T 0886/93 () of 20.8.1997

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1997:T088693.19970820
Datum der Entscheidung: 20 August 1997
Aktenzeichen: T 0886/93
Anmeldenummer: 84112971.1
IPC-Klasse: C08G 18/80
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Als Dispergiermittel geeignete Additionsverbindungen, Verfahren zu ihrer Herstellung, ihre Verwendung und damit beschichtete Feststoffe
Name des Anmelders: Byk-Chemie GmbH
Name des Einsprechenden: EFKA Chemicals B.V.
Thorson Chemicals GmbH
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 87
European Patent Convention 1973 Art 88
Schlagwörter: Inanspruchnahme der Priorität (nein) - wesentliches Teilmerkmal in der früheren Anmeldung nicht enthalten
Neuheit (nein) - offenkundige Vorbenutzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen (Hauptantrag und Hilfsantrag III)
Klarheit (nein) - Aufteilung der ursprünglichen Bereiche in eine Vielzahl von alternativen Teilerfindungen (Hilfsanträge I und II)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/92
T 0328/87
T 0472/92
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 0 154 678 der Byk-Chemie GmbH mit dem Titel "Als Dispergiermittel geeignete Additionsverbindungen, Verfahren zu ihrer Herstellung, ihre Verwendung und damit beschichtete Feststoffe" wurde am 26. August 1987 (Patentblatt 87/35) auf der Basis von 19 Patentansprüchen, davon 4 unabhängigen (1, 9, 17 und 18) erteilt. Das Patent beruht auf der Anmeldung 84. 112 971.1 vom 27. Oktober 1984, für die die Priorität der DE 3 402 774 vom 27. Januar 1984 in Anspruch genommen wurde.

Der unabhängige Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Als Dispergiermittel geeignete Additionsverbindungen und deren Salze, erhältlich durch Umsetzung von Polyisocyanaten, Hydroxyverbindungen, Zerewitinoff-Wasserstoff sowie mindestens eine stickstoffhaltige basische Gruppe enthaltenden Verbindungen und gegebenenfalls Verbindungen, die Aminwasserstoff enthalten, gegebenenfalls in Anwesenheit von Lösungsmitteln und gegebenenfalls in Gegenwart von Umsetzungskatalysatoren, dadurch gekennzeichnet, dass sie dadurch erhältlich sind, dass Polyisocyanate mit einer mittleren Funktionalität von 2.5 bis 6

a) mit Monohydroxyverbindungen der Formel I

Y-OH

wobei Y die folgenden Bedeutungen hat:

i) aliphatische und/oder cycloaliphatische Kohlenwasserstoffgruppen mit 8 bis 30. Kohlenstoffatomen, deren Wasserstoffatome teilweise durch Halogene und/oder Arylreste ersetzt sein können,

ii) mindestens eine -O-, und/oder -COO-Gruppe enthaltende aliphatische, cycloaliphatische und/oder aromatische Gruppen mit Molekulargewichten von 350 bis 8000, wobei die Wasserstoffatome teilweise durch Halogene ersetzt sein können,

in einer solchen Menge umgesetzt werden, dass 15. bis 50%, vorzugsweise 20 bis 40% und besonders bevorzugt 20 bis 35% der NCO-Gruppen umgesetzt sind,

b) das erhaltene Reaktionsprodukt mit Verbindungen der Formel II

G-(E)n

wobei E für -OH, -NH2 und/oder -NHR (worin R eine Alkylgruppe mit 1 bis 4 Kohlenstoffatomen darstellt), und n für 2 oder 3 stehen, und G eine mindestens 2 Kohlenstoffatome enthaltende aliphatische, cycloaliphatische und/oder aromatische Gruppe mit Molekulargewichten von höchstens 3000 darstellt, die -O-, -COO-, -CONH-, -S- und/oder -SO2-Gruppen enthalten kann, in einer solchen Menge umgesetzt wird, dass weitere 15 bis 45%, vorzugsweise 20 bis 40% und besonders bevorzugt 20 bis 35% der NCO-Gruppen der ursprünglich eingesetzten Polyisocyanate umgesetzt sind, jedoch die Summe der NCO-Umsetzungsgrade der Umsetzungen a) und b) mindestens 40% und maximal 75%, vorzugsweise 45 bis 65% und besonders bevorzugt 45 bis 55% beträgt,

c) das erhaltene Reaktionsprodukt mit Verbindungen der allgemeinen Formel III

Z -Q

worin Q für -OH, -NH2, -NHR (worin R für eine Alkylgruppe mit 1 bis 4 Kohlenstoffatomen steht) oder -SH steht und Z eine aliphatische Gruppe mit 2 bis 10 C-Atomen mit mindestens einer tertiären Aminogruppe oder eine heterocyclische Gruppe mit mindestens einem basischen Ringstickstoffatom ist, das kein Wasserstoffatom enthält, wobei die heterocyclische Gruppe über eine Alkylengruppe mit 1 bis zu 10. C-Atomen an die Gruppe Q gebunden sein kann, in einer solchen Menge umgesetzt wird, dass auf jede verbleibende in den Stufen a) und b) noch nicht umgesetzte Isocyanatgruppe mindestens ein Molekül der Verbindung Z-Q entfällt."

Der unabhängige Anspruch 9 ist auf ein Verfahren zur Herstellung von als Dispergiermittel geeigneten Additionsverbindungen oder deren Salzen, Anspruch 17 auf deren Verwendung als Dispergiermittel und Anspruch 18 auf pulver- oder faserförmige Feststoffe, die mit Dispergiermittel beschichtet sind, gerichtet.

Die jeweils davon abhängigen übrigen Ansprüche betreffen deren weitere Ausgestaltung.

II. Gegen dieses Patent wurde am 26. August 1987 von EFKA Chemicals B.V. Einspruch eingelegt mit der Begründung, der Gegenstand des Patents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Diesem Einspruch trat am 15. November 1990 Thorson Chemicals GmbH zusammen mit Herrn Manfred Heim als vermeintlicher Patentverletzer, gemäß Klage des Patentinhabers vom 15. August 1990 vor dem Landgericht Düsseldorf, nach Artikel 105 EPÜ bei. Der Beitretende machte geltend, der patentierte Gegenstand sei der Öffentlichkeit bereits vor dem Anmeldetag durch Benutzung zugänglich gemacht worden (Artikel 54 (2) EPÜ) und stützte sich in seiner Beitrittserklärung auf die Herstellung und den Verkauf wesentlicher Mengen eines Dispergiermittels mit der Bezeichnung LP 5064, später Disperbyk-160 genannt, an die Firma Herberts GmbH in 1983 durch die Patentinhaberin. Ein Zeuge wurde genannt.

Im Verlauf des Verfahrens wurden weitere Beweismittel für die Vorbenutzung vorgelegt, von denen folgende als entscheidungserheblich anzusehen sind:

(B1) Rundbrief der Patentinhaberin: "Patent protection for the Disperbyk-160-Family";

(B2) Protokoll der öffentlichen Sitzung der 3. und 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hagen in Sachen: "BYK-Chemie gegen Franz (23 014/87)".

(B3) Klage der BYK-Chemie GmbH gegen EFKA Chemicals B.V. und Thorson Chemicals GmbH (Landgericht Düsseldorf, 4. Zivilkammer, 15.08.90);

(B4) Erklärung von Herrn R.E. Schanze (20.11.90);

(B5) Brief von DEFRA GmbH an Becker GmbH (15.03.84);

(B11) Erklärung von Herrn Bissels (09.03.91);

(B12) Sample Book (2 Seiten) "Rohstoffe Labor" Crebonit-Feidal Industrie Lacke GmbH&Co;

(B13) Brief von DEFRA GmbH an EFKA Chemicals B.V. (16.03.84);

(B15) Handgeschriebenes Rezept;

(B17) Brief von Rechtsanwalt Wildanger an DEFRA GmbH (25.11.88);

(B19) Brief von Rechtsanwalt Doepner an Landgericht Düsseldorf (10.03.92).

III. In der am 26. Januar 1993 verkündeten und mit Schriftsatz vom 18. August 1993 zugestellten Zwischenentscheidung entschied die Einspruchsabteilung zunächst, der vermeintliche Patentverletzer sei Verfahrensbeteiligter im Sinne von Artikel 105 EPÜ. Die Einspruchsabteilung sah ferner mangelnde Neuheit des erteilten Anspruchs 1 aufgrund einer Vorbenutzung im Prioritätsintervall als erwiesen an, da dem Gegenstand dieses Anspruchs die beanspruchte Priorität nicht zuerkannt werden konnte. Sie gab dem Hilfsantrag statt, der in der am 26. Januar 1993 abgehaltenen mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht worden war, da dessen Gegenstand die beanspruchte Priorität zukomme und er den Erfordernissen des EPÜ genüge.

IV. Gegen diesen Beschluß legte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 9. Oktober 1993 unter gleichzeitiger Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein.

1. Sie bestritt in der am 18. Dezember 1993 eingegangenen Beschwerdebegründung, sowie im Schriftsatz vom 25. April 1995 und in der am 20. August 1997 abgehaltenen mündlichen Verhandlung,

(a) die Zulässigkeit des Einspruchs der nach Artikel 105 EPÜ Beigetretenen wegen mangelnder Substantiierung der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung mit der Begründung, daß sich der innerhalb der Beitrittsfrist vorgelegte Sachverhalt als nicht relevant erwiesen habe. Dieser Mangel könne auch später nicht mehr behoben werden;

(b) die Aberkennung der Priorität;

(c) die Vorbenutzung.

2) Zusammen mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin als Basis für ihren Hilfsantrag I einen Satz von 19 Ansprüchen ein, dessen Anspruch 1, wie folgt, lautet:

"Als Dispergiermittel geeignete Additionsverbindungen und deren Salze, erhältlich durch Umsetzung von Polyisocyanaten, Hydroxyverbindungen, Zerewitinoff-Wasserstoff sowie mindestens eine stickstoffhaltige basische Gruppe enthaltenden Verbindungen und gegebenenfalls Verbindungen, die Aminwasserstoff enthalten, gegebenenfalls in Anwesenheit von Lösungsmitteln und gegebenenfalls in Gegenwart von Umsetzungskatalysatoren, dadurch gekennzeichnet, dass sie dadurch erhältlich sind, dass Polyisocyanate mit einer mittleren Funktionalität von 2,5 bis < 3 oder 3 bis 6

a) mit Monohydroxyverbindungen der Formel I

Y-OH

wobei Y die folgenden Bedeutungen hat:

i) aliphatische und/oder cycloaliphatische Kohlenwasserstoffgruppen mit 8 bis 30. Kohlenstoffatomen, deren Wasserstoffatome teilweise durch Halogene und/oder Arylreste ersetzt sein können,

ii) mindestens eine -O-, und/oder -COO-Gruppe enthaltende aliphatische, cycloaliphatische und/oder aromatische Gruppen mit Molekulargewichten von 350 bis 8000, wobei die Wasserstoffatome teilweise durch Halogene ersetzt sein können,

in einer solchen Menge umgesetzt werden, dass 15. bis <20 oder 20 bis 50%, vorzugsweise 20 bis 40% und besonders bevorzugt 20 bis 35% der NCO-Gruppen umgesetzt sind,

b) das erhaltene Reaktionsprodukt mit Verbindungen der Formel II

G-(E)n

wobei E für -OH, -NH2 und/oder -NHR (worin R eine AIkylgruppe mit 1 bis 4 Kohlenstoffatomen darstellt), und n für 2 oder 3 stehen, und G eine mindestens 2 Kohlenstoffatome enthaltende aliphatische, cycloaliphatische und/oder aromatische Gruppe mit Molekulargewichten von höchstens 3000 darstellt, die -O-, -COO-, -CONH-, -S- und/oder -SO2-Gruppen enthalten kann, in einer solchen Menge umgesetzt wird, dass weitere 15 bis < 22 oder 22 bis 36 oder > 36 bis 45 %, vorzugsweise 20 bis 40% und besonders bevorzugt 20. bis 35 % der NCO-Gruppen der ursprünglich eingesetzten Polyisocyanate umgesetzt sind, jedoch die Summe der NCO-Umsetzungsgrade der Umsetzungen a) und b) mindestens 40% bis < 45% oder mindestens 45% und maximal 75%, vorzugsweise 45. bis 65% und besonders bevorzugt 45 bis 55% beträgt,

c) das erhaltene Reaktionsprodukt mit Verbindung aus der Gruppe N,N-Diethyl-1,4-butandiamin,

1-(2-Aminoethyl)piperazin,

2-(1-Pyrrolidyl)-ethylamin,

4-Amino-2-methoxy-pyrimidin,

2-Dimethylaminoethanol,

1-(2-Hydroxyethyl)piperazin,

4-(2-Hydroxyethyl)morpholin, 2-Mercaptopyrimidin,

2-Mercaptobenzimidazol,

N,N-Dimethyl-1,3-propandiamin,

4-(2-Aminoethyl)pyridin,

2-Amino-6-methoxybenzothiazol,

4-Aminomethyl-pyridin, N,N-Diallylmelamin,

3-Amino-1,2,4-triazol, 1-(3-Aminopropyl)imidazol,

4-(2-Hydroxyethyl)pyridin,

1-(2-Hydroxyethyl)imidazol und

3-Mercapto-1,2,4-triazol in einer solchen Menge umgesetzt wird, daß die verbleibenden Isocyanatgruppen umgesetzt sind, oder das erhaltene Reaktionsprodukt mit Verbindungen der allgemeinen Formel III

Z-Q

worin Q für -OH, -NH2, -NHR (worin R für eine Alkylgruppe mit 1 bis 4 Kohlenstoffatomen steht) oder -SH steht und Z eine aliphatische Gruppe mit 2. bis 10 C-Atomen mit mindestens einer tertiären Aminogruppe oder eine heterocyclische Gruppe mit mindestens einem basischen Ringstickstoffatom ist, das kein Wasserstoffatom enthält, wobei die heterocyclische Gruppe über eine Alkylengruppe mit 1 bis zu 10 C-Atomen an die Gruppe Q gebunden sein kann, in einer solchen Menge umgesetzt wird, dass auf jede verbleibende in den Stufen a) und b) noch nicht umgesetzte Isocyanatgruppe mindestens ein Molekül der Verbindung Z-Q entfällt."

3) In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer legte die Beschwerdeführerin zwei weitere Anspruchssätze als Hilfsanträge II und III vor, deren jeweiliger Anspruch 1 sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrags I, wie folgt, unterscheidet:

in Hilfsantrag II wurden in c) die alternativen Verbindungen der allgemeinen Formel III gestrichen;

in Hilfsantrag III wurden zusätzlich zur vorgenannten Streichung die Unterteilungen der Bereiche der Funktionalität, der Umsetzungen der NCO-Gruppen in a) und b) und des Umsetzungsgrades der Umsetzungen a) und b) wieder gestrichen, so daß die Bereiche jetzt, wie im Anspruch 1 des Hauptantrags bzw. erteilten Patents, wieder lauten: 2,5 bis 6; 15 bis 50%; 15 bis 45% und mindestens 40%.

V. In ihrer Erwiderung auf die Beschwerde machten die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechenden) geltend,

i) die Argumentation bezüglich der vollen Deckung des beanspruchten Gegenstandes durch das Prioritätsdokument überzeuge nicht, da die vorgenommenen Änderungen den Offenbarungsgehalt des Prioritätsdokuments so abändern würden, daß das Streitpatent nunmehr Teile umfasse, die von der Prioritätsanmeldung nicht gedeckt würden.

ii) es sei im Falle eines Beitritts eines vermeintlichen Patentverletzers nicht erforderlich, die Beweismittel innerhalb von drei Monaten nach dem Tag der Beitrittserklärung vorzulegen, vielmehr genüge es, eine ausreichende Begründung innerhalb dieser Frist einzureichen.

VI. Mit Schreibem vom 28. April 1995 teilten die Beschwerdegegnerinnen die Zurücknahme der Einsprüche mit.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung als Hauptantrag, hilfsweise aufgrund der als Hilfsantrag I am 18. Dezember 1993 eingegangenen Ansprüche 1 bis 19 oder aufgrund der als Hilfsantrag II bzw. Hilfsantrag III während der mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruchssätze.

Die Beschwerdegegnerinnen sind nach Rücknahme ihrer Einsprüche nicht mehr am Verfahren beteiligt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zulässigkeit des Einspruchs der Beitretenden

Die Kammer hat, wie bereits die Einspruchsabteilung, keine Bedenken gegen die Zulässigkeit dieses Einspruchs, da der schriftlich erklärte Beitritt innerhalb der in Artikel 105 EPÜ vorgesehenen Frist von drei Monaten nach Erhebung der Verletzungsklage (vgl. B3) erfolgte.

2.1. In ihrer als Annex zur Beitrittserklärung am 15. November 1990 eingereichten Begründung machte die Beitretende geltend, daß unter die Ansprüche fallende Dispergiermittel der Öffentlichkeit vor Januar 1984 zugänglich gemacht worden seien. Sie stützte diese Behauptung darauf, daß die Patentinhaberin 1983 bereits beträchtliche Mengen des Dispergiermittels LP 5064, später Disperbyk-160 genannt, hergestellt und an die Firma Herberts GmbH verkauft habe.

Als Beweis für die Identität der Produkte wurde B1 eingereicht. Für die Auslieferung des Produktes wurden Zeugen benannt.

Zusätzlich wurde geltend gemacht, daß Herr R.E. Schanze bereits 1983 Testmengen eines Produktes W 080 erhalten hatte, dessen im Schriftsatz angegebene Zusammensetzung unter den im Streitpatent beanspruchten Gegenstand fällt. Als Beweismittel wurde u.a. eingereicht: B2, S. 6, Erklärung des Herrn Jockel zur Lieferung von 5 kg W 080 durch URSA an DEFRA z. Hdn. von Herrn Schanze noch vor dem 30. März 1983.

Als weiteres Beweismittel wurde am 27. Februar 1991 die Erklärung B4 von Herrn Schanze betreffend Zusammensetzung und Produktion des Dispergiermittels W 080 durch URSA sowie dem Zeitpunkt der Vermarktung vorgelegt.

2.2. Von der Beschwerdeführerin wurde im schriftlichen Verfahren (vgl. Beschwerdebegründung, Pkt. 10.1; Eingabe vom 25. April 1995, SS. 1/2) bestritten, daß der einzige, sich auf Vorbenutzung stützende Einspruchsgrund im Sinne der Regel 55 c) EPÜ ausreichend substantiiert wurde.

2.3. Zu Beginn der mündlichen Verhandlung teilte die Kammer mit, sie halte die vorgenannten Gründe und Beweismittel für ausreichend und es spiele für die Zulässigkeit keine Rolle, ob der Vortrag sachlich zum Erfolg führe, d. h. materiellrechtlich begründet sei (vgl. T 0328/87, ABl. EPA 1992, 701). Die Beschwerdeführerin äußerte sich hierzu nicht und stellte in der mündlichen Verhandlung auch keinen Antrag auf Unzulässigkeit.

3. Die relevanten Dokumente

In ihrer Entscheidung stützte sich die Einspruchsabteilung auf:

B1: Einen undatierten Brief der BYK-Chemie GmbH mit dem Betreff "Patent protection for the Disperbyk-160-Family". Dieser Brief richtet sich, wie aus seinem Inhalt hervorgeht, an Kunden von Byk und wurde nach der Erteilung des Streitpatents, d. h. dem 26. August 1987, verteilt, da in ihm hierauf Bezug genommen wurde. Es wird u. a. mitgeteilt, daß mit der Erteilung dieses Patents die Herstellung und die Verwendung der Disperbyk-160-Family unter Schutz gestellt wurde.

B11: Eine von Herrn Bissels am 9. März 1991 persönlich abgegebene Erklärung, in der er erklärt, Angestellter der Firma Crebonit Feidal Industrielacke GmbH & Co. zu sein und durch ein "Sample Book", Beweismittel B12, belegt, daß die Firma Crebonit am 13. September 1984 ein Muster Disperbyk 160 ohne Geheimhaltungsverpflichtung erhalten habe.

4. Hauptantrag

Dieser Antrag, der auf die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung gerichtet ist, war von der Einspruchsabteilung wegen mangelnder Neuheit abgelehnt worden.

4.1. Nach Artikel 54 (1) EPÜ gilt eine Erfindung dann als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Den Stand der Technik bildet nach Artikel 54 (2) EPÜ u. a. alles, was vor dem Anmeldetag der europäischen Patentanmeldung der Öffentlichkeit durch Benutzung zugänglich gemacht worden ist. Um festzustellen, ob eine Erfindung der Öffentlichkeit durch Vorbenutzung zugänglich gemacht worden ist, müssen folgende Umstände geklärt werden:

a) wann, d. h. in welchem Zeitraum die Vorbenutzung erfolgte;

b) was, d. h. der genaue Gegenstand der Vorbenutzung;

c) wie, d. h. die Umstände unter denen die Vorbenutzung erfolgte, wozu u.a. das wo und durch wen gehört.

Die Bewertung der Beweise ist nach den allgemeinen Maßstäben der Beweiswürdigung, wie sie von den Beschwerdekammern allgemein angewandt werden (vgl. T 0472/92 vom 20. November 1996; soll veröffentlicht werden), vorzunehmen. Nach dieser Entscheidung sollte die "Abwägung der Wahrscheinlichkeit" nach dem strengeren Maßstab der "An Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit" interpretiert werden, da normalerweise nur die Einsprechenden die Beweismittel für die Vorbenutzung besitzen.

4.1.1. Als Datum der Vorbenutzung gilt für die Kammer der 13. September 1984, wie sich aus den Beweismitteln B11 und B12 ergibt.

4.1.2. Die genauen Umstände der Vorbenutzung ergeben sich ebenfalls aus B11 und B12, in denen angegeben wird, daß die Firma Crebonit Feidal Industrielacke GmbH & Co ein Produkt mit der Bezeichnung Disperbyk-160 ohne Geheimhaltungsverpflichtung von der Firma Byk bezog.

Die Beschwerdeführerin ficht diese Schlußfolgerungen an und macht geltend, bei B12 könne es sich ebensogut um ein Bestell- wie ein Eingangsbuch handeln, womit weder die Frage des 'wann' noch des 'wie' schlüssig bewiesen sei. Die Beschwerdeführerin hat keinerlei Beweise oder Argumente zur Stützung dieser Behauptung vorgetragen. Die Kammer sieht diese spekulative Aussage auch als unrealistisch an, da sie aus (eigener) Kenntnis derartiger Verfahrensabläufe in der Industrie aus der Art der Anlage dieses Buches und der Art der Eintragungen schließt, daß es sich um ein Laboreingangsbuch handelt, was auch durch die Erklärung von Herrn Bissels untermauert wird. Die Kammer hielt es daher für nicht erforderlich, weitere Maßnahmen zur Absicherung dieser aus B11 und B12 gezogenen Erkenntnisse zu ergreifen.

Was die Zulässigkeit dieser nach Ablauf der Beitrittsfrist eingereichten Beweismittel betrifft, so hat die Einspruchsabteilung von dem ihr durch Artikel 114 EPÜ verliehenen Ermessen Gebrauch gemacht und sie in das Verfahren eingeführt. Einen Mißbrauch dieses Ermessens wurde weder geltend gemacht, noch kann die Kammer einen solchen erkennen.

4.1.3. Wie sich aus Vorstehendem ergibt, wurde ein Produkt mit der Bezeichnung Disperbyk-160 öffentlich vorbenutzt, womit für die Frage der Neuheit noch zu untersuchen ist, ob ein derartiges Produkt unter den im Streitpatent beanspruchten Gegenstand fällt. Die Patentinhaberin selbst erklärt in B1, daß Disperbyk -160 durch das Streitpatent geschützt wird. In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, ob diese Erklärung vor oder nach dem Anmeldetag abgegeben wurde, da es hier einzig und allein um den Nachweis geht, ob Disperbyk -160 unter den im Streitpatent beanspruchten Gegenstand fällt. Diese von der Beschwerdeführerin selbst abgegebene Erklärung ist eindeutig, so daß kein weiterer Nachweis des vorbenutzten "was" erforderlich war.

4.1.4. Aufgrund vorstehender Ausführungen kommt die Kammer deshalb zu dem Schluß, daß ein unter den Gegenstand des Streitpatents fallendes Produkt am 13. September 1984, d. h. vor dem Tag der Einreichung der entsprechenden europäischen Patentanmeldung, dem 27. Oktober 1984, der Öffentlichkeit durch Benutzung zugänglich gemacht wurde.

4.1.5. Die Frage der Analysierbarkeit der Zusammensetzung der Produkte, mit der sich die Entscheidung G 1/92 befasst, stellt sich hier nicht, da durch B1 bereits feststeht, daß das vorbenutzte Produkt eine Zusammensetzung aufweist, die unter den Gegenstand des Streitpatents fällt.

4.2. Da der vorstehend festgestellte Tag der Vorbenutzung zwischen dem Tag der beanspruchten Priorität und dem Tag der Anmeldung des europäischen Patents liegt, ist zunächst festzustellen, ob und inwieweit ein Recht auf Inanspruchnahme dieser Priorität besteht, d. h. ob die Vorraussetzungen der Artikel 87 und 88 EPÜ erfüllt sind.

4.2.1. Artikel 87 (1) EPÜ besagt, daß während einer Frist von zwölf Monaten nach Einreichung der ersten Anmeldung ein Prioritätsrecht für die Anmeldung derselben Erfindung (Hervorhebung durch die Kammer) zum europäischen Patent besteht, wenn die Erstanmeldung, wie hier, in einem Vertragsstaat der Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ) eingereicht wurde. Weitere Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer oder mehrerer Prioritäten werden in Artikel 88 EPÜ geregelt. Die Abschnitte (3) und (4) besagen, daß das Prioritätsrecht nur die Merkmale der europäischen Patentanmeldung umfasst, die in der oder den Anmeldungen enthalten sind, deren Priorität in Anspruch genommen worden ist. Für die Gewährung der Priorität ist es nicht erforderlich, daß die Merkmale Bestandteil der Patentansprüche sind. Es reicht aus, daß die Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen der früheren Anmeldung diese Merkmale deutlich offenbaren (Hervorhebung durch die Kammer). Sind die Voraussetzungen dieser Artikel erfüllt, gilt für die Anwendung des hier interressierenden Artikel 54 (2) EPÜ der Prioritätstag als Anmeldetag der europäischen Patentanmeldung (Artikel 89 EPÜ).

Erfindungsidentität ist, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, eine selbstverständliche Voraussetzung für die wirksame Inanspruchnahme der Unionspriorität, obwohl dies im Artikel 4 der PVÜ nicht expressis verbis zum Ausdruck kommt. Im folgenden ist daher zu entscheiden, ob Prioritätsanmeldung und europäische Patentanmeldung dieselbe Erfindung betreffen, d. h. ob Erfindungsidentität vorliegt.

4.2.2. Von der Einspruchsabteilung wurde in der angefochtenen Entscheidung bereits entschieden, daß der im Einspruchsverfahren gemäß damaligem Hilfsantrag geänderte Gegenstand dieselbe Erfindung wie die Prioritätsanmeldung betrifft, dies jedoch nicht für den unveränderten Gegenstand (Hauptantrag) gilt.

Insbesondere folgende Merkmale des Anspruchs 1 des erteilten Patents sind nicht expressis verbis im Prioritätsdokument (DE-A 3 402 774) enthalten (vgl. angefochtene Entscheidung, Entscheidungsgründe, Pkt. 6.1):

(a) "Additionsverbindungen und deren Salze"

(b) "Funktionalität 2,5 bis 6"

(c) "und/oder Arylreste"

(d) "in einer solchen Menge ........daß 15 bis 50% ........umgesetzt sind"

(e) "in einer solchen Menge .....daß weitere 15 bis 45% ........umgesetzt sind"

(f) "mindestens 40% .......beträgt"

(g) "eine aliphatische Gruppe .........Gruppe Q gebunden sein kann"

Umgekehrt ist das ursprünglich wesentliche Merkmal pKa-Wert 5 bis 14 (vgl. Anspruch 1 des Prioritätsdokuments) nicht mehr enthalten und in der Beschreibung des Streitpatents auf 2 bis 14 (vgl. Sp. 12, ZZ. 35/36) erweitert. Im Gegensatz zur Einspruchsabteilung sieht die Kammer dies als Änderung der im Prioritätsdokument beschriebenen Erfindung an. Aus den nachfolgenden Gründen erübrigt es sich jedoch hierauf näher einzugehen.

Bei der im folgenden vorgenommenen Prüfung auf Erfindungsidentität anhand einer Merkmalsanalyse beschränkt sich die Kammer auf Merkmal (b), der mittleren Funktionalität der Polyisocyanate im Bereich von 2,5 bis 6.

4.2.3. Die im Prioritätsdokument offenbarte Erfindung betrifft ein Produkt, das durch ein Verfahren zu seiner Herstellung gekennzeichnet wird. Ausgegangen wird hierbei von Polyisocyanaten mit einer mittleren Funktionalität von 3, 4, 5, und 6, die durch Umsetzung von Diisocyanaten mit Polyolen erhalten werden und als Handelsprodukte, d. h. Gemische von gewissen Verbindungen mit ähnlicher Struktur bekannt sind. Unter mittlerer Funktionalität wird verstanden, daß diese Handelsprodukte hinsichtlich der angegebenen Funktionalität von 3 bis 6 Isocyanatgruppen aufweisen und somit statistisch 3 bis 6 freie Isocyanatgruppen enthalten (S. 6, Z. 20 - S. 9, Z. 10).

Die Erweiterung auf eine mittlere Funktionalität von 2,5 hat zur Folge, daß diese Handelsprodukte nun zusammen mit Diisocyanaten eingesetzt werden. Die untere Grenze von 2,5 ist jedoch nur mit Gemischen zu erreichen, die einen großen molaren Überschuß an Diisocyanaten enthalten; im Falle eines hexafunktionellen Handelsprodukts entspricht dieser Wert einem Molverhältnis Diisocyanat : Polyisocyanat von genau 7. : 1. Darüberhinaus sind, da die Mitverwendung von Diisocyanaten im Prioritätsdokument nicht vorgesehen war, diese Verbindungen auch nicht definiert. Dabei dürfte es nicht unerheblich sein, ob ein aromatisches Diisocyanat, ein aliphatisches Diisocyanat mit einem niedrigen Molekulargewicht oder ein langkettiges Diisocyanat gewählt wird. Im letzteren Fall und bei dem erforderlichen Molüberschuß ist es sehr zweifelhaft, ob die erhaltenen Produkte überhaupt noch Dispergiermittel im Sinne des Prioritätsdokuments sein können.

4.2.4. Daß ein Bereich von 2,5 bis < 3 in der Prioritätsanmeldung nicht, wie in Artikel 88 (4) EPÜ gefordert, deutlich offenbart wurde, ergibt sich auch eindeutig aus der in der Anmeldung offenbarten Abfolge der Umsetzungen.

a) Hierbei werden in einer ersten Stufe die Polyisocyanate mit einer Monohydroxyverbindung in einer solchen Menge umgesetzt, daß im Mittel auf je ein Molekül Polyisocyanat mindestens 0,8 Moleküle der Hydroxyverbindung entfallen, jedoch im Mittel von jedem Molekül Polyisocyanat mindestens 2 Isocyanatgruppen nicht umgesetzt bleiben. Diese Bedingungen können zusammen nur mit mindestens dreiwertigen Polyisocyanaten erfüllt werden.

b) In der nachfolgenden Stufe wird das Reaktionsprodukt weiter mit einem Produkt der Formel G-(E)n in mehr oder weniger stöchiometrischen Mengen umgesetzt, wobei jedoch beim so erhaltenen Umsetzungsprodukt im Mittel von jedem Molekül Polyisocyanat mindestens eine Isocyanatgruppe unumgesetzt bleibt. Auch hier sind diese Forderungen mit dem Einsatz einer bifunktionellen Verbindung in der Stufe a) nicht vereinbar.

c) Es erfolgt eine weitere Umsetzung, auf die in diesem Zusammenhang jedoch nicht näher eingegangen werden muß. Diese verfahrensspezifischen Merkmale sind Bestandteil der Ansprüche der prioritätsbegründenden Anmeldung. Sie sind auch der Beschreibung als wesentlicher Bestandteil der Erfindung zu entnehmen (vgl. S. 6, Z. 24 bis S. 9, Z. 10 in Verbindung mit S. 12, Z. 28 bis S. 13, Z. 11).

Ein bifunktionelles Polyisocyanat wird in dem Prioritätsdokument nicht erwähnt und wird durch die als wesentlich genannte successive Umsetzung von Verbindungen der Formeln I, II und III mit jeweils einer Isocyanatgruppe desselben Polyisocyanats sogar ausgeschlossen. Es sei noch darauf hingewiesen, daß sich auch der Vernetzungsgrad durch den Einbau eines Diisocyanats und somit die Struktur der Dispergiermittel ändern würde.

4.2.5. Zusammenfassend lässt sich weder aus den Ansprüchen noch aus der Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen entnehmen, daß neben den tri- bis hexafunktionellen Isocyanaten auch bifunktionelle Isocyanate eingesetzt werden können.

4.3. Somit gilt für den sich auf eine Funktionalität von 2,5 bis < 3 beziehenden Bereich der Tag der Einreichung der europäischen Anmeldung als Tag der Offenbarung dieses Teils der Erfindung und die obengenannte Vorbenutzung als Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ.

Der Gegenstand des Hauptantrags ist daher nicht neu (Artikel 54 (1) EPÜ).

5. Hilfsanträge I und II

Im Anspruch1 dieser Hilfsanträge wurden u. a. folgende in 4.2.2 genannten Merkmale in alternative Gruppen aufgeteilt:

(b) Funktionalität 2,5 bis 6 in 2,5 bis < 3 oder 3. bis 6;

(d) in einer solchen Menge ..... "daß 15 bis 50% ...... umgesetzt sind" in "daß 15 bis < 20 oder 20 bis 50%......umgesetzt sind";

(e) in einer solchen Menge ....... "daß weitere 15 bis 45% ...... umgesetzt sind" in "15 bis < 22 oder 22 bis 3 6. oder > 36 bis 45% .......... umgesetzt sind";

(f) "mindestens 40%.....beträgt" in "mindestens 40% bis < 45% oder mindestens 45% ..... beträgt".

Bereits während der mündlichen Verhandlung wurde die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, daß durch die Vielzahl der Kombinationsmöglichkeiten der einzelnen Alternativen das Gebot der Deutlichkeit des Artikels 84 EPÜ verletzt werde. Schon allein deshalb entsprechen die mit diesen Hilfsanträgen weiterverfolgten Ansprüche nicht den Vorschriften des EPÜ.

Es erübrigt sich deshalb zu untersuchen, ob der so geänderte, nunmehr beanspruchte Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht (Artikel 123 (2) EPÜ); oder ob das Weglassen des pKa Wertes bei der Definition der Verbindungen sowie die Hinzufügung der in (d), (e) und (f) genannten Merkmalsbereiche die in der Prioritätsanmeldung offenbarte Erfindung ganz oder teilweise so verändern, daß die Erfindungsidentität verloren geht (Artikel 87 und 88 EPÜ).

6. Hilfsantrag III

6.1. Anspruch 1 dieses Antrags unterscheidet sich vom Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen bzw. dem des Streitpatents dadurch, daß die unter c) genannten Verbindungen der allgemeinen Formel III durch eine Auflistung von Einzelverbindungen ersetzt wurden, die auf S. 13, ZZ. 15 - 22 der ursprünglichen Unterlagen (Sp. 12, ZZ. 13 - 24 des Streitpatents) offenbart wurden. Die Voraussetzungen des Artikel 123 (2) EPÜ sind somit erfüllt. Dies gilt auch für Artikel 123 (3) EPÜ, da die Einzelverbindungen unter die allgemeine Formel III fallen und nur einen Teil der hierunter fallenden Verbindungen darstellen, so daß der Schutzumfang enger als im Streitpatent ist.

6.2. Der Anspruch erfüllt auch die Voraussetzungen von Artikel 84 EPÜ, da die verschiedenen Bereiche wieder denen der erteilten Fassung entsprechen.

6.3. Da die Liste der individualisierten Verbindungen der Formel III bereits als Bestandteil der Erfindung im Prioritätsdokument genannt wurde (vgl. S. 15, ZZ. 13 - 22), unterscheidet sich die Frage des Anmeldetages im Sinne des Artikels 88 EPÜ nicht wesentlich von der bereits unter 4.2.2 und 4.2.3 entschiedenen. Auch hier kann dem Teilbereich der Funktionalität von 2,5 bis < 3 nicht der Anmeldetag der prioritätsbegründenden Anmeldung zuerkannt werden, so daß für diesen Teil des beanspruchten Gegenstandes der Tag der Einreichung der europäischen Patentanmeldung, der 27. Oktober 1984 als Anmeldetag gilt.

6.3.1. Auch hier stellt sich, wie aus 4.1 hervorgeht, die Frage der öffentlichen Vorbenutzung, wobei das 'was', 'wann' und 'wie' zu klären ist. Die Kammer wird diese Frage im folgenden anhand des 3-Aminopropylimidazols als Verbindung der Formel III untersuchen.

6.3.2. Ein Dispergiermittel, bei dessen Herstellung Aminopropylimidazole verwendet werden, stellt gemäß B4 Produkt W080 dar. Diese Angabe wird durch die Ausführungen der Beschwerdeführerin im Beweismittel B17 (vgl. S. 3, Abs. 4) bestätigt und präzisiert, daß es sich um 3-Aminopropylimidazol handelt. Somit steht für die Kammer fest, daß W080 ein unter den Anspruch 1 von Hilfsantrag III fallendes Dispergiermittel ist, das durch Umsetzung mit 3-Aminopropylimidazol in Stufe c) erhalten wird. Es erübrigt sich in diesem Zusammenhang auf Beweismittel B15, die vorgebliche Kopie des Rezeptes für W080, ohne Datum und Unterschrift, näher einzugehen.

Somit ist die Frage 'was' vorbenutzt wurde geklärt.

6.3.3. Bevor auf die Frage des 'wann' näher eingegangen wird, werden die näheren Umstände, d.h. das 'wie' untersucht.

In B4 behauptet Herr Schanze, er habe die Firma USRA, in Wirklichkeit wohl URSA, bereits 1983 veranlasst, Testmengen des Dispersionsmittels W080 herzustellen, das dann ab Januar 1984 vermarktet wurde. Diese Angaben werden durch den Schriftsatz der Beschwerdeführerin an das Landgericht Düsseldorf (B19, SS. 7/8) dahingehend präzisiert und bestätigt, daß 5 kg W080 am 30. März 1984 von der Firma URSA ausgeliefert wurden. Da, wie sich aus B4 ergibt, Herr Schanze der Auftraggeber war, geht die Kammer von dem für die Beschwerdeführerin günstigsten Fall aus, daß die Auslieferung an ihn selbst oder eine von ihm bevollmächtigte Person oder Firma ging, die ihm gegenüber zur Vertraulichkeit verpflichtet waren. Aus einer entsprechenden Aussage des Herrn Jockel, Prokurist der Lohnauftragsfirma URSA, ergibt sich, daß URSA am 28. Februar 1984 ein Muster W080 an Herrn Schanze in Rees und noch vor dem 30. März 1983 5 kg W080 an die DEFRA zu Händen von Herrn Schanze lieferte (B2, S.6), auch hier wird Vertraulichkeit unterstellt. Aus B5, einem Schreiben der DEFRA an die Firma Gebr. Becker GmbH, Lackfabriken KG, vom 15. März 1984 und abgezeichnet von Herrn Schanze ergibt sich, daß diese Firma bereits ein Muster W080 für Versuchszwecke erhalten hatte. Neben einem Lieferangebot enthält dieser Brief die Bitte um Mitteilung der Ergebnisse des mit W080 durchgeführten Tests.

Auch B13, ein Schreiben der Firma DEFRA an EFKA vom 16. März 1984 betrifft u. a. die Lieferung eines Musters von 50 ml W080.

6.3.4. Aufgrund der vorgenannten Fakten ist zu entscheiden 'wann' das Dispergiermittel der Öffentlichkeit durch Benutzung zugänglich gemacht wurde.

In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob Herr Schanzes Handlungen im Jahre 1983, in dem er laut Angaben der Beschwerdeführerin noch ihr Angestellter war, diesen Herstellungsauftrag mit oder ohne Geheimhaltungsverpflichtung an die Lohnauftragsfirma URSA vergab, die das Produkt dann an ihn direkt oder an die Firma DEFRA, bei der er Geschäftsführer war, lieferte, da das Dispergiermittel W080 durch Auslieferung an Dritte der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.

Eine solche Auslieferung eines Musters des Dispergiermittels W080 erfolgte bereits vor dem 15. März 1984 an die Lackfabrik Gebr. Becker GmbH, wie sich aus den vorgenannten Ausführungen zu B5 ergibt. Daß die Lieferung der Probe ohne Geheimhaltungsverpflichtung erfolgte, ergibt sich für die Kammer eindeutig aus den Umständen der Lieferung. Aus B5 entnimmt die Kammer, daß es Absicht von DEFRA war, den Empfänger als Kunden zu werben. Deshalb war ihm vorab, d. h. vor dem Datum des Briefes mit dem darin enthaltenen Angebot, ein Muster des Produkts für einen Eignungstest übersand worden.

Als 'wann' ergibt sich hiermit ein zwar nicht genau bestimmbarer, aber auf jeden Fall vor dem 15. März 1984 liegender Tag der Lieferung von DEFRA an Gebr. Becker GmbH.

Die Frage, ob durch die Musterlieferung DEFRA an EFKA (B13) das Produkt ebenfalls öffentlich zugänglich gemacht wurde oder nicht, ist hier nicht entscheidungserheblich und wird deshalb offengelassen.

6.4. Somit ist auch der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags III im Sinne des Artikel 54 (1) EPÜ nicht neu.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen

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