European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2022:T237718.20220503 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 03 Mai 2022 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2377/18 | ||||||||
Anmeldenummer: | 12806412.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | F27B 11/00 F27D 17/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | GESCHLOSSENES TRANSPORTFLUIDSYSTEM ZUM OFENINTERNEN WÄRMEAUSTAUSCH ZWISCHEN GLÜHGASEN | ||||||||
Name des Anmelders: | Ebner Industrieofenbau GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | LOI Thermprocess GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent EP-B1-2 791 606 (im Folgenden: das Patent) betrifft einen Ofen zum Wärmebehandeln von Glühgut sowie ein Verfahren zum Wärmebehandeln von Glühgut in einem Ofen.
Der Einspruch richtete sich gegen das Patent im gesamten Umfang und stützte sich auf die Einspruchsgründe mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gemäß Artikel 100 a) EPÜ, unzureichender Offenbarung gemäß Artikel 100 b) EPÜ und unzulässiger Erweiterung gemäß Artikel 100 c) EPÜ.
II. Die Einspruchsabteilung war zu dem Schluss gelangt, dass der damalige mit Schreiben vom 14. Dezember 2017 eingereichte Hauptantrag die Erfordernisse des EPÜ erfülle. Die Einsprechende hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent in geändertem Umfang gemäß dem damaligen Hauptantrag aufrechterhalten wurde, Beschwerde eingelegt.
III. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung vom 9. Juli 2021 gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Einschätzung des der Beschwerde zugrundeliegenden Sachverhalts mit, dass die Beschwerde voraussichtlich zurückzuweisen sei.
IV. Eine mündliche Verhandlung fand am 3. Mai 2022 statt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen.
V. Die Einsprechende (im Folgenden: die Beschwerdeführerin) beantragte,
die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent vollständig zu widerrufen.
Die Patentinhaberin (im Folgenden: die Beschwerdegegnerin) beantragte
die Beschwerde zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Patent auf der Grundlage eines der Hilfsanträge I bis V, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung, aufrechtzuerhalten.
VI. Ansprüche
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag entspricht Anspruch 1 des Patents wie erteilt und lautet mit der von den Beteiligten verwendeten Merkmalsgliederung wie folgt:
"1. Ofen (100) zum Wärmebehandeln von Glühgut (102),
wobei der Ofen (100) aufweist:
1.1 einen verschließbaren ersten Ofenraum (104), der
zum Aufnehmen und zum Wärmebehandeln von Glühgut (102) mittels thermischen Wechselwirkens des Glühguts (102) mit heizbarem oder kühlbarem erstem Glühgas (112) in dem ersten Ofenraum (104) ausgebildet ist;
1.2 einen in dem ersten Ofenraum (104) angeordneten
ersten Wärmetauscher (108), der zum thermischen Austausch zwischen dem ersten Glühgas (112) und einem Transportfluid (116) ausgebildet ist, wobei der erste Wärmetauscher (108) innerhalb eines Gehäuseabschnitts (120) des ersten Ofenraums (104) angeordnet ist, welcher Gehäuseabschnitt (120) das erste Glühgas (112) im Inneren des ersten Ofenraums (104) einschließt und welcher Gehäuseabschnitt (120) in direktem Kontakt mit dem ersten Glühgas (112) steht;
1.3 einen verschließbaren zweiten Ofenraum (106), der
zum Aufnehmen und zum Wärmebehandeln von Glühgut (102) mittels thermischen Wechselwirkens des Glühguts (102) mit heizbarem oder kühlbarem zweitem Glühgas in dem zweiten Ofenraum (106) ausgebildet ist;
1.4 einen in dem zweiten Ofenraum (106) angeordneten
zweiten Wärmetauscher (110), der zum thermischen Austausch zwischen dem zweiten Glühgas (114) und dem Transportfluid (116) ausgebildet ist, wobei der zweite Wärmetauscher (110) innerhalb eines Gehäuseabschnitts (122) des zweiten Ofenraums (106) angeordnet ist, welcher Gehäuseabschnitt (122) das zweite Glühgas (114) im Inneren des zweiten Ofenraums (106) einschließt;
1.5 einen geschlossenen Transportfluidpfad (118), der
mit dem ersten Wärmetauscher (108) und mit dem zweiten Wärmetauscher (110) derart wirkverbunden ist, dass mittels des Transportfluids (116) thermische Energie kontaktfrei zwischen dem ersten Glühgas (112) und dem zweiten Glühgas (114) übertragbar ist."
Anspruch 14 gemäß Hauptantrag entspricht Anspruch 15 des Patents wie erteilt und lautet mit der von den Beteiligten verwendeten Merkmalsgliederung wie folgt:
"14. Verfahren zum Wärmebehandeln von Glühgut (102) in
einem Ofen (100), wobei das Verfahren aufweist:
14.1 Aufnehmen und Wärmebehandeln von Glühgut (102) in
einem verschließbaren ersten Ofenraum (104)
mittels thermischen Wechselwirkens des Glühguts
(102) mit heizbarem bzw. kühlbarem erstem Glühgas
(112) in dem ersten Ofenraum (104);
14.2 Bewirken eines thermischen Austauschs zwischen dem
ersten Glühgas (112) und einem Transportfluid
(116) mittels eines in dem ersten Ofenraum (104)
angeordneten ersten Wärmetauschers (108), wobei
der erste Wärmetauscher (108) innerhalb eines
Gehäuseabschnitts (120) des ersten Ofenraums (104)
angeordnet ist, welcher Gehäuseabschnitt (120) das
erste Glühgas (112) im Inneren des ersten
Ofenraums (104) einschließt und welcher
Gehäuseabschnitt (120) in direktem Kontakt mit dem
ersten Glühgas (112) steht;
14.3 Aufnehmen und Wärmebehandeln von Glühgut (102) in
einem verschließbaren zweiten Ofenraum (106)
mittels thermischen Wechselwirkens des Glühguts
(102) mit heizbarem bzw. kühlbarem zweitem Glühgas
(114) in dem zweiten Ofenraum (106)
14.4 Bewirken eines thermischen Austauschs zwischen dem
zweiten Glühgas (114) und dem Transportfluid (116)
mittels eines in dem zweiten Ofenraum (106)
angeordneten zweiten Wärmetauschers (110), wobei
der zweite Wärmetauscher (110) innerhalb eines
Gehäuseabschnitts (122) des zweiten Ofenraums
(106) angeordnet ist, welcher Gehäuseabschnitt
(122) das zweite Glühgas (114) im Inneren des
zweiten Ofenraums (106) einschließt;
14.5 Steuern eines geschlossenen Transportfluidpfads,
der mit dem ersten Wärmetauscher (108) und mit dem
zweiten Wärmetauscher (110) wirkverbunden ist
derart, dass mittels des Transportfluids (116)
thermische Energie zwischen dem ersten Glühgas
(112) und dem zweiten Glühgas (114) übertragen
wird."
VII. In der vorliegenden Entscheidung werden die folgenden Dokumente aus dem Einspruchsverfahren genannt:
D1: DE 10 2008 005 259 A1;
D2: AT 507 423 B1;
D9: Europäische Norm EN 746-3, "Industrielle
Thermoprozeßanlagen - Teil 3: Sicherheitsanforderungen für die Erzeugung und Anwendung von Schutz- und Reaktionsgasen", März 1997, Seite 12; und
D10: Arbeitsgemeinschaft Wärmebehandlung und
Werkstofftechnik, "Sicherheitstechnische
Empfehlung für den Betrieb von Industrieöfen mit
Schutzgasatmosphären", 2. Überarbeitung, April
1999, Seite 2.
Die Beschwerdeführerin hat die folgenden Dokumente mit dem Schreiben vom 13. Dezember 2017 eingereicht, jedoch deren Zulassung zum ersten Mal mit der Beschwerdebegründung beantragt:
D11: Axel von Starck et al., "Praxishandbuch -
Thermoprozess-Technik", Band II, "Prozesse -
Komponenten - Sicherheit", Vulkan-Verlag
GmbH, Essen, ISBN 3-8027-2923-4, 2003, Seiten 258
bis 263; und
D12: Peter Wendt und Udo Dengel, "Wasserstoffrecycling
- Eine Maßnahme zur Steigerung der Effizienz von
HPH®-Haubenglühanlagen", Sonderdruck aus der
Zeitschrift GASWÄRME International, Nr. 3/2009, 8
Seiten.
Die Beschwerdeführerin hat die folgenden Dokumente zum ersten Mal mit der Beschwerdebegründung eingereicht:
D13: "Taschenbuch für Thermprocess Technik", 5.
Auflage, Vulkan-Verlag, Essen, ISBN 3-8027-2901-3,
1999, Seiten 24, 25 und 30 bis 33; und
D14: AT 411 904 B.
VIII. Das für diese Entscheidung relevante schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Spät eingereichte Dokumente D11 bis D14
Die Dokumente D11, D12 und D13 seien im Beschwerdeverfahren zum Nachweis des allgemeinen Fachwissens eingereicht worden, das in der angegriffenen Entscheidung nicht ausreichend gewürdigt worden sei. Sie seien daher zuzulassen.
D14 werde im Patent selbst, Absatz [0004] als nächstliegender Stand der Technik verwendet und sei folglich gemäß T 0536/88, Leitsatz 2, bereits im Verfahren. Einer gesonderten Zulassung des Dokuments bedürfe es somit nicht.
Ungeachtet dessen sei das Dokument aus folgenden Gründen in das Verfahren zuzulassen:
Die Einspruchsabteilung habe nicht korrekt berücksichtigt, welche Merkmale der unabhängigen Patentansprüche zum Stand der Technik gehörten, und welche Merkmale die Erfindung kennzeichneten.
Ausgehend von D1 sei die erfinderische Tätigkeit daher nicht abschließend zu beurteilen.
Daher lägen Gründe vor, die Frage der erfinderischen Tätigkeit auch ausgehend von D14 zu prüfen. D14 sei als Ausgangspunkt für die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit zudem einfacher als D1.
Es sei daher der Verfahrensökonomie nicht abträglich, D14 in das Verfahren zuzulassen. Auch kenne die Beschwerdegegnerin D14, da es sich um ihr eigenes Patent handele, und die Sache nicht komplex sei.
Außerdem habe die Einspruchsabteilung die Einsprechende explizit dazu aufgefordert, nur ein einziges Dokument als nächstliegenden Stand der Technik zu identifizieren. Aus Gründen des Vertrauensschutzes dürfe die Beschwerdeführerin, die sich gutgläubig an diese Vorgabe gehalten habe, jetzt nicht daran gehindert werden, das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit auch ausgehend von D14 überprüfen zu lassen.
Auch D14 sei somit bereits im Verfahren oder zumindest nun in das Verfahren zuzulassen.
Hauptantrag - Neuheit
Anspruch 1 bzw. 14 seien breit formuliert und umfassten sowohl Haubenöfen als auch Durchlauföfen.
So fielen bereits die in Figur 1 bzw. 2 von D1 dargestellten Durchlauföfen unter den Gegenstand der Ansprüche 1 bzw. 14 des Patents.
Der in Anspruch 1 bzw. 14 verwendete Begriff "verschließbarer Ofenraum" sei nämlich im Streitpatent nicht definiert. Es genüge somit, dass die Ofenräume des Anspruchs 1 bzw. 14 lediglich aus Sicherheitsgründen gegenüber der Umgebung zu einem gewissen Grad abgeschlossen seien, was der D1 in Anbetracht der üblichen Sicherheitsvorkehrungen bereits zu entnehmen sei, vgl. diesbezüglich die Dokumente D9, D10 und D13.
In diesem Zusammenhang sei wiederum die Auslegung der Beschwerdegegnerin, wonach die Ofenräume zueinander abgedichtet sein müssten (im Sinne von "gasdicht" oder "hermetisch abgedichtet"), in Anspruch 1 bzw. 14 nicht zwingend, denn derartiges werde nur in der Beschreibung erwähnt. Im Lichte der Entscheidung T 1646/12, Entscheidungsgründe 2.1, dürften die Ansprüche und die Beschreibung jedoch nicht gewissermaßen als "kommunizierende Gefäße" betrachtet werde. Eine Einschränkung des beanspruchten Gegenstands auf zueinander abgedichtete Ofenräume könne somit nicht durch Auslegung der Ansprüche, sondern nur durch eine Änderung des Anspruchswortlauts erreicht werden.
Zudem gehörten die Gase nicht zum beanspruchten Gegenstand des Anspruchs 1 bzw. 14 und könnten sogar identisch sein. Der jeweilige Anspruchsgegenstand sei deshalb auch durch diese Merkmale nicht auf einen gasdichten Verschluss der Ofenräume eingeschränkt.
Weiterhin müssten nicht nur die in Figur 1 bzw. 2 dargestellten Ausführungsbeispiele berücksichtigt werden, sondern auch die allgemeine Offenbarung in D1. Gemäß Absatz [0013] könne das erfindungsgemäße Verfahren von D1 auf jede andere Thermoprozessanlage angewendet werden, d.h. insbesondere auch auf Haubenöfen. In Absätzen [0013] und [0020] werde dabei explizit das Wort "Kammer" für die Kühl- und Vorwärmkammer der Thermoprozessanlage verwendet. Der Begriff "Kammer" impliziere (vgl. die Definition im Duden), dass die dort erwähnten Kühl- und Vorwärmkammern verschließbar seien (i.e. im Sinne eines Haubenofens) und das Gas einschlössen. Diese Interpretation werde auch durch die Formulierungen "in einer Position ... abgekühlt wird", "in einer Kühlkammer verbleibt" und "Gutvorwärmung ... in Warteposition" in den Absätzen [0013] und [0020] gestützt. Die Merkmale einer Verschließbarkeit der entsprechenden Kammern seien somit in D1 offenbart.
D1, Absatz [0020], offenbare auch, dass das Wärmebehandlungsgut, z.B. ein Bandbund, während der Abkühlung in einer Kühlkammer verbleibe und erst nach hinreichender Temperaturabsenkung aus der Kühlkammer herausgefahren werde. In diesem Fall werde nur eine Vorwärmkammer für das auf die Einbringung in den Heizteil wartende Wärmebehandlungsgut verwendet. Ein Bandbund, d.h. aufgerolltes Metallband, werde stets in satzweise arbeitenden Öfen wärmebehandelt. Absatz [0020] offenbare daher sogar eine satzweise arbeitende Anlage, wie sie typischerweise mit Haubenöfen betrieben würde.
Absatz [0018] von D1 offenbare weiterhin, dass in der Durchlaufanlage nach Figur 2 der Wärmetransport vom Kühlteil (2) in den Vorwärmteil (1) nicht durch einen Massenstrom des Beblasungsgases, sondern durch den Massenstrom eines besonderen Wärmetransportfluids bewirkt werde. Gleiches werde auch in der allgemeineren Ausführung offenbart (Absatz [0013], letzter Satz).
Zwar seien in Figur 2 Pfeile eingezeichnet, die in Analogie zu Figur 1 als Hinweis auf einen Gasmassenstrom angesehen werden könnten. Eine derartige Interpretation sei jedoch technisch nicht sinnvoll, da der Gasmassenstrom aus dem Kühlteil (2) auch durch den Heizteil (3) strömen würde, in dem die eigentliche Wärmebehandlung stattfinde, was die Wärmebehandlung im Heizteil (3) erheblich beeinträchtigen würde. Außerdem sei ein Wärmetransport mittels Wärmetauschern und Wärmetransportfluids in der Durchlaufanlage nach Figur 2 sinnlos, wenn das Gas von rechts nach links durch alle Zonen (24) bis (11) strömen würde. Es sei somit für den Fachmann klar, dass die Pfeile in Figur 2 lediglich versehentlich eingezeichnet worden seien.
Da keine Gasströmung zwischen dem Kühlteil (2) und dem Vorwärmteil (1) stattfinde, entnehme der Fachmann der Figur 2 von D1 unmittelbar und eindeutig, dass ein Teilbereich des Gehäuses, im Kühlteil (2) sowie im Vorwärmteil (1), das Glühgas im Inneren des Ofenraums "einschließt", wie in Anspruch 1 bzw. 14 des Patents definiert.
Zudem sei den vertikalen Strichlinien zwischen den Zonen (11) bis (24) in Figur 2 zu entnehmen, dass bereits jede einzelne Zone als eine verschließbare Kammer anzusehen sei.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 bzw. 14 des Hauptantrags sei somit gegenüber der Offenbarung von D1 nicht neu.
Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit, Zulassung
Sollte D14 nicht zugelassen werden, so beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 bzw. 14 dennoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit:
- ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit dem Fachwissen des Fachmanns, dargestellt z.B. durch D11, D12 oder D13, oder in Kombination mit der Lehre von D2;
- ausgehend von D2 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit dem Fachwissen oder in Kombination mit der Lehre von D1.
D2 sei bereits im Einspruchsverfahren als nächstliegender Stand der Technik verwendet worden, und daher auch im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen.
Gleiches gelte für D1 als nächstliegendem Stand der Technik in Verbindung mit dem Fachwissen und in Verbindung mit der Lehre der D2.
Erfinderische Tätigkeit - D1 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen
In Anbetracht der Neuheitsdiskussion könne ein Unterschied zwischen der beanspruchten Anlage und den Anlagen nach D1 höchstens darin gesehen werden, dass das Glühgut nicht jeweils in einem verschließbaren Ofenraum eingeschlossen werde.
Eine derartige Verschließbarkeit verhindere den Gasaustritt. Die zu lösende technische Aufgabe könne dann darin gesehen werden, die aus D1 bekannte Anlage energieeffizienter zu machen, bei gleichzeitiger Steigerung der Betriebssicherheit.
Konstruktionsmerkmale von herkömmlichen satzweise betriebenen Wärmebehandlungsanlagen, insbesondere der prinzipielle Aufbau einer herkömmlichen Haubenofenanlage gehörten zum Fachwissen des Fachmanns, dargestellt z. B. durch D11, D12 und D13. Der Fachmann werde zudem durch die in Absatz [0020] der D1 genannten "Kammern" bereits in diese Richtung gelenkt. Er würde deshalb die in D1 genannten Durchlauföfen (Figur 2), insbesondere aber die in Absatz [0020] genannte Anlage mit jeweils einer Kühlkammer und einer Vorwärmkammer, mit einer verschließbaren, das Gas einschließenden Haube versehen und damit ohne erfinderisches Zutun zum beanspruchten Gegenstand gelangen.
Somit beruhe Anspruch 1 gegenüber dem Dokument D1 in Kombination mit dem Fachwissen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die gleichen Gründe gälten mutatis mutandis für Anspruch 14.
IX. Das für diese Entscheidung relevante mündliche Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Spät eingereichte Dokumente D11 bis D14
Keines der Dokumente D11 bis D14 sei prima facie relevant. Sie hätten bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht werden können und sollen.
Dies gelte insbesondere für D14, das im Patent erwähnt werde und der Beschwerdeführerin somit innerhalb der Einspruchsfrist bereits bekannt gewesen sei. Die Zulassung der D14 in das Beschwerdeverfahren sei der Verfahrensökonomie abträglich.
Die Dokumente D11 bis D14 seien somit nicht in das Verfahren zuzulassen.
Hauptantrag - Neuheit
Die in Anspruch 1 bzw. 14 verwendeten Ausdrücke "verschließbar" und "einschließen" implizierten, dass bei jedem Ofenraum das eingeschlossene Gas nicht nach außen dringen könne. Die zwei Gase würden somit nicht vermischt, d.h. die Ofenräume seien in Anspruch 1 bzw. 14 als zueinander sowie als gegenüber der Umgebung abgedichtet definiert. Die in Absatz [0009] der Beschreibung verwendeten synonymen Ausdrücke "gasdicht" oder "hermetisch" stünden nicht in Widerspruch zu dieser Auslegung des Anspruchs 1 bzw. 14.
Die Dokumente D9 und D10 sowie D13, deren Offenbarungen die Abdichtung der Ofenräume gegenüber der Umgebung aus Sicherheitsgründen beträfen, seien daher nicht relevant.
D1 offenbare dagegen keine "verschließbaren" Ofenräume, in dem das erste bzw. zweite Glühgas im Inneren des ersten bzw. zweiten Ofenraums eingeschlossen wird, wie vorliegend beansprucht.
Sowohl dem Richtungspfeil auf dem Band 10 in Figur 2 als auch dem in Absatz [0013] von D1 offenbarten Hindurchbewegen des Gutes durch Heizteil und Kühlteil entnehme der Fachmann eindeutig, dass das Verfahren von D1 auf Durchlauföfen anzuwenden sei. Die Anwendung des Verfahrens von D1 auch auf andere Anlagen, die verschließbare Ofenräume aufwiesen wie z. B. Haubenöfen, könne daraus nicht hergeleitet werden. Insbesondere könne die Verwendung des Wortes "Kammer" nicht die Auslegung stützen, dass die Ofenräume von D1 verschließbar seien. Schließlich werde das Gut durch diese "hindurchbewegt" bzw. "ausgefahren". Die Definition des Wortes "Kammer" aus dem Duden sei in dieser Hinsicht nicht hilfreich.
Es gebe in D1 auch keinen Hinweis darauf, dass die den Gasstrom symbolisierenden Pfeile in Figur 2 nur "versehentlich" gezeichnet worden seien. Diese Pfeile vermittelten dem Fachmann vielmehr eindeutig die Lehre, dass die Ofenräume gemäß D1 das Glühgas gerade nicht einschlössen, wie es für Durchlauföfen auch typischerweise der Fall sei.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 bzw.14 des Hauptantrags sei somit neu gegenüber der Offenbarung von D1.
Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit
Die zum ersten Mal mit der Beschwerdebegründung geltend gemachte Angriffslinie aus D1 in Verbindung mit D2 sei nicht in das Verfahren zuzulassen, da sie bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätte vorgebracht werden können.
Die beiden Angriffslinien aus D2 in Verbindung mit dem Fachwissen oder in Verbindung mit D1 seien zum ersten Mal im Beschwerdeverfahren während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer geltend gemacht worden. Da die Beschwerdeführerin keine stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt habe, dass außergewöhnliche Umstände für die spät eingereichte Änderung ihres Vorbringens vorlägen, seien die beiden Angriffslinien aus D2 nach Artikel 13 (2) VOBK 2020 nicht zu berücksichtigen.
Der einzige zulässige Angriff sei daher ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen.
Da D1 keine Ofenanlage mit mehreren geschlossenen Ofenräumen offenbare und der Zweck von D1 nicht darin bestehen könne, geschlossene Ofenräume energieeffizient und schonend für das Glühgut zu betreiben, sei fraglich, ob sich D1 überhaupt als nächstliegender Stand der Technik für Anspruch 1 bzw. 14 eigne.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von der Offenbarung von D1 darin, dass
- der erste Ofenraum verschließbar ist (Teil von Merkmal 1.1);
- ein Gehäuseabschnitt des ersten Ofenraums ein erstes Glühgas im Inneren des ersten Ofenraums einschließt (Teil von Merkmal 1.2);
- der zweite Ofenraum verschließbar ist (Teil von Merkmal 1.3); und
- ein Gehäuseabschnitt des zweiten Ofenraums ein zweites Glühgas im Inneren des zweiten Ofenraums einschließt (Teil von Merkmal 1.4).
Im Lichte der mit den Unterscheidungsmerkmalen verbundenen technischen Effekte könne die objektive zu lösende technische Aufgabe ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik somit darin gesehen werden, die Wärmebehandlungsanlage gemäß Figur 2 von D1 energieeffizienter zu betreiben, siehe Streitpatent, Absatz [0008].
Es handele sich bei der Offenbarung von D1 jedoch um eine kontinuierlich betriebene Wärmebehandlungsanlage, durch welche das Wärmebehandlungsgut hindurchbewegt werde. Ein Hinweis darauf, dass die einzelnen Ofenräume zueinander gasdicht verschlossen seien, sei in D1 nicht vorhanden bzw. nicht nahegelegt.
Die dem Fachmann bekannten und in D11, D12 und D13 dargestellten Haubenofenanlagen seien konstruktiv grundlegend unterschiedlich zu der in D1 offenbarten Durchlauf-Wärmebehandlungsanlage. Der vor die oben angegebene Aufgabe gestellte Fachmann habe somit keinen Grund, die unterschiedlichen Baukonstruktionen zu kombinieren.
Daher beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die gleichen Gründe gälten mutatis mutandis für Anspruch 14.
Entscheidungsgründe
1. Spät eingereichte Dokumente D11 bis D14
1.1 Die Dokumente D11 und D12 wurden bereits mit dem Schreiben vom 13. Dezember 2017 im Einspruchsverfahren eingereicht. Während des Einspruchsverfahrens hat die Beschwerdeführerin jedoch deren Zulassung explizit nicht beantragt, wie sich aus der angefochtenen Entscheidung, Punkt II.2, sowie der Niederschrift, Punkt 5, ergibt. Der Antrag auf Zulassung von D11 und D12 wurde somit erst mit der Beschwerdebegründung gestellt.
Die Dokumente D13 und D14 wurden zum ersten Mal mit der Beschwerdebegründung eingereicht.
Deshalb unterliegt die Zulassung der Dokumente D11 bis D14 in das Verfahren dem Ermessen der Kammer gemäß den in Artikel 12 (4) VOBK 2007 angegebenen Kriterien in Verbindung mit den Übergangsbestimmungen gemäß Artikel 25 (2) VOBK 2020.
1.2 Zulassung der Dokumente D11 bis D13
Im Einklang mit der Rechtsprechung ist die Kammer der Auffassung, dass die Dokumente D11, D12 und D13 in das Verfahren zuzulassen sind, da sie das Fachwissen des Fachmanns betreffen (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, V.A.4.13.1.c).
Ein Grund, warum die neuen Dokumente D11 bis D13 der Verfahrensökonomie abträglich wären, ist für die Kammer nicht erkennbar und wurde von der Beschwerdegegnerin auch nicht überzeugend vorgebracht.
1.3 Nicht-Zulassung des Dokuments D14
D14 wird im Streitpatent, Absatz [0004], als Stand der Technik gewürdigt. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass es der Entscheidung T 536/88 folgend bereits aus diesem Grund im Verfahren sei. Dem kann sich die Kammer nicht anschließen:
Im Streitpatent werden insgesamt vier Dokumente gleichberechtigt nebeneinander als Würdigung des Standes der Technik aufgeführt, unter anderem auch D14, siehe Absätze [0003] bis [0006]. Davon wird keines als nächstliegender Stand der Technik, als Ausgangspunkt für die Erfindung oder als wesentlich für deren Verständnis bezeichnet, insbesondere auch nicht D14. Daher ist die Situation eine andere als in der Entscheidung T 536/88, und D14 ist bereits aus diesem Grund nicht automatisch zu berücksichtigen, siehe Entscheidung T 2541/17, Entscheidungsgründe 2.1.
Die Entscheidung T 536/88 stammt zudem aus einem Zeitraum vor dem Inkrafttreten der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern 2007. Ihr liegt folglich keinerlei Verfahrensordnung zugrunde. Das gleiche gilt für die anderen diesbezüglich in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern, supra, IV.C.4.4, zitierten Entscheidungen. Die Beschwerdeführerin hat die Kammer nicht überzeugt, dass diese frühere Rechtsprechung im vorliegenden Fall noch anzuwenden wäre, insbesondere in Hinblick auf die in Artikel 12 (4) VOBK 2007 angegebenen Kriterien und die daraus entwickelte Rechtsprechung.
Ferner ist sowohl der angefochtenen Entscheidung als auch der Niederschrift zu entnehmen, dass die Einspruchsabteilung die von der Beschwerdeführerin damals erhobenen Einwände geprüft hat. Dabei hat die Einspruchsabteilung entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin zweifellos berücksichtigt welche Merkmale der unabhängigen Patentansprüche in Bezug auf die damals als Startpunkt ausgewählten Dokumente D1 und D2 zum Stand der Technik gehören und welche nicht.
Dass laut der Beschwerdeführerin D14 als Ausgangspunkt für die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit einfacher als D1 sei, betrifft die prima facie Relevanz von D14, die kein in Artikel 12 (4) VOBK 2007 genanntes Kriterium ist.
Die Beschwerdeführerin beruft sich weiterhin auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes, da sie von der Einspruchsabteilung fälschlich dazu angehalten worden sei (siehe Bescheid vom 17. Mai 2017, Punkt 6 auf Seite 5), lediglich ausgehend von einem einzigen Dokument als nächstliegendem Stand der Technik zu argumentieren. Dokument D14 sei auch deshalb in das Beschwerdeverfahren zuzulassen. Dieses Argument kann aus zweierlei Gründen nicht überzeugen. Zum einen hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung Angriffslinien zur erfinderischen Tätigkeit von D1 und D2 als nächstliegendem Stand der Technik vorgebracht (siehe Niederschrift Punkte, 6.1 und 6.2), die in der Entscheidung entsprechend abgehandelt werden (Entscheidungsgründe, Punkte 3.4.1 und 3.4.2). Eine Einschränkung auf nur ein Dokument als nächstliegender Stand der Technik hat somit tatsächlich nicht stattgefunden. Vielmehr hat die Beschwerdeführerin selbst in der Einspruchsverhandlung explizit bestätigt, keine weiteren Einwände mehr zu haben (Punkt 8 der Niederschrift). Zum anderen war das Dokument D14 zum Zeitpunkt der Verhandlung im Einspruchsverfahren weder im Verfahren, noch war seine Einführung beantragt. Es ist daher nicht ersichtlich, in welcher Weise die Beschwerdeführerin damals daran gehindert worden sein könnte, ausgehend von diesem Dokument zu argumentieren.
Schließlich ist die Kammer der Auffassung, dass die Zulassung von D14 nicht nur der Verfahrensökonomie abträglich wäre, sondern auch dem Zweck des Beschwerdeverfahrens, nämlich einer Überprüfung der angefochtenen Entscheidung, zuwiderliefe, weil sie zu Einwänden führte, die nicht Teil der angefochtenen Entscheidung sind und im Einspruchsbeschwerdeverfahren somit erstmals zu prüfen wären (siehe diesbezüglich auch Punkt. 3.1.1 infra).
D14 ist somit nicht in das Verfahren zuzulassen (Artikel 12 (4) VOBK 2007).
2. Hauptantrag - Neuheit
2.1 Die Beschwerdeführerin vertritt die Meinung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 bzw. 14 des Hauptantrags gegenüber der Offenbarung von D1 nicht neu sei.
2.2 Dieser Meinung kann sich die Kammer nicht anschließen.
Das Ausführungsbeispiel der Figuren 1 und 2
D1 (Absatz [0018], Figur 2) offenbart einen Ofen ("Wärmebehandlungsanlage") zum Wärmebehandeln von Glühgut ("Band" 10), wobei der Ofen aufweist:
einen ersten Ofenraum ("Kühlteil" 2), der zum Aufnehmen und zum Wärmebehandeln von Glühgut (10) mittels thermischen Wechselwirkens des Glühguts (10) mit heizbarem oder kühlbarem Glühgas (siehe Pfeile) in dem ersten Ofenraum (2) ausgebildet ist;
einen in dem ersten Ofenraum (2) angeordneten ersten Wärmetauscher ("Gaskühler" 15), der zum thermischen Austausch zwischen dem Glühgas (Pfeile) und einem Transportfluid ("Wärmetransportfluid"), z.B. Thermoöl, ausgebildet ist, wobei der erste Wärmetauscher (15) innerhalb eines Gehäuseabschnitts ("Kühlzonen" 21, 22) des ersten Ofenraums (2) angeordnet ist, welcher Gehäuseabschnitt (21, 22) das erste Glühgas (Pfeile) im Inneren des ersten Ofenraums (2) enthält und welcher Gehäuseabschnitt (21, 22) in direktem Kontakt mit dem ersten Glühgas (Pfeile) steht;
einen zweiten Ofenraum ("Vorwärmteil" 1), der zum Aufnehmen und zum Wärmebehandeln von Glühgut (10) mittels thermischen Wechselwirkens des Glühguts (10) mit heizbarem oder kühlbarem Glühgas (Pfeile) in dem zweiten Ofenraum (1) ausgebildet ist;
einen in dem zweiten Ofenraum (1) angeordneten zweiten Wärmetauscher ("Heizkörper" 17), der zum thermischen Austausch zwischen dem zweiten Glühgas (siehe Pfeile) und dem Transportfluid ausgebildet ist, wobei der zweite Wärmetauscher (17) innerhalb eines Gehäuseabschnitts ("Vorwärmezonen" 11, 12, 13) des zweiten Ofenraums (1) angeordnet ist, welcher Gehäuseabschnitt (11, 12, 13) das zweite Glühgas (Pfeile) im Inneren des zweiten Ofenraums (1) enthält;
einen geschlossenen Transportfluidpfad (19, 20), der mit dem ersten Wärmetauscher (15) und mit dem zweiten Wärmetauscher (17) derart Wirkverbunden ist, dass mittels des Transportfluids thermische Energie kontaktfrei zwischen dem im Inneren des ersten Ofenraums anwesenden Glühgas und dem im Inneren des zweiten Ofenraums anwesenden Glühgas übertragbar ist.
2.2.1 In der in Figur 1 offenbarten Durchlaufwärmebehandlungsanlage wird der Gasstrom durch die Strömungspfeile (25) gekennzeichnet, siehe Absatz [0016], Zeilen 24-27. Die Strömungspfeile (25) geben somit dem Fachleser die Richtung und den Durchgang des Gasmassenstroms an. Dies wird auch im gleichen Absatz, letzte fünf Zeilen bestätigt, nach welchem die Strömungspfeile (25) andeuten, dass der Gasmassenstrom, welcher der Vorwärmzone (13) zugeführt wird, durch die Vorwärmzone (12) in die erste Vorwärmzone (11) strömt.
Selbst wenn, wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, die Figuren 1 und 2 zwei unterschiedliche Ausführungsbeispiele darstellen, die bei der Neuheitsprüfung in der Tat gesondert zu betrachten sind, so hätte der Fachleser von D1 keinen Grund, die gleichen in Figur 2 eingezeichneten Pfeile anders zu verstehen als die in Figur 1 für das Glühgas gezeichneten Strömungspfeile mit der Bezugsziffer (25).
Solche Pfeile sind im Vorwärmeteil (1) und im Kühlteil (2) sowie auch am Eingang bzw. am Ausgang des Heizteils (3) eingezeichnet. Dies stimmt mit der Offenbarung einer Durchlaufanlage gemäß den Figuren 1 und 2 überein, siehe Absatz [0016], erste fünf Zeilen und Absatz [0018], erste zwei Zeilen. Deshalb würde der Fachmann im Gegensatz zu der Meinung der Beschwerdeführerin der Offenbarung eindeutig und unmittelbar entnehmen, dass der Gasmassenstrom in Figur 2 genau wie in Figur 1 von rechts nach links durch alle Zonen (24) bis (11) strömt, d.h. nicht nur innerhalb des ersten (2) bzw. zweiten (1) Ofenraums.
Aus diesen Gründen ist die Kammer der Auffassung, dass D1 nicht offenbart, dass die Anlage gemäß Figur 2 Ofenräume aufweist, die zueinander abgedichtet sind.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Offenbarung von D1, Figur 2, somit darin,
- dass der erste Ofenraum verschließbar ist (Teil von Merkmal 1.1);
- dass ein Gehäuseabschnitt des ersten Ofenraums ein erstes Glühgas im Inneren des ersten Ofenraums einschließt (Teil von Merkmal 1.2);
- dass der zweite Ofenraum verschließbar ist (Teil von Merkmal 1.3); und
- dass ein Gehäuseabschnitt des zweiten Ofenraums ein zweites Glühgas im Inneren des zweiten Ofenraums einschließt (Teil von Merkmal 1.4).
2.2.2 Die Beschwerdeführerin meint, der in Anspruch 1 bzw. 14 verwendete Begriff "verschließbarer Ofenraum" sei im Streitpatent nicht definiert, insbesondere nicht als "gasdicht". Die Ofenräume des Anspruchs 1 bzw. 14 seien somit lediglich verschließbar, und zwar nur gegenüber der Umgebung, und dies aus Sicherheitsgründen.
Dieses Merkmal entnehme der Fachmann der Offenbarung von D1, weil der Vorwärmteil (1) und der Kühlteil (2) aus Sicherheitsgründen und aufgrund vorgegebener technischer Standards gegenüber der Umgebung verschließbar sein müssten.
2.2.3 Im Gegensatz zur Meinung der Beschwerdeführerin geht jedoch aus Anspruch 1 bzw. 14 hervor, dass ein erstes Gas und ein zweites Gas vorhanden sein müssen. Dafür müssen die Ofenräume zueinander abgedichtet sein (siehe auch Streitpatent, Absatz [0011]). Das gilt auch dann, wenn es sich im Wesentlichen um das gleiche Gas handelt, da dieses im Kontakt mit dem Gut verändert wird und durch die Trennung der Gase u.a. Qualitätseinbussen z.B. wegen Verrußung durch abdampfende Walzöle oder Ziehmittel verhindert werden sollen (Streitpatent, Spalte 4, Zeilen 14ff).
Deshalb ist die Kammer der Auffassung, dass die in Anspruch 1 bzw. 14 verwendeten Ausdrücke "verschließbar" und "einschließen" so auszulegen sind, dass zwischen dem ersten Ofenraum und dem zweiten Ofenraum keine Gasströmung auftritt und diese zueinander sowie auch gegenüber der Umgebung abgedichtet sind. Im diesem Sinne bedeutet "verschließbar", dass die Ofenräume dafür geeignet sein müssen, jeweils von einem offenen in einen geschlossenen Zustand gebracht zu werden.
Die zwei Gase werden somit nicht vermischt, d.h. die Ofenräume sind in Anspruch 1 bzw. 14 als zueinander abgedichtet zu berücksichtigen. Die in Absatz [0009] der Beschreibung verwendeten Ausdrücke "gasdicht" oder "hermetisch" stehen nicht in Widerspruch zu dieser Auslegung des Anspruchs 1 bzw. 14. Sie drücken tatsächlich das Gleiche mit unterschiedlichen Worten aus, nämlich dass das Gas nicht austreten kann. Dies gilt selbst dann, wenn an die Begriffe "gasdicht" und "hermetisch" noch strengere Anforderungen im Vergleich zu den Merkmalen von Anspruch 1 bzw. 14 gestellt würden, nämlich dass keinerlei Leck toleriert werden darf.
2.2.4 Diese Eignung der Ofenräume wird in D1 nicht offenbart.
D1 offenbart nämlich keinen "verschließbaren" ersten bzw. zweiten Ofenraum, in dem das erste bzw. zweite Glühgas im Inneren des ersten bzw. zweiten Ofenraums eingeschlossen wird, siehe auch die angefochtene Entscheidung, Punkt II.3.3, insbesondere Seite 5.
Es mag sein, dass, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, der Kühlteil (2) und der Vorwärmteil (1) in Figur 2 von D1 durch bestimmte Vorrichtungen gegenüber der Umgebung aus Sicherheitsgründen zu einem gewissen Grad abgetrennt sind. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass in D1 die Ofenräume (1, 2, 3) nicht gegeneinander im obigen Sinne verschließbar sind.
Auch Dichtrollen und Vorhänge, die bei Durchlauföfen für das Band verwendet werden, sind nicht dazu geeignet, die Ofenräume im Sinne des Anspruchs als verschließbar ansehen zu können.
Ob die Gase Teil des beanspruchten Gegenstands sind, ändert in diesem Zusammenhang nichts an der Interpretation der im Anspruch verwendeten Begriffe "verschließbar" bzw. "einschließt".
Die Dokumente D9 und D10 sowie D13, deren Offenbarungen die Abdichtung der Ofenräume gegenüber der Umgebung aus Sicherheitsgründen betreffen, sind somit unerheblich.
2.2.5 Die Kammer ist auch nicht überzeugt, dass der Pfeil in Figur 2 in Bezug auf den Gasstrom versehentlich gezeichnet wurde. Dass der erste Satz des Absatzes [0018] von D1 offenbart, dass in der Durchlaufanlage der Figur 2 der Wärmetransport vom Kühlteil (2) in den Vorwärmteil (1) nicht durch einen Massenstrom des Beblasungsgases, sondern durch den Massenstrom eines besonderen Wärmetransportfluids bewirkt wird, betont lediglich die Funktion des Wärmetransportfluids. Es ist dort nicht offenbart bzw. zu entnehmen, dass das Beblasungsgas nicht durch alle Zonen (24) bis (11) strömen würde.
Das Argument der Beschwerdeführerin, wonach der Wärmetransport mittels Wärmetauschern und eines Wärmetransportfluids in der Anlage nach Figur 2 sinnlos wäre, wenn das Gas von rechts nach links durch alle Zonen (24) bis (11) strömten, stellt eine reine Behauptung dar. Es sind viele Parameter des Verfahrens in Betracht zu ziehen, um die Durchlaufanlage nach Figur 2 zu betreiben, die durchaus zu einem Effekt des Wärmetransports mittels Wärmetauschern und Wärmetransportfluid führen können, selbst wenn das Gas von rechts nach links durch alle Zonen (24) bis (11) strömt.
Das gleiche gilt für das Argument der Beschwerdeführerin, dass die Wärmebehandlung im Heizteil (3) dadurch erheblich beeinträchtigt würde.
In jedem Fall führt das Vorhandensein der Pfeile in Figur 2 dazu, dass es in D1 keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung von verschließbaren ersten und zweiten Ofenräumen gibt, die das jeweilige Glühgas im Inneren des Ofenraums einschließen.
Die allgemeine Offenbarung der D1, insbesondere die Absätze [0013] und [0020].
2.2.6 Der erste Satz des Absatzes [0013] von D1 offenbart, dass das erfindungsgemäße Verfahren auf jede andere Thermoprozessanlage angewendet werden kann, bei der Gut kontinuierlich oder in Schritten durch Heizteil und Kühlteil hindurch bewegt wird. Der genannten "Hindurchbewegung" des Gutes durch Heizteil und Kühlteil ist für den Fachmann eindeutig und unmittelbar zu entnehmen, dass auch hier auf Durchlauföfen abgestellt wird, wie auch bei den in Figur 1 bzw. 2 dargestellten Anlagen, und nicht auf Haubenöfen. Auch der in Absatz [0020] verwendete Begriff "ausfahren" deutet im Kontext der D1 eher auf ein "Hindurchbewegen" im Sinne eines Durchlaufofens hin. Dass dieses Hindurchbewegen in Schritten erfolgen kann, ändert nichts an der Tatsache, dass es sich um ein Hindurchbewegen oder Durchfahren des Ofens handelt, mit den dafür üblichen dichtenden Vorrichtungen (Dichtrollen, Verhänge), die im Sinne des Anspruchs nicht "verschließbar" sind (s.o.) und kein Einschließen der Gase bewirken.
Eine Offenbarung des Verfahrens für andere Anlagen mit verschließbaren Ofenräumen, wie z. B. Haubenöfen, kann weder aus Absatz [0013] oder [0020] noch aus anderen Passagen von D1 eindeutig und unmittelbar entnommen werden. Auch die Verwendung des Wortes "Kammer" führt nicht zu der Auslegung, dass die Ofenräume von D1 verschließbar wären, im dem Sinne, dass das Gas nicht nach außen austreten kann. So wären durchaus auch die in Figur 2 gezeigten Zonen 11, 12, 13 und 21, 22, 23, 24 als Kammern zu bezeichnen. Die Definition des Dudens im Sinne von "(von einer Wandung umgebener) Raum in technischen Anlagen, Geräten in Motoren, Öfen o. Ä." führt in dieser Hinsicht nicht weiter, da auch sie nichts über eine Abgeschlossenheit oder Verschließbarkeit aussagt und weder eindeutig noch abschließend ist.
2.3 Im Lichte der oben angegebenen Gründe vermag die Kammer keinen Fehler in der Begründung und der entsprechenden Schlussfolgerung der angefochtenen Entscheidung, Punkt II.3.3, in Bezug auf Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 bzw. 14 des Hauptantrags gegenüber D1 zu sehen (Artikel 54(1) EPÜ).
3. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit
3.1 Zulassung der Einwände
Die Kammer hat entschieden, Dokument D14 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen. Die auf diesem Dokument begründeten Angriffslinien sind somit nicht Teil des Verfahrens.
In Anbetracht dieser Entscheidung erklärte die Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung, dass von den bislang geltend gemachten Angriffslinien nur die vier folgenden Angriffslinien mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegen Anspruch 1 bzw. 14 weiterverfolgt würden:
- ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit dem Fachwissen des Fachmanns, dargestellt z.B. durch D11, D12 oder D13, oder in Kombination mit der Lehre von D2;
- ausgehend von D2 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit dem Fachwissen oder in Kombination mit der Lehre von D1.
3.1.1 Die Angriffslinie aus D1 in Verbindung mit D2 wurde zum ersten Mal mit der Beschwerdebegründung vorgebracht, d.h. sie wurde im Einspruchsverfahren nicht erhoben und ist auch nicht Teil der angefochtenen Entscheidung. Deshalb unterliegt ihre Zulassung in das Verfahren dem Ermessen der Kammer gemäß den in Artikel 12 (4) VOBK 2007 angegebenen Kriterien in Verbindung mit den Übergangsbestimmungen gemäß Artikel 25 (2) VOBK 2020.
Gemäß den von der Großen Beschwerdekammer entwickelten Grundsätzen zum im EPÜ vorgesehenen zweiseitigen Beschwerdeverfahren dient das Beschwerdeverfahren vorwiegend dem Recht der Beteiligten auf Überprüfung der Entscheidung der ersten Instanz in einem gerichtsähnlichen Verfahren. Es wurde insbesondere in den Entscheidungen G 9/91 und G 10/91 (ABl. 1993, 408, 420) festgestellt, dass der Hauptzweck des zweiseitigen Beschwerdeverfahrens darin besteht, die Entscheidung der Vorinstanz letztinstanzlich zu überprüfen, wodurch dem Unterlegenen die Möglichkeit gegeben wird, die ihm nachteilige Entscheidung anzufechten und ein gerichtliches Urteil über die Richtigkeit einer erstinstanzlichen Entscheidung zu erwirken. Somit ist der faktische und rechtliche Rahmen des Einspruchsverfahrens weitestgehend für das weitere Beschwerdeverfahren bestimmend (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, supra, V.A.4.2.1)
Der Hauptantrag wurde mit Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 14. Dezember 2017 eingereicht, d.h. ca. zwei Monate vor der am 14. Februar 2018 stattgefundenen mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung. Die Beschwerdeführerin hatte somit hinreichend Anlass und Gelegenheit, gegebenenfalls weitere Einwände zu prüfen und geltend zu machen. In der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung jedoch hat die Beschwerdeführerin selbst bestätigt, dass sie keine weiteren Einwände gegen den Hauptantrag habe, siehe Niederschrift, Punkt 8.
Damit hat die Beschwerdeführerin bewirkt, dass die Einspruchsabteilung keine Entscheidung zu dem nun im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Einwand treffen konnte. Es steht der Einsprechenden allerdings nicht frei, eine Behandlung und Entscheidung des diesbezüglichen Streitgegenstands in der ersten Instanz zu vermeiden und diesen nach Belieben in die zweite Instanz zu verschieben (sogenanntes "forum shopping", T 1067/08, Entscheidungsgründe 7.2).
Die Kammer sieht daher keinen Grund, die neu erhobene Angriffslinie aus D1 in Verbindung mit D2 unter Artikel 12 (4) VOBK 2007 in das Verfahren zuzulassen.
3.1.2 Die beiden Angriffslinien aus D2 in Verbindung mit dem Fachwissen oder in Verbindung mit D1 wurden zum ersten Mal im Beschwerdeverfahren sogar erst während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer geltend gemacht, d.h. sie wurden nicht mit der Beschwerdebegründung geltend gemacht. Dies stellt somit eine Änderung des Beschwerdevorbringens der Beschwerdeführerin nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung dar, deren Zulassung in das Verfahren dem Ermessen der Kammer gemäß den in Artikel 13 (2) VOBK 2020 angegebenen Kriterien unterliegt.
Da die Beschwerdeführerin keine stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt hat, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen, bleiben die beiden Angriffslinien aus D2 unberücksichtigt.
3.1.3 Die Angriffslinie aus D1 in Verbindung mit dem Fachwissen ist Teil der angefochtenen Entscheidung, Punkt II.3.4.1, und wurde von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung weiterverfolgt. Deren Berücksichtigung Verfahren steht somit außer Frage und wurde auch von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten.
3.1.4 Aus den o.a. Gründen wird deshalb nur der Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit dem Fachwissen des Fachmanns, letzteres belegt z.B. durch D11, D12 oder D13, berücksichtigt.
3.2 D1 als nächstliegender Stand der Technik
D1 betrifft einen Ofen bzw. ein Verfahren zum Wärmebehandeln von Glühgut wie Anspruch 1 bzw. 14. Deshalb kann D1 im Gegensatz zur Meinung der Beschwerdegegnerin den nächstliegenden Stand der Technik für Anspruch 1 bzw. 14 darstellen.
In diesem Sinne scheinen die Argumente der Beschwerdegegnerin gegen die Auswahl von D1 als nächstliegendem Stand der Technik zu unterstellen, dass der Aufgabe-Lösungs-Ansatz ausgehend von nur einem einzigen Dokument bzw. einem einzigen Ausführungsbeispiel des Standes der Technik, und zwar aus dem zunächst auszuwählenden nächstliegenden Stand der Technik, angewendet werden muss. Dies entspricht nicht der ständigen Rechtsprechung.
Wenn dem Fachmann mehrere gangbare Wege offenstehen, d.h. von mehreren unterschiedlichen Dokumenten bzw. Ausführungsbeispielen ausgehende Wege, die zur Erfindung führen könnten, erfordert nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern die Ratio des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes, die Erfindung in Bezug auf alle diese Wege zu prüfen, bevor ihr die erfinderische Tätigkeit zugesprochen wird. Ist die Erfindung für den Fachmann im Hinblick auf mindestens einem dieser Wege naheliegend, so ist sie nicht erfinderisch. Wenn die erfinderische Tätigkeit verneint wird, muss die Wahl des Ausgangspunkts zudem nicht konkret begründet werden (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, supra, I.D.3.1).
D1 kann daher als nächstliegender Stand der Technik verwendet werden.
3.2.1 Wie unter Punkt 2 in Bezug auf Neuheit gegenüber D1 diskutiert, unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der Offenbarung von D1 darin, dass
- der erste Ofenraum verschließbar ist (Teil von Merkmal 1.1);
- ein Gehäuseabschnitt des ersten Ofenraums ein erstes Glühgas im Inneren des ersten Ofenraums einschließt (Teil von Merkmal 1.2);
- der zweite Ofenraum verschließbar ist (Teil von Merkmal 1.3); und
- ein Gehäuseabschnitt des zweiten Ofenraums ein zweites Glühgas im Inneren des zweiten Ofenraums einschließt (Teil von Merkmal 1.4).
3.2.2 Zu lösende Aufgabe
Im Lichte der Argumente der Beschwerdeführerin, dass die aus D1, Figur 2, bekannte Wärmebehandlungsanlage auch satzweise betreibbar wäre ("Bandbund"), kann die objektive zu lösende technische Aufgabe somit darin gesehen werden, die Wärmebehandlungsanlage gemäß Figur 2 bzw. die jeweils nur eine Vorwärmkammer und eine Kühlkammer aufweisende Wärmebehandlungsanlage gemäß Absatz [0020] von D1 energieeffizienter zu betreiben und die Sicherheit zu steigern, siehe Streitpatent, Absatz [0008].
Die folgenden in der angefochtenen Entscheidung angegebenen bzw. von der Beschwerdegegnerin gestellten Aufgaben:
- unterschiedliche Glühgase in einem Ofen voneinander zu trennen und gleichzeitig deren unterschiedliche thermische Energie kontaktfrei auszutauschen; und
- einen Ofen zum Wärmebehandeln von Glühgut mit mehreren Glühgasen zu schaffen, bei welchem eine Qualitätseinbuße z.B. wegen Verrußung zuverlässig verhindert und eine Effizienz erhöht werden kann,
enthalten Teile der beanspruchten Lösungen, so dass sie als rückschauend formuliert anzusehen sind.
Ferner ist die folgende von der Beschwerdeführerin gestellte Aufgabe
- die aus der D1 bekannte Wärmeübertragung mittels eines Transportfluidpfades auf eine satzweise arbeitende Ofenanlage mit zwei Ofenräumen anzuwenden
mit den Unterscheidungsmerkmalen nicht verbunden, so dass auch sie nicht als objektiv zu lösende Aufgabe überzeugen kann. In D1 wird nämlich bereits die Wärmeübertragung mittels eines Transportfluidpfades (19, 20) auf eine satzweise arbeitende (Durchgangs-) Ofenanlage mit zwei Ofenräumen (Vorwärmeteil (1) und Kühlteil (2)) offenbart (siehe Absatz [0020]).
Hinweis auf die beanspruchte Lösung in D1
Wie unter Neuheit diskutiert, handelt es sich bei der Offenbarung von D1 um eine kontinuierlich (sei es mit einer konstanten Durchlaufgeschwindigkeit oder mit einem getaktetem /satzweisen Vortrieb) betriebene Wärmebehandlungsanlage, durch welche das Wärmebehandlungsgut hindurchbewegt wird (siehe Absätze [0012], [0013] und [0020]), d.h. das Wärmebehandlungsgut wird in D1 sukzessive durch die verschiedenen Ofenräume transportiert. Da das Wärmebehandlungsgut durch alle Ofenräume transportiert wird, ist es in D1 nicht vorgesehen, die kontinuierlich oder satzweise betriebene Anlage strukturell derartig zu verändern, dass die einzelnen Ofenräume in Bezug aufeinander gasdicht verschlossen sind. Ein Hinweis darauf ist in D1 nicht vorhanden bzw. nicht nahegelegt.
Kombination mit dem Fachwissen des Fachmanns, dargestellt z.B. durch D11, D12 und D13
Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin zu, dass der prinzipielle Aufbau einer herkömmlichen Haubenofenanlage zum Fachwissen des Fachmanns gehört. Jedoch sind solche Haubenofenanlagen konstruktiv grundlegend unterschiedlich zu der in D1 offenbarten Durchlauf-Wärmebehandlungsanlage. Der vor die o.a. Aufgabe gestellte Fachmann hätte somit keinen Grund, die unterschiedlichen Baukonstruktionen zu kombinieren. Selbst wenn er sie kombinieren wollte, hätte er keinen Hinweis, wie die bekannten Haubenofenanlagen in den Durchlaufofen von D1 zu integrieren wären. Dafür müsste er die Wärmebehandlungsanlage von D1 in einer unbekannten Weise vollständig umkonstruieren. Gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern (supra, I-D.3.6) legt zudem die Auswahl des nächstliegenden Stands der Technik nicht nur den als Ausgangspunkt dienenden Gegenstand fest, sondern gibt auch den Rahmen der Weiterentwicklung vor, nämlich eine Weiterentwicklung innerhalb dieser Gattung. Eine Änderung der bewusst gewählten Gattung zu einer anderen, bereits vorher bekannten, aber nicht gewählten anderen Gattung während der Weiterentwicklung (also hier von Durchgangsöfen wie in D1 offenbart zu Haubenöfen) kann dann nur als Folge einer Ex-post-facto-Analyse betrachtet werden.
Somit würde der Fachmann ausgehend von D1 auch unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissen nicht zum beanspruchten Gegenstand gelangen, ohne erfinderisch tätig zu werden.
Daher beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die für Anspruch 1 angegebenen Gründe gelten mutatis mutandis auch für Anspruch 14.
3.3 Im Lichte der oben angegebenen Gründe vermag die Kammer keinen Fehler in der Begründung und der entsprechenden Schlussfolgerung der angefochtenen Entscheidung, Punkt II.3.4.1, in Bezug auf die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 bzw. 14 des Hauptantrags ausgehend von D1 zu sehen (Artikel 56 EPÜ).
4. Die Beschwerde ist daher unbegründet und bleibt erfolglos.
5. Hilfsanträge I bis V
Im Hinblick auf die obige Schlussfolgerung in Bezug auf den Hauptantrag erübrigt sich die Diskussion der Hilfsanträge I bis V.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.