European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1999:T069098.19990622 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 22 Juni 1999 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0690/98 | ||||||||
Anmeldenummer: | 93101559.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | B65D 88/70 F27D 1/14 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | B | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Vorrichtung zur Anordnung von Heissbrand oder Expansionsleitdüsen für den Anschluß von Luftgeräten zur Beseitigung von Materialaufstauungen oder -anbackungen | ||||||||
Name des Anmelders: | AGRICHEMA Materialflusstechnik GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | STANDARD INDUSTRIE GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Fehlende Beschwerdebegründung Rückzahlung der Beschwerdegebühr (nein) Einwendungen Dritter nach Einreichung der Beschwerdeschrift und Entrichten der Beschwerdegebühr |
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Orientierungssatz: |
Erweist sich die Beschwerde als unzulässig, so sind Einwendungen Dritter, die erst im Beschwerdestadium erhoben worden sind, nicht von Amts wegen zu berücksichtigen (Punkt 4 der Entscheidungsgründe). |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Mit am 25. Juni 1998 zur Post gegebener Entscheidung wies die Einspruchsabteilung den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 0 555 725 zurück.
II. Mit Telefax vom 13. Juli 1998 legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde gegen diese Entscheidung ein. Eine Beschwerdebegründung wurde nicht eingereicht.
III. Mit Telefax vom 10. November 1998 beantragte die Beschwerdeführerin unter Hinweis darauf, daß die Beschwerdebegründung nicht innerhalb der 4-Monatsfrist gemäß Artikel 108 Satz 3 EPÜ eingereicht worden ist, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr. Sie hielt die Beschwerde für nicht existent und verwies hierzu auf die Entscheidung T 371/92.
IV. Mit Bescheid vom 9. März 1999 stellte die Beschwerdekammer fest, daß die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen sein werde. Des weiteren komme eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht in Betracht, denn die Beschwerde sei rechtwirksam eingelegt.
Den Parteien wurde Gelegenheit gegeben, sich hierzu innerhalb einer 2-Monatsfrist zu äußern. Sie haben davon keinen Gebrauch gemacht.
IV. Mit Telefax vom 24. März 1999 wurden Einwendungen eines Dritten (Artikel 115 EPÜ) gegen die Patentierbarkeit des europäischen Patents erhoben und gleichzeitig begründet.
V. Mit amtlicher Mitteilung vom 30. März 1999 wurde der Eingang dieser Einwendungen des Dritten (VSR Industrietechnik GmbH) bestätigt.
Entscheidungsgründe
1. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin gilt die Beschwerde als rechtswirksam eingelegt, weil die mit Telefax vom 13. Juli 1998 übermittelte Beschwerdeschrift ordnungsgemäß eingereicht und die Beschwerdegebühr fristgerecht entrichtet worden ist. Die von der Beschwerdeführerin aufgegriffene Entscheidung T 371/92 betrifft einen Fall, in dem keinerlei Beschwerdeschrift eingereicht worden war. Sie ist mithin auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, in dem zwar die Beschwerde ordnungsgemäß eingelegt, aber die in Artikel 108 EPÜ im Satz 3 geforderte Beschwerdebegründung nicht eingereicht worden ist, was von der Beschwerdeführerin selbst in ihrem Telefax vom 10. November 1998 anerkannt wurde.
Bei dieser Sachlage ist die Beschwerde gemäß Regel 65 (1) EPÜ als unzulässig zu verwerfen.
2. Nach Regel 67 EPÜ wird die Beschwerdegebühr zurückgezahlt, wenn der Beschwerde stattgegeben wird und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht.
Die Beschwerdegebühr wird auch erstattet, wenn sie ohne Rechtsgrund entrichtet wurde, z. B. weil die Beschwerde aufgrund gesetzlicher Vorschrift als nicht eingelegt gilt (Artikel 108 Satz 2 EPÜ).
Ist die Beschwerde hingegen, wie im vorliegenden Fall, rechtswirksam eingelegt, jedoch unzulässig, so scheidet eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus; siehe hierzu Punkt 1.1.5 der "Hinweise für die Parteien und ihre Vertreter im Beschwerdeverfahren" (ABl. EPA 1996, 342) und insbesondere die Entscheidung T 324/90 (ABl. EPA 1993, 33), Punkt 9 der Entscheidungsgründe.
Deshalb ist der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurückzuweisen.
3. Nach Einreichung der Beschwerdeschrift und Entrichten der Beschwerdegebühr hat ein Dritter gemäß Artikel 115 EPÜ Einwendungen gegen die Patentierbarkeit des Streitpatents erhoben. Er trug insbesondere vor, daß das bisherige Prüfungs- und Einspruchsverfahren "an einem eklatanten Mangel" leide, der auch von Amts wegen im Sinne des Interesses der Öffentlichkeit, ungerechtfertigten Patentschutz zu vermeiden, geändert werden müsse.
4. Es stellt sich somit die Frage, ob Einwendungen Dritter die Überprüfung der Patentierbarkeit des Gegenstands des Streitpatents von Amts wegen gemäß Artikel 114 (1) EPÜ eröffnen, auch wenn sich die Beschwerde als unzulässig erweist.
Dies ist zu verneinen, denn die Zulässigkeit einer Beschwerde ist laut Artikel 110 (1) EPÜ Voraussetzung für eine Überprüfung des Beschwerdevorbringens. Erst wenn die Zulässigkeit bejaht ist, kann eine sachliche Prüfung der angefochtenen Entscheidung vorgenommen werden. Somit können auch Einwendungen Dritter, die erst im Beschwerdestadium erhoben werden, bei unzulässiger Beschwerde nicht von Amts wegen berücksichtigt werden.
Des weiteren setzt auch die Bestimmung von Artikel 115 (1) EPÜ Satz 3, daß der Dritte "am Verfahren vor dem Europäischen Patentamt" nicht beteiligt ist, voraus, daß ein Verfahren vor dem EPA, im vorliegenden Fall ein Beschwerdeverfahren, anhängig ist. Wenn sich die Beschwerde als unzulässig erweist, ist diese gemäß Regel 65 (1) EPÜ zu verwerfen. Mithin ist das Beschwerdeverfahren rechtlich abgeschlossen; es liegt kein eine sachliche Untersuchung eröffnendes anhängiges Beschwerdeverfahren vor.
Schließlich ist auch eine sachliche Prüfung von Amts wegen gemäß Artikel 114 (1) EPÜ nur möglich, wenn ein Verfahren vor dem EPA anhängig ist. Artikel 114 (1) sieht nämlich vor, daß "in den Verfahren vor dem Europäischen Patentamt" das EPA den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt. Da - wie vorstehend ausgeführt wurde - im vorliegenden Fall kein anhängiges Beschwerdeverfahren vorliegt, kann das Vorbringen des Dritten auch nicht von Amts wegen berücksichtigt werden (siehe auch Entscheidung T 328/87, ABl. EPA 1992, 701, Punkt 4 der Entscheidungsgründe).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.