T 0211/99 () of 6.11.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T021199.20011106
Datum der Entscheidung: 06 November 2001
Aktenzeichen: T 0211/99
Anmeldenummer: 95904380.3
IPC-Klasse: F16H 57/02
H02K 7/116
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: An einen Elektromotor anflanschbares Getriebe
Name des Anmelders: Alpha Getriebebau GmbH
Name des Einsprechenden: (01) MECTROL GmbH
(02) Heynau Antriebstechnik GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 99(1)
European Patent Convention 1973 Art 101(1)
European Patent Convention 1973 R 55(c)
Schlagwörter: Einspruch - Zulässigkeit bei Vorbeschreibung (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0234/86
T 0328/87
T 0538/89
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0333/01

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 95 904 380.3 wurde das europäische Patent Nr. 0 739 464 erteilt, dessen Anspruch 1 wie folgt lautet:

"An einen Elektromotor angeflanschtes Getriebe, insbesondere spielarmes Planetengetriebe, mit einer Hohlwelle (9) zur kraftschlüssigen Aufnahme der Abtriebswelle (10) des Elektromotors (6), wobei die Hohlwelle (9) in ihrem Aufnahmebereich für die Abtriebswelle (10) des Elektromotors (6) zentrisch fixiert wälzgelagert ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Stirnfläche des Getriebe-Flansches gegenüber der Anlagefläche des Elektromotors (6) radial zentrierungsfrei angeschlossen ist."

II. Von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden I) und der weiteren Verfahrensbeteiligten (Einsprechenden II) gegen das Patent eingelegte Einsprüche sind auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit, mangelnde erfinderische Tätigkeit) gestützt. Seitens der Beschwerdeführerin wurde innerhalb der Einspruchsfrist zum Stand der Technik eine Vorbeschreibung (D4) geltend gemacht unter Vorlage folgender Beweismittel:

Anlage 2:

Telefax vom 29.06.1992 der Fa. Mectrol Corp., USA, an die Fa. Speedfam Corp., USA mit einem Deckblatt (page 01, "Fax Message"), einer Beschreibungsseite (page 02, "Memo to John D'Amico") sowie zwei Seiten (pages 03, 04) mit jeweils einer Hälfte der Zeichnung "Dojen, 04 Reducer Series II (Collet Input)", Nr. DJ 7828 B vom 25.06.1992;

Anlage 3:

Schreiben der Speedfam Corp. vom 08.01.1998, unterzeichnet von Kevin Bertsch, der als Zeuge angeboten wurde;

Anlage 4:

mit Bezugszeichen versehene Kopie der Seite 03 gemäß Anlage 2;

Ferner wurden einige Seiten des Katalogs "Dojen Designer's Guide", 1989, eingereicht und hierzu zwei weitere Zeugen angeboten.

Die Einsprüche wurden mit der am 22. Dezember 1998 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen.

III. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin am 26. Februar 1999 unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründung ist am 30. April 1999 eingegangen. In ihr wurde erstmals die Druckschrift US-A-4 811 616 (D11) genannt.

IV. Am 6. November 2001 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt. Bei der mündlichen Verhandlung war die weitere Verfahrensbeteiligte (Einsprechende II), die schriftlich eine Entscheidung nach Aktenlage beantragt hatte, wie angekündigt, nicht anwesend.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

V. Die Beschwerdeführerin stützte in der mündlichen Verhandlung ihren Antrag u. a. auf folgende Argumente:

Bei der Verbindung zwischen dem Elektromotor und dem angeflanschten Getriebe nach der D11 seien wie beim Streitpatent die Wellen kraftschlüssig miteinander verbunden und die Welle des Getriebes sei in ihrem Aufnahmebereich für die Abtriebswelle des Elektromotors zentrisch fixiert wälzgelagert. Dabei erfolge das Zentrieren über die Wellen von Getriebe und Motor und erst anschließend würden die Gehäuseflansche, wie der Spalte 2, Zeilen 61 bis 65 der D11 entnehmbar sei, starr aneinander angeschlossen. Die Bezeichnung "mating surface" bezeichne keine Zentrierung, sondern eine Aufnahme, über die die Gehäuse ineinander gesetzt werden können. Es sei für den Fachmann selbstverständlich, daß bei der D11 die Flanschflächen genügend Spiel aufweisen müssen, um eine Doppelpassung zu vermeiden. Dies werde in der Praxis bei der Endkontrolle nach dem Zusammenbau der Einheiten durch Messung der Elektromotorströme überprüft, wodurch eine Verspannung innerhalb des Getriebes, z. B. durch eine Doppelpassung, feststellbar sei. In einem solchen Fall werde dann eine zu enge Spielpassung der Gehäuseflansche durch Nacharbeiten vergrößert. Die Zentrierung erfolge dann allein durch die kraftschlüssig verbundenen Wellen von Elektromotor und Getriebe, wobei durch die ausreichend große "Spielpassung" der Flansche die Stirn- bzw. Anlageflächen des Getriebes und des Elektromotors wie beim Streitpatent zentrierungsfrei aneinander angeschlossen seien. Auch beim Streitpatent seien, wie aus der Figur 1 ersichtlich sei, bundförmige Aufnahmen vorgesehen, anhand derer kein Zentrieren erfolgen soll. Das Merkmal "radial zentrierungsfrei.... angeschlossen" nach dem Streitpatent umfasse daher auch zentrierbundförmige Aufnahmen zwischen den Getriebegehäusen, die eine Spielpassung im besagten Sinne aufwiesen. Das Streitpatent enthalte keinerlei Hinweise auf Normungen oder gar Wertangaben irgendeiner Art, so daß sich das Streitpatent auch nicht durch die Größe des Spiels vom Stand der Technik unterscheiden könne.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents beruhe demnach zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VI. Die Beschwerdegegnerin argumentierte in etwa wie folgt:

Der Einspruch der Beschwerdeführerin habe sich ursprünglich, d. h. innerhalb der Einspruchsfrist im wesentlichen auf die nicht schlüssig vorgetragene Vorbeschreibung gemäß den Beweismitteln D4 gestützt. Die Anlage 2 zu D4 enthalte eine Beschreibungsseite 02 ("Memo"), der einer Zeichnung Nr. DJ 7828 B gemäß Seiten 03 und 04 beigefügt sei. Diese Zeichnung passe jedoch, wie dies das verspätete Vorlegen der richtigen Zeichnung DJ 7828 bestätigt habe, nicht zur Beschreibungsseite 02, da bei der Schnittzeichnung gemäß Seite 03 der Anlage 2 die zwischen dem Elektromotor und dem Adapter 5 vorgesehene Schraubverbindung in Widerspruch zu der Montageanleitung gemäß Seite 02 ("Memo") stehe. Es sei somit nicht nachvollziehbar, wie die Verbindung zwischen dem Motor, dem Adapter und dem Getriebe auszuführen sei, denn ohne Zeichnung könne das "Memo" nicht verstanden werden. Die Beweismittel gemäß D4 kämen demnach einer "Nullaussage" zur Einspruchsbegründung gleich. Außerdem handle es sich bei der Anlage 2 gemäß D4 um einen Informationsaustausch zwischen zwei zusammenarbeitenden Firmen in Form eines Telefaxes und somit nicht um eine vorveröffentlichte Druckschrift. Die dabei ausgetauschten Erkenntnisse seien als der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht anzusehen. Im übrigen weise die in der Anlage 2 vorhandene Zeichnung (Seiten 03, 04) einen Geheimhaltungsvermerk auf. Auch die Anlage 4 zur D4 sei eine mit Bezugszeichen versehene Kopie der falschen Zeichnung und könne daher ebenfalls nichts zur Begründung des Einspruchs beitragen. Der Einspruch der Beschwerdeführerin sei daher als unzulässig zu verwerfen.

Bei dem an einen Elektromotor angeflanschten Getriebe nach der erst im Beschwerdeverfahren genannten US-A-4 811 616 (D11) seien an den Flanschverbindungen der Gehäuse Zentrierungen 25/34 vorgesehen, die gemäß Beschreibung, Spalte 4, Zeilen 30, 31 als "mating surfaces" und somit als Passungsflächen bezeichnet seien. Trotz einer spielfreien Verbindung der Motorwelle mit der Getriebewelle könne hier aufgrund eines ausreichenden Spiels der Motor- und Getriebewellenlager eine Doppelpassung zwischen der Wellenverbindung einerseits und der Flanschverbindung der Gehäuse andererseits vermieden werden. Hierzu könne man auch eine entsprechende weite radiale Spielpassung zwischen Motor- und Getriebeflansch vorsehen. Ein gänzlicher Verzicht auf eine solche Passung sei dagegen von der Fachwelt nicht in Erwägung gezogen worden, wie der insgesamt aufgedeckte Stand der Technik zeige. Das Merkmal "radial zentrierungsfrei" nach dem Streitpatent sei eindeutig etwas anderes als eine radiale Spielpassung, die einer exakten Herstellung bedürfte, um bei Fertigungsungenauigkeiten eine für die Funktion der Motor-Getriebe-Verbindung schädliche Doppelpassung zu vermeiden. Wenn es jedoch keiner radialen Zentrierung bedürfe, dann sei auch eine radiale Zentrierung mit Spielpassung überflüssig und sinnlos. Dies erkannt zu haben, sei der Verdienst des Streitpatents, wodurch eine einfachere und kostengünstigere Herstellung durch den Wegfall der Fertigung einer Zentrierbohrung in den Anschlußflansch des Getriebes möglich geworden sei. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe daher gegenüber dem insgesamt aufgedeckten Stand der Technik auf erfinderischer Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und der Regel 64 EPÜ; sie ist zulässig.

2. Zulässigkeit des Einspruchs der Beschwerdeführerin

2.1. Da im vorliegenden Fall die Einsprechende I die einzige Beschwerdeführerin ist, ist die Frage der Zulässigkeit ihres Einspruchs, die in jedem Stadium des Verfahrens gestellt werden kann, auch eine Voraussetzung für die substantielle Prüfung des Beschwerdevorbringens.

Gemäß Artikel 99 (1) EPÜ ist der Einspruch innerhalb von 9. Monaten nach Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents schriftlich einzureichen und zu begründen.

Artikel 101 (1) EPÜ fordert die Prüfung der Zulässigkeit des Einspruchs, bevor seine materiell-rechtliche Prüfung erfolgt, und Regel 55 EPÜ gibt die für die Zulässigkeitsprüfung auf den Inhalt der Einspruchsschrift anzuwenden Vorschriften an.

2.2. Die Vorschriften nach den Absätzen a), b) und d) der Regel 55 EPÜ sind im vorliegenden Fall unbestritten eingehalten worden.

2.3. Der Absatz c) der Regel 55 EPÜ benennt die folgenden Erfordernisse für den Einspruchsschriftsatz (Numerierung hinzugefügt):

I. "eine Erklärung darüber, in welchem Umfang gegen das europäische Patent Einspruch eingelegt"

II. "und auf welche Einspruchsgründe der Einspruch gestützt wird,"

III. "sowie die Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel" (Substantiierung des Einspruchs).

2.4. Im Einspruchsschriftsatz wurde auf der Seite 2 des Einspruchsformblatts der Widerruf des gesamten Streitpatents beantragt und die mangelnde Neuheit bzw. erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands gemäß Artikel 100 a) EPÜ als Einspruchsgrund genannt. Die o. g. Erfordernisse I und II der Regel 55 c) EPÜ sind daher erfüllt.

2.5. Angabe der Tatsachen und Beweismittel (Erfordernis III)

2.5.1. In der Einspruchsbegründung wird die Neuheit des Anspruchs 1 aufgrund des Beweismittels D4 bestritten. Die weiteren Beweismittel wurden lediglich im Zusammenhang mit der Beanstandung der abhängigen Ansprüche genannt.

Die in Form eines vierseitigen Telefaxes gemäß Anlage 2 der D4 vorliegenden Beweismittel betreffen nach den Angaben in der Einspruchsbegründung eine Mitteilung der amerikanischen Muttergesellschaft der Einsprechenden, der Firma Mectrol Corp. USA, an einen ihrer Kunden, der Firma Speedfam Corp. USA, wie es der Seite 01 der Anlage 2 zu entnehmen ist. In der Mitte der Seite 01 der Anlage 2 ist auch das in der Einspruchsbegründung genannte Datum des Telefaxes "06/29/92" erkennbar.

Das als Anlage 3 gemäß D4 vorgelegte Schreiben des Herrn Kevin Bertsch der Firma Speedfam soll zum Nachweis für den Eingang des Telefaxes bei der Firma Speedfam dienen, wofür auch eine Zeugeneinvernahme des Herrn Kevin Bertsch als zusätzlicher Beweis angeboten wurde.

Das Telefax gemäß Anlage 2 beinhaltet neben der Montageinformation ("Memo") für die Verbindung eines Motors mit einem Getriebe auch eine auf den Seiten 03 und 04 dargestellte Schnittansicht durch einen Getriebeanschluß mit Wellenverbindungskupplung. Der Inhalt der Anlage 2 wird auf den Seiten 4 und 5 der Einspruchsbegründung näher erörtert, wobei zur Erleichterung eines Vergleichs der Schnittansicht mit den Merkmalen des Anspruchs 1 des Streitpatents eine (nicht zum Telefax gehörende) Kopie der Seite 03 des Telefaxes, in welche die entsprechenden Bezugszeichen des Streitpatents eingetragen sind, dem Einspruchsschriftsatz beigefügt war.

2.5.2. Mit dem Telefax gemäß Anlage 2 zu D4 wurde ersichtlich eine offenkundige Vorbeschreibung einer Getriebe-Motor-Verbindung geltend gemacht. Eine Vorbeschreibung erfüllt in Übereinstimmung mit den nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern (vgl. z. B. T 328/87, ABl. EPA 1992, 701 und T 538/89, Mitt. der deutschen Patentanwälte 1994, 16) bei offenkundigen Vorbenutzungen zu erfüllenden Kriterien immer dann die dritte Bedingung für die Zulässigkeit gemäß Regel 55 c) EPÜ, wenn die innerhalb der Einspruchsfrist zur behaupteten offenkundigen Vorbeschreibung geltend gemachten Tatsachen und Beweismittel für jedes der folgenden Kriterien A), B) und C) aus der Sicht des Durchschnittsfachmannes soweit verständlich sind, daß eine Untersuchung bzw. Prüfung der materiell-rechtlichen Begründetheit des Vorbringens dahingehend erfolgen kann, ob

A) der Zeitpunkt der Vorbeschreibung vor dem Prioritätstag des angefochtenen Streitpatents liegt,

B) Übereinstimmung (Wesensgleichheit) zwischen dem Gegenstand der Vorbeschreibung und dem Gegenstand des Streitpatents vorliegt und

C) die zur Prüfung der Offenkundigkeit (Zugänglichmachung) der Vorbeschreibung nötigen Begleitumstände erkennbar sind (von wem kommt sie und an wen ist sie gerichtet; Beziehung zwischen Sender und Absender; Vorliegen einer Geheimhaltungsverpflichtung).

2.5.3. Was die Kriterien A) und C) anbelangt, so sind im Einspruchsschriftsatz das aus der Anlage 2 erkennbare Datum des Telefaxes (vor dem Prioritätstag des Streitpatents liegend) sowie der Sender und der Adressat des Telefaxes genannt. Außerdem ist angegeben, daß es sich bei diesen um eine Herstellerfirma für Getriebe und ihren Kunden handelte und daß das Telefax im Rahmen einer Kundeninformation ohne Geheimhaltungsvereinbarung weitergegeben worden sei. Für die weiteren Begleitumstände (Kriterium C) des Empfangs des Telefaxes gemäß Anlage 2 ist im Einspruchsschriftsatz weiterhin ein Schreiben gemäß Anlage 3 sowie ein Zeugenangebot vorgelegt worden. Aufgrund dieser Umstände war es unter Zugrundelegung des Einspruchsschriftsatzes und der Beweismittel für die Patentinhaberin und die Einspruchsabteilung möglich, die Einspruchsgründe bezüglich ihrer Stichhaltigkeit im Hinblick auf die Kriterien A) und C) zu untersuchen.

Was das Kriterium B) anbelangt (Was ist beschrieben worden? Ist ein Vergleich mit dem Gegenstand des Streitpatents möglich?), so ist anhand der Montageanleitung ("Memo") und der beigefügten Zeichnungsseiten 03 und 04 der Fachmann in der Lage, den Gegenstand der Vorbeschreibung soweit festzustellen, daß ein Vergleich mit dem Gegenstand des Streitpatents bei einer materiell-rechtlichen Prüfung möglich ist. Zur Erleichterung eines solchen Vergleichs hat im übrigen die Einsprechende I in die Anlage 4 zu D4, die eine Kopie der Zeichnungsseite 03 des Telefaxes darstellt, die entsprechenden Bezugszeichen aus dem Streitpatent eingetragen.

Die Tatsache, daß ein Fachmann bei einer Überprüfung des Inhalts der Zeichnung gemäß Seite 03 auf der Basis der Montageanleitung gemäß Seite 02 des Telefaxes einen funktionellen Widerspruch findet (was durch die spätere Vorlage einer anderen Zeichnung durch die Einsprechende korrigiert werden sollte), könnte allenfalls bei der materiell-rechtlichen Prüfung der Begründetheit von Bedeutung sein, vermag aber nicht die Zulässigkeit des Einspruchs in Frage zu stellen. Die in der Zeichnung gemäß Seite 03 des Telefaxes gezeigte Lage der Verbindungsschrauben zwischen dem Motorgehäuse und dem am Getriebe sitzenden Adapter 5 verhindert offenbar aufgrund der im Wege stehenden Lagerwandung des Getriebegehäuses ein Einschrauben dieser Verbindungsschrauben in der im "Memo" beschriebenen Weise. Diese Feststellung stellt jedoch schon das Resultat einer materiell-rechtlichen Beurteilung der Unterlagen gemäß Anlage 2 dar, die aufgrund der im übrigen weitgehenden Übereinstimmung zwischen dem Gegenstand nach dem Telefax und denjenigen nach dem Anspruch 1 des Streitpatents möglich ist. Ein Fachmann ist daher in der Lage, den Widerrufsgrund auch im Hinblick auf das Kriterium B zu überprüfen.

2.5.4. Ergänzend ist zu bemerken, daß es bei einer Untersuchung der Zulässigkeit des Einspruchs ohne Bedeutung ist, ob die vorgelegten Beweismittel die Tatsachenbehauptungen lückenlos und schlüssig zu begründen vermögen. Es genügt vielmehr, daß ein hinreichender Zusammenhang zwischen den Beweisstücken und den Behauptungen der Einsprechenden erkennbar ist, der eine Untersuchung zuläßt. Die angegebenen Beweismittel können dabei auch noch nach Ablauf der Einspruchsfrist durch weitere Unterlagen ergänzt werden.

Die Untersuchung der Zulässigkeit des Einspruchs ist somit grundsätzlich zu unterscheiden von der Untersuchung der materiell-rechtlichen Begründetheit des Einspruchs. Keine Vorschrift des EPÜ verlangt, daß das Einspruchsvorbringen in sich schlüssig sein muß, um die Zulässigkeit des Einspruchs zu garantieren (T 234/86, ABl. 1989, 79, Punkt 2.2).

2.5.5. Die zu den Angaben im Einspruchsschriftsatz vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel reichen aus vorstehenden Gründen im vorliegenden Fall aus, um die Erfordernisse gemäß Regel 55 c), letzter Teilsatz EPÜ zu erfüllen.

Der Einspruch ist daher zulässig.

3. Materiell-rechtliche Prüfung des Einspruchsvorbringens

3.1. Neuheit

Die D11 beschreibt ein an einen Elektromotor 5 angeflanschtes Getriebe 7, wobei die Wellen 21, 35 kraftschlüssig (über eine Spannkeilverbindung) verbunden sind. Dabei ist die Getriebewelle im wesentlichen in ihrem Aufnahmebereich für die Abtriebswelle des Motors (über ein Kugellager 22) zentrisch fixiert wälzgelagert. Die Stirnfläche des Getriebeflansches 34 ist gegenüber der Anlagefläche 25 des Elektromotors starr angeschlossen, wie dies aus Spalte 2, Zeilen 63, 64 der D11 zu schließen ist. Der beanspruchte Gegenstand unterscheidet sich dadurch von der Vorrichtung gemäß D11, daß die aus Hohlwelle und Vollwelle bestehende kraftschlüssige Kupplung beim Streitpatent in kinematischer Umkehrung der in der D11 gezeigten Kupplungsverbindung eine von der Hohlwelle des Getriebes aufgenommene Abtriebswelle 10 des Elektromotors aufweist.

Gegenüber dem Stand der Technik nach der D11 ist der Gegenstand nach dem Anspruch 1 des Streitpatents somit neu.

3.2. Erfinderische Tätigkeit

3.2.1. Bei der kraftschlüssigen Verspannung der Motorwelle 21 und der Getriebewelle 35 gemäß Figur 1 der D11 richten sich die beiden Wellen offensichtlich radial aus. Beim Verbinden einer solchen kraftschlüssigen Kupplung verbleibt insbesondere bei der Verwendung von spielarmen Wellenlagern keine nennenswerte radiale Ausgleichsmöglichkeit im Falle eines Fluchtungsfehlers zwischen Wellenachse und Anschlußbund des zugehörigen Gehäuses. Daher muß zur Vermeidung einer Doppelzentrierung beim Anziehen der kraftschlüssigen Kupplung den zusammenwirkenden Flanschflächen von Motor und Getriebe gestattet werden, sich gegeneinander radial zu verschieben. In der D11 sind die Flanschflächen als Aufnahme(Paarungs-)flächen ("mating surfaces") bezeichnet, was im Englischen nicht als Paßsitz oder dergleichen auszulegen ist.

3.2.2. Wie die Beschwerdeführerin glaubhaft dargelegt hat, finden nach der Endmontage von Elektromotor und Getriebe bei der Abnahme grundsätzlich Probeläufe statt, um eine eventuelle Verspannung der Lager festzustellen. Wenn das letztere der Fall sein sollte, dann würden die üblicherweise verwendeten Spielsitze an den Verbindungsflanschen von Motor und Getriebe weiter ausgedreht, so daß eine dort mögliche Doppelzentrierung und eine dadurch verursachte Lagerverspannung beseitigt würden und allein die kraftschlüssige Kupplung die

Zentrierung

bewirken könnte. Die Verbindung an den Flanschstellen zwischen Motor und Getriebe ist demnach, für den Fachmann ersichtlich, bei praktischen Ausführungen von Getrieben gemäß D11 grundsätzlich als "radial zentrierungsfrei" anzusehen.

Die Beschwerdegegnerin hält dem entgegen, daß auch im Falle einer Doppelpassung (aufgrund einer Zentrierung an den Gehäuseflanschen in Verbindung mit einer kraftschlüssigen Wellenkupplung) eine Verspannung durch großes Lagerspiel bzw. durch sehr genaue Fertigung vermeidbar sei. Die Beschwerdegegnerin hat auch dahingehend argumentiert, daß beim Streitpatent jegliche Bearbeitung radialer Umfangsflächen der Flanschverbindung und dadurch ein zusätzlicher Arbeitsgang entfalle, so daß das beanspruchte Getriebe eine Vereinfachung der Konstruktion und der Fertigung bewirke.

Der Anspruch 1 des Streitpatents wird jedoch dieser Forderung insofern nicht gerecht, als Flanschverbindungen auch dann als radial zentrierungsfreie Anschlüsse anzusehen sind, wenn ihre radialen Umfangsflächen zur Einhaltung oder Vergrößerung eines Spielsitzes bearbeitet werden. In einem solchen Fall tritt dann zwischen dem Zentrierbund des Motors und der Aufnahmebohrung des Getriebegehäuses ein ringförmiger Spalt auf, wie dies auch in der Figur 1 des Streitpatents erkennbar ist. Da in der Beschreibung des Streitpatents jeglicher Hinweis auf die Größe bzw. Toleranz des Sitzspiels fehlt, fällt auch ein eine Doppelpassung vermeidender Spielsitz, wie er nach Überzeugung der Kammer bei praktischen Ausführungen der D11 vorliegen muß, unter den Wortlaut des Anspruchs 1 des Streitpatents, dessen Definition "radial zentrierungsfrei" mangels einschränkender Merkmale in keiner anderen Weise auslegbar ist, zumal das Vorsehen von Spielsitzen zur Vermeidung von Doppelpassungen schon vor dem Prioritätstag des Streitpatents zum fachmännischen Wissen gehörte.

Der unter Punkt 3.1 erwähnte Unterschied zwischen dem Gegenstand des Streitpatents und dem nach der D11 ist von der Beschwerdegegnerin nicht als Argument zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit herangezogen worden. Der auf einer einfachen kinematischen Umkehrung beruhende Unterschied vermag hierfür auch nichts beizutragen.

Aus diesen Gründen kann der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruhend angesehen werden.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher nicht patentfähig.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Das Patent wird widerrufen.

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