European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1999:T009397.19990617 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 17 Juni 1999 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0093/97 | ||||||||
Anmeldenummer: | 89730119.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | B21B 1/46 B21B 13/22 B22D 11/12 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zum kontinuierlichen Gießwalzen | ||||||||
Name des Anmelders: | MANNESMANN Aktiengesellschaft | ||||||||
Name des Einsprechenden: | VOEST-ALPINE Industrieanlagenbau Gesellschaft m.b.H. Verfahrensbeteiligter: SMS Schloemann-Siemag AG |
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Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (bejaht) | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 89 730 119.8 wurde das europäische Patent Nr. 0 344 095 erteilt.
II. Von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden II) und der Einsprechenden I eingelegte Einsprüche, die auf den Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ (fehlende erfinderische Tätigkeit) im Hinblick auf die folgenden u. a. im Einspruchsverfahren genannten Druckschriften (Numerierung nach der angefochtenen Entscheidung) gestützt waren,
D1: EP-A-0 286 862 (Stand der Technik gemäß Art. 54 (3) EPÜ)
D2: Fachberichte Hüttenpraxis Metallweiterverarbeitung, Vol. 24, Nr. 8, 1986, Seiten 658 bis 662, 664, 666 bis 668
D3: DE-C-3 406 731
D4: DE-C-3 249 208
D6: DE-A-2 444 443
D7: Stahl u. Eisen, 108 (1988), 8. Februar 1988, Nr. 3, Seiten 99 bis 109, Aufsatz: "Walzen von stranggegossenen Vorbändern..."
D8: Stahl u. Eisen, 108 (1988), 2. Mai 1988, Nr. 9, Seiten 432 bis 434, Aufsatz: "Stranggießtechnik für das nächste Jahrzehnt"
D9: JP-A-59-97747
wurden von der Einspruchsabteilung mit der am 10. Dezember 1996 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 30. Januar 1997 unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 6. März 1997 eingegangen.
Die Einsprechende I hat ihre frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde mit Schreiben vom 20. Mai 1999 zurückgenommen.
IV. Es wurde am 17. Juni 1999 vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent mit in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen aufrechtzuerhalten.
Der nunmehr geltende Anspruch 1 lautet wie folgt:
"Verfahren zum kontinuierlichen Gießwalzen metallischer Flachprodukte, mit dem durch Eingießen einer Stahl-Schmelze in eine Stranggießkokille ein Flachprodukt mit einer Dicke von 50 bis 100 mm erzeugt wird, das nach Verlassen der Stranggießkokille und nach seiner teilweisen Erstarrung über den Gießquerschnitt ausschließlich mittels innengekühlter Rollenpaare abgezogen und gekühlt wird und mittels dieser Rollenpaare insgesamt um mindestens 60 % seiner Dicke auf ein Flachprodukt mit einer Dicke von 35 mm reduzierend verformt wird, wobei die Reduzierung in der Erstarrungsstrecke mindestens 10 - 70 % und im durcherstarrten Bereich bei Temperaturen dicht unter der Solidustemperatur, insbesondere im Temperaturbereich von 1500 - 1200 C, mindestens weitere 30 % beträgt."
V. Die von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung bzw. schriftlich vorgebrachten Argumente lassen sich im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:
Die kontinuierliche technische Fortentwicklung des Gießwalzens habe den Fachmann in naheliegender Weise zu dem im Anspruch 1 des Streitpatents beanspruchten Verfahren geführt. In der aus dem Jahre 1982 stammenden D4 werde der dünngegossene und somit coilfähige (wickelfähige) Gußstrang nach der Kokille ausschließlich durch innengekühlte Stützrollen geführt, was als trockenes Stranggießen bezeichnet sei. In der Druckschrift D3 (1984) werde im Zusammenhang mit einem solchen trockenen Stranggießen schon darauf hingewiesen, daß für den eigentlichen Walzvorgang kein Aufheizen des Gußstranges mehr nötig sei. Die Druckschrift D2 (1986) verbinde die Trockengieß-Technologie mit dem On-line-Walzen, bei dem der Walzvorgang schon unmittelbar am Ende der Stranggießanlage beginne. Schließlich sei in der kurz vor dem Prioritätstag des Streitpatents veröffentlichten D8 darauf hingewiesen, daß nach dem Trockengießen eines coilfähigen Vorbandes dieses bei hohen Strangtemperaturen unmittelbar weiterverarbeitet werde. Die Dicke des Vorbandes liege dabei am Ende der Stranggießkokille bei 40 mm und somit in unmittelbarer Nähe der beim Streitpatent geforderten Enddicke von maximal 35 mm. Im übrigen sei es beim On-line-Walzen üblich, daß unmittelbar im Anschluß an die Stranggießanlage ein weiterer Walzvorgang erfolge, wie dies auch die Druckschrift D9 offenbare, nach der zunächst eine Verformung des noch nicht durcherstarrten Bandes im Stützrollenbereich erfolge und anschließend im durcherstarrten Zustand des Bandes dessen Querschnitt weiter auf eine Enddicke von maximal 30 mm gebracht werde. Das in der Zeichnung der D9 dargestellte Zusammenquetschen der Außenhaut des noch nicht durcherstarrten Bandes bewirke eine starke Dickenreduktion, wie dies beim Streitpatent der Fall sei.
Die im Anspruch 1 des Streitpatents angesprochene "Reduzierung in der Erstarrungsstrecke" unterscheide sich nicht von dem in der D9 beschriebenen Zusammenpressen des noch nicht durcherstarrten Vorbandes, zumal in der D9 auch angegeben sei, daß das Zusammenpressen durch ein oder mehrere Rollenpaare erfolge. Die D9 offenbare somit ebenfalls schon eine Verformung des noch nicht erstarrten Stranges mit einer nachfolgenden Verformung des erstarrten Stranges im unmittelbar der Gießkokille nachgeschaltenen Bereich.
Es sei außerdem auch nicht erkennbar, welche Aufgabe das beanspruchte Verfahren im Vergleich zum Verfahren nach der D8 löse, denn bei der D8 werde das gegossene Band in der gleichen Größenordnung verformt, was bei beiden Verfahren zu einem hohen Anteil an Walzgefüge im Vorband führen dürfte. Im übrigen spiele es keine Rolle, wie stark im noch nicht durcherstarrten Band verformt werde, denn dabei könne sich noch kein Walzgefüge ausbilden. Beim Vergleich des beanspruchten Verfahrens mit dem Stand der Technik müsse zudem berücksichtigt werden, daß die Lehre des Anspruchs 1 auch ein Verquetschen des nicht durcherstarrten Gießstranges zulasse, wie dies in der Druckschrift D9 gezeigt sei. Der Gegenstand nach dem Anspruch 1 des Streitpatents sei somit durch den Stand der Technik nahegelegt.
VI. Die Beschwerdegegnerin begründete ihren Antrag im wesentlichen wie folgt:
Für das beim Streitpatent beanspruchte Verfahren sei es wesentlich, daß im Bereich der Stranggießkokille eine zweistufige Verformung des Bandes stattfinde, und zwar ein Walzen des noch nicht durcherstarrten Bandes mittels mehrerer Rollenpaare, gefolgt von einem zweiten Walzvorgang am durcherstarrten Band. Der Soliduspunkt des Bandes liege dabei zwischen den beiden Walzvorgängen, die gemeinsam zum gewünschten coilfähigen Walzgefüge führten.
Bei der D3 werde abweichend von der beanspruchten Lehre des Streitpatents bei einer anderen Temperatur gewalzt und es sei nur auf einen einzigen Verformungsschritt hingewiesen. Das in der D8 erwähnte Gießen ohne Spritzwasserkühlung sei nicht zwingend gleichzusetzen mit der Verwendung innengekühlter Rollenpaare, da auch eine Kühlung mit Kühlplatten denkbar sei. Weiterhin enthalte die D8 keine Angaben bezüglich einer Zweistufigkeit der Verformung und des jeweiligen Verformungsgrades in der Stranggießkokille. Es fehlten auch Angaben bezüglich der einzuhaltenden Temperatur. Bei der D8 habe zwar das Endprodukt der Stranggießkokille im wesentlichen die gleiche Enddicke wie beim Streitpatent, es habe jedoch ein anderes Walzgefüge.
Bei dem Verfahren nach der D9 würde die nach dem Gießen erstarrte Außenhaut des Bandes derart verpreßt, daß unter Beseitigung des flüssigen Kerns ein Verschmelzen der Außenschichten auftrete. Dieser Verformungsvorgang unterscheide sich von der ersten Verformungsstufe beim Streitpatent, bei der der Kern des Bandes während der Verformung flüssig bleibe und nicht durch Zusammenwalzen eliminiert werde. Des weiteren finde bei der D9 innerhalb der Stranggießkokille keine zweite Verformung statt.
Die Lehre nach dem Streitpatent stelle ein Optimierung des in der D8 beschriebenen Gießwalzens dar, wobei auch schon der in der ersten Verformungsstufe auftretende Rühreffekt im noch flüssigen Kern für den angestrebten hohen Anteil an Walzgefüge im Endprodukt eine Rolle spiele. Die Gesamtkombination der im beanspruchten Verfahren enthaltenen Merkmale sei durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.
2. Zulässigkeit der Änderungen
Der geltende Anspruch 1 ist gegenüber dem in der ursprünglichen Fassung erteilten Anspruch 1 des Streitpatents zusätzlich durch Aufnahme der Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 2 und 4 eingeschränkt. Der Anspruch 1 erfüllt somit die Anforderungen gemäß Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 6 entsprechend den in der ursprünglichen Fassung erteilten Ansprüchen 8, 5, 6, 7 und 3. Die Beschreibung ist an den neuen Anspruch 1 angepaßt worden und ebenfalls zulässig.
3. Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents, Aufgabenstellung, Lösung
3.1. Das beanspruchte Verfahren zum kontinuierlichen Gießwalzen metallischer Flachprodukte nach dem geltenden Anspruch 1 setzt sich aus folgenden Merkmalsgruppen zusammen, die teilweise in anderer Reihenfolge und in sprachlich abgewandelter Formulierung als im Anspruchstext aufgelistet sind:
a) Erzeugung eines Flachproduktes mit einer Dicke von 50. bis 100 mm durch Eingießen einer Stahl-Schmelze in eine Stranggießkokille;
b) das Flachprodukt wird nach Verlassen der Stranggießkokille und nach seiner teilweisen Erstarrung ausschließlich mittels innengekühlter Rollenpaare abgezogen und über den Gießquerschnitt gekühlt;
c) das gegossene Flachprodukt wird mittels dieser Rollenpaare reduzierend verformt
c1) insgesamt um mindestens 60 % seiner Dicke
c2) auf ein Flachprodukt mit einer Dicke von 35. mm;
wobei
d) (in einer ersten Verformungsstufe) die Reduzierung in der Erstarrungsstrecke mindestens 10 % bis 70 % beträgt und
e) (in einer zweiten Verformungsstufe) im durcherstarrten Bereich
e1) die Reduzierung mindestens weitere 30 % beträgt und
e2) bei Temperaturen dicht unter der Solidustemperatur, insbesondere im Temperaturbereich von 1500 bis 1200 C, stattfindet.
3.2. Das Streitpatent geht von der bekannten Technik des endabmessungsnahen Gießens zur Erzeugung von Vorbändern nach der Druckschrift D8 aus. Bei dieser Technik ist man bestrebt, die Dickenabmessung der stranggegossenen Brammen dem zu erzeugenden Fertigprodukt anzupassen. Dabei ist es schon bekannt, mit einer Gieß-Walzanlage eine Dünnbramme in der Gießanlage schrittweise zu verformen, um daraus ein coilfähiges Produkt mit Walzgefüge herzustellen.
3.3. Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren anzugeben, mit dem in der Stranggießanlage ein coilfähiges Produkt mit hohem Anteil an Walzgefüge zur Verfügung gestellt wird.
Wie im Anspruch 1 angegeben ist, erfolgt die Dickenreduktion des innerhalb eines definierten Dickenbereichs gegossenen Flachprodukts im Laufe zweier Verformungsstufen, nämlich im Bereich der Erstarrungsstrecke bzw. im Bereich der durcherstarrten Bramme. Dabei sind einerseits die Gesamtreduktion und Enddicke der Bramme und andererseits die Teilreduktionen in den beiden Verformungsstufen angegeben. Bei diesem Verfahren wird darüber hinaus durch zusätzliches Einhalten der angegebenen Temperaturen und dadurch, daß ausschließlich mittels innengekühlter Rollenpaare abgezogen und gekühlt wird, ein Endprodukt mit einem höheren Anteil an Walzgefüge erreicht als beim Verfahren nach der D8 erzielt wird.
3.4. Beim Verfahren nach der D8 wird ausgehend von einer Gießdicke von 60 bzw. 50 mm (vgl. Seite 434, rechte Spalte) durch schrittweises Umformen in der Gießanlage ein coilfähiges Vorband von 25 bzw. 15 mm hergestellt. Es wird also in Übereinstimmung mit der beanspruchten Lehre des Streitpatents die gegossene Bramme insgesamt um mindestens 60 % ihrer Dicke auf ein Flachprodukt mit einer unter 35 mm liegenden Dicke verformt.
3.5. Die Beschwerdeführerin hat aufgrund dieser Übereinstimmung zwischen dem bekannten und dem beanspruchten Verfahren bezweifelt, daß beim Streitpatent ein anderes coilfähiges Walzgefüge als beim bekannten Verfahren nach der D8 auftrete. Allerdings hat sie für ihre Behauptung hinsichtlich der Übereinstimmung der Walzgefüge keine detaillierten Angaben gemacht und auch keine Beweise vorgelegt.
Die Beschwerdegegnerin hat dem entgegengehalten, daß durch die Aufteilung der Reduktion in den beiden Verformungsstufen mit den angegebenen Teilreduktionen sowie durch die ausschließliche Anwendung innengekühlter Rollenpaare und durch die Einhaltung des genannten Temperaturbereichs der erhöhte Walzgefügeanteil erzielt werde, wobei auch die Verformung der Bramme im Bereich der Erstarrungsstrecke mit noch flüssigem Kern infolge des dabei auftretenden Rühreffekts noch zur Erhöhung des Walzgefügeanteils beitrage.
3.6. Nach allgemeiner Rechtsprechung der Beschwerdekammern tragen die Verfahrensbeteiligten für die von ihnen geltend gemachten Tatsachen bzw. Argumente die Beweislast. Da die Beschwerdeführerin ihre o. g. Behauptung nicht näher belegt hat, sieht die Kammer nach Abwägen der betreffenden Vorbringen keinen Anlaß, die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabenstellung und den für das beanspruchte Verfahren gegenüber der D8 geltend gemachten Vorteil in Frage zu stellen (vgl. T 270/90, ABl. EPA 1993, 725, Punkt 2.1, Absatz 3, 4; T 182/89, ABl. EPA 1991, 391, Punkt 2).
4. Neuheit
4.1. In dem Fachaufsatz nach der D8 ist die Entwicklung der Stranggieß-Technik vom endabmessungsnahen Stranggießen bis zu dem im Streitpatent in Rede stehenden Gießwalzen (Stranggieß-Walztechnik) beschrieben, bei der das gegossene Band schon unmittelbar nach Verlassen der Stranggießkokille gewalzt wird. Insbesondere wird "im Rahmen der Entwicklung einer produktionsreifen Gießwalz-Technologie" (D8, Seite 434, rechte Spalte) das Gießwalzen entsprechend den Merkmalsgruppen a), c), c1) und c2) (vgl. Punkt 3.1. dieser Entscheidung) aus dem Anspruch 1 des Streitpatents erörtert. Was allerdings die nach der Stranggießkokille stattfindenden Verformungsschritte anbelangt, so wird in der D8 lediglich auf die Verwendung hydraulisch anstellbarer, zum Umformen des Stranges geeigneter und der Kokille nachgeordneter Strangführungssegmente verwiesen. Die D8 enthält auch keine Angaben darüber, daß eine erste Reduzierung der Dicke im Bereich der Erstarrungsstrecke, d. h. bei noch flüssigem Kern des Vorbandes erfolgt und daß eine weitere Dickenreduzierung im durcherstarrten Bereich dicht unter der Solidustemperatur des Stranges erfolgt. Das aus der D8 bekannte Verfahren offenbart somit offensichtlich nicht die unter d), e1) und e2) (siehe Punkt 3.1 oben) definierten Teilmerkmale des Anspruchs 1.
Im Zusammenhang mit diesem auf Seite 433 der D8 beschriebenen Gießwalzverfahren sind ferner keine Angaben zur Kühlung gemacht. Lediglich in den Erläuterungen auf Seite 433 (linke Spalte) der D8 zur Stranggießtechnik im allgemeinen wird auf die Vorzüge des Gießens ohne Spritzwasserkühlung der Stränge (beste Oberflächenqualität der Stränge, auch bei rißempfindlichen Stahlgüten, hohe Strangtemperaturen für die unmittelbare Weiterverarbeitung usw.) verwiesen. Bei dem in der D8 auf Seite 434 (rechte Spalte) beschriebenen Verfahren der Stranggieß-Walztechnik fehlt indessen jegliche Bezugnahme auf die vorstehenden, eingangs auf Seite 433 (linke Spalte) gemachten Angaben zur Spritzwasserkühlung. Somit fehlt bei dem auf Seite 434 (rechte Spalte) beschriebenen Verfahren auch die Offenbarung des Teilmerkmals b) aus dem Anspruch 1 des Streitpatents.
4.2. Die Druckschrift D9 offenbart ebenfalls ein Verfahren nach der Stranggieß-Walztechnik, bei dem ebenfalls schon in der Kokillengießanlage gewalzt wird, jedoch handelt es sich dabei um ein Verwalzen des Stranges im halberstarrten Zustand des Stranges, wobei der flüssige Kern sofort ausgeschaltet wird. Es findet somit kein Walzen im Bereich einer Erstarrungsstrecke unter Aufrechterhaltung des flüssigen Kerns statt, wie dies unter Merkmal d) des Anspruchs 1 des Streitpatents definiert ist. Weiterhin sind der D9 keine eindeutigen Angaben über eine weitere Verformung des Vorbandes im durcherstarrten Zustand dicht unter der Solidustemperatur (Teilmerkmale d), e1), e2)) zu entnehmen.
4.3. Die Druckschrift D1 (Stand der Technik gemäß Art. 54 (3) EPÜ) beschreibt ein Gießwalzverfahren, bei dem das die Kokille verlassende Flachprodukt eine Dicke von 40 bis 50. mm aufweist. In einem ersten Verformungsbereich wird der noch nicht erstarrte Gußstrang auf eine Dicke unter 25. mm zusammengedrückt, wobei die inneren Wandungen der schon verfestigten Strangschale miteinander verschweißt werden. In einem zweiten Verformungsbereich erfolgt unter Ausnutzung der Gießhitze (bei 1000 bis 1200 C) eine weitere Dickenreduktion um 5 bis 85 %.
Der erste Verformungsbereich entspricht dabei, ebenso wie bei der D9, nicht dem beanspruchten Walzen in der Erstarrungsstrecke (Teilmerkmal d)), innerhalb der der Strang noch nicht durcherstarrt ist. Bei der D1 wird der Gußstrang abweichend vom Streitpatent durch gekühlte Platten (Spalte 5, Zeilen 21 bis 23) und durch Spritzkühlung (Anspruch 2) abgekühlt.
4.4. Dies gilt auch für das in der D6 offenbarte Stranggießverfahren, bei dem das gegossene Band spritzwassergekühlt wird und bei dem dort, wo das noch nicht erstarrte Band in seinen durcherstarrten Zustand übergeht, mittels der Führungswalzen eine definierte Dickenreduktion des Bandes mit einem Reduktionsgrad von 0,1 bis 2 % stattfindet. Von der an den Reduktionswalzen ermittelten Dickenänderung des Stranges wird dann die Lage des Erstarrungspunktes gesteuert. Eine Aufteilung des Walzvorganges in zwei Walzbereiche wie beim Streitpatent ist nicht vorhanden.
Den Druckschriften D3 und D2 sind zwar Hinweise auf die Verwendung von innengekühlten Rollen zum Abziehen und Kühlen von stranggegossenen Bändern zu entnehmen (vgl. z. B. die Druckschrift D3, Spalte 2, Zeilen 46 bis 50 bzw. D2, Seite 662, Punkte 3.2.1.1 und 3.2.1.1.1), jedoch fehlen jegliche Anregungen bezüglich einer Reduzierung der Vorbanddicke mittels des beanspruchten zweistufigen Walzens gemäß den unter Punkt 3.1 definierten Anspruchsmerkmalen d), e1) und e2).
4.5. Das Verfahren nach dem Anspruch 1 des Streitpatents ist somit im Vergleich zum aufgedeckten Stand der Technik unbestritten neu.
5. Erfinderische Tätigkeit
5.1. Bei dem dem Streitpatent am nächsten kommenden Verfahren nach der D8 fehlen - wie vorstehend dargelegt - jegliche Angaben über die Aufteilung des Umformungsvorganges in einen ersten Walzbereich innerhalb der Erstarrungsstrecke und einen zweiten Walzbereich für das schon durcherstarrte Vorband und den jeweiligen Verformungsgrad in diesen Bereichen sowie über Walztemperaturen im zweiten Bereich.
In der D9 wird zwar in der Beschreibung darauf verwiesen, daß das Verwalzen des halberstarrten Stranges zwecks Ausschaltung des flüssigen Kerns ein- oder mehrstufig erfolgen kann, jedoch handelt es sich bei diesem Walzvorgang, wie schon unter Punkt 4.2 erwähnt, weder um eine Reduzierung der Strangdicke innerhalb der Erstarrungsstrecke unter Aufrechterhaltung des halberstarrten Zustandes mit flüssigem Kern, noch um eine weitere Verformung im durcherstarrten Bereich des Bandes. Demzufolge sind der D9 auch keine Anregungen in Richtung auf die beanspruchte zweistufige Verformung mit den betreffenden Reduktionsgraden in diesen Bereichen zu entnehmen.
Selbst bei gemeinsamer Berücksichtigung der Lehren des Standes der Technik nach der D8, der D9, der D6 (vgl. Punkt 4.4) und der weiteren Entgegenhaltungen lassen sich die Merkmale d), e1) und e2) des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht herleiten. Es fehlt jegliche Anregung, die Reduktion der Vorbanddicke im beanspruchten Sinne vorzunehmen.
5.2. Die Betrachtung der Entwicklungsgeschichte des Gießwalzens, wie sie in der D8 beschrieben ist, führt ebensowenig wie das durch die Druckschriften D4 (1982), D3 (1984), D2 (1986) und D8 (1988) belegte, zeitlich sich erweiternde Fachwissen zu den fehlenden, durch nichts offenbarten bzw. angedeuteten Merkmalen d), e1) und e2) aus dem Anspruch 1 des Streitpatents, nämlich der Aufteilung des Verformungsvorganges in die zwei genannten Bereiche mit den zugehörigen Verformungsparametern.
5.3. Die Kammer kommt bei dieser Sachlage zu dem Ergebnis, daß sich das Verfahren nach Anspruch 1 des Streitpatents nicht im Sinne von Artikel 56 EPÜ in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt und daher als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend anzusehen ist.
Das Patent hat somit auf der Basis der geltenden Unterlagen Bestand.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen (Ansprüche 1 bis 6 und Beschreibung) aufrechtzuerhalten.