European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1991:T027090.19910321 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 21 März 1991 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0270/90 | ||||||||
Anmeldenummer: | 81304201.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | C08L 71/04 | ||||||||
Verfahrenssprache: | EN | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
Download und weitere Informationen: |
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | Asahi | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Hüls BASF General Electric |
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Kammer: | 3.3.03 | ||||||||
Leitsatz: | In Einspruchsverfahren müssen Entscheidungen der Kammern über die von den Verfahrensbeteiligten beigebrachten Beweise nach generellem Abwägen der Wahrscheinlichkeit und nicht "zweifelsfrei" oder "mit absoluter Gewißheit" getroffen werden. Alle Beteiligten müssen die von ihnen behaupteten Tatsachen daher mit diesem Grad an Wahrscheinlichkeit beweisen. | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (verneint) - Vorbenutzung - Verfügbarkeit des Erzeugnisses und der Information verspätetes Vorbringen - Mißbrauch des Verfahrens |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
Sachverhalt und Anträge
Entscheidungsgründe
1. ...
Hauptantrag
2. Wie aus dem Vorstehenden ersichtlich, läuft der Einwand mangelnder Neuheit auf einen Einwand offenkundiger Vorbenutzung hinaus, der auf Analysenergebnissen der von den Beschwerdegegnerinnen vorgelegten NORYL-Proben beruht.
2.1 Bezüglich der Frage der Vorbenutzung wies die Beschwerdeführerin nachdrücklich darauf hin, daß die Beweisführung für diesen Einspruchsgrund von Rechts wegen strenger sein müsse als für die anderen Einspruchsgründe nach Artikel 100 EPÜ. Sie behauptete sogar, daß der Nachweis der Vorbenutzung nach dem EPÜ Kriterien unterliegen müsse, die mindestens so streng seien wie die strengsten Kriterien der entsprechenden Gerichte der Vertragsstaaten. Die Vorbenutzung müsse also nicht nach Abwägen der Wahrscheinlichkeit, sondern zweifelsfrei festgestellt werden, d. h. mit einer Sicherheit, wie sie beispielsweise in Strafverfahren im Vereinigten Königreich geboten sei.
Die Kammer möchte nochmals auf die für Beschwerdeverfahren nach dem EPÜ geltenden Rechtsgrundsätze hinweisen, da diese oft stillschweigend vorausgesetzt, aber nur selten ausdrücklich dargelegt werden.
Bei der Entscheidungsfindung üben die Kammern nicht nur (soweit erforderlich) ihre Ermittlungsbefugnis aus, sondern entscheiden die ihnen vorgelegten Fragen auch auf der Grundlage der von den Beteiligten beigebrachten Beweise. Ihre Entscheidungen müssen nicht - und könnten in den meisten Fällen auch gar nicht - auf absoluter Gewißheit beruhen, sondern müssen vielmehr nach generellem Abwägen der Wahrscheinlichkeit getroffen werden, d. h. auf der Grundlage, daß ein Tatsachenkomplex mit größerer Wahrscheinlichkeit richtig ist als der andere (s. Entscheidung T 182/89 vom 14. Dezember 1989, Umfang des Einspruchs/SUMITOMO, ABl. EPA 1991, 391).
Die Verfahrensbeteiligten tragen jeweils die Beweislast für die von ihnen geltend gemachten Tatsachen. Die Beweisführung erfolgt dabei durch Abwägen der Wahrscheinlichkeit im Unterschied zu einer "über jeden vernünftigen Zweifel erhabenen Erkenntnis" oder einer "absoluten Überzeugung". Im Beschwerdeverfahren müssen daher alle Beteiligten die von ihnen behaupteten Tatsachen mit diesem Grad an Wahrscheinlichkeit beweisen, und die Kammer hat dann - wie oben erläutert - die Aufgabe, nach demselben Kriterium zu entscheiden, welche Tatsachenbehauptung mit größerer Wahrscheinlichkeit richtig ist als die andere.
Diese Grundsätze gelten eindeutig für sämtliche im Zusammenhang mit allen Einspruchsgründen behaupteten Tatsachen einschließlich der offenkundigen Vorbenutzung. Daher wird die Behauptung der Beschwerdeführerin, an den Nachweis der offenkundigen Vorbenutzung müßten strengere Kriterien angelegt werden als bei anderen nach dem EPÜ vorgesehenen Einspruchsgründen, zurückgewiesen.
Somit hat die Kammer im vorliegenden Fall einer angeblichen offenkundigen Vorbenutzung zu entscheiden, welcher Tatsachenkomplex mit größerer Wahrscheinlichkeit richtig ist, d. h.
a) ob die von den Einsprechenden analysierte Substanz ein handelsübliches Produkt war oder
b) ob es sich dabei um eine vertrauliche, spezielle Probe handelte, die eine der Einsprechenden einer ihrer schärfsten Konkurrentinnen zugeschickt hatte.
In Anbetracht aller von den Beteiligten beigebrachten Beweise hat die Kammer keine Bedenken zu entscheiden, daß die analysierte Probe aller Wahrscheinlichkeit nach bereits frei auf dem Markt erhältlich war, so daß der Einwand der offenkundigen Vorbenutzung aufrechterhalten wird.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL