T 1569/17 (Kaffeezusammensetzung/SHAKHIN) of 15.7.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T156917.20210715
Datum der Entscheidung: 15 Juli 2021
Aktenzeichen: T 1569/17
Anmeldenummer: 10820887.7
IPC-Klasse: A23F 5/00
A23F 5/10
A23F 5/24
A23F 5/40
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: KAFFEEZUSAMMENSETZUNG AUS LÖSLICHEM, GEFRIERGETROCKNETEM UND FEINGEMAHLENEM NATÜRLICHEM GERÖSTETEM KAFFEE MIT DEM GESCHMACK UND DEM AROMA VON FRISCH GERÖSTETEM NATÜRLICHEM KAFFEE SOWIE VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG DIESER ZUSAMMENSETZUNG
Name des Anmelders: Shakhin, Khikmat Vadi
Name des Einsprechenden: Société des Produits Nestlé S.A.
MACLEAN Mr. Martin
Kammer: 3.3.09
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
RPBA2020 Art 013(2)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Änderung nach Ladung - berücksichtigt (nein)
Orientierungssatz:

Zur Frage, ob das Streichen von Produktansprüchen keine Änderung des Beschwerdevorbringens im Sinne von Artikel 13(2) VOBK 2020 darstellt (siehe Punkt 4.3 der Entscheidungsgründe).

Angeführte Entscheidungen:
J 0014/19
T 2222/15
T 1480/16
T 0981/17
T 0995/18
T 1151/18
T 2243/18
T 0482/19
T 1792/19
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0273/17
T 1620/18
T 2091/18
T 2920/18
T 1361/19
T 1857/19
T 1935/19
T 2201/19
T 2229/19
T 2295/19
T 3020/19
T 0532/20
T 1114/20
T 0424/21
T 1800/21
T 0042/22
T 0172/22

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden des Patentinhabers sowie der Einsprechenden 1 und 2 richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, wonach das Patent EP 2 436 269 auf der Grundlage von Hilfsantrag 3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 6. April 2017, den Erfordernissen des EPÜ genüge.

II. Da alle Parteien Beschwerde eingelegt haben, werden sie weiterhin gemäß ihrer Parteistellung im Einspruchsverfahren bezeichnet.

III. Die Einsprechenden 1 und 2 hatten in ihren jeweiligen Einspruchsschriften den Widerruf des Patents unter anderem gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) beantragt.

IV. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung wurden unter anderem vorgelegt:

D6: |US 3,261,689 |

D12:|R. Heiss (Herausgeber), "Lebensmitteltechnologie", Vierte Auflage, Berlin, 1991, Seiten 364-367|

T2: |Test Report N°31-IF (vom Patentinhaber eingereicht mit Schreiben vom 6. Februar 2017)|

V. In der Zwischenentscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem entschieden, dass das Patent auf der Grundlage von Hilfsantrag 3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 6. April 2017, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, wobei sie von D6 als dem nächstliegenden Stand der Technik ausging.

VI. Im Beschwerdeverfahren waren die Schlussanträge wie folgt:

Der Patentinhaber beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines der folgenden Anträge:

- Hauptantrag (Patent wie erteilt);

- Hilfsantrag 1, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 6. April 2017;

- von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteter Anspruchssatz;

- Hilfsanträge 2 bis 4 und 6, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung;

- Hilfsanträge 5, 7 und 8, eingereicht mit Schreiben vom 12. Juli 2021;

- Hilfsantrag 9: Patentansprüche 2 bis 6 des von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Anspruchssatzes.

Die Einsprechenden 1 und 2 beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 2436269.

VII. Hilfsantrag 9 wurde während der mündlichen Verhandlung, welche am 15. Juli 2021 vor der Kammer stattfand, (mündlich) gestellt.

VIII. Wortlaut der Anträge

Anspruch 1 des von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Anspruchssatzes lautet:

"Kaffeekomposition, bestehend aus: löslichem, gefriergetrockneten Kaffee und echtes Röstkaffeepulver mit dem Geschmack und dem Aroma von frisch zubereitetem echtem Kaffee, in der das echte Röstkaffeepulver, dessen Gehalt 4 bis 30 Gew.% in den Endgranulaten beträgt und das eine Körnung von 65 µm bis 200 µm aufweist, innerhalb der strukturell homogenen, aufgeschäumten, gefriergetrockneten Granulate von hell- bis dunkelbrauner Farbe gleichmäßig verteilt ist, die durch Aufschäumen des konzentrierten flüssigen Kaffee-Extrakts und des echten Röstkaffees erzeugt werden, und bei der die Auflösungsgeschwindigkeit des gefriergetrockneten Kaffees und die Extraktion der Aroma- und Geschmacksstoffe der Ingredenzien [sic] des enthaltenen echten Röstkaffeepulvers in der Komposition bei Zusatz von 96°C-heißem Wasser übereinstimmen." (Unterstreichungen im Original)

Anspruch 1 der Hilfsanträge 4, 7 und 8 hat denselben Wortlaut.

Im Vergleich zu diesem Wortlaut ist in Anspruch 1

- des Hauptantrags (Patent wie erteilt) der Ausdruck "bestehend aus:" durch den Ausdruck "die folgendes umfasst:" ersetzt; ferner ist der Ausdruck "in den Endgranulaten" gestrichen;

- von Hilfsantrag 1 der Ausdruck "bestehend aus:" durch den Ausdruck "die folgendes umfasst:" ersetzt;

- der Hilfsanträge 2 und 5 definiert, dass das Aufschäumen bei niedrigen Temperaturen erfolgt;

- der Hilfsanträge 3 und 6 definiert, dass das Aufschäumen mit einem Gemisch aus Stickstoff und Kohlendioxid erfolgt.

Anspruch 1 von Hilfsantrag 9 betrifft ein Verfahren. Sein Wortlaut ist identisch mit demjenigen von Anspruch 2 des von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Anspruchssatzes und lautet:

"Verfahren zur Herstellung einer Kaffeekomposition auf der Grundlage von löslichem, gefriergetrocknetem Kaffee, die den Geschmack und das Aroma von frisch gebrühtem echtem Kaffee besitzt, in dem zum konzentrierten, flüssigen Kaffee-Extrakt vor dem der Gefriertrocknung vorangehenden Aufschäumen bei reduzierter Temperatur echtes Röstkaffeepulver mit einer Körnung von 65 µm bis 200 µm zugesetzt wird, wobei die Feinvermahlung einen gleichmäßigen Gehalt des Röstkaffeepulvers innerhalb der gefriergetrockneten Granulate gewährleistet, und wobei die Extraktions-geschwindigkeit der Aroma- und Geschmacksstoffe des enthaltenen echten Röstkaffeepulvers und die Lösungsgeschwindigkeit von gefriergetrocknetem Kaffee in der Tasse bei Zusatz von Wasser mit einer Temperatur von 96°C übereinstimmen."

IX. Die Argumente des Patentinhabers können, soweit für die vorliegende Entscheidung relevant, wie folgt zusammengefasst werden:

Erfinderische Tätigkeit (von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteter Antrag; sowie Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 8):

D6 sei der nächstliegende Stand der Technik. Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich davon durch die Körnung und dadurch, dass die Granulate durch die Verfahrensschritte des Aufschäumens und der Gefriertrocknung erzeugt würden. Dadurch werde eine verbesserte Kaffeekomposition bereitgestellt, was die Versuche in T2 belegten. Der beanspruchte Gegenstand ergebe sich auch nicht aus der Zusammenschau von D6 und D12: laut D6 sei ein Aufschäumen zu vermeiden und D12 lehre, vor dem Gefriertrocknen Sedimente aus dem flüssigen Kaffeeextrakt zu entfernen.

Zulassung von Hilfsantrag 9:

Der Antrag sei in das Verfahren zuzulassen. Ein außergewöhnlicher Umstand habe das Stellen dieses Antrags veranlasst, nämlich dass die Kammer nicht der Einspruchsabteilung gefolgt sei.

X. Die Argumente des Einsprechenden können, soweit für die vorliegende Entscheidung relevant, wie folgt zusammengefasst werden

Erfinderische Tätigkeit (von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteter Antrag; sowie Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 8):

Anders als vom Patentinhaber vorgetragen liege die Aufgabe darin, eine weitere Kaffeekomposition bereitzustellen. Die Versuche in T2 seien nicht zu berücksichtigen. Der beanspruchte Gegenstand sei für den Fachmann offensichtlich aus der Zusammenschau von D6 und D12, wobei letzteres Dokument das Aufschäumen und Gefriertrocknen offenbare.

Zulassung von Hilfsantrag 9:

Der Antrag sei verspätet vorgebracht, prima facie nicht gewährbar und nicht in das Verfahren zuzulassen.

Entscheidungsgründe

1. Das Streitpatent

Gemäß Streitpatent verfügt löslicher Kaffee häufig nicht über die Geschmacks- und Aromaeigenschaften von frisch gebrühtem Kaffee. Ziel der Erfindung ist es, eine Kaffeekomposition auf der Grundlage von löslichem, gefriergetrocknetem Kaffee mit Geschmackseigenschaften und Aroma von echtem Röstkaffee zu entwickeln und ein Verfahren für deren Herstellung vorzuschlagen. Die Kaffeekomposition enthält echtes Röstkaffeepulver, das innerhalb der gefriergetrockneten Granulate gleichmäßig verteilt ist. Bei Zusatz von Wasser wird der lösliche Kaffee aufgelöst und die dem echten Röstkaffee eigenen Geschmackseigenschaften und Aroma werden frei (Absätze [0002], [0016] und [0017]).

2. Von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteter Anspruchssatz - erfinderische Tätigkeit, Anspruch 1

2.1 Wie bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung wird Dokument D6 als nächstliegender Stand der Technik angesehen. Das ist unstreitig.

2.1.1 D6 betrifft, wie auch das Streitpatent, ein lösliches Kaffeeprodukt mit verbessertem Geschmack und Aroma. Im Herstellungsverfahren von D6 wird Röstkaffee abgekühlt (unter -80°F / -62°C) und zu einer bestimmten Körnung vermahlen, wobei 100% der Teilchen des Röstkaffeepulvers kleiner als 149 µm und 50% kleiner als 74 µm sind. Diese werden in D6 auch als "fines" bezeichnet. Das Röstkaffeepulver wird einem flüssigen Kaffeeextraxt zugesetzt und diese Mischung wird sprühgetrocknet. Das Endprodukt ist ein pulverförmiger Kaffeeextrakt mit einer gleichmäßigen Verteilung von Röstkaffeepulverteilchen ("fines"), die während des Trocknungsschritts im Kern des zerstäubten Tropfens des löslichen Kaffeeextrakts eingekapselt werden (Spalte 1, Zeilen 10-13 und 38-63 und Spalte 3, Zeilen 23-27).

2.1.2 Zwischen den Parteien bestand Einigkeit darüber, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 von D6 durch die Körnung unterscheidet. In D6 sind zwar alle Teilchen des Röstkaffeepulvers kleiner als 149 µm aber nicht notwendigerweise größer als 65 µm.

2.1.3 Obwohl Anspruch 1 ein Erzeugnis betrifft, haben die Einsprechenden anerkannt, dass die Verfahrensmerkmale des Aufschäumens und der Gefriertrocknung einen weiteren Unterschied gegenüber dem sprühgetrockneten Erzeugnis aus D6 begründen.

2.1.4 Die Kammer folgt dem Vortrag der Parteien und sieht als Unterscheidungsmerkmale von Anspruch 1 gegenüber D6 zum einen die Körnung an und zum anderen, dass die Granulate durch die Verfahrensschritte des Aufschäumens und der Gefriertrocknung erzeugt werden.

2.2 Technische Wirkung und Aufgabe

2.2.1 Der Patentinhaber vertrat die Auffassung, dass die Unterscheidungsmerkmale zu verbesserten Kaffeekompositionen führten. Dies sei bei der Formulierung der Aufgabe zu berücksichtigen. In der mündlichen Verhandlung hat er weiter ausgeführt, die anspruchsgemäße Körnung habe sich als vorteilhaft für die organoleptischen Eigenschaften herausgestellt.

2.2.2 Allerdings ist zur anspruchsgemäßen Untergrenze von 65 µm im Streitpatent lediglich Folgendes angegeben (Absatz [0020]):

"Die Untergrenze liegt bei unter 65 µm und wird bestimmt durch die technischen Möglichkeiten der Mahlvorrichtung und durch das starke Erhitzen des zu zerkleinernden Pulvers beim Vermahlen, wodurch die leichtflüchtigen Stoffe, die die organoleptischen Eigenschaften von echtem Röstkaffee ausmachen, verloren gehen."

2.2.3 Nach dieser Offenbarung beträgt die Untergrenze der Körnung nicht 65 µm, sondern sie liegt bei einem Wert, der unterhalb von 65 µm ist. Wo genau dieser Wert liegt, ergibt sich durch die technischen Möglichkeiten der Mahlvorrichtung und durch das starke Erhitzen des zu zerkleinernden Pulvers beim Vermahlen, welches es zu vermeiden gilt. Je nach Mahlvorrichtung und nach im Mahlvorgang herrschenden Temperaturen, ist demnach ein Wert auszuwählen, der mehr oder weniger unterhalb von 65 µm liegt. Darüber hinaus wird der Wert von 65 µm nicht in Verbindung gebracht mit weiteren technischen Wirkungen, insbesondere nicht mit etwaigen Vorteilen hinsichtlich der organoleptischen Eigenschaften der Kaffeekomposition.

2.2.4 Der Patentinhaber verwies auf einen Versuch (T2), der zeige, dass bei einer Kaffeekomposition mit Röstkaffeepulver einer Körnung knapp unterhalb des anspruchsgemäßen Bereichs (45 µm bis 63 µm) ein Getränk mit unerwünschten Eigenschaften erhalten worden sei. Bei Verkostung sei das Getränk dickflüssig ("too dense"), der Anteil an suspendierten Teilchen hoch, der Geschmack zu bitter und der Nachgeschmack unangenehm.

2.2.5 Der Versuch in T2 wurde durchgeführt nach einer Lagerung der Kaffeekomposition von vier Wochen. Weder im Streitpatent noch an anderer Stelle wurden Versuche mit einer anspruchsgemäßen Kaffeekomposition, die auch gelagert wurde, durchgeführt. Ein Vergleich des anspruchsgemäßen Erzeugnisses mit der Zusammensetzung aus T2 ist daher nicht möglich. Allein aus diesem Grund hat der Versuch in T2 in Bezug auf die geschmacklichen Eigenschaften keine Aussagekraft und muss unberücksichtigt bleiben. Ferner ist im Streitpatent nicht die Rede von Lagerstabilität, sodass sich derartige Effekte weder ableiten lassen noch bei der Formulierung der technischen Aufgabe herangezogen werden können.

2.2.6 Was die anderen organoleptischen Eigenschaften in T2 betrifft ("too dense", suspendierten Teilchen), wird auf die Ausführungen oben in Punkt 2.2.3 verwiesen. Derartige besondere Wirkungen der anspruchsgemäßen Körnung sind aus dem Streitpatent nicht ableitbar. Sie können daher ebenfalls nicht in die Formulierung der technischen Aufgabe einfließen.

2.2.7 Was die Verfahrensmerkmale des Aufschämens und der Gefriertrocknung betrifft, hat der Patentinhaber vorgetragen, es werde dadurch eine besondere Mikrostruktur und eine gleichmäßige Verteilung des Röstkaffeepulvers in der Kaffeekomposition erzielt.

2.2.8 Allerdings ist im Streitpatent nicht angegeben, worin die Besonderheit dieser Verfahrensmerkmale liegt. Ferner ist nicht beschrieben, was durch das Aufschäumen erzielt werden soll. Vorteile gegenüber der in D6 zwangsläufig erhaltenen Mikrostruktur hat der Patentinhaber ebenfalls nicht belegen können, sondern allenfalls behauptet. An dieser Stelle ist auch festzuhalten, dass das Erzeugnis gemäß D6 ebenfalls eine gleichmäßige Verteilung des Röstkaffeepulvers aufweist, wie bereits oben beschreiben (Punkt 2.1.1).

2.2.9 Somit kann die Kammer nicht erkennen, dass die anspruchsgemäße Kaffeekomposition gegenüber der von D6 verbessert ist. Daher kann keine andere Aufgabe formuliert werden als die Bereitstellung einer weiteren Kaffeekomposition.

2.3 Naheliegen

2.3.1 Für den Fachmann auf dem Fachgebiet der getrockneten Kaffeeextrakte gibt es zwei Trocknungsverfahren, die üblich sind: die Sprüh- und die Gefriertrocknung. Das geht beispielsweise aus dem Handbuch D12 hervor (Kapitel "2.3 Trocknung"). Dort ist beschrieben:

"Die Gefriertrocknung gilt als schonenderes Verfahren zur Wasserentfernung und wird, auch wegen ihrer höheren Kosten, vorrangig für die Herstellung von höherwertigen löslichen Kaffees angewendet. Konzentrierter Extrakt wird hierbei zunächst zwecks Regelung des Schüttgewichts aufgeschäumt und sodann ... eingefroren."

Es ist daher für den Fachmann naheliegend, statt einer Sprühtrocknung, wie in D6, eine Gefriertrocknung durchzuführen. Dabei würde der Fachmann auch den Extrakt aufschäumen, wie in D12 beschrieben.

2.3.2 Der Patentinhaber hat vorgetragen, die Lehre von D12 sehe zwingend einen Verfahrenschritt vor, in welchem der gekühlte flüssige Kaffeeextrakt im Separator behandelt werde, um Sedimente abzutrennen. Der Fachmann würde daher die Lehre von D6 nicht mit dem Verfahren aus D12 kombinieren, weil bei einer solchen Kombination das Röstkaffeepulver entfernt werde.

Dieses Argument ist nicht schlüssig. Bei dem Verfahrensschritt im Separator von D12 geht es darum, verbrauchte und extrahierte Kaffeekörner vom flüssigen Extrakt abzutrennen. Auch im Streitpatent ist kein Hinweis zu finden, dass der verwendete flüssige Extrakt verbrauchte und extrahierte Kaffeekörner, also den Kaffeesatz, enthalten soll. Mit anderen Worten handelt es sich bei diesem Verfahrensschritt um eine Vorbehandlung des flüssigen Extrakts, die der Fachmann üblicherweise vor der weiteren Verwendung des Extrakts durchführen würde. Ausgehend von der Lehre von D6 würde der Fachmann selbstverständlich nicht das gewünschte, frische und nicht-extrahierte Röstkaffeepulver abtrennen.

2.3.3 Der Patentinhaber hat auch vorgetragen, D6 lehre, dass vor dem Sprühtrocknen ein Aufschäumen zu vermeiden sei. Daher würde der Fachmann nicht das in D12 beschriebene Verfahren einschließlich des Schritts des Aufschäumens heranziehen.

2.3.4 Auch dieses Argument vermag nicht zu überzeugen. In D6 ist lediglich beschrieben, dass bei der Zugabe des Röstkaffeepulvers zum gekühlten Kaffeeextrakt im Auffangbehälter ein Schäumen des Kaffeeextrakts im Auffangbehälter zu vermeiden sei, um einen Abbau oder eine Oxidation der Kaffeeöle im Röstkaffeepulver zu verhindern. Diese Mischung wird gegebenenfalls gelagert und erst dann sprühgetrocknet. Eine Lehre dahingehend, dass grundsätzlich ein Aufschäumen beim Trocknungsschritt zu vermeiden sei, findet sich in diesem Dokument jedoch nicht.

2.3.5 Was die anspruchsgemäße Körnung betrifft, so ergibt sich diese für den Fachmann direkt und ohne erfinderisches Zutun aus der Lehre von D6. Laut diesem Dokument kann der Fachmann jede Körnung des Röstkaffeepulvers heranziehen, bei welcher keines der Teilchen größer als 149 µm und mindestens 50% der Teilchen kleiner als 74 µm sind. Wie bereits oben erläutert, wird das Röstkaffeepulver in D6 ("fines") unter sehr schonenden Bedingungen vermahlen (siehe Punkt 2.1.1).

2.3.6 Somit ist der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von D6 und in Zusammenschau mit der D12 für den Fachmann naheliegend.

2.4 Der Gegenstand von Anspruch 1 des von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Anspruchssatzes erfüllt folglich nicht die Maßgabe von Artikel 56 EPÜ.

3. Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 8 - erfinderische Tätigkeit, Anspruch 1

3.1 Zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 8 hat der Patentinhaber während der mündlichen Verhandlung erklärt, er habe keinen weiteren Vortrag.

3.2 Anspruch 1 des Hauptantrags und von Hilfsantrag 1 ist weiter gefasst als Anspruch 1 des von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Anspruchssatzes. Er kann daher keine erfinderische Tätigkeit begründen.

3.3 Anspruch 1 der Hilfsanträge 4, 7 und 8 hat denselben Wortlaut wie Anspruch 1 des von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Anspruchssatzes und begründet ebenfalls keine erfinderische Tätigkeit.

3.4 Gemäß Anspruch 1 von Hilfsanträgen 2 und 5 wird das Aufschäumen bei niedrigen Temperaturen und gemäß Hilfsanträgen 3 und 6 mit einem Gemisch aus Stickstoff und Kohlendioxid durchgeführt.

3.4.1 Der Patentinhaber hat nicht vorgetragen, dass diese Verfahrensmerkmale das beanspruchte Produkt näher charakterisieren oder gar zu einem Vorteil gegenüber den Gegenstand von Anspruch 1 des von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Anspruchssatzes führen würden. Aus dem Streitpatent selbst ist es auch nicht ersichtlich, dass diese Ausgestaltung der Verfahrensschritte mit irgendeiner Wirkung, zumal einer besonderen oder unerwarteten, in Verbindung gebracht werden.

3.4.2 Die Änderungen in den Hilfsanträgen 2, 3, 5 und 6 können daher ebenfalls keine erfinderische Tätigkeit begründen.

3.5 Somit ist festzustellen, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge 1 bis 8 nicht die Maßgabe von Artikel 56 EPÜ erfüllt.

4. Zulassung von Hilfsantrag 9

4.1 Hilfsantrag 9 wurde am Ende der mündlichen Verhandlung gestellt und die Einsprechenden haben beantragt, diesen nicht in das Verfahren zuzulassen.

4.2 Während in Hilfsantrag 8 alle Verfahrensansprüche gestrichen sind, ist Hilfsantrag 9 der erste Antrag im Beschwerdeverfahren, der nur Verfahrensansprüche und keinen Erzeugnisanspruch umfasst. Er wurde in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zu einem Zeitpunkt gestellt, nachdem die erfinderische Tätigkeit der Erzeugnisansprüche, die in allen höherrangigen Anträgen enthalten sind, mit den Parteien erörtert worden war.

4.3 Für die Kammer stellt dieser Antrag eine Änderung des Vorbringens des Patentinhabers im Sinne von Artikel 13(2) VOBK 2020 dar. Auch der Patentinhaber hat nicht vorgetragen, es würde keine Änderung seines Beschwerdevorbringens vorliegen.

4.3.1 In der Regel stellt eine Änderung des Patents, wie sie vorliegend durch die Einreichung eines geänderten Anspruchssatzes vorgenommen wurde, eine Änderung des Beschwerdevorbringens dar (siehe insbesondere J 14/19, Punkt 1.5 der Entscheidungsgründe). Auch das Streichen von Verfahrens- bzw. Produktansprüchen wird in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern als geändertes Beschwerdevorbringen angesehen (T 2222/15, T 482/19).

4.3.2 Gemäß der Rechtsprechung kann das Einreichen eines Anspruchssatzes, der sich durch die Streichung von Ansprüchen gegenüber einem zuvor im Verfahren eingereichten Antrag unterscheidet, keine Änderung des Beschwerdevorbringens im Sinne von Artikel 13(2) VOBK 2020 darstellen, wenn sich hierdurch keine geänderte Sachlage bzw. keine Neugewichtung des Verfahrensgegensandes ergibt (T 1480/16, Punkt 2.3 der Entscheidungsgründe; T 995/18, Punkt 2 der Entscheidungsgründe). So wurde in bestimmten Fällen die Streichung von Verfahrensansprüchen (T 1480/16, T 1792/19), Produktansprüchen (T 981/17, T 2243/18), eines abhängigen Anspruchs (T 995/18) oder einer in einem unabhängigen Anspruch enthaltenen Alternative (T 1151/18) nicht als geändertes Beschwerdevorbringen gewertet.

4.3.3 Wie schon in T 2222/15 richtig festgestellt (Entscheidungsgründe, Punkt 31), betrifft die Entscheidung T 1480/16, auf die in den oben angeführten Entscheidungen der Technischen Beschwerdekammern Bezug genommen wird, einen Fall, in dem die Patentierbarkeit des Vorrichtungs- und Verfahrensanspruchs bereits im erstinstanzlichen Verfahren getrennt geprüft und unterschiedlich entschieden worden war. Weiterhin ist festzuhalten, dass im Beschwerdeverfahren zu T 1480/16 die am Verfahren Beteiligten unterschiedliche Argumente zum Vorrichtungs- und zum Verfahrensanspruch vorgetragen hatten. Insoweit lag ein umfassender und differenzierter Vortrag der am Verfahren Beteiligten zu beiden Anspruchskategorien vor.

4.3.4 Der vorliegende Fall ist hingegen anders gelagert. Die Kammer hatte im Rahmen der Diskussion der erfinderischen Tätigkeit bezüglich der Erzeugnisansprüche der höherrangigen Anträge sowohl Merkmale der Kaffeekomposition als auch Verfahrensmerkmale (Aufschäumen und Gefriertrocknung) zu berücksichtigen, weil die Erzeugnisansprüche als Product-by-process-Ansprüche formuliert sind. Im Lichte dieser Beurteilung (siehe Punkt 2) ist es für die Kammer prima facie nicht erkennbar, dass der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 Aussicht auf Erfolg haben könnte.

4.4 Für die Zulassung dieses Antrags ist ferner zu prüfen, ob die vorliegende Änderung des Beschwerdevorbringens durch außergewöhnliche Umstände veranlasst ist.

4.4.1 Nach Auffassung des Pateninhabers sei das Stellen dieses Antrags dem außergewöhnlichen Umstand geschuldet, dass die Kammer nicht der Einspruchsabteilung gefolgt sei und die erfinderische Tätigkeit des von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Anspruchssatzes nicht anerkannt habe.

4.4.2 Die Kombination der Lehre des nächstliegenden Standes der Technik D6 mit D12 war Kerngegenstand der Diskussion der erfinderischen Tätigkeit, und zwar sowohl in der angefochtenen Entscheidung als auch im schriftlichen Verfahren vor der Beschwerdekammer. Somit war es für alle Verfahrensbeteiligten zu erwarten, dass die Kammer diesen Punkt entscheiden würde, nämlich dass sie die Entscheidung der Einspruchsabteilung bestätigt oder aufhebt. Der Patentinhaber hat auch nicht auf Aspekte der Diskussion hingewiesen, die einen außergewöhnlichen Umstand hätten begründen können.

4.5 Somit ist dieser Antrag nicht in das Verfahren zuzulassen (Artikel 13 (2) VOBK 2020).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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