T 0328/87 (Zulässigkeit) of 4.4.1991

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1991:T032887.19910404
Datum der Entscheidung: 04 April 1991
Aktenzeichen: T 0328/87
Anmeldenummer: 81401494.0
IPC-Klasse: D06F 39/12
D06F 37/22
D06F 37/26
Verfahrenssprache: FR
Verteilung:
Download und weitere Informationen:
PDF nicht verfügbar
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE | EN | FR
Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Thomson-Brandt
Name des Einsprechenden: Elektrolux
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: 1. Wird ein Einspruch auf eine Vorbenutzung gestützt, so müssen innerhalb der Einspruchsfrist in der Einspruchsschrift alle zur Ermittlung des Zeitpunkts, des Gegenstands und der Umstände der Vorbenutzung dienlichen Tatsachen sowie die zur Begründung vorgebrachten Beweismittel angegeben werden, damit die Regel 55 c) EPU erfüllt ist. Diese Regel schreibt jedoch nicht vor, daß die Beweismittel innerhalb dieser Frist zur Akte gegeben werden.
2. Wird ein Einspruch für unzulässig erklärt, so kann er materiellrechtlich nicht geprüft werden, und zwar auch nicht von Amts wegen nach Artikel 114 (1) EPU.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 99(1)
European Patent Convention 1973 Art 101(1)
European Patent Convention 1973 Art 114(1)
European Patent Convention 1973 R 55(c)
European Patent Convention 1973 R 56(1)
Schlagwörter: Zulässigkeit eines auf Vorbenutzung gestützten Einspruchs (verneint)
Keine Ermittlungen von Amts wegen, wenn die materiellrechtliche Prüfung eines Einspruchs nicht eingeleitet werden kann
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0925/91
T 0541/92
T 1002/92
T 1085/92
T 0028/93
T 0169/93
T 0443/93
T 0886/93
T 0128/94
T 0522/94
T 0575/94
T 0633/95
T 0752/95
T 0786/95
T 1069/96
T 0102/97
T 0212/97
T 1106/97
T 0022/98
T 0067/98
T 0176/98
T 0217/98
T 0690/98
T 0906/98
T 0927/98
T 0103/99
T 0211/99
T 0240/99
T 0291/99
T 0526/99
T 0900/99
T 1022/99
T 0291/00
T 0481/00
T 1169/00
T 0339/01
T 0621/01
T 0858/01
T 0906/01
T 1097/01
T 0837/02
T 0152/03
T 0324/03
T 0624/04
T 0190/05
T 1134/06
T 1271/06
T 1553/06
T 0100/07
T 1553/07
T 0025/08
T 0426/08
T 0428/08
T 2215/08
T 0002/09
T 0613/10
T 1937/10
T 0109/11
T 1648/11
T 1856/11
T 0450/13
T 0460/13
T 2068/15
T 1054/18

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 00 50 066 (Anmeldenr.: 81 401 494.0) wurde am 13. November 1985 mit folgendem Patentanspruch 1 erteilt:

"Engraumwaschmaschine zum Beschicken von oben, dadurch gekennzeichnet, daß

- ihre Gesamthöhe H nicht mehr als 82 cm beträgt, damit sie unter einer genormten Arbeitsfläche (1) mit einer Höhe von 85 cm und einer Dicke von 3 cm eingebaut werden kann;

- ihre Gesamttiefe P nicht mehr als 60 cm beträgt, damit sie über eine genormte Arbeitsfläche (1) mit einer Tiefe von 60 cm nicht hervorragt und eine Ebene mit der Vorderfläche benachbarter Möbel bildet;

- ihre Schaltplatte (6) im Oberteil ihrer Vorderseite so angeordnet ist, daß sie über die Abmessungen der Arbeitsfläche nicht hinausragt;

- die Form der die Trommel (21) aufnehmenden Wanne (20) derjenigen der Trommel angepaßt ist, so daß zwischen dem Gehäuse (3) und der Wanne (20) im vorderen und im hinteren Oberteil der Maschine Hohlräume gebildet werden, in welchen die mit der Schaltplatte (6) verbundenen Regelorgane (25) und die Produktdosen (9, 29) angeordnet sind."

II. Am 11. August 1986 legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) per Fernschreiben Einspruch gegen das europäische Patent ein. Das Schreiben, das den Inhalt des Fernschreibens wiedergibt, ging am 14. August 1986 ein, und die entsprechende Gebühr wurde am 8. August 1986 entrichtet.

In der vorgenannten Einspruchsschrift wurde als Einspruchsgrund mangelnde erfinderische Tätigkeit in bezug auf die in den Patentansprüchen definierte Erfindung angeführt.

Ferner war in der Rubrik "Beweismittel" folgendes angegeben: "Waschmaschinen zum Beschicken von oben mit einer zylindrischen Wanne und Räumen für ein Programmierteil usw. im vorderen und im hinteren Oberteil sind vor dem Prioritätstag der Anmeldung in Frankreich hergestellt und verkauft worden. Eine solche Maschine ist auf der Zeichnung Nr. 941 887 vom 5. Januar 1968 dargestellt. Eine detaillierte Beweisführung und Kopien dieser Zeichnung werden nachgereicht".

III. Nach Ablauf der Einspruchsfrist reichte die Beschwerdeführerin am 20. Oktober 1986 die Zeichnung Nr. 941 887 sowie weitere Beweismittel ein, um die in der Einspruchsschrift behauptete Vorbenutzung glaubhaft zu machen.

IV. Mit Mitteilung vom 23. Januar 1987 teilte der Formalsachbearbeiter der Beschwerdeführerin mit, daß in der Einspruchsschrift die Angabe der zur Begründung des Einspruchs vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel fehle (Regel 55 c) EPU). Es wurde präzisiert, daß dieser Mangel nicht mehr behebbar sei, weil die Einspruchsfrist abgelaufen sei.

In ihrer am 19. März 1987 eingereichten Erwiderung nahm die Beschwerdeführerin hierzu nicht Stellung, sondern lieferte weitere Beweismittel zur Stützung der behaupteten Vorbenutzung.

V. Mit Entscheidung vom 2. Juli 1987 verwarf die Einspruchsabteilung den Einspruch als unzulässig nach Regel 56 (1) EPU.

VI. Am 27. August 1987 legte die Beschwerdeführerin unter Entrichtung der entsprechenden Gebühr Beschwerde gegen diese Entscheidung ein. Die Begründung ging am 2. November 1987 ein.

VII. In einer vom 8. November 1990 datierten Mitteilung gemäß Artikel 11 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern vertrat die Kammer die Auffassung, daß der Einspruch die in Regel 55 c) EPU genannte dritte Bedingung, das heißt die Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel innerhalb der Frist von neun Monaten, nicht zu erfüllen scheine.

VIII. In ihrer Erwiderung vom 18. Februar 1991 teilte die Beschwerdeführerin mit, daß sie ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückziehe. Sie beantragte die Aufhebung der Entscheidung zur Verwerfung des Einspruchs und die Zurückverweisung der Akte an die Einspruchsabteilung zur materiellrechtlichen Prüfung des Einspruchs.

Zur Stützung ihres Antrags brachte sie in der Begründung und in ihrer Erwiderung vom 18. Februar 1991 im wesentlichen folgendes vor:

- Regel 55 c) EPU beziehe sich nur auf die Voraussetzungen, die der Inhalt der Einspruchsschrift erfüllen müsse, ohne daß dabei die Frist von neun Monaten erwähnt werde; deshalb habe der Formalsachbearbeiter in seiner Mitteilung vom 23. Januar 1987 zu Unrecht die Auffassung vertreten, daß die Erfordernisse der Regel 55 c) EPU innerhalb der Einspruchsfrist von neun Monaten erfüllt werden müßten;

- Die Einspruchsschrift müsse nach Regel 55 c) EPU die Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel enthalten; dieses Erfordernis sei in der Einspruchsschrift durch den Hinweis auf die Zeichnung Nr. 941 887 vom 5. Januar 1968 erfüllt; Regel 55 c) EPU schreibe lediglich die Angabe der Beweismittel, nicht jedoch deren Vorlage vor.

- Anspruch 1 des europäischen Patents enthalte vier Merkmale, von denen sich drei auf die Abmessungen der beanspruchten Waschmaschine bezögen; es liege auf der Hand, daß die Abmessungen einer Maschine, die zum Einbau in eine Standardküche vorgesehen sei, nicht als erfinderisch gelten könnten. Darüber hinaus finde sich das vierte im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 aufgeführte Merkmal in der Zeichnung Nr. 941 887 vom 5. Januar 1968 wieder. Infolgedessen könne die Kammer nicht umhin, die Gültigkeit eines solchen Anspruchs in Zweifel zu ziehen.

- In der Entscheidung T 156/84, ABl. EPA 1988, 373, heiße es, daß die Ermittlung von Amts wegen weder auf das Vorbringen noch auf die Anträge der Beteiligten beschränkt und das EPA gegenüber der Öffentlichkeit verpflichtet sei, keine Patente zu erteilen oder aufrechtzuerhalten, die rechtlich keinen Bestand hätten. Die Einspruchsabteilung und im Anschluß daran die Beschwerdekammer seien somit aufgrund von Artikel 114 (1) EPU verpflichtet, den Einspruch von Amts wegen zu prüfen.

IX. Durch ihr vorbehaltloses Einverständnis mit der angefochtenen Entscheidung beantragte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) implizit die Zurückweisung der Beschwerde und die Bestätigung der Entscheidung zur Verwerfung des Einspruchs vom 2. Juli 1987.

Entscheidungsgründe

1. Aus den Punkten V und VI des Sachverhalts und der Anträge ergibt sich, daß die Beschwerde den Artikeln 106 bis 108 und der Regel 64 EPU entspricht und somit zulässig ist.

2. Artikel 101 (1) EPU besagt, daß der Einspruch geprüft wird, "wenn er zulässig ist".

Daher muß vor Einleitung der materiellrechtlichen Prüfung die Zulässigkeit des Einspruchs geprüft werden.

Regel 55 c) EPU bestimmt, daß die Einspruchsschrift enthalten muß:

1) eine Erklärung darüber, in welchem Umfang gegen das europäische Patent Einspruch eingelegt wird,

2) eine Angabe der Einspruchsgründe sowie

3) eine Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel

Artikel 99 (1) EPU besagt, daß der Einspruch "innerhalb von neun Monaten nach der Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung" eingelegt werden muß. Daraus folgt, daß die in Regel 55 c) EPU aufgeführten Bedingungen vor Ablauf der Frist von 9 Monaten erfüllt sein müssen. Dieses Erfordernis ergibt sich ganz offensichtlich aus Regel 56 (1) EPU, die die Verwerfung des Einspruchs als unzulässig insbesondere dann vorsieht, wenn die Einspruchsschrift nicht innerhalb der Frist von neun Monaten mit Regel 55 c) EPU in Einklang gebracht wird.

Der Formalsachbearbeiter hat also in der Mitteilung vom 23. Januar 1987 zu Recht die Auffassung vertreten, daß die Erfordernisse der Regel 55 c) EPU vor Ablauf der Frist von neun Monaten erfüllt werden müßten.

3. Nunmehr ist zu prüfen, ob die Einspruchsschrift bei Ablauf der Frist von neun Monaten die drei vorstehend genannten Erfordernisse der Regel 55 c) EPU erfüllte:

3.1 Erklärung über den Umfang des Einspruchs (Bedingung 1 der Regel 55 c) EPU)

In der Einspruchsschrift war beantragt worden, daß das Patent "in vollem Umfang widerrufen" werde. Die Bedingung 1 der Regel 55 c) EPU ist daher ganz offensichtlich erfüllt.

3.2 Angabe der Einspruchsgründe (Bedingung 2 der Regel 55 c) EPU)

In der Einspruchsschrift ist als Einspruchsgrund die mangelnde erfinderische Tätigkeit angegeben, das heißt die mangelnde Patentfähigkeit nach Artikel 100 a) EPU. Die Bedingung 2 ist somit ebenfalls erfüllt.

3.3 Angabe der Tatsachen und Beweismittel (Bedingung 3 der Regel 55 c) EPU)

Im Unterschied zu den in Regel 55 a) und b) EPU genannten Bedingungen sowie zu den Bedingungen 1 und 2 der Regel 55 c) EPU, die als Formerfordernisse gelten können, betrifft die Bedingung 3 dieser Regel in Verbindung mit den Bestimmungen des Artikels 99 (1) EPU den eigentlichen Grund des Einspruchs und erfordert vom Einsprechenden eine Begründung. Daher kann die Frage, ob eine Einspruchsschrift die genannten sachlichen Mindestanforderungen des Artikels 99 (1) und der Regel 55 c) EPU erfüllt, nur im Einzelfall aus der Sicht des Fachmanns auf dem Gebiet entschieden werden, auf das sich das angefochtene Patent bezieht (s. Entscheidung T 222/85, ABl. EPA 1988, 128, Nr. 4 der Entscheidungsgründe). Nach den Richtlinien für die Prüfung, Teil D, Kapitel IV, 1.2.2.1 f) ist die Bedingung 3 der Regel 55 c) EPU in dem Fall, in dem eine Vorbenutzung als Stand der Technik angeführt wird, erfüllt, wenn die Einspruchsabteilung (und der Patentinhaber) anhand der gemachten Angaben folgendes ermitteln kann:

a) das Datum der Benutzung, was auf die Frage hinausläuft, ob vor dem Anmeldetag des betreffenden europäischen Patents überhaupt eine Benutzung erfolgt ist;

b) den Gegenstand der Benutzung, damit festgestellt werden kann, ob die Vorrichtung, die Gegenstand der Vorbenutzung war, mit dem patentgemäßen Gegenstand identisch oder vergleichbar ist;

c) alle Umstände der Benutzung, die ihn der Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben, z. B. Ort und Art der Verwertung.

3.3.1 Ermittlung des Datums der Vorbenutzung (Kriterium a))

In der Einspruchsschrift ist lediglich angegeben, daß die Vorbenutzung "vor dem Prioritätstag der europäischen Patentanmeldung" erfolgt sei. In anderen Worten, diese Vorbenutzung fand während eines unbestimmten Zeitraums statt, von dem nur bekannt ist, daß er "vor" dem Prioritätstag liegt. Somit wird also lediglich behauptet, daß es sich bei der vorgebrachten Benutzung um eine Vorbenutzung handelt, ohne daß der Tag oder Zeitraum angegeben werden, zu dem diese stattgefunden hat.

Die in der Einspruchsschrift erwähnte Zeichnung trägt das Datum

5. Januar 1968. Ein solches Datum ist normalerweise das Datum der Fertigstellung der Zeichnung und nicht das der Herstellung des darin dargestellten Erzeugnisses. In der Einspruchsschrift ist nirgends angegeben, ob die Vorbenutzung vor, nach oder zu diesem Zeitpunkt stattgefunden hat. Zur Stützung ihrer Behauptung führte die Beschwerdeführerin auch nicht aus, ob die Vorbenutzung vor dem Prioritätstag des streitigen europäischen Patents stattgefunden hat.

Das vorgenannte Kriterium a) ist also nicht erfüllt.

3.3.2 Ermittlung des Gegenstands der Benutzung (Kriterium b))

Diese Bedingung ist im vorliegenden Fall erfüllt: Die Einspruchsschrift enthält nämlich eine Angabe des Gegenstands der Benutzung, nämlich "eine Waschmaschine zum Beschicken von oben mit einer zylindrischen Wanne und Hohlräumen für ein Programmierelement usw. ...

im oberen vorderen und hinteren Teil"; die Angabe der Begründung (oder des Beweismittels) geschieht durch die Erwähnung der Nummer und des Datums der Zeichnung in der Einspruchsschrift.

Die betreffende Zeichnung wurde nach Ablauf der Einspruchsfrist vorgelegt. Wie die Beschwerdeführerin geltend machte, schreibt Regel 55 c) EPU aber nur die Angabe des Beweismittels und nicht seine Vorlage vor, welche im Laufe des Verfahrens erfolgen kann.

Hierzu wird auf die Entscheidung T 234/86, ABl. EPA 1989, 79, verwiesen, wonach eine Einspruchsschrift die Erfordernisse der Regel 55 c) EPU erfüllt, wenn das Beweismittel (hier: ein Dokument) in der Einspruchsschrift genau bezeichnet und angegeben ist, welche Tatsachenbehauptung hierdurch bewiesen werden soll.

3.3.3 Ermittlung der Umstände der Benutzung (Kriterium c))

Dieses dritte Erfordernis ist ebenfalls nicht erfüllt: Auch wenn die Tatsachen, nämlich die Herstellung und Vermarktung der Waschmaschine zum Beschicken von oben in Frankreich, in der Einspruchsschrift hinreichend genau angegeben sind, so enthält diese doch keine entsprechenden Beweismittel zur Glaubhaftmachung dieser Tatsachen, wie beispielsweise Verkaufskataloge, Lieferscheine, Namen und Anschriften von Zeugen usw.

Durch das Fehlen eines Hinweises auf ein wie auch immer geartetes geeignetes Beweismittel wird der Behauptung der Beschwerdeführerin, daß eine solche Waschmaschine hergestellt und vermarktet worden sei, jegliche Grundlage entzogen.

3.4 Die Kammer zieht daraus den Schluß, daß die Einspruchsschrift bei Ablauf der Frist von neun Monaten die Kriterien a und c und damit das Erfordernis 3 der Regel 55 c) EPU nicht erfüllte. Der Einspruch war daher unzulässig.

4. Die Beschwerdeführerin versuchte geltend zu machen, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 offensichtlich keine erfinderische Tätigkeit aufweise und, wie in der genannten Entscheidung T 156/84 dargelegt, das Europäische Patentamt gegenüber der Öffentlichkeit verpflichtet sei, keine Patente zu erteilen oder aufrechtzuerhalten, die rechtlich keinen Bestand hätten. Somit wäre die Einspruchsabteilung in dem ihr vorgelegten Fall verpflichtet gewesen, den Einspruch nach Artikel 114 (1) EPU von Amts wegen zu prüfen.

Im Zusammenhang mit diesem Rechtsinstrument weist die Kammer darauf hin, daß die Befugnis zur Ermittlung von Amts wegen nach Artikel 114 (1) EPU nicht außerhalb des allgemeinen Rahmens der Ubereinkommensvorschriften ausgeübt werden darf. Da im vorliegenden Fall festgestellt werden muß, ob die Einspruchsabteilung diese Befugnis ausüben konnte, ist von folgender Uberlegung auszugehen:

- Artikel 101 (1) EPU sieht vor, daß die Einspruchsgründe geprüft werden, "wenn der Einspruch zulässig ist"; ist ordnungsgemäß festgestellt worden, daß er unzulässig ist, so ergibt sich im Gegenschluß, daß er nicht Gegenstand einer materiell- rechtlichen Prüfung sein kann. Dies wird durch die bereits erwähnte Regel 56 EPU bestätigt, die der Einspruchsabteilung vorschreibt, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen, wenn er in fine den Vorschriften des EPU über die Zulässigkeit nicht entspricht; mit dieser Verwerfung ist das Einspruchsverfahren rechtlich abgeschlossen; damit liegt auf der Hand, daß das materiellrechtliche Prüfungsverfahren nicht eingeleitet werden kann.

- Artikel 114 (1) EPU besagt seinerseits, daß "in den Verfahren vor dem Europäischen Patentamt ... das Europäische Patentamt von Amts wegen ermittelt"; der Rechtsmechanismus, der die Ermittlung von Amts wegen in Gang setzt, ist also dem die materiellrechtliche Prüfung auslösenden vergleichbar: Wird der Einspruch nach Regel 56 EPU verworfen, liegt auch hier rechtlich kein "laufendes" Verfahren mehr vor, und es kann nicht von Amts wegen ermittelt werden.

Natürlich gilt diese Uberlegung entsprechend auch für die Fälle, in denen die Beschwerdekammern - aufgrund der Regel 66 (1) EPU - diese Befugnis zur Ermittlung von Amts wegen ausüben.

Die Unzulässigkeit des Einspruchs oder der Beschwerde hat nämlich zur Folge, daß das europäische Patent dem nationalen Recht der benannten Staaten unterstellt wird, die damit allein dafür zuständig sind, nach Maßgabe ihrer jeweiligen Rechtsvorschriften über seinen rechtlichen Bestand zu befinden.

5. Aus den genannten Gründen hält die Kammer die Einspruchsschrift für unheilbar mangelhaft; die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch entsprechend der Regel 56 (1) EPU als unzulässig verworfen wurde, muß somit bestätigt werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation