T 0366/95 () of 26.5.1999

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1999:T036695.19990526
Datum der Entscheidung: 26 Mai 1999
Aktenzeichen: T 0366/95
Anmeldenummer: 88106165.9
IPC-Klasse: B41N 1/08
C22C 21/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Trägermaterial und Verfahren zu seiner Herstellung
Name des Anmelders: VAW Aluminium, et al
Name des Einsprechenden: Alcan Deutschland GmbH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention 1973 Art 100(b)
Schlagwörter: Einspruchsgründe - unzureichende Offenbarung (verneint)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0219/83
T 0182/89
T 0270/90
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 88 106 165.9 wurde das europäische Patent Nr. 0 289 844 erteilt, dessen Vorrichtungsanspruch 1 und Verfahrensanspruch 8 folgenden Wortlaut haben:

"1. Trägermaterial für eine Aluminiumflachdruckform, bestehend aus 0,2 - 0,6 % Eisen, weniger als 1 % Mangan, weniger als 0,25 % Silizium und Kupfer, Rest Aluminium und herstellungsbedingte Verunreinigungen, gekennzeichnet durch einen Mangangehalt von 0,1 - 0,3 %, Sekundärausscheidungen in Form von Phasen des Typs AlMnSi : AlFe : AlMn, die sich verhalten wie 1 : 1 : 2 bis 1 : 1 : 3, wobei die mittlere Teilchengröße 0,05 - 0,10 µm bei einer maximalen Teilchengröße <0,3 µm beträgt und durch ein Ausscheidungsgefüge mit einem Dispersionsgrad D <50 Phasen pro µm3."

"8. Verfahren zur Herstellung eines Trägermaterials nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß ein Barren mit einem Mangangehalt von 0,1 - 0,3 %, Sekundärausscheidungen in Form von Phasen des Typs AlMnSi : AlFe : AlMn, die sich verhalten wie 1 : 1 : 2 bis 1 : 1 : 3, wobei die mittlere Teilchengröße 0,05 - 0,10 µm bei einer maximalen Teilchengröße <0,3 µm beträgt und durch ein Ausscheidungsgefüge mit einem Dispersionsgrad D <50 Phasen pro µm3 und einer Dicke von 400 - 600 mm nach dem Stranggießen mit einer Metalltemperatur von 550 - 600 C und einer Haltezeit von mindestens 4 Stunden homogenisiert wird, danach ein Warmwalzen bei 460 - 550 C Metalltemperatur erfolgt, wobei die Warmbandausbringungstemperatur bei 300 - 330 C liegt und die Warmbandenddicke zwischen 2,5 und 3,5 mm beträgt und daß nach Abkühlung auf Raumtemperatur ein Kaltwalzen an Enddicke von 0,5 - 0,1 mm vorgenommen wird."

II. Der von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) eingelegte, auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (fehlende erfinderische Tätigkeit) und 100 b) EPÜ (mangelnde Ausführbarkeit) gestützte Einspruch, in dem auf die Druckschriften

(1) DE-A-2 108 511

(2) "Aluminium und Aluminiumlegierungen", D. Altenpohl, Springer-Verlag 1965, Seiten 291 bis 293 und 685 bis 703

(3) EP-A-0 164 856

(4) "Aluminium Alloys: Structure and Properties", L. F. Mondolfo, London-Boston, 1976, Seiten 661 bis 663

sowie vier firmeninterne Merkblätter des Walzwerks Alunorf "Standardpraxis Warmwalzwerk" (Ausgabe 37, Bl. 1, 2; Ausgabe 14, Bl. 1; Ausgabe 39, Bl. 2) verwiesen wurde, wurde von der Einspruchsabteilung mit der am 6. März 1995 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen.

III. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr am 2. Mai 1995 Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründung ist am 6. Juli 1995 eingegangen.

Sie beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. In einer Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung stellte die Beschwerdekammer fest, daß die unrichtige Formulierung des Verfahrensanspruchs 8 für einen fachmännischen Leser des Streitpatents sofort erkennbar sei und aus dem Gesamtinhalt der Patentbeschreibung heraus richtiggestellt werden könne. Im Zusammengang mit der beanspruchten Lehre wurde die Frage angeschnitten, ob die im Anspruch 1 angestrebte Gefügeausbildung allein durch die im Verfahrensanspruch 8 definierten Verfahrensschritte und deren Parameter reproduziert werden könne. Weiter wurde auf die sich ganz allgemein auf Al-Mn-Legierungen beziehenden Entgegenhaltungen (1), (2) und (4) hingewiesen, die für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit in Verbindung mit der ein Trägermaterial betreffenden Druckschrift (3) eine Rolle spielen könnten.

Am 26. Mai 1999 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

V. Die Beschwerdeführerin argumentierte in etwa wie folgt:

Die Lehren nach den Ansprüchen 1 und 8 des Streitpatents seien nicht ausführbar. Was den Anspruch 1 anbelange, so stehe nicht fest, wie das beanspruchte Material aussehe. Insbesondere sei das die Phasentypen betreffende Anspruchsmerkmal unklar. So könne z. B. die genannte AlMn-Phase auch große Mengen an gelöstem Eisen enthalten. Außerdem sei in der Patentbeschreibung Seite 2, Zeile 43, auch auf weitere Phasen verwiesen, die im Anspruch 1 gar nicht genannt seien. Diese Unsicherheit bei der Typisierung setze sich bei den angegebenen Verhältniszahlen fort. Es gebe nämlich keinen Sinn, ungenau typisierte Phasen miteinander ins Verhältnis zu setzen. Weiterhin sei nicht festgelegt, ob sich die Verhältniszahlen auf Zahlenverhältnisse, Gewichtsverhältnisse oder Molverhältnisse beziehen. Des weiteren könnten in einem Gefüge Primär- und Sekundärausscheidungen nicht unterschieden werden.

Der Verfahrensanspruch 8 sei auf den Anspruch 1 zurückbezogen, in dem schon die Zusammensetzung des am Ende des Herstellungsverfahrens vorliegenden Trägermaterials angegeben sei. Die im Anspruchswortlaut dem Barren zugeordnete Typisierung der Sekundärausscheidungen müsse sich somit notwendig auf den Barren beziehen, zumal dies im Anspruch 8 sprachlich so formuliert sei, und die Beschreibung hierzu keine weiteren Erläuterungen gebe. Darüber hinaus enthalte der Anspruch 8 auch einen Widerspruch im Hinblick auf die für das Warmwalzen angegebenen Temperaturen. Die hierbei angegebene Metalltemperatur von 460 - 550 C sei nämlich die während des gesamten Walzvorgangs einzuhaltende Temperatur und müsse demnach auch mit der Ausbringungstemperatur übereinstimmen. Für die letztere Temperatur sei allerdings ein Temperaturbereich von 300 - 330 C im Anspruch 8 angegeben. Das Verfahren nach dem Anspruch 8 sei somit nicht ausführbar.

Lasse man die mangelnde Ausführbarkeit des Streitpatents außer Betracht, dann müßten die Lehren nach den Ansprüchen 1 und 8 aufgrund des Standes der Technik nach der Druckschrift (3) und dem dem allgemeinen Fachwissen zuzuordnenden Inhalt des Fachbuchs (2) als nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhend angesehen werden. Das Trägermaterial, das in der Druckschrift (3), insbesondere auf Seite 6 im 1. Absatz und auf Seite 22 in Tabelle 3 als Legierung Nr. C bzw. E beschrieben sei, stimme weitestgehend mit dem nach dem Streitpatent überein. Dies gelte ebenfalls für die Aufgabenstellungen aus dem Streitpatent und der Druckschrift (3). In der Druckschrift (3) seien auf Seite 7, 2. Absatz, nur kurze Ausführungen zur Herstellung des Trägermaterials gemacht. Dies deute darauf hin, daß bei der Herstellung des Trägermaterials keine außergewöhnlichen Schritte auszuführen seien und die Herstellung auf dem üblichen Weg erfolge. Dieser übliche Weg sei in dem Fachbuch (2), insbesondere auf den Seiten 685, 691, 2. und 3. Absatz, Seite 692 und Seiten 694 bis 697 beschrieben und setze sich zusammen aus dem Stranggießen, dem Barrenhochglühen (bei 580 - 630 C bzw. 590 - 620 C) und dem Warmwalzen (bei Temperaturen zwischen 400 - 550 C), wobei das übliche Temperaturgefälle beim Warmwalzen in dem vom Streitpatent beanspruchten Bereich liege, was den firmeninternen Merkblättern "Standardpraxis Warmwalzwerk" zu entnehmen sei. Somit seien alle Verfahrensschritte mit ihren Parametern aus dem Anspruch 8 des Streitpatents im Prinzip bekannt, wobei lediglich noch die weniger bedeutsamen Dickenangaben übrigblieben. Daher sei das Verfahren nach Anspruch 8 des Streitpatents als naheliegend zu bewerten. Es müsse auch davon ausgegangen werden, daß das aus der Druckschrift und dem Fachwissen (3) herleitbare Behandlungsverfahren zum gleichen Gefüge führe, wie es im Anspruch 1 des Streitpatents definiert sei.

VI. Die Beschwerdegegnerin trug im wesentlichen folgendes vor:

Die im Anspruch 1 angegebenen Phasentypen könnten aufgrund gängiger Analyseverfahren mit Rasterelektronik, Mikrosonden usw. bestimmt und charakterisiert werden. Dies gelte auch für Sekundärausscheidungen, wie dies z. B. auf den Seiten 333, 334 des schon im Einspruchsverfahren von der Beschwerdegegnerin genannten Aluminium-Taschenbuchs, 14. Aufl. (Druckschrift (5)) gezeigt sei. Somit seien auch die einzelnen Phasen in einem AlMn-Gefüge ohne weiteres feststellbar, wobei dann die verschiedenen Sekundärausscheidungen gezählt und die ausgezählten Phasen zueinander ins Verhältnis gesetzt werden könnten. Aus den Gesamtunterlagen des Streitpatents sei im übrigen klar erkennbar, daß es sich bei den beanspruchten Verhältnissen um zahlenmäßige Verhältnisse handele, zumal beim Streitpatent nirgends angegeben sei, daß es sich um Gewichts- oder Molverhältnisse handele und der Text auf Seite 2, Zeilen 47 bis 52 der erteilten Unterlagen auf eine zahlenmäßige Erfassung der Phasen hinweise. Das Trägermaterial nach Anspruch 1 sei somit eindeutig definiert.

Dies gelte auch für das Verfahren nach dem Anspruch 8, dessen fehlerhafte Textformulierung offensichtlich sei und ohne weiteres richtiggestellt werden könne. Im Stranggußbarren gebe es nämlich noch keine Sekundärausscheidungen und die aus dem fehlerbehafteten Anspruchstext abzuleitende Forderung nach Identität von Vor- und Endmaterial mache keinen Sinn. In diesem Zusammenhang werde auch auf den Text des Streitpatents Seite 2, Zeilen 40 bis 47, 51 bis 54 und Seite 3, Zeilen 1 bis 5, verwiesen.

Die beanspruchten Verfahrensschritte seien im Anspruch 8 durch Benennung enger Parametern näher definiert, und die Angabe "Warmwalzen bei 460 - 550 C Metalltemperatur" im Anspruch 8 beziehe sich nur auf die Einlauftemperatur des Walzguts, die im Laufe des Walzens abnehme. Im allgemeinen werde die Warmbandausbringtemperatur am Ende des Walzvorgangs zwar nicht angegeben. Im vorliegenden Fall sei sie jedoch wichtig und deswegen ausdrücklich genannt.

Die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabenstellung sei noch präziser als diejenige nach der Druckschrift (3). Beim Streitpatent gehe es nämlich insbesondere darum, die Aufrauhung des Trägermaterials in HCl- und HNO3-Bädern zu verbessern.

In der Druckschrift (3) sei eine Vielzahl von Trägermaterialien offenbart, wobei nur zwei Legierungen, nämlich die gemäß Nr. C und E in Tabelle 3, Seite 22 eine Zusammensetzung wie die im Streitpatent beschriebenen Legierung aufwiesen. Die Behandlung dieser Legierungen nach dem auf Seite 20 der Druckschrift (3) beschriebenen Verfahren, bei dem als Wärmebehandlung "intermediate annealing" und "finishing annealing" erwähnt sei, würde jedoch zu einem anderen Endmaterial und vor allem auch nicht zu den im Streitpatent beanspruchten Sekundärausscheidungen führen, zumal auch mit anderen Parametern als beim Streitpatent gewalzt werde. Die Druckschrift (3) gebe auch keinen Hinweis, daß Sekundärausscheidungen das Trägermaterial verbessern könnten. Vielmehr sei auf Seite 6, im 3. Absatz darauf hingewiesen, daß gewisse Ausscheidungsphasen infolge von Fleckenbildung auf der Trägermaterialoberfläche nachteilig seien.

Die Druckschrift (2) stelle ein Standardlehrbuch dar, wobei bei der Behandlung der Aluminium-Mangan-Legierung von einem Mangangehalt bis maximal 1,5 %, also höher als beim Streitpatent, ausgegangen werde. Das in der Druckschrift (2) immer wieder angesprochene Weichglühen unterscheide sich wesentlich von der Wärmebehandlung nach dem Streitpatent, bei dem auf Weichglühen verzichtet werde.

Somit würden die Druckschriften (2) und (3) nicht zur Lehre des Streitpatents führen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.

2. Gegenstand des Streitpatents, Lehren der Ansprüche 1 und 8

2.1. Das von den ursprünglichen Unterlagen ausgehende, unverändert erteilte Streitpatent betrifft ein Trägermaterial für eine Aluminiumflachdruckform (Anspruch 1) sowie ein Verfahren zu dessen Herstellung (Anspruch 8). Die in Rede stehenden Flachdruckplatten benötigen eine gute thermische Stabilität, da die Fotoschicht zur Erhöhung der Gebrauchsdauer und Abriebfestigkeit eingebrannt und gehärtet werden muß. Bei Verwendung eines Trägermaterials aus Reinaluminium (vgl. Streitpatent Seite 2, Zeilen 9 bis 20) läßt sich die Flachdruckplatte sowohl in HCl- wie auch in HNO3-Bädern für ihre spätere Verwendung leicht elektrochemisch aufrauhen, was durch helles, gleichmäßiges Aussehen angezeigt ist, verliert jedoch beim Einbrennen stark an Festigkeit. Zur Erhöhung der Thermostabilität wurde deswegen als Trägermaterial eine Aluminium-Mangan-Legierung mit geringem Mangananteil verwendet, wie es z. B. aus Druckschrift (3) bekannt ist. Ein solches Trägermaterial hat jedoch noch den Nachteil, daß es sich in den o. g. Säurebädern schlecht und ungleichmäßig aufrauhen läßt und dann einen für die kopiertechnischen Eigenschaften ungünstigen, dunklen Belag aufweist.

Von diesem Problem ausgehend wurde die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe abgeleitet, nämlich ein Trägermaterial für Aluminiumflachdruckformen bereitzustellen, das

a) bei gleichzeitig guter thermischer Stabilität unter Einbrennbedingungen

b) nach Aufrauhung in HCl- und HNO3-Bädern eine gleichmäßigere und hellere Oberfläche als die bekannten manganhaltigen Aluminium-Legierungen aufweist, vergleichbar der Oberflächenqualität bei Verwendung von Reinaluminium.

2.2. Diese Aufgabe wird mit einem Trägermaterial gelöst, das die im Anspruch 1 definierte Legierungszusammensetzung und die angegebenen Ausscheidungsgefüge-Phasentypen aufweist. Die für das gewünschte Verhalten verantwortlichen, im Anspruch 1 definierten Phasentypen sollen durch das spezielle Herstellungsverfahren gemäß Verfahrensanspruch 8 erzeugt werden, wie im Streitpatent auf Seite 2, Zeilen 29, 30, Seite 3, Zeilen 4 und 5 und Seite 4, Zeile 36 ausdrücklich angegeben ist.

Weiter wird im Streitpatent (Seite 3, Zeilen 5 und 6) noch darauf hingewiesen, daß beim beanspruchten Herstellungsverfahren, auch im Hinblick auf die Druckschrift (3), der Verzicht auf eine Erholungsglühung entscheidend sei. Weiterhin ist auf Seite 2, Zeilen 53, 54. des Streitpatents angegeben, daß beim beanspruchten Verfahren "zur Steuerung der Phasenausbildung wesentlich die Warmbandausbringungstemperatur beiträgt", die nach dem Verfahrensanspruch 8 bei 300 - 330 C liegen soll.

Aus dem Vorstehenden folgt, daß die im Anspruch 1 definierte Gefügeausbildung des Trägermaterials durch die im Anspruch 8 genannten Verfahrensschritte und deren Parameter verursacht wird.

2.3. Im Gegensatz zu diesen Hinweisen im Streitpatent ist jedoch der Verfahrensanspruch 8 so formuliert, als müsse schon der durch Stranggießen hergestellte Barren die im Anspruch 1 definierten Gefüge-Phasentypen des Endmaterials haben.

Ein fachmännischer Leser der erteilten Unterlagen wird jedoch aufgrund der unter Punkt 2.2 hervorgehobenen Hinweise in der Beschreibung des Streitpatents sofort erkennen, daß die in den Zeilen 2 bis 5 des Anspruchs 8 definierten Angaben zu den Phasentypen der Sekundärausscheidungen nicht dem als Vormaterial dienenden Barren, sondern nur dem Endmaterial, d. h. dem fertigen Trägermaterial (wie im Anspruch 1 definiert) zuzuordnen ist. Für eine solche Richtigstellung der Lehre des Anspruchs 8 spricht auch der Umstand, daß ein im Stranggießverfahren hergestellter Barren im allgemeinen noch keine Sekundärausscheidungen aufweist, die erst bei den weiteren Verfahrensschritten entstehen.

Die Kammer ist somit davon überzeugt, daß die im Anspruch 8 dem Barren zugeordnete Phasentypisierung ohne weiteres als falsch erkennbar ist und daß aus dem Gesamtinhalt des Streitpatents notwendig folgt, daß die angegebene Phasentypisierung nur dem Endmaterial zuzuordnen ist.

Die Merkmale des Verfahrensanspruchs 8 sind demnach für einen Leser des Streitpatents hinreichend deutlich dargelegt und können nur so verstanden werden, wie dies vorstehend definiert ist.

3. Ausführbarkeit, Anforderungen gemäß Artikel 100 b) EPÜ

Die Beschwerdeführerin hat die Ausführbarkeit der in den Ansprüchen 1 und 8 des Streitpatents definierten Lehren in Frage gestellt und hierfür mehrere Argumente vorgebracht.

3.1. Der auf die unrichtige Formulierung des Anspruchs 8 gestützten Argumentation ist aus den unter Absätzen 2.2 und 2.3 angegebenen Gründen die Basis entzogen.

3.2. In Bezug auf Anspruch 8 wurde weiter argumentiert, daß im Streitpatent keine Ausführungen darüber gemacht seien, wie die angegebenen Phasentypen ermittelt und insbesondere wie die Sekundärausscheidungen von den Primärausscheidungen zu differenzieren sind. Außerdem wurde bemängelt, daß die Ausscheidungsphasen mehr oder weniger Eisen lösen könnten, und daß im Streitpatent nähere Angabe über die Unterscheidung solcher unterschiedlicher Phasen fehlten.

Die Beschwerdegegnerin hat dieser Argumentation unter Hinweis auf das Al-Taschenbuch (Druckschrift (5)) widersprochen, woraus ersichtlich sei, daß unter anderem auch Sekundärausscheidungen in Aluminium-Legierungen durch mikroskopische Gefügeuntersuchungen von Schliffbildern bestimmbar seien. Mit solchen und weiteren Bestimmungsmethoden sei eine Elementaranalyse der in den Ansprüchen 1 und 8 genannten Sekundärausscheidungen ohne weiteres möglich.

Die Beschwerdeführerin hat keine Beweise dafür vorgelegt, daß gerade die in den Ansprüchen 1 und 8 des Streitpatents genannten Sekundärausscheidungen mit den üblichen Methoden nicht bestimmt werden können. Da nach allgemeiner Rechtsprechung der Beschwerdekammern die Verfahrensbeteiligten für die von ihnen geltend gemachten Tatsachen die Beweislast tragen, und die Beschwerdeführerin ihre o. g. Behauptungen nicht näher belegt hat, folgt die Beschwerdekammer nach generellem Abwägen der Wahrscheinlichkeit den Argumenten der Beschwerdegegnerin, zumal die Entscheidungen in der Beschwerdekammer nicht auf absoluter Gewißheit beruhen müssen (vgl. T 270/90, ABl. 1993, 725, Punkt 2.1, Abs. 3, 4; T 182/89, ABl. 1991, 391, Punkt 2; T 219/83, ABl. 1986, 211, Punkt 12).

3.3. Weiterhin verweist die Beschwerdeführerin auf die angeblich fehlende Offenbarung, ob es sich bei den in den Ansprüchen 1 und 8 angegebenen Verhältnissen zwischen den Sekundärausscheidungen um Zahlenverhältnisse, Mengenverhältnisse oder Molverhältnisse handle.

In diesem Zusammenhang wird in der Beschreibung des Streitpatents Seite 2, Zeilen 46 und 47 ausgeführt, daß die Phasen "nicht zu zahlreich sein" dürfen. Weiterhin ist auf Seite 2 in den Zeilen 51 bis 53 angegeben: "Dem erfindungsgemäßen Herstellungsprozeß liegt der Gedanke zugrunde, daß es für die Eigenschaften der Aluminiumflachdruckform entscheidend auf die Art, Menge und Dichte der Sekundärphasen im Trägermaterial ankommt".

Aufgrund dieser Hinweise wird ein fachmännischer Leser des Streitpatents davon ausgehen, daß bei quantitativen Gefügestrukturanalysen, wie sie z. B. in der Druckschrift (5) erwähnt sind, unter dem Lichtmikroskop die Auszählung der verschiedenen Gefügephasen aus fotografischen Gefügeaufnahmen einer Schliffprobe die einfachste und somit nächstliegende Methode darstellt. Es wäre zwar denkbar, bei der Analyse auch Gewichts- oder Molverhältnisse zu ermitteln, wozu jedoch zusätzliche Meß- bzw. Berechnungsschritte nötig wären. Da jedoch im Streitpatent nirgends auf Gewichts- bzw. Molverhältnisse verwiesen wird, sondern bezüglich der Phasen die Hinweise "nicht zu zahlreich" und daß es u. a. "auf die Menge" ankomme, gegeben sind, handelt es sich nach Überzeugung der Beschwerdekammer bei den angegebenen Phasenverhältnissen erkennbar um Zahlenverhältnisse.

3.4. Im Verfahrensanspruch 8 des Streitpatents ist weiterhin das Teilmerkmal angegeben, daß

"ein Warmwalzen bei 460 - 550 C Metalltemperatur erfolgt, wobei die Warmbandausbringungstemperatur bei 300 - 330 C liegt...".

Hierzu ist in der Beschreibung auf Seite 2 in den Zeilen 53 und 54 ausgeführt:

".... Anhand zahlreicher Versuche wurde ermittelt, daß zur Steuerung der Phasenausbildung wesentlich die Warmbandausbringungstemperatur beiträgt".

Aus diesen Angaben folgt notwendig, daß die Temperatur des gewalzten Metalls, die eingangs offensichtlich 460 - 550 C betragen soll, während des Walzvorgangs so zu steuern ist, daß das gewalzte Band am Ende des Warmwalzens nur noch bei 300 - 330 C liegt.

Die Beschwerdeführerin legt das o. g. Teilmerkmal des Anspruchs 8 so aus, daß die genannte Metalltemperatur von 460 - 550 C beim gesamten Walzvorgang aufrechterhalten werde und folglich die Temperaturangabe von 300 - 330 C für die Warmbandausbringungstemperatur widersprüchlich sei. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn an der genannten Stelle der Beschreibung wird ausdrücklich auf die entscheidende Bedeutung der gegenüber der Eingangstemperatur deutlich abgesenkten Warmbandausbringungstemperatur verwiesen. Das das Warmwalzen betreffende Teilmerkmal des Anspruchs 8 enthält demnach keinen Widerspruch.

3.5. Aus den vorstehenden Punkten 3.1 bis 3.4 folgt, daß die im Verfahrensanspruch 8 aufgeführte Lehre zur Herstellung des im Anspruch 1 definierten Endmaterials so deutlich und vollständig offenbart ist, daß ein Fachmann sie ausführen kann (Artikel 83, 100 b) EPÜ).

4. Neuheit

4.1. Die in der Druckschrift (3) genannten Trägermaterialien offenbaren die im Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents definierte Materialzusammensetzung. Darüber hinaus weisen die Legierungen C und E aus Tabelle 3, Seite 22 (Ausführungsbeispiel 2) einen Mangangehalt von 0,24 bzw. 0,12 % auf und liegen somit innerhalb des im Anspruch 1 des Streitpatents geforderten Mangangehalts von 0,1 - 0,3 %.

Somit ist auch das erste Merkmal im Kennzeichen des Anspruchs 1 aus den Legierungen C und D der Druckschrift (3) bekannt. Was jedoch die weiteren, sich auf das Ausscheidungsgefüge und die speziellen Sekundärausscheidungen beziehenden Merkmale des Anspruchs 1 anbetrifft, so ist in der Druckschrift (3), Seite 6, 2. und 3. Absatz hierzu lediglich verwiesen, daß Ausscheidungen erst außerhalb der in Rede stehenden Legierungszusammensetzungen auftreten und häufig zur Fleckenbildung führen. Es wird weder auf alle der im Anspruch 1 genannten Ausscheidungen noch auf deren Mengenverhältnisse hingewiesen.

Das Trägermaterial nach dem Anspruch 1 des Streitpatents ist somit im Vergleich zu den aus der Druckschrift (3) bekannten Aluminium-Legierungen offensichtlich neu.

4.2. Dies gilt auch für das Herstellungsverfahren gemäß Anspruch 8 des Streitpatents, denn die Barren aus den Legierungen C und E nach der Druckschrift (3) werden gemäß den Angaben auf Seite 20 (Beispiel 2) mit einem anderen Verfahren weiterverarbeitet als beim Streitpatent, wobei insbesondere andere Wärmebehandlungen zur Anwendung kommen.

4.3. Dies gilt auch für die weiteren Entgegenhaltungen und insbesondere für die neben der Druckschrift (3) in der mündlichen Verhandlung noch diskutierte Druckschrift (2), in der lediglich Aluminium-Legierungen ohne Bezugnahme auf ein Trägermaterial für Aluminiumflachdruckformen beschrieben und erörtert sind.

Die firmeninternen Merkblätter "Standardpraxis Warmwalzwerk" sind als Beweismittel nicht verwendbar, da sie, wie schon unwidersprochen in der angefochtenen Entscheidung (Blatt 10, Absatz 4) festgestellt wurde, nicht zum Stand der Technik gehören.

4.4. Die Neuheit der Gegenstände nach den Ansprüchen 1 und 8 des Streitpatents ist unbestritten vorhanden.

5. Erfinderische Tätigkeit

5.1. Wie in der Beschreibung des Streitpatents angegeben ist (vgl. den vorstehenden Absatz 2.2), wird das im Anspruch 1 des Streitpatents definierte Ausscheidungsgefüge mit den detailliert angegebenen Sekundärausscheidungen durch die im Anspruch 8 genannten Behandlungen und Verfahrensparameter erreicht. Bei diesem Verfahren wird auf ein Erholungsglühen (wie beim Verfahren nach der Druckschrift (3) verwendet) verzichtet und zur Steuerung der Phasenausbildung soll wesentlich die im Verfahrensanspruch 8 angegebene Warmbandausbringungstemperatur beitragen.

Die Aufgabenstellung beim Streitpatent ist offensichtlich enger als die beim Stand der Technik nach der Druckschrift (3), denn das bei dem Streitpatent beanspruchte Trägermaterial soll die angestrebten guten Eigenschaften nach einer Aufrauhung in HCl- und HNO3-Bädern aufweisen, während in der Druckschrift (3), vgl. z. B. Seite 8, 2. und 3. Absatz, neben elektrochemischen Aufrauhprozessen auch mechanische Aufrauhprozesse genannt sind.

Hiervon ausgehend erhebt sich nun die Frage, ob es für einen Fachmann naheliegend war, anstelle der in der Druckschrift (3) genannten Behandlungsverfahren für die in Rede stehenden Trägermaterialien von Aluminiumflachdruckformen andere Behandlungsverfahren anzuwenden, wie sie im Lehrbuch gemäß Druckschrift (2) für Aluminium-Mangan-Legierungen beschrieben sind. Darüber hinaus ist zu untersuchen, ob die Druckschrift (2) das beanspruchte Verfahren schon offenbart.

5.2. In der Druckschrift (2) wird zwar für Aluminium-Mangan-Legierungen, die nach Anwärmen auf 500 und 550 C (Seite 292, 2. Absatz) warmgewalzt werden, eine Barrenhochglühung (die nach Seite 691, 4. Absatz auch als "Homogenisierungsglühung" bezeichnet ist) vorzusehen und zwar in Temperaturbereichen von 580 - 630 C bzw. 590 - 620 C (vgl. Seiten 691, 692), wobei für die Barrenhochglühung eine Glühdauer von 5. Stunden bei 600 C bzw. 5 bis 8 Stunden bei 600 - 610 C bzw. 20 Stunden bei 570 C (Seite 694) genannt ist. Der im Verfahrensanspruch 8 genannte Temperaturbereich für das Warmwalzen sowie das Barrenhochglühen mit einer Haltezeit von mindestens 4. Stunden ist also bei der Behandlung von Al-Mn-Legierungen schon bekannt. In dem Fachbuch (2) sind auf Seite 697 in Verbindung mit der Barrenhochglühung Angaben zur Ausscheidung von ternären und quaternären intermetallischen Phasen gemacht, die zur Kornverfeinerung und zur Steigerung der Festigkeitswerte beitragen sollen. Es fehlen allerdings jegliche Angaben dazu, daß Ausscheidungsgefüge der speziellen, beim Streitpatent beanspruchten Art für Trägermaterialien von Aluminiumflachdruckformen, insbesondere in Verbindung mit der Aufrauhung einer fleckenfreien Oberfläche von Bedeutung sind.

Im Zusammenhang mit dem Warmwalzen sind in der Druckschrift (2) auch keine Angaben hinsichtlich der im Anspruch 8 des Streitpatents definierten und in der Beschreibung als wesentlich bezeichneten Warmbandausbringungstemperatur von 300 - 330 C vorhanden. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, daß es üblich sei, beim Warmwalzen von Al-Mn-Legierungen mit den beanspruchten Warmbandausbringungstemperaturen zu arbeiten, wurde durch keine Beweismittel belegt, denn die vorgelegten Merkblätter sind nicht dem Stande der Technik zuzurechnen (vgl. auch Punkt 4.3).

Desgleichen ist in (2) nirgends angegeben, daß auf eine Erholungsglühung ("finishing annealing"), wie sie bei einer Temperatur von 280 C für die Behandlung der Trägermaterialien nach der Druckschrift (3) auf Seite 20 genannt ist, verzichtet werden soll, wie dies im Streitpatent (Seite 3, Zeilen 5, 6) gefordert wird. Vielmehr ist auf Seite 685 von (2) auf die Anwendung des Weichglühens nach dem Kaltwalzen verwiesen, um ein feines Korn zu erzielen.

Im übrigen enthält auch das Fachbuch (2) im Absatz 4.27 (vgl. Seiten 701 bis 703) keinen Hinweis auf die Verwendung der erörterten Aluminium-Mangan-Legierungen für ein Trägermaterial von Aluminiumflachdruckformen. Es wird lediglich auf Verwendungsmöglichkeiten bei Lebensmittelverpackungen, Küchengeschirr, Materialien zur Dachdeckung und Fassadenverkleidung u. dgl. verwiesen.

Aus dem Vorstehenden folgt, daß die in der Druckschrift (2) offenbarte, allgemein übliche Behandlung von Aluminium-Mangan-Legierungen noch nicht alle Verfahrensschritte und Parameter des Verfahrens gemäß Anspruch 8 des Streitpatents umfaßt.

5.3. Im übrigen wird nach Auffassung der Beschwerdekammer ein mit der Aufgabenstellung des Streitpatents konfrontierter Fachmann durch den Stand der Technik auch nicht dazu angeregt, die in der Druckschrift (3) im Zusammengang mit Trägermaterialien beschriebenen gattungsgemäßen Verfahren aufzugeben, um andere Verfahren, wie sie - für andere Anwendungszwecke - in dem Fachbuch (2) beschrieben sind, anzuwenden. Darüber hinaus stimmen die in (2) beschriebenen Behandlungsverfahren für Al-Mn-Legierungen nicht mit dem Behandlungsverfahren nach Anspruch 8 überein (vgl. Punkt 5.2).

Selbst wenn ein Fachmann, aus welchen Gründen auch immer, anstelle des Behandlungsverfahrens nach der gattungsgemäßen Druckschrift (3) eines der in der Druckschrift (2) beschriebenen Verfahren anwenden sollte, dann käme er folglich nicht zu dem beanspruchten Verfahren.

5.4. Die weiteren Entgegenhaltungen gehen nicht über den Stand der Technik nach den Druckschriften (2) und (3) hinaus.

5.5. Die vorstehenden Betrachtungen zeigen, daß dem durch das Fachbuch (2) belegten Fachwissen keine Lehre zu entnehmen ist, die bekannten Verfahren zur Herstellung eines Trägermaterials für eine Aluminiumflachdruckform gemäß Druckschrift (3) im Sinne des Verfahrensanspruchs 8 des Streitpatents abzuändern, um ein Trägermaterial mit dem im Anspruch 1 des Streitpatents definierten Gefüge herstellen zu können. Die Gegenstände nach den Ansprüchen 1 und 8 des Streitpatents beruhen somit auf erfinderischer Tätigkeit, weshalb das Patent auf der Basis der erteilten Unterlagen Bestand hat.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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