22. Dezember 2016 eingereichten Foto zu sehen sei.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Aus diesem Grund seien für solche Ausgangsmaterialien eine kontinuierliche Druckzone und eine lange Nutzungs­dauer der Gießharke erforderlich. Die aus Dokument D9 bekannte Gießharke könne daher nur in diskontinuier­lichen Verfahren mit Aushärtezeiten von 4 bis 14 Minuten und Arbeitszeiten von 3 Minuten (siehe Dokument D9, Tabelle auf Seite 3 und Bilder auf Seite 6) und nicht in kontinuierlichen Verfahren eingesetzt werden.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 beziehe sich eindeutig auf kontinuierliche Verfahren und schließe die im Dokument D9 dargestellten diskontinuierlichen Verfahren aus. Dies sei von der Beschreibung gestützt. Die Absätze [0004] und [0008] des Streitpatents offenbarten das Auftragen einer Reaktionsmischung eines Hartschaumstoffs auf ein horizontales Blech oder sonstige Deckschichten, die in horizontaler Richtung kontinuierlich bewegt würden, wie es bei kontinuierlich arbeitenden Doppelbandanlagen und insbesondere schnell startenden Systemen üblich sei. Da die Deckschicht gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 kontinuierlich bewegt werde, läge die Deckschicht als Rollware vor, für welche die genannten Doppelband­anlagen geeignet seien. Die von den Beschwerde­gegnerinnen zitierten Absätze [0005] und [0006] des Streitpatents, die oszillierende Gießharken und einen Mehrfingerauftrag offenbarten, würden sich auf den Stand der Technik beziehen.

Im Dokument D9 erfolge die kontinuierliche Bewegung nur während des Auftrags der Reaktionsmischung, aber nicht bei der Herstellung der Verbundkörper. Die Deckschicht müsse kontinuierlich bewegt werden, unabhängig davon, ob einzelne oder mehrere Verbundkörper hergestellt würden. Gemäß Duden bedeute das Wort "kontinuierlich" "stetig", "fortdauernd", "unaufhörlich" und "durchlaufend". Eine Auffassung, nach der ein aus Dokument D9 bekanntes Verfahren eine kontinuierlich bewegte Deckschicht zeige, würde das Merkmal "kontinuierlich" überflüssig machen, da die Deckschicht während des Auftragens der Reaktionsmischung immer kontinuierlich bewegt werden müsse.

Selbst wenn nach Auffassung der Kammer - wie in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt - nur der abnehmende Rohrdurchmesser als unterscheidendes Merkmal betrachtet werde, sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfs­antrags 2 erfinderisch. Der abnehmende Rohr­durchmesser habe die technische Wirkung, dass der Druck und die Fließgeschwindigkeit am Ende des Rohres erhöht seien, so dass sich das Austrittsloch nicht zusetze. Denn je älter das Reaktionsgemisch und je länger die Verweildauer damit sei, desto höher werde die Viskosität und die Gefahr des Zusetzens. Auf diese Wirkung werde im Streitpatent in den Absätzen [0015] und [0016] hingewiesen. Die technische Wirkung des abnehmenden Rohrdurchmessers sei auch in dem im Schreiben vom 9. August 2018 auf den Seiten 7 und 8 aufgeführten Beispiel gezeigt.

Das Dokument D28/D28Ü zeige in Figur 2 eine Gießharke, aber nicht, dass der Auftrag auf eine kontinuierlich bewegte Deckschicht erfolge. Gemäß Absatz [0028] des Dokuments D28/D28Ü werde die Gießharke 1 bewegt.

Ferner zeige das Dokument D28/D28Ü nicht die im Streitpatent aufgezeigte Wirkung, nämlich die Verbesserung der Oberfläche und den verbesserten Auftrag (siehe Streitpatent, Absätze [0008] und [0009]).

Um zu der in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 bean­spruchten Lösung zu gelangen, müsste der Fachmann aus mehreren, im Dokument D28/D28Ü aufgeführten Möglich­keiten auswählen. Es seien im Dokument D28/D28Ü in den Figuren 2 und 3 zwei Ausführungsformen beschrieben. Eine mit einer rechtwinklig angeordneten Gießharke und eine mit einer oszillierenden Gießharke. Letztere werde im Absatz [0028] von Dokument D28/D28Ü als vorteilhaft bezeichnet. Absatz [0007] dieses Dokuments weise auf die bestehenden Nachteile früherer Lösungen, wie ein leichtes Zusetzen bei zunehmender Länge und eine dadurch erhöhte Viskosität, hin. Eine Verkleinerung der Lochdurchmesser und damit eine Erhöhung des Druckes führe demnach zu Mischproblemen in üblichen Hochdruck­mischverfahren. Diese Probleme würden im Dokument D28/D28Ü nicht gelöst, weshalb im Absatz [0022] 20 cm als bevorzugte Länge des Verteilrohres angegeben sei. Damit könne eine Zusammenschau der Dokumente D9 und D28/D28Ü den Gegenstand von Anspruch 1 nicht nahelegen.

- Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende 1 und 2)

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 sei nicht erfinderisch ausgehend von Dokument D9 in Verbindung mit Dokument D28. Dokument D9 zeige kein Rohr mit einem von der Mitte zu den Rändern hin abnehmenden Rohrdurchmesser. Im Gegensatz zur Argumentation der Beschwerdeführerin zeige das Dokument D9 sehr wohl eine kontinuierlich bewegte Deckschicht. Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 fordere lediglich, dass die Deckschicht kontinuierlich bewegt werde. Bei einer feststehenden Gießharke werde auch im dis­kontinuier­lichen Verfahren während des Auftrags des Reaktionsgemisches die Deckschicht kontinuierlich bewegt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 sei nicht auf das in der Streitpatentschrift erwähnte Doppelbandverfahren beschränkt und diskontinuierliche Verfahren seien nicht ausgeschlossen. In Absatz [0004] des Streitpatents werde explizit darauf hingewiesen, dass das Verfahren kontinuierlich oder diskontinuier­lich eingesetzt werden könne. Absatz [0029] des Streit­patents zähle verschiedenartige Deckschichten auf, darunter auch starre Deckschichten wie Gipskarton­platten, die nicht mit einem Doppelbandverfahren hergestellt werden könnten. Die von der Beschwerde­führerin angeführten Start- und Abbindezeiten fänden sich nicht im Anspruch wieder und könnten daher nicht zur Abgrenzung des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 herangezogen werden. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 offenbare lediglich, dass die Deckschicht kontinuierlich bewegt werde, während das Ausgangsmaterial auf die Deckschicht aufgebracht werde. Gemäß der Entscheidung T 1646/12 sei es nicht zulässig, (einschränkende) Merkmale, die zwar in der Beschreibung, aber nicht in den Ansprüchen genannt seien, in diese hineinzulesen. Der vorliegende Anspruch sei nicht auf Verfahren zur kontinuierlichen oder diskontinuierlichen Herstellung von Verbundkörpern begrenzt. Auch der Plural bei den Verbundkörpern, also die Herstellung mehrerer Verbundkörper, lasse nicht auf ein kontinuierliches Verfahren schließen. Der Anspruch sei breitest möglich sinnvoll auszulegen.

Dokument D9 offenbare - identisch wie im Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 - ein Verfahren, wobei die Deckschicht während des Auftrags des Reaktionsgemisches kontinuier­lich bewegt werde. "Kontinuierlich" bedeute in diesem Zusammenhang "gleichmäßig bewegt". Dies sei unabhängig von der Länge der Deckschicht. Aus der Tabelle auf Seite 4 des Dokuments D9 gehe hervor, dass die Panels eine Länge von bis zu 12 Metern haben könnten. In diesem Dokument sei auf Seite 4, links unter dem dritten Punkt, und auf Seite 7, rechts neben dem Bild, vermerkt, dass lange Panels in mehrere kurze zersägt werden könnten.

Das einzige unterscheidende Merkmal, der von der Mitte zu den Rändern hin abnehmende Rohrdurchmesser, habe keinen technischen Effekt. Da keine Mengenangaben und keine Durchmesserbereiche angegeben würden, sei es nicht klar, ob das gesamte Rohr mit dem Reaktions­gemisch gefüllt sei. Ferner sei nicht offenbart, um wie viel der Durchmesser abnehme. Daher könne kein technischer Effekt geltend gemacht werden. Das Streit­patent selbst führe auch kein einziges konkretes Beispiel an. Da der geltend gemachte technische Effekt angeblich bereits mit einem Rohr konstanten Durch­messers erreicht werden konnte, könne der abnehmende Durchmesser keine weitere technische Wirkung zeigen. Absatz [0016] des Streitpatents offenbare zwar, dass die Geschwindigkeit des Reaktionsgemisches im Rohr beziehungsweise bei Austritt durch die Löcher konstant gehalten werden solle, aber dieser Effekt sei nicht allein auf die Abnahme des Rohrdurchmessers bezogen (siehe Streitpatent Absätze [0015] und [0016]). Auch das im Schreiben vom 9. August 2018 auf den Seiten 7 und 8 aufgeführte Beispiel helfe diesbezüglich nicht weiter, da zusätzlich zum Rohrdurchmesser die Durchmesser der Bohrungen im Rohr angepasst worden seien.

Die objektive technische Aufgabe wäre daher, wie von der Einspruchsabteilung formuliert, das Bereitstellen einer alternativen Konstruktion des aus dem Dokument D9 bekannten Gießrohres.

Das Dokument D28/D28Ü offenbare ein ähnliches Verfahren, nämlich die Herstellung von PU-Schaumstoffen und verschiedene Möglichkeiten, die Menge des Reaktions­gemisches von der Zuführung hin zu den Austritts­löchern zu steuern. Deshalb würde der Fachmann dieses Dokument in Betracht ziehen. Im Dokument D28/D18Ü seien zwei verschiedene Möglichkeiten offenbart. Entweder könne die Länge der Austrittsbohrungen oder der Durchmesser des Rohres, der "first flow passage 10", reduziert werden (siehe die Absätze [0020] und [0024]).

Im Gegensatz zu den Ausführungen der Beschwerdeführerin werde im Dokument D28/D28Ü die Deckschicht bewegt. Im Absatz [0040] von Dokument D28/D28Ü sei das Rohr 1 in Figur 2 als feststehend beschrieben; die in Absatz [0028] beschriebene Bewegung des Rohres 1 parallel zur Deckschicht beziehe sich auf die Relativbewegung zwischen der Deckschicht und der Gießrohr. Dies sei allerdings nicht relevant, da die Bewegung des Rohres keinen Einfluss auf dessen Arbeitsweise habe.

Auch unter der Annahme, dass der abnehmende Rohr­durchmesser einen Einfluss auf den Austragsdruck habe, beruhe dies nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da dies ein allgemein anerkanntes physikalisches Prinzip sei; der Druck sei definiert als Kraft pro Fläche.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 3

- Beschwerdeführerin (Patentinhaberin)

Die im Anspruch vorgenommenen Änderungen würden dazu beitragen, das Verfahren gegenüber Verfahren abzu­grenzen, bei denen das Reaktionsgemisch aufgesprüht werde.

- Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende 1 und 2)

Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 enthalte - wie im Punkt 20 der Entscheidungsbegründung im Einspruchsverfahren festgestellt - keine zusätzliche Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik. Eine Gießharke habe die gleiche Funktion wie ein mit Bohrungen versehendes Rohr. Beide Begriffe seien Synonyme, wie in der ursprünglich eingereichten Beschreibung auf Seite 3, Zeilen 5 bis 8, und im Absatz [0009] des Streitpatents ausgeführt werde. Sollte dieser Hilfsantrag zugelassen werden, so würden die gegenüber Hilfsantrag 2 erhobenen Einwände nicht ausgeräumt.

Hilfsantrag 4 - Zulassung

- Beschwerdeführerin (Patentinhaberin)

Der Hilfsantrag 4 solle zugelassen werden, da der während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichte neue Hilfsantrag 2 überraschend nicht zugelassen worden sei. Ferner sei in dem der Ladung beigefügten Bescheid der Einspruchs­abteilung keine vorläufige Meinung zur erfinderischen Tätigkeit abgegeben worden. Die Einspruchs­abteilung habe sich nicht auf den nächst­liegenden Stand der Technik festgelegt. Es seien Dokument D9 oder Dokument D1 als nächstliegender Stand der Technik im Raum gestanden, jeweils in Kombination mit den Dokumenten D14 oder D23. Das Dokument D28/D28Ü sei erst verspätet eingereicht und von der Einspruchs­abteilung zugelassen worden. Der mit dem damaligen neuen Hilfsantrag 2 unternommene Versuch der Abgrenzung von einem diskontinuier­lichen Verfahren sei von der Einspruchs­abteilung auf Grund von Einwänden bezüglich Klarheit und unzulässiger Erweiterung nicht zugelassen worden.

- Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende 1 und 2)

Hilfsantrag 4, der erstmals mit der Beschwerde­begründung eingereicht worden sei, solle nicht zugelassen werden. Bereits aus der vorläufigen Einschätzung in der Mit­teilung der Einspruchsabteilung sei klar hervor­gegangen, dass das Dokument D9 bis auf den abnehmenden Rohrdurchmesser alle Merkmale einschließlich der kontinuierlich bewegten Deckschicht offenbare. Die Beschwerde­führerin hätte diesen Antrag, der sich von dem diskontinuierlichen Verfahren des Dokuments D9 abgrenzen solle, bereits im Einspruchsverfahren einreichen können, wie sie dies damals mit dem neuen Hilfsantrag 2 mit dem gleichen Ziel gemacht habe. Der Hilfsantrag 4 stelle eine Alternative zu dem damaligen neuen Hilfsantrag 2 dar. Daher hätte Hilfsantrag 4 bereits im Einspruchsverfahren eingereicht werden müssen.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - fehlende Neuheit (Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 54 EPÜ)

1.1 Der Gegenstand des Anspruchs 13 des Hauptantrags ist nicht neu gegenüber dem Dokument D14/D14T'.

Anspruch 13 des Hauptantrags betrifft eine Vorrichtung zum Auftrag von Reaktionsgemischen auf eine kontinuier­lich beförderte Deckschicht. Er fordert nicht, dass die Deckschicht tatsächlich kontinuierlich bewegt wird. Es handelt sich vielmehr um eine Vorrichtung, die zum Auftrag von Reaktionsgemischen auf eine kontinuierlich beförderte Deckschicht geeignet sein muss. Die Vorrichtung selbst wird durch ein feststehendes Rohr mit entsprechenden Löchern definiert. Im Dokument D14/D14T' wird eine Wasser-Öl-Emulsion auf Stahlplatten aufgetragen. Die Vorrichtung ist aus den Figuren 1 und 9 und den zugehörigen Absätzen [0010] und [0011] des Dokuments D14/D14T' ersichtlich. Sie besteht aus einem feststehenden, rechtwinklig zur Bewegungsrichtung der Stahlplatten 16 angebrachten Rohr 12, 20. Die Zufuhr 11 für die aufzutragende Wasser-Öl-Emulsion erfolgt mittig. Das Rohr ist mit Öffnungen 23a-h versehen und der Durchmesser des Rohres 20 nimmt von der Mitte zu den Rändern 21a, 21b hin ab (siehe Dokuments D14/D14T', Figur 1, Anspruch 1 und Absatz [0013]). Die aus dem Dokument D14/D14T' bekannte Vorrichtung weist alle technischen Merkmale des Anspruchs 13 des Hauptantrags auf und ist daher auch - wie der Gegenstand von Anspruch 13 des Hauptantrags - grundsätzlich zum Auftrag von Reaktionsgemischen auf eine kontinuierlich bewegte Deckschicht geeignet.

1.2 Die Beschwerdeführerin bestreitet insbesondere, dass Dokument D14/D14T' ein kontinuierliches Auftragen und eine kontinuierlich beförderte Deckschicht zeige. Im Dokument D14/D14T' beziehe sich die kontinuierliche Zuführung nur auf die Auftragsvorrichtung inklusive einer Rückführung des Gemisches. Es würden lediglich 40% des Wasser-Ölgemisches aufgetragen und 60% der Mischung zurückgeführt (siehe Absätze [0004] und [0005], Figur 8 des Dokuments D14/D14T'), was bei härtenden Reaktionsgemischen nicht möglich sei.

Die Kammer stellt fest, dass gemäß der Formulierung von Anspruch 13 des Hauptantrags die Vorrichtung geeignet sein muss zum Auftrag von Reaktionsgemischen auf eine kontinuierlich beförderte Deckschicht. Die hierfür erforderlichen technischen Merkmale sind im Anspruch 13 des Hauptantrags aufgeführt. Im Dokument D14/D14T' werden die zu besprühenden Stahlplatten kontinuierlich gefördert (siehe Dokument D14/D14T', Figur 9: Bezugszeichen 16, die Walzen 15 und der Pfeil in Förderrichtung; siehe auch Absätze [0010] und [0016] ). Weil sich die Auftragsvorrichtung nach Anspruch 13 des Hauptantrags hinsichtlich ihrer Struktur nicht von dem aus dem Dokument D14/D14T' bekannten Rohr 20 unterscheidet, ist auch dieses als für den Auftrag von Reaktionsgemischen auf eine kontinuierlich beförderte Deckschicht geeignet anzusehen.

1.3 Schlussfolgerung

Der Gegenstand von Anspruch 13 des Hauptantrags ist nicht neu.

2. Hilfsantrag 1 - Zulassung

2.1 Der Hilfsantrag 1 ist erstmalig mit der Beschwerde­begründung eingereicht worden. Die Beschwerde­gegnerin II beantragt, den Hilfsantrag 1 nicht zuzulassen, da er verspätet eingereicht wurde und bereits im Einspruchsverfahren hätte eingereicht werden müssen.

2.2 Für die Frage der Nicht-Zulassung des Hilfsantrags 1 ist auf Grund der Übergangsbestimmungen gemäß Artikel 25 (2) VOBK 2020 für den vorliegenden Fall Artikel 12 (4) VOBK 2007 maßgeblich. In Anwendung von Artikel 12 (4) VOBK 2007 liegt es im Ermessen der Kammer, einen Antrag im Beschwerdeverfahren unberücksichtigt zu lassen, wenn dieser schon während des Einspruchsverfahrens hätte eingereicht werden können.

2.3 Diesbezüglich stellt die Kammer fest, dass die Vorlage des Hilfsantrags 1 zusammen mit der Beschwerde­begründung als eine angemessene und unmittelbare Reaktion auf die Feststellungen in Punkt 17.8 der Gründe der angefochtenen Entscheidung zu werten ist, zumal die Einspruchsabteilung in dieser Hinsicht von ihrer im Ladungszusatz vom 18. Januar 2018 (vgl. dort Punkt 7.3) dargelegten vorläufigen Meinung abgewichen ist und keine klare Veranlassung bestand, diesen Antrag bereits im Einspruchsverfahren einzureichen.

2.4 Schlussfolgerung

Die Kammer hat entschieden, den Hilfsantrag 1 nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 in das Beschwerde­verfahren zuzulassen.

3. Hilfsantrag 1 - fehlende Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

Das gegenüber der erteilten Fassung ergänzte Merkmal in Anspruch 13 des Hilfsantrags 1 "mit Bohrungen versehenes Rohr mit Löchern an der Unterseite, verteilt über die gesamte Rohrlänge" ist aus Dokument D14/D14T' bekannt (siehe Dokument D14/D14', Figur 1). Daher ist der Gegenstand des Anspruch 13 des Hilfsantrags 1 aus den gleichen Gründen wie der Gegenstand des Anspruchs 13 des Hauptantrags nicht neu gegenüber dieser Entgegenhaltung (siehe Punkt 1. oben).

4. Hilfsantrag 2 - fehlende erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

4.1 Nächstliegender Stand der Technik und unterscheidende Merkmale

4.1.1 Dokument D9 offenbart ein diskontinuierliches Verfahren zur Herstellung von Verbundelementen (siehe Dokument D9, Seite 2, erster Absatz). Zuerst wird dabei die untere Deckschicht auf einen Formenwagen aufgelegt, der dann unter dem Gießrohr herfährt, das gleichzeitig das exakt dosierte Reaktionsgemisch über die gesamte Fläche der Deckschicht verteilt. Im nächsten Schritt wird die obere Deckschicht positioniert, und sobald der Formen­wagen seine Endlage erreicht hat, fährt die Druckplatte herunter. Sofort nach Schäumende wird das Gießrohr angehoben und in einer speziellen Spülwanne mit Luft und Flüssigkeit gereinigt (siehe Seite 7, Punkte 1 und 2).

Die Beteiligten sind sich einig, dass das Dokument D9 kein Rohr mit einem abnehmenden Durchmesser zeigt. Es ist jedoch streitig, ob im Dokument D9 die Deckschicht kontinuierlich bewegt wird bzw. ob diskontinuierliche Verfahren wie im Dokument D9 unter den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 fallen.

Die Kammer stimmt mit den Beschwerdegegnerinnen überein, dass der Wortlaut des Anspruchs 1 des Hilfs­antrags 2 diskontinuierliche Verfahren gemäß Dokument D9 nicht ausschließt. Im Anspruch 1 wird lediglich eine kontinuierlich bewegte Deckschicht gefordert. Insbesondere aus Seite 4 des Dokumentes D9 geht hervor, dass aus einem bis zu 12 m langen Panel auch mehrere Verbundkörper hergestellt werden können, so dass dadurch nochmals deutlich wird, dass die Deckschicht während des Auftrags des Reaktionsgemisches kontinuier­lich unter dem Gießrohr bewegt wird.

4.1.2 Inwieweit zur Interpretation eines Anspruchs die Beschreibung heranzuziehen ist, wird z.B. in der Entscheidung T 1646/12 erörtert (siehe Entscheidungs­gründe 2.1). Zum einen ist es nicht zulässig, (einschränkende) Merkmale, die zwar in der Beschreibung beschrieben, aber nicht in den Ansprüchen genannt sind, in diese hineinzulesen. Allerdings kann bei der Auslegung von relativen, mehrdeutigen oder unklaren Begriffen die Beschreibung zur Auslegung herangezogen werden (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 9. Auflage 2019, II.A.6.3.3). Dort wird auch dargelegt, dass den in Patentdokumenten verwendeten Begriffen die im einschlägigen Stand der Technik übliche Bedeutung zu geben ist, sofern ihnen nicht in der Beschreibung ein besonderer Sinn zuge­wiesen wird.

Im vorliegenden Fall ist der Anspruch 1 klar formuliert. Die auf den Anspruchswortlaut gestützte Interpretation des Anspruchs 1 dahingehend, dass auch diskontinuierliche Verfahren, bei denen die Deckschicht kontinuierlich bewegt und das Ausgangsmaterial auf die Deckschicht aufgebracht wird, unter den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 fallen, steht nicht im Widerspruch zur Beschreibung. Absatz [0004] des Streit­patents erwähnt sowohl kontinuierliche als auch diskontinuier­liche Verfahren. Im Absatz [0008] werden kontinuierlich bewegte Deckschichten beschrieben, die entweder flexibel oder starr sein können. Da starre Deckschichten nicht abgecoilt werden können, muss deren Länge diskret sein. Das Verfahren, daraus geschäumte Verbundkörper herzustellen, kann daher als diskontinuier­lich angesehen werden, wie beispielsweise jenes im Dokument D9, wo starre Deckschichten nacheinander unter der Gießharke kontinuierlich bewegt werden.

4.1.3 Die Kammer kann der Argumentation der Beschwerde­führerin, dass es sich bei der beanspruchten Erfindung auf Grund der kurzen Start- und Abbindezeiten um ein kontinuierliches System handeln müsse, nicht folgen, da der Gegenstand von Anspruch 1 nicht auf derartige Systeme beschränkt ist. Wie bereits oben erwähnt, sollen (einschränkende) Merkmale, die nur in der Beschreibung genannt sind, nicht in klar formulierte Ansprüche hineingelesen werden.

4.1.4 Aus diesen Gründen offenbart das Dokument D9 auch das Merkmal, dass die Deckschicht kontinuierlich bewegt wird. Somit bildet Dokument D9 einen geeigneten Ausgangspunkt für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit, von dem sich der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 lediglich darin unterscheidet, dass der Durchmesser des Rohres abnimmt.

4.2 Technische Wirkung und objektive technische Aufgabe

4.2.1 Bezüglich der technischen Wirkung und der sich daraus ergebenden objektiven technischen Aufgabe stimmt die Kammer mit der Beschwerdeführerin überein. Ein abnehmender Rohrdurchmesser von der Zuführung in Mitte zu den Rändern des Rohres führt zu einem Druckanstieg im flüssigen Ausgangsmaterials und damit zu einer erhöhten Fließgeschwindigkeit.

4.2.2 Dem Einwand der Beschwerdegegnerinnen, dass das Rohr auch so dimensioniert sein könnte, dass es nur teilweise mit dem Reaktionsgemisch gefüllt sei und ein sich verringernder Durchmesser dann keinen Einfluss auf den Druckverlauf im Reaktionsgemisch hätte, kann die Kammer nicht zustimmen. Weil das Reaktionsgemisch in einem Verfahren, wie es aus dem Dokument D9 bekannt ist, im Gießrohr notwendigerweise unter Druck gefördert wird, führt ein abnehmender Rohrdurchmesser von der Zuführung in Mitte zu den Rändern des Rohres aus physikalischen Gründen zwangsläufig zu einem Druckanstieg im flüssigen Ausgangsmaterial. Die Tatsache, dass dieser Effekt auch durch andere Maßnahmen allein oder in Kombination miteinander erreicht werden kann, ändert nichts an der Wirkung des Unterscheidungsmerkmal.

4.2.3 Gestützt auf die technische Wirkung des Unterscheidungs­merkmals und in Übereinstimmung mit Absatz [0016] des Streitpatents ist die zu lösende objektive technischen Aufgabe darin zu sehen, eine Gießharke bereitzustellen, bei der der Austragsdruck so angepasst ist, dass die Geschwindigkeit des Reaktions­gemisches im Rohr beziehungsweise bei Austritt durch die Löcher konstant gehalten wird.

4.3 Naheliegen der Lösung

4.3.1 Nach Auffassung der Kammer haben die Beschwerde­gegnerinnen überzeugend argumentiert, dass der Fachmann ausgehend von Dokument D9 die Lehre des Dokuments D28/D28Ü herangezogen hätte. Dokument D28/D28Ü offenbart ein ähnliches Verfahren und beschäftigt sich mit der gleichen objektiven technischen Aufgabe. Bei der Herstellung von PU-Schaumstoffen soll das Gießrohr so gestaltet werden, dass an den Bohrungen gleichmäßiger Austragsdruck herrscht (siehe Dokument D28/D28Ü, Absätze [0020] und [0024]). Der Fachmann hat die Auswahl zwischen zwei möglichen Lösungen, einerseits eines abnehmenden Rohrdurchmessers (siehe Dokument D28/D28Ü, Absatz [0024]) und andererseits einer Verlängerung der Austragsbohrungen (siehe Dokument D28/D28Ü, Absatz [0016]). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin war es angesichts dieser Lehre für einen Fachmann naheliegend, eine der beiden vorge­schlagenen Lösungen auszuwählen und das Gießrohr aus dem Dokument D9 mit einem abnehmenden Rohrdurchmesser von der Zuführung in Mitte zu den Rändern des Rohres auszuführen. Damit wäre der Fachmann ausgehend von Dokument D9 in Zusammenschau mit dem Dokument D28/D28Ü in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 gelangt.

4.3.2 Im Gegensatz zu den Ausführungen der Beschwerdeführerin spielt es für den Durchmesserverlauf im Gießrohr und die Austrittsgeschwindigkeit des Reaktionsgemisches durch die Löcher keine Rolle, ob in der Figur 2 im Dokument D28/D28Ü die Deckschicht oder das Gießrohr bewegt wird. Erforderlich ist nur eine Relativbewegung zwischen der Deckschicht und dem Gießrohr. Diese kontinuierliche Bewegung der Deckschicht ist bereits aus Dokument D9 bekannt.

4.3.3 Bezüglich der Argumentation der Beschwerdeführerin, dass das Dokument D28/D28Ü nicht die im Streitpatent in den Absätzen [0008] und [0009] aufgezeigte Wirkung erziele, ist zunächst festzustellen, dass im Absatz [0008] auch auf vorteilhafte Ausgestaltungen abgestellt wird, die sich aus den Merkmalen von Anspruch 1 nicht zwingend ergeben. Ferner offenbart das Dokument D28/D28Ü Lösungen zu Erzielung eines gleichmäßigen Austrags­druckes, die den Maßnahmen nach Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 entsprechen und somit notwendigerweise die gleiche technische Wirkung erreichen.

4.3.4 Auch der Feststellung der Beschwerdeführerin, dass der Fachmann im Dokument D28/D28Ü aus mehreren Auswahl­möglichkeiten wählen müsse, kann die Kammer nicht folgen. Das Dokument D28/D28Ü beschäftigt sich mit der Verbesserung eines aus dem Stand der Technik bekannten Gießrohres gemäß Figur 6 (siehe Dokument D28/D28Ü, Absatz [0007]). Als Lösung wird ein Gießrohr nach den Absätzen [0016] oder [0024] vorgeschlagen, das in den Verfahren gemäß Figur 2 oder Figur 3 eingesetzt werden kann. Da der Fachmann ausgehend von Dokument D9 nur noch die Gestaltung des Fließwegs im Gießrohr vornehmen muss, werden ihm im Dokument D28/D28Ü zwei Lösungs­möglichkeiten vorgeschlagen, aus denen er eine gewählt hätte und so in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 gelangt wäre.

4.3.5 Schlussfolgerung

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

5. Hilfsantrag 3 - fehlende erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

Im Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 wurde das Merkmal "mit Bohrungen versehenes Rohr" durch "Gießharke" ersetzt. Gemäß Absatz [0009] des Streitpatents bzw. der ursprünglich eingereichten Beschreibung auf Seite 3, Zeilen 5 bis 8 handelt es sich dabei um Synonyme. Die Änderungen im Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 tragen daher - wie bereits in der Entscheidungs­begründung unter Punkt 20 von der Einspruchsabteilung angemerkt -nicht zur Abgrenzung von dem durch die Kombination der Dokumente D9 mit D28/D28Ü nahegelegten Verfahren bei. Daher beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 ebenso wenig auf einer erfinderischen Tätigkeit wie der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2.

6. Hilfsantrag 4 - Nicht-Zulassung

6.1 Der Hilfsantrag 4 ist erstmalig mit der Beschwerde­begründung vorgelegt worden. Die Beschwerde­gegnerinnen beantragen, den Hilfsantrag 4 nicht zuzulassen, da er verspätet eingereicht wurde und bereits im Einspruchsverfahren hätte eingereicht werden müssen.

6.2 In Anwendung von Artikel 12 (4) VOBK 2007 (siehe Punkt 2.2 oben) ist die Kammer befugt, einen Antrag im Beschwerdeverfahren unberücksichtigt zu lassen, wenn dieser schon während des Einspruchsverfahrens hätte eingereicht werden sollen.

6.3 Im Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 wurde das Merkmal "bestehend aus mindestens einer Deckschicht a) und einem Hartschaumstoff auf Isocyanatbasis b), wobei der Polyurethan-Hartschaumstoff kontinuierlich hergestellt wird und die Deckschicht a) kontinuierlich bewegt wird" ergänzt. Dieser Hilfsantrag stellt somit einen Versuch dar, sich von einem diskontinuierlichen Verfahren, wie es im Dokument D9 offenbart ist, abzugrenzen.

Während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchs­abteilung hatte die Beschwerdeführerin einen neuen Hilfsantrag 2 eingereicht, um sich vom Dokument D9 deutlicher abzugrenzen. Dieser neue Hilfsantrag 2 war von der Einspruchsabteilung jedoch nicht zugelassen worden mit der Begründung, dass er neue Probleme einführe und neue Fragen aufwerfe (siehe angefochtene Entscheidung, Gründe, Punkt 21.4). Ein weiterer Versuch war von der Patentinhaberin damals nicht unternommen worden. Im Beschwerdeverfahren hat die Beschwerdeführerin den damaligen neuen Hilfsantrag 2 nicht weiterverfolgt, sondern stattdessen den vorliegenden Hilfsantrag 4 eingereicht.

Die Notwendigkeit, den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 deutlicher gegenüber dem in Dokument D9 offenbarten diskontinuierlichen Verfahren abzugrenzen, ergab sich jedoch nicht erst während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, sondern bereits aus dem Ladungsbescheid der Einspruchs­abteilung, in dem unter Punkt 9.3 dargelegt wurde, dass das Dokument D9 alle Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 und zusätzlich auch eine Zuführung in der Mitte des Rohres offenbare, sodass der abnehmende Rohrdurchmesser das einzige Unterscheidungsmerkmal darstelle. Somit war zu diesem Zeitpunkt klar, dass das Merkmal der kontinuierlich bewegten Deckschicht als bekannt betrachtet wurde. Unter diesen Umständen bot also bereits der Ladungsbescheid der Einspruchs­abteilung eine klare Veranlassung, den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 deutlicher gegenüber diskontinuier­lichen Herstellungsverfahren abzugrenzen. Daran ändert nichts, dass die Einsprechende 1 in Reaktion auf die vorläufige Meinung der Einspruchsabteilung im Hinblick auf das einzige Unterscheidungsmerkmal des abnehmenden Rohrdurchmessers das Dokument D28/D28Ü eingereicht hat, das von der Einspruchsabteilung diesbezüglich als prima facie relevant angesehen und ins Verfahren zugelassen worden ist (siehe angefochtene Entscheidung, Gründe, Punkt 19.9).

Aus diesen Gründen hatte die Patentinhaberin eine konkrete Veranlassung, den vorliegenden Hilfsantrag 4 bereits im Verfahren vor der Einspruchs­abteilung einzureichen.

6.4 Schlussfolgerung

In Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 hat die Kammer daher entschieden, den Hilfsantrag 4 der Beschwerdeführerin nicht in das Verfahren zuzulassen

7. Ergebnis der Beschwerde

In Anbetracht der Tatsache, dass keiner der zugelassenen Anträge der Beschwerdeführerin gewährbar ist, muss die Beschwerde zurückgewiesen werden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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