T 0150/82 (Anspruchskategorien) of 7.2.1984

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1984:T015082.19840207
Datum der Entscheidung: 07 Februar 1984
Aktenzeichen: T 0150/82
Anmeldenummer: 79101037.4
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: EN
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: IFF
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: 1. Ansprüche, die sich im Hinblick auf alle ihre technischen Merkmale auf Bezugnahmen auf die Beschreibung der Anmeldung stützen (in der Patentrechtspraxis des Vereinigten Königreichs als "omnibus claims" bekannt), sind nicht gewährbar, weil sie gegen Regel 29(4) und (6) EPÜ verstoßen; eine Ausnahme liegt dann vor, wenn diese Bezugnahmen unbedingt erforderlich sind, z.B. weil sich eine Reihe von Bedingungen anders nicht in Worten angeben lassen. Die Beweislast hierfür liegt beim Anmelder.
2. Ansprüche für Erzeugnisse, die durch ihr Herstellungsverfahren gekennzeichnet sind (sog. "Product-by-process-Ansprüche"), sind nur zulässig, wenn die Erzeugnisse als solche die Voraussetzungen für die Patentierbarkeit erfüllen und die Anmeldung keine anderen Angaben enthält, die es dem Anmelder ermöglichen würden, das Erzeugnis durch seine Zusammensetzung, seine Struktur oder sonstige nachprüfbare Parameter hinreichend zu kennzeichnen.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 64(2)
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 R 29(4)
European Patent Convention 1973 R 29(6)
Schlagwörter: Omnibus- und Product-by-process Ansprüche
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
G 0002/12
G 0002/13
T 0148/87
T 0434/87
T 0271/88
T 0601/88
T 0411/89
T 0563/89
T 0130/90
T 0407/90
T 0493/90
T 0664/90
T 0792/90
T 0339/91
T 0478/91
T 0656/91
T 0957/91
T 0073/92
T 0555/92
T 0881/92
T 0882/92
T 0124/93
T 0141/93
T 0333/93
T 0412/93
T 0659/93
T 0815/93
T 0020/94
T 0752/94
T 0749/95
T 0223/96
T 0532/96
T 0644/97
T 0948/97
T 0950/97
T 1048/97
T 1074/97
T 0068/98
T 0238/98
T 0726/98
T 0728/98
T 0748/98
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T 1029/99
T 0360/00
T 0363/00
T 0872/01
T 0933/01
T 0288/02
T 0179/03
T 1044/03
T 1200/03
T 0447/04
T 0582/04
T 0956/04
T 1430/04
T 0046/06
T 0912/06
T 1087/06
T 1316/06
T 1962/07
T 1960/08
T 0360/09
T 2019/09
T 0967/10
T 2186/11
T 0150/12
T 0834/12
T 0863/12
T 1988/12
T 2533/12
T 1304/13
T 0081/14
T 2268/17
T 1370/19
T 1384/19
T 1884/19

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 5. April 1979 eingereichte und am 31. Oktober 1979 unter der Veröffentlichungsnummer 4914 veröffentlichte europäische Patentanmeldung Nr. 79 101 037.4, für die die Priorität einer Voranmeldung vom 19. April 1978 (US-897 903) in Anspruch genommen wird, wurde mit Entscheidung der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts vom 20. März 1982 zurückgewiesen. Der Entscheidung lagen die Ansprüche 17 bis 21 zugrunde. Die Ansprüche 9 und 17 lauteten wie folgt:

"9. Erzeugnisse, die durch das Verfahren nach Anspruch 1 hergestellt sind.

17. Verfahren nach Anspruch 1, im wesentlichen wie in dem vorstehenden Beispiel I beschrieben."

II. Die Ansprüche 1 bis 8 waren auf Verfahren zur Herstellung bestimmter Isochroman-Derivate gerichtet. Die Ansprüche l0 bis 16 hatten wie der obengenannte Anspruch 9 die Erzeugnisse der Verfahren nach den Ansprüchen 2 bis 8 zum Gegenstand. Solche Ansprüche werden in der Literatur häufig als "Product-by-process"-Ansprüche werden bezeichnet. Die Ansprüche 18 bis 21 waren hingegen wie der obengenannte Anspruch 17 auf Verfahren gerichtet, die durch Bezugnahmen auf die Beispiele II bis V der Anmeldung gekennzeichnet sind. Solche Ansprüche sind in der Praxis des Vereinigten Königreichs als "omnibus claims" bekannt.

III. Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß die Ansprüche 17 bis 21 der Regel 29 (6) EPÜ insofern nicht entsprächen, als sie sich im Hinblick auf die technischen Merkmale auf die Beschreibung stützten. In diesem Absatz der Regel heiße es insbesondere, daß sich die Ansprüche nicht auf Hinweise stützen dürften wie: "wie beschrieben in Teil ... der Beschreibung ...", sofern dies nicht unbedingt erforderlich sei. In der Entscheidung wird ausgeführt, daß die Gewährbarkeit der Ansprüche 9 bis 15 nicht geprüft worden sei, obwohl sie in einem früheren Bescheid ebenfalls beanstandet worden waren.

IV. Die Anmelderin legte gegen diese Entscheidung, die am 22. März 1982 bei ihr eingegangen war, Beschwerde ein und entrichtete die Beschwerdegebühr; die Beschwerdebegründung wurde am 15. Juli 1982 nachgereicht (Eingang am 19. Juli 1982).

V. Die Kammer erhob in ihrem Bescheid an die Beschwerdeführerin ebenfalls Einwände gegen die Ansprüche 9 bis 15. Die Beschwerdeführerin erwiderte rechtzeitig auf diesen Bescheid, äußerte jedoch gleichzeitig den Wunsch, diese wichtige Angelegenheit eingehender prüfen und weitere Bemerkungen vorbringen zu dürfen. Sie reichte dann mit Schreiben vom 17. Oktober 1983 weitere Argumente sowie neue Anspruchssätze mit entsprechenden Hilfsanträgen ein. Die Ansprüche 1 bis 21 des Anspruchssatzes I waren mit den Ansprüchen identisch, die der Prüfungsabteilung vorgelegen hatten. Die Ansprüche 1 bis 16 des Satzes II waren gleichgeblieben, außer daß die "omnibus claims" 17 bis 21 fehlten. Die Ansprüche 1 bis 8 des Satzes III beschränkten sich nunmehr auf die normalen Verfahrensansprüche des ursprünglichen Anspruchssatzes.

VI. Am 2. November 1983 fand auf Antrag der Beschwerdeführerin eine mündliche Verhandlung statt. Die Kammer erklärte nach der Verhandlung, daß sie sich die Entscheidung bis zum Eingang weiterer Unterlagen oder aber bis zum Ablauf einer bestimmten Frist vorbehalte. Die Beschwerdeführerin reichte bestimmte Unterlagen rechtzeitig ein.

VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin vor der Kammer läßt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Was die "omnibus claims", d. h. die Ansprüche 17 bis 21, anbelange, so dürfe Regel 29 (6) EPÜ nicht als absolutes Verbot derartiger Ansprüche ausgelegt werden. Den Verhandlungen und Konferenzen, die zur Ratifikation des EPÜ geführt hätten, sei zu entnehmen, daß Bezugnahmen auf Zeichnungen und Beispiele in der Anmeldung vermieden werden sollten, wenn dies nicht "unbedingt erforderlich" sei. Es habe nicht die Absicht bestanden, "omnibus claims", die in Patentschriften des Vereinigten Königreichs durchaus üblich seien, zumindest für dieses Land zu verbieten. Wäre ein völliges Verbot beabsichtigt gewesen, dann hätte man auf den einschränkenden Satz verzichtet. Das Erfordernis in Artikel 84 EPÜ, daß Ansprüche knapp gefaßt sein müßten, unterstütze diese Auffassung. Die Empfehlungen in den Prüfungsrichtlinien dürften nicht als für die Prüfungsabteilung verbindlich aufgefaßt werden (vgl. C-III, 4.10).

b) Was die "Product-by-process"-Ansprüche, d. h. die Ansprüche 9 bis 16, anbelange, so komme der Schutz, der unmittelbaren Erzeugnissen aufgrund von Artikel 64 (2) EPÜ durch die entsprechenden Verfahrensansprüche zuteil werde, zwar möglicherweise dem Schutz nahe, der durch Erzeugnisansprüche gewährt werde, in denen die Erzeugnisse durch Bezugnahmen auf die Verfahren gekennzeichnet seien, sei aber damit nicht identisch. Es frage sich, ob der obengenannte Artikel den Patentinhaber gegen die Einfuhr des außerhalb des Vereinigten Königreichs nach dem patentierten Verfahren hergestellten Produkts schützen würde.

c) Auch sei es fraglich, ob die Verwendung dieser durch die beanspruchten Verfahren hergestellten Erzeugnisse in anderen Erzeugnissen in Ländern wie Deutschland geschützt wäre. Die Verwendung eines Wirkstoffes in einer pharmazeutischen Zusammensetzung werde zwar von einigen Fachleuten als unmittelbares Erzeugnis ausgelegt, jedoch sei diese Ansicht bisher noch von keinem deutschen Gericht bestätigt worden. In Deutschland gelte die Weiterverarbeitung von Zwischenprodukten oder Rohstoffen zu einem Endprodukt offenbar nicht als Herstellung eines unmittelbaren Erzeugnisses. Im Vereinigten Königreich, wo die Gerichte bisher noch nicht über die Auslegung von § 60 (1) c) PatG 1977 zu befinden gehabt hätten, herrsche diesbezüglich große Unsicherheit. Daher sei ein zusätzlicher Schutz erforderlich.

VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung des Patents auf der Grundlage eines der drei Anspruchssätze. Ferner beantragte sie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist somit zulässig.

2. Gegen die Ansprüche 9 bis 21 in den Anspruchssätzen I und II bestehen keine Einwände wegen mangelnder Stützung durch die Beschreibung und die ursprünglich eingereichten Ansprüche. Da die Sachprüfung zu den mit Schreiben vom 16. März 1981 geänderten Ansprüchen 1 bis 8 noch nicht abgeschlossen ist, braucht die Kammer nicht zu prüfen, ob diese Ansprüche formal zulässig sind.

3. In den "omnibus claims" 17 bis 21 sind besondere Verfahren durch Bezugnahmen auf die Beispiele I bis V in der Anmeldung gekennzeichnet. Diese Ansprüche sind in einer Form abgefaßt, die gegen die ausdrückliche Bestimmung der Regel 29 (6) EPÜ verstößt. Danach dürfen sich Patentansprüche, "wenn dies nicht unbedingt erforderlich ist, im Hinblick auf die technischen Merkmale der Erfindung nicht auf Bezugnahmen auf die Beschreibung ... stützen. Sie dürfen sich insbesondere nicht auf Hinweise stützen wie: 'wie beschrieben in Teil ... der Beschreibung ...'." Der Wortlaut der streitigen Ansprüche fällt unter dieses Verbot, da die Beispiele Teil der Beschreibung der Erfindung in der Anmeldung sind; auch ist kein Nachweis dafür erbracht worden, daß in der angefochtenen Anmeldung eine solche Kennzeichnung "unbedingt erforderlich" ist. Die Kammer bestätigt die Auffassung in den Richtlinien für die Prüfung im EPA (C-III, 4.10), wonach es dem Anmelder obliegt, diese Notwendigkeit nachzuweisen.

4. In den Richtlinien sind Beispiele dafür aufgeführt, wann eine Ausnahme zulässig ist. Dies ist z. B. der Fall bei Erfindungen, die Merkmale oder Einschränkungen enthalten, die nur durch Zeichnungen oder Diagramme wiedergegeben werden können, in denen eine besondere Formgebung oder mehrere Bedingungen dargestellt sind. Es besteht jedoch bislang kein Grund zu der Annahme, daß dies auch für andere Merkmale gilt, die sich in Worten angeben lassen. Die streitige Anmeldung enthält jedenfalls nur Beispiele, bei denen es für alle Merkmale eine verbale Entsprechung gibt.

5. Die Ansprüche 17 bis 21 hängen von Anspruch 1 ab und weisen dessen allgemeine Merkmale auf. Die Beschränkung auf diese Merkmale sowie alle zusätzlichen Merkmale hätte im Hinblick auf die Erfordernisse der Regel 29 (4) EPÜ eigens angegeben werden müssen. Es ist auch nicht klar, welche Hinweise und Angaben in den Beispielen für die Kennzeichnung des betreffenden "Verfahrens" wesentlich sind, so daß Unsicherheit über die Auslegung dieser Ansprüche nach Artikel 69 (1) EPÜ und dem Protokoll über die Auslegung des Artikels 69 des Übereinkommens entstehen könnte. Sollte jedoch beabsichtigt gewesen sein, auf diese Weise viele unwesentliche Merkmale in den Anspruch aufzunehmen, so würde dadurch die Unklarheit über den tatsächlichen Schutzbereich nur noch größer; dies wäre ein Verstoß gegen das Erfordernis der Klarheit in Artikel 84 EPÜ. Die Entscheidung der Prüfungsabteilung, daß die Ansprüche 17 bis 21 aufgrund der Regel 29 (6) und des Artikels 84 EPÜ nicht zulässig seien, muß daher bestätigt werden.

6. Die "Product-by-process"-Ansprüche 9 bis 16 definieren die Erzeugnisse, die durch die als erfinderisch bezeichneten anmeldungsgemäßen Verfahren hergestellt werden. Ob die Einfuhr dieser Erzeugnisse im Hinblick auf Artikel 64 (2) EPÜ verboten ist, wenn die Herstellung in einem anderen Land erfolgt, muß von den nationalen Gerichten entschieden werden. Es ist bezeichnend für das nationale Recht der einzelnen Staaten, daß es Bestimmungen über die Wirkung der Patente enthält, die den Erfordernissen ihrer Rechtsprechung entsprechen. Die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und die einschlägige Rechtsprechung sind von Land zu Land verschieden. Nach dem nationalen Recht werden bestimmte Handlungen unter Umständen nicht als unerlaubte Benutzung der beanspruchten Erfindung ausgelegt. Dies ist jedoch nicht mehr Gegenstand des EPÜ, dessen Zweck darin besteht, die Erteilung von Patenten in einem einzigen Verfahren zu ermöglichen. Hierzu sind Patente mit Ansprüchen erforderlich, in denen die Erfindung als Gegenstand des Schutzbegehrens gekennzeichnet ist.

7. Erfindungen lassen sich in Erzeugnisse, d. h. Gegenstände, Vorrichtungen oder Stoffe, und in Verfahren, d. h. Verfahren zur Herstellung eines Erzeugnisses, zur Benutzung eines Gegenstands oder zur Erzielung eines Ergebnisses, unterteilen. Die in den Erzeugnis- oder Verfahrensansprüchen definierten Erfindungen müssen aber nach Artikel 52 (1) EPÜ alle neu, erfinderisch und gewerblich anwendbar sein. Nun gibt es Fälle, in denen zwar ein Verfahren neu und aufgrund der ihm zugrunde liegenden erfinderischen Tätigkeit voll schutzwürdig ist, nicht aber das damit hergestellte Erzeugnis, weil dieses bekannt oder gegenüber dem Stand der Technik naheliegend ist. Dennoch erstreckt sich der besondere Schutz nach Artikel 64 (2) EPÜ auch auf Erzeugnisse, die an sich keine Erfindungen sind. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zufolge soll der Schutz, der von einem "Product-by-process"-Anspruch gewährt wird, über den für "unmittelbare Erzeugnisse" nach Artikel 64 (2) hinausgehen und genauso groß sein wie der Schutz für Erzeugnisse, die an sich, also ohne Einschränkungen hinsichtlich ihrer Herstellung, beansprucht werden. Dies soll auch dann der Fall sein, wenn das auf diese Weise geschützte Erzeugnis an sich keine Erfindung darstellt.

8. Nach den Richtlinien für die Prüfung im EPA (C-III, 4.7b) sind Ansprüche für Erzeugnisse, die diese durch ein Verfahren zu ihrer Herstellung kennzeichnen, zulässig, wenn die Erzeugnisse als solche die Voraussetzungen der Patentierbarkeit erfüllen. Dies kann durchaus der einzige Weg sein, um bestimmte Naturprodukte oder makromolekulare Stoffe mit unbekannter oder vielschichtiger Zusammensetzung zu kennzeichnen, die noch nicht strukturell definiert worden sind. Bevor jedoch solche Ansprüche zugelassen werden, muß die Patentierbarkeit der Erzeugnisse, auf die diese Ansprüche gerichtet sind, feststehen, da diese Kennzeichnung an die Stelle der üblichen Definition durch die Struktur tritt.

9. Die Beschwerdeführerin beruft sich auf die einschlägige deutsche Rechtsprechung, wonach "Product-by-process"-Ansprüche auch in Fällen gewährt worden seien, in denen das Erzeugnis an sich nicht patentfähig gewesen sei. Herr Dr. Goddar verweist in diesem Zusammenhang auf Benkard, 7. Aufl., Seiten 353 und 355. Die dort gemachten Angaben beziehen sich offensichtlich auf die Frage des Schutzes für unmittelbare Verfahrenserzeugnisse nach § 9 Satz 2 Nummer 3 PatG, der Artikel 64 (2) EPÜ entspricht. In dem Vorbringen der Beschwerdeführerin werden allerdings die relevanteren Stellen in demselben Werk (z. B. Benkard, 7. Aufl., § 1, Rdn. 14 auf S. 124, Rdn. 86 auf S. 158 und 159 und Rdn. 88 (dc) auf S. 159) nicht erwähnt; dort wird deutlich gesagt, daß ein Anspruch für ein patentfähiges Erzeugnis zulässig ist, wenn weder die Struktur noch die physikalischen Eigenschaften des Stoffes bekannt sind. Dies geht auch aus den einschlägigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes und des Bundespatentgerichts hervor ("Trioxan" BIPMZ, 1971, 73, S. 374-33; BPatGE 20, S. 20-25, 1 BGHZ 57, 1.). Aus den beigefügten Unterlagen geht nicht hervor, daß auch nicht patentfähige Erzeugnisse auf diese Weise ausdrücklich beansprucht werden können.

10. In einer früheren Entscheidung der Kammer ist bereits festgestellt worden, daß sich "die Wirkung eines Verfahrens im Ergebnis, d. h. im chemischen Bereich im Erzeugnis, mit allen ihm innewohnenden Eigenschaften und den Folgen seiner besonderen Herstellung, z. B. Qualität, Ausbeute und wirtschaftlichem Wert" zeigt ("Gelatinierung/Exxon" T 119/82 vom 12.12.1983). Zwar können bei bekannten Verfahren Aufgaben erkennbar werden, die dann durch geeignete Änderungen oder Beschreitung eines völlig neuen Weges gelöst werden, die Wirkung dieser im Laufe des Verfahrens getroffenen Maßnahmen zeigt sich aber letzten Endes in den technischen und wirtschaftlichen Eigenschaften des Erzeugnisses, dem eigentlichen Zweck des Ganzen. Auch wenn einige Merkmale dieses Endeffekts der Deutlichkeit und Knappheit halber in die Definition des Verfahrens einbezogen werden, ist das Erzeugnis nur eine Folge der Erfindung und nicht die Erfindung selbst, die vielmehr in der neuen Wechselwirkung besteht, die das Verfahren in diesen Fällen darstellt. Eine Beanspruchung des an sich nicht erfinderischen Erzeugnisses mittels eines "Product-by-process"-Anspruches liefe auf die Beanspruchung der bloßen Wirkung hinaus. Zwar kann Artikel 64 (2) EPÜ unabhängig davon, ob ein Verfahren zu einem bekannten oder einem patentfähigen Erzeugnis führt, einen über die Erfindung hinausgehenden Schutz gewähren, doch darf dieser Schutz beiden Arten von Erzeugnissen nicht auf derselben Grundlage, d. h. ohne ihrem besonderen Charakter Rechnung zu tragen, erteilt werden. Dies muß als ungerechtfertigt und als Verstoß gegen die Artikel 52 (1) und 84 EPÜ abgelehnt werden. Um die Rechtsunsicherheit auf ein Mindestmaß zu beschränken, stellt sich die Kammer auf den Standpunkt, daß die Form des Anspruchs für ein an sich patentierbares Erzeugnis, das durch das Herstellungsverfahren gekennzeichnet ist ("Product-by-process"-Anspruch), solchen Fällen vorbehalten bleiben muß, in denen das Erzeugnis durch seine Zusammensetzung, seine Struktur oder sonstige nachprüfbare Parameter nicht hinreichend definiert werden kann.

11. Die Kammer hat sich mit der bekannten Tatsache, daß sowohl "omnibus claims" als auch "Product-by-process"-Ansprüche im Vereinigten Königreich, einem Vertragsstaat des Übereinkommens, ohne weiteres zugelassen werden, eingehend beschäftigt. Es muß aber auch festgestellt werden, daß diese Ansprüche in allen anderen Vertragsstaaten nur zur Beanspruchung nicht strukturell definierbarer Erzeugniserfindungen zugelassen sind; nach Auffassung der Kammer bieten die Artikel und Regeln des Übereinkommens keine Möglichkeit, solche Ansprüche aufgrund der Praxis in einem einzigen Vertragsstaat zuzulassen. Da die Beschwerde in bezug auf die streitigen Fragen zurückzuweisen ist, kann auch die Beschwerdegebühr nicht erstattet werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:

1. Die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 20. März 1982 wird aufgehoben.

2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

3. Die Beschwerde wird insoweit zurückgewiesen, als sie sich auf die mit Schreiben vom 13. Oktober 1983 eingereichten Anspruchssätze I und II bezieht.

4. Die Sache wird an die Vorinstanz zur weiteren Sachprüfung auf der Grundlage der auf die Verfahren gerichteten Ansprüche 1 bis 8 in Anspruchssatz III zurückverwiesen.

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