European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2021:T209118.20211109 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 09 November 2021 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2091/18 | ||||||||
Anmeldenummer: | 13700903.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | B29C 43/24 A61K 9/70 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Gitterverlustreduktion bei Pflasterherstellung | ||||||||
Name des Anmelders: | Luye Pharma AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | LTS Lohmann Therapie-Systeme GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (ja) Ausreichende Offenbarung (ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
Das Streichen eines oder mehrerer unabhängiger Ansprüche stellt eine Änderung des Beschwerdevorbringens im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK 2020 dar (siehe Punkte 3 und 4 der Entscheidungsgründe). |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das Europäische Patent Nr. 2 804 734 (nachfolgend als "das Patent" bezeichnet) zurückzuweisen.
II. Der Einspruch war gegen das Patent in vollem Umfang eingelegt worden und im Hinblick auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 56 EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) und gemäß Artikel 100 b) EPÜ begründet worden.
III. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem folgende Druckschriften berücksichtigt:
D1|WO 00/62763 A2; |
D2|US 4,681,001; |
D3|EP 0 848 937 A2;|
D5|DE 34 32 331 A1. |
IV. Mit Ladung vom 23. Oktober 2020 wurden die Beteiligten zu einer mündlichen Verhandlung geladen.
V. In der am 7. September 2021 erlassenen Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern in der seit dem 1. Januar 2020 geltenden Fassung (VOBK 2020, ABl. EPA 2019, A63) brachte die Kammer ihre vorläufige Auffassung zu den Einwänden der nicht ausreichenden Offenbarung und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit zum Ausdruck.
VI. Am 9. November 2021 hat die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer stattgefunden.
VII. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung gemäß Hauptantrag oder hilfsweise gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 5, sämtliche Anträge vorgelegt in der mündlichen Verhandlung, aufrechtzuerhalten, weiter hilfsweise, die Beschwerde zurückzuweisen, oder das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage der Hilfsanträge 7 bis 11, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung als Hilfsanträge 1 bis 5, beschränkt aufrechtzuerhalten.
VIII. Der Wortlaut des einzigen unabhängigen Anspruchs gemäß dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrag lautet wie folgt (die Merkmalsgliederung entspricht jener der angefochtenen Entscheidung):
"[1] Verfahren zur Herstellung von Systemen zur transdermalen oder permukosalen Verabreichung von Wirkstoffen, wobei das Verfahren folgende Schritte umfasst:
[2] - Bereitstellen einer beschichteten Trägerfolienbahn (10), umfassend eine Trägerfolienbahn (1) mit einer darauf haftklebenden wirkstoffhaltigen Beschichtung (2), [3] wobei auf der beschichteten Trägerfolienbahn (10) Wirkstoffdepotflächen (12) derart definiert sind, dass [4] die Wirkstoffdepotflächen (12) in Bahnrichtung (1) der beschichteten Trägerfolienbahn (10) in zwei oder mehr Reihen derart angeordnet sind, dass [5] sich die Reihen in Bahnrichtung (1) nicht mittels einer geraden Linie voneinander trennen lassen, ohne dabei Wirkstoffdepotflächen (12) zu schneiden, [6] und dass der Anteil der Oberfläche der beschichteten Trägerfolienbahn (10), der nicht als Wirkstoffdepotfläche (12) genutzt wird, unter Nichtberücksichtigung der Randzonen der beschichteten Trägerfolienbahn (10), weniger als 39 % der Gesamtfläche der beschichteten Trägerfolienbahn (10) beträgt; und
[7] - Durchtrennen (S4) der beschichteten Trägerfolienbahn (10) in Bahnrichtung (1) in zwei oder mehr Teilbahnen (15a, 15b, 15c, 15d) derart, [8] dass jede Teilbahn eine Reihe von Wirkstoffdepotflächen (12) enthält, [9] wobei beim Durchtrennen keine der Wirkstoffdepotflächen (12) geschnitten wird."
IX. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Zulassung des Hauptantrags
Der Hauptantrag hätte früher eingereicht werden können und gelte somit als verspätet. Nach Artikel 114 (2) EPÜ in Verbindung mit Artikel 13 VOBK 2020 sei der Hauptantrag nicht zuzulassen.
Ausreichende Offenbarung der Erfindung
Die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ seien nicht erfüllt. Die von Anspruch 1 des Hauptantrags vermittelte technische Lehre sei in der Patentschrift ausschließlich für kreisförmige Wirkstoffdepotflächen gezeigt. Zumindest für Wirkstoffdepots mit rechteckförmigen oder vieleckförmigen Flächengeometrien sei die Erfindung nicht ausführbar. Die Beschwerdegegnerin selbst habe in Absatz [0010] des Patents festgestellt, dass die Erfindung für nicht rechteckförmige Flächengeometrien anzuwenden sei. Aus der unten abgebildeten beispielhaften Anordnung sei deutlich zu entnehmen,
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
dass die hier in drei Reihen angeordneten Wirkstoffdepots (12) sich offensichtlich nicht in der in Absatz [0025] des Patents definierten Bahnrichtung mittels einer geraden Linie in mehrere Teilbahnen trennen ließen, ohne dabei ein Wirkstoffdepot zu schneiden. Auch sonst sei das Durchtrennen in Bahnrichtung im Sinne der Merkmale 7 bis 9 von Anspruch 1 nicht möglich. Beispielsweise schließe eine zwischen den Rechtecken verlaufende Zick-Zack-Linie zwingend Teilstrecken ein, die in einem Winkel von 90 Grad zur Bahnrichtung verliefen. Bei der Verwendung anderer Flächengeometrien, z. B. der Schmetterlingsform, verlaufe die Trennlinie sogar teilweise entgegen der Bahnrichtung. Zudem sei der Hinweis der Einspruchsabteilung, dass jede Form verwendbar sei, um die ein Kreis gezogen werden könne, irreführend. Die Offenbarung eines einzigen Wegs zur Ausführung der Erfindung reiche nur dann aus, wenn sie die Ausführung der Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich ermögliche (s. T 409/91).
Erfinderische Tätigkeit
Auszugehen sei von der Druckschrift D1 als nächstliegendem Stand der Technik, worin ein herkömmliches Verfahren mit den Merkmalen 1 bis 4 und 6 offenbart sei. Nach Überschlagsrechnung betrage der Anteil der Oberfläche der beschichteten Trägerfolienbahn, der nicht als Wirkstoffdepotfläche genutzt werde, unter Nichtberücksichtigung der Randzonen der beschichteten Trägerfolienbahn weniger als 39 % der Gesamtfläche der beschichteten Trägerfolienbahn. Der Einwand der Einspruchsabteilung, dass das Patent im Gegensatz zur Druckschrift D1 ein Matrixsystem offenbare, sei nicht relevant. Das mehrschichtige Laminat der Druckschrift D1 weise Wirkstoffdepots auf, könne flexibel sein und verfüge über eine Klebeschicht.
Das Unterscheidungsmerkmal 5 sei unabhängig von den Merkmalen 1 bis 4; es handle sich lediglich um eine Aneinanderreihung von Merkmalen. Die zu lösende objektive technische Aufgabe sei darin zu sehen, ein flächensparendes Layout für Wirkstoffdepots zu erzeugen.
Da es sich hier um fertigungstechnische Probleme handle, sei der Fachmann nicht auf das Gebiet der transdermalen therapeutischen Systeme (TT-Systeme) beschränkt, sondern hätte sich zur Lösung der Aufgabe auch auf technischen Gebieten umgesehen, bei denen ähnliche Probleme aufträten. Obwohl die Druckschrift D2 die Herstellung durch Stanzen von kreisförmigen Rohlingen, die aus bandförmigen Substraten bestünden und insbesondere für Dosen gedacht seien, betreffe, werde im technischen Hintergrund des Dokuments hervorgehoben, dass eine möglichst effiziente Flächenausnutzung bei der Verarbeitung von Platten sowie Metall- und Nichtmetallrollen, einschließlich Laminaten, von grundsätzlicher Bedeutung sei. Entgegen der Entscheidung der Einspruchsabteilung sei die Druckschrift D2 somit nicht nur auf Dosen und Rohlinge zu lesen, sondern sie greife die gestellte objektive Aufgabe auf. Außerdem beschäftige sich die Druckschrift D2 mit dem Schneiden von Teilbahnen (Spalte 10, Zeile 60 ff.). Das Problem der Trennung vom Gitter sei vorliegend irrelevant, da auch Anspruch 1 diesbezüglich kein Merkmal enthalte.
Eine gestaffelte Reihenanordnung gemäß den Merkmalen 5 und 6 sei gemäß den Figuren 3A und 5A der Druckschrift D2 allgemein bekannt. Diese Anordnung könne unabhängig von einem Material oder Gegenstand gelesen werden. Im weiteren Verfahren der Druckschrift D2 seien die einzelnen Längsreihen mittels eines wellenförmigen Längsschnitts voneinander zu trennen, ohne die vorgesehene Kreisform, die entweder den Durchmesser D oder den Durchmesser G haben könne, zu durchschneiden. Die Trennlinie werde in der Figur 5B gezeigt. Der Fachmann hätte daher zur Separierung der einzelnen Teilbahnen aus der Druckschrift D1 ohne erfinderisches Zutun auf die vorteilhafte und abfallminimierende gestaffelte Anordnung der Druckschrift D2 zurückgegriffen und sich anstelle eines geraden Längsschnitts für einen gewellten Schnitt in Bahnrichtung entschieden.
Darüber hinaus werde auch durch die Druckschrift D5 bestätigt, dass eine gestaffelte Anordnung von Wirkstoffdepotflächen aus dem Stand der Technik bekannt sei. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei übrigens zu berücksichtigen, dass es sich gemäß Absatz [0029] des Patents bei dieser Anordnung um eine rein gedankliche Konzeption handeln könne, wobei das Formstanzen der Wirkstoffdepotflächen erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgeführt werde. Bezüglich wellenförmiger Längsschnitte werde auf die Figuren 4c und 4e der Druckschrift D3 verwiesen.
Alternativ sei das beanspruchte Verfahren auch ausgehend von der Druckschrift D2 und unter Heranziehung der Druckschrift D1 nahegelegt.
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
X. Der Vortrag der Beschwerdegegnerin lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
Zulassung des Hauptantrags
Der Hauptantrag beruhe auf dem erteilten Anspruchssatz, wobei lediglich alle Vorrichtungsansprüche gestrichen worden seien. Er sei am Anfang der mündlichen Verhandlung als eine verfahrensökonomische Reaktion auf die von der Kammer in ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 geäußerte Meinung zur Nichtgewährbarkeit der Vorrichtungsansprüche eingereicht worden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die angefochtene Entscheidung keinerlei Begründung zu den schon damals angegriffenen Vorrichtungsansprüchen enthalte. Folglich sei der Hauptantrag ins Beschwerdeverfahren zuzulassen.
Ausreichende Offenbarung der Erfindung
Die beanspruchte Erfindung sei ausreichend offenbart. Die Wirkstoffdepotflächen gemäß Anspruch 1 seien nicht durch eine einfache geometrische Form, sondern über die Merkmale 4 bis 9 definiert worden. Somit falle unter den Anspruch 1 nicht jede denkbare Flächengeometrie, sondern unter anderem geometrische Formen, die nicht kreisförmig seien, um die jedoch ein Kreis gezogen werden könne. Die Trennlinie verlaufe dann zwischen den Kreisen. Rechteckförmige Wirkstoffdepotflächen seien im Anspruch 1 auch im Hinblick auf Absatz [0010] des Patents nicht ausgeschlossen, selbst wenn es das Ziel des Patents gewesen sei, die Nutzung der wirkstoffhaltigen Beschichtung bei nicht rechteckförmiger Flächengeometrie für ein Wirkstoffdepot zu verbessern. Die von der Beschwerdeführerin angefertigte Skizze entspreche nicht der Lehre des Patents, da die Bahnrichtung nicht gemäß der Definition in Absatz [0025] des Patents in Richtung der längeren Seitenkante der Trägerfolie verlaufe. Insbesondere in den Figuren 2 bis 8 und in den Absätzen [0052], [0055] bis [0057] und [0059] offenbare das Patent, wie die Wirkstoffdepots anzuordnen seien, damit sie die obengenannten Anforderungen erfüllten. In ihren Angaben zu den rechteckförmigen Flächengeometrien verwechsele die Beschwerdeführerin die Kontur des Trennschnitts, welche unter anderem Teilschnitte quer zur Bahnrichtung umfasse, mit der Gesamtausrichtung des Trennschnitts in Bahnrichtung.
Erfinderische Tätigkeit
Die Druckschrift D1 beziehe sich auf TT-Systeme, die Wirkstoffdepots mit kreisförmiger Grundfläche enthielten. Sie werde somit als nächstliegender Stand der Technik angesehen. Die Merkmale 5 bis 9 seien allerdings dort nicht offenbart.
Bei der Formulierung der objektiven technischen Aufgabe müsse auch den Merkmalen 7 bis 9 Rechnung getragen werden. Dabei sei zu beachten, dass der klebrige Gegenstand des TT-Systems leicht zu verarbeiten sein müsse. Die Aufgabe laute daher, ein praxistaugliches Herstellungsverfahren für TT-Systeme zur Verfügung zu stellen, das gewährleiste, dass die Nutzung der wirkstoffhaltigen Beschichtung bei nicht rechteckförmigen Flächengeometrien verbessert werde, wobei die einzelnen Elemente der wirkstoffhaltigen Beschichtung leicht voneinander getrennt werden könnten.
In der Druckschrift D1 finde sich kein Anhaltspunkt dafür, dass durch eine veränderte Anordnung der Wirkstoffdepots die Verluste der nicht genutzten Fläche minimiert werden könnten.
Auch durch die Druckschrift D2, die sich auf die Verarbeitung von Platten sowie Metall- und Nichtmetallrollen, insbesondere für die Herstellung von Dosen, beziehe, werde der beanspruchte Gegenstand nicht nahegelegt. Die in der Druckschrift D2 erwähnten Laminate eigneten sich nicht zur Herstellung von TT-Systemen. Die Druckschrift D2 stamme aus einem völlig anderen technischen Gebiet und gehe nicht auf die spezifischen Probleme bei der Herstellung von TT-Systemen, die aus mehreren Schichten, in der Regel aus Polymeren, bestünden, ein. So träten Probleme bei der Trennung der Wirkstoffdepotflächen vom Gitter in der Druckschrift D2 nicht auf. Die in der Druckschrift D2 verwendeten Metallen seien im Vergleich zu den in der Druckschrift D1 für die TT-Systeme verwendeten Polymeren viel reißfester, so dass keine Gefahr bestehe, dass die kreisförmigen Rohlinge beim Abgittern beschädigt werden. Ein weiterer Einflussfaktor sei die Anhaftstärke der wirkstoffhaltigen Beschichtung an der Trägerfolienbahn, welche in der Druckschrift D2 nicht berücksichtigt werden müsse. Im Patent werde ferner darauf hingewiesen, dass eine theoretisch optimale Anordnung von Wirkstoffdepots mit einer kreisförmigen Grundfläche in der Praxis nicht möglich sei, da die abzuziehende Gitterstruktur nicht reißen dürfe und daher eine bestimmte Mindestbreite nicht unterschritten werden dürfe. Diese Mindestbreite hänge beispielsweise von der Reißfestigkeit des Materials, der Anhaftstärke der wirkstoffhaltigen Beschichtung, der Verarbeitungsgeschwindigkeit, der Abgittervorrichtung und der Größe der Wirkstoffdepotflächen ab. Alle diese Faktoren seien bei dem Verfahren der Druckschrift D2 irrelevant. Folglich hätte der Fachmann ohne Kenntnis der vorliegenden Erfindung die Lehre der Druckschrift D2 gar nicht berücksichtigt.
Selbst wenn der Fachmann die Lehre der Druckschrift D2 herangezogen hätte, wäre er nicht zu der im Verfahren nach Anspruch 1 beanspruchten Anordnung der Wirkstoffdepotflächen gelangt, denn die Offenbarung der Druckschrift D2 dürfe nicht im Lichte der Patentschrift interpretiert werden. Die komplett versetzte Anordnung gemäß Figur 3A der Druckschrift D2 entspreche nicht der Lehre des Patents, da sie für TT-Systeme technisch nicht praktikabel wäre. Auch in der Figur 3B der Druckschrift D2 seien die kreisförmigen Rohlinge entgegen der Lehre des Patents so angeordnet, dass sich die Außenkanten der Rohlinge berührten. Die bevorzugte Ausführungsform nach Figur 5A der Druckschrift D2 betreffe die Anordnung von kreisförmigen Rohlingen, wobei der innere Kreis den eigentlichen Rohling darstelle, während der äußere Kreis zusätzlich nicht genutzte Fläche, d.h. Gitter, umfasse. Auch diese Anordnung falle nicht unter den Anspruch 1 des Patents, da sich die eigentlichen Rohlinge mit einer geraden Linie trennen ließen. Die Figur 5B sei lediglich eine Vergrößerung der Figur 5A. Schließlich werde in der Figur 6A der Druckschrift D2 noch eine besonders materialsparende Anordnung vorgeschlagen, bei der sich die kreisförmigen Rohlinge berührten. Das Gitter werde nicht in einem Stück abgetrennt, sondern die dreieckförmigen, nicht genutzten Flächen seien einzeln auszustanzen. Eine solche Anordnung wäre nicht mit der Zielsetzung von Merkmal 1 vereinbar.
Die aus der Druckschrift D3 bekannten wellenförmigen Längsschnitte seien in einem völlig anderen Zusammenhang offenbart. Diese Druckschrift gehe mit keinem Wort auf das Problem des Verlustes von ungenutzter Trägerfolie ein.
Den Einwand ausgehend von der Druckschrift D2 habe die Beschwerdeführerin erst in der mündliche Verhandlung vorgebracht. Er sei verspätet und nicht zuzulassen.
Somit beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Entscheidungsgründe
Zulassung des Hauptantrags
1. Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Hauptantrag wurde erstmals zu Beginn der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereicht. Er unterscheidet sich von dem Patent in der erteilten Fassung, das der angefochtenen Entscheidung, den Einspruch zurückzuweisen, zugrunde lag, lediglich dadurch, dass die Vorrichtungsansprüche 6 bis 14 gestrichen worden sind. Damit werden in dem nun vorliegenden Hauptantrag nur die Verfahrensansprüche 1 bis 5 in der erteilten Fassung weiterverfolgt.
2. Artikel 13 (2) VOBK 2020, der gemäß den Übergangsbestimmungen des Artikels 25 (1) und (3) VOBK 2020 vorliegend anwendbar ist, implementiert die dritte Stufe des im Beschwerdeverfahren anzuwendenden Konvergenzansatzes (s. Zusatzpublikation 2 zum ABl. EPA 2020, S. 33, Erläuterungen zu Artikel 13 Absatz 2). Die Vorschrift bestimmt, dass Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Ablauf einer von der Kammer in einer Mitteilung nach Regel 100 Absatz 2 EPÜ bestimmten Frist oder, wenn eine solche Mitteilung nicht ergeht, nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
a) Änderung des Beschwerdevorbringens
3. In einigen Entscheidungen der Beschwerdekammern wird die Auffassung vertreten, dass die Streichung von Ansprüchen, die bereits Gegenstand des Beschwerdeverfahrens waren, keine Änderung des Beschwerdevorbringens darstelle, sodass die Kammer keinerlei Ermessensspielraum hinsichtlich ihrer Zulassung nach Artikel 13 (2) VOBK 2020 habe (siehe z. B. T 995/18, Punkt 2 der Entscheidungsgründe; T 981/17, Punkt 3 der Entscheidungsgründe; T 2243/18, Punkt 2 der Entscheidungsgründe; T 1792/19, Punkt 2 der Entscheidungsgründe; T 1857/19, Punkt 1.1 der Entscheidungsgründe).
4. Dieser Sichtweise schließt sich die Kammer aus folgenden Gründen nicht an.
4.1 Artikel 12 (3) VOBK 2020 schreibt vor, dass die Beschwerdebegründung und die Erwiderung das vollständige Beschwerdevorbringen eines Beteiligten enthalten müssen. Dabei ist das Beschwerdevorbringen nach Artikel 12 (2) VOBK 2020 auf die Anträge, Tatsachen, Einwände, Argumente und Beweismittel zu richten, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen. Wie die juristische Beschwerdekammer in J 14/19 (Punkt 1.4 der Entscheidungsbegründung) dargelegt hat, folgt im Umkehrschluss daraus, dass Vorbringen der Beteiligten, das nicht auf die in der Beschwerdebegründung oder Erwiderung enthaltenen Anträge, Tatsachen, Einwände, Argumente oder Beweismittel gerichtet ist, eine Änderung des Beschwerdevorbringens bewirkt. Als Beispiel wird dort im darauffolgenden Punkt 1.5 der Entscheidungsbegründung eine Änderung des Patents genannt. Für die Kammer steht außer Zweifel, dass das Streichen eines oder mehrerer unabhängiger Ansprüche einschließlich etwaiger abhängiger Ansprüche eine Änderung des Patents darstellt (vgl. G 3/14, Punkt 77 der Entscheidungsgründe: "...indem man von einer Änderung ausgeht, die wahlweise in der Streichung eines oder mehrerer unabhängiger Ansprüche (einschließlich etwaiger abhängiger Ansprüche) besteht und die anderen unabhängigen sowie deren abhängige Ansprüche unberührt lässt..."). Folglich teilt die Kammer die in T 1569/17 (Punkt 4.3.1 der Entscheidungsgründe) vertretene Auffassung, dass es sich bei der Streichung von unabhängigen Ansprüchen, die bereits Gegenstand des Beschwerdeverfahrens waren, um eine Änderung des Beschwerdevorbringens im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK 2020 handelt. Zu einem ähnlichen Schluss kamen auch die Beschwerdekammern in T 1224/15 (Punkt 5 der Entscheidungsgründe), in T 482/19 (Punkt 5.7 der Entscheidungsgründe), in T 60/18 (Punkt 7 der Entscheidungsgründe) und, wenn auch nur hypothetisch, in T 1857/19 (Punkt 1.1 der Entscheidungsgründe: "Even if the deletion of a claim category were always to be considered an amendment").
4.2 Für den Rückschluss, dass die Streichung von Ansprüchen das Beschwerdevorbringen nicht ändere, insofern sich dadurch keine geänderte Sachlage (T 995/18, T 981/17, T 1792/19, T 1857/19) bzw. keine (völlige) Neugewichtung (T 995/18, T 981/17) ergebe, findet sich nach Ansicht der Kammer in der Verfahrensordnung keine Stütze. Nach Auffassung der Kammer ist die Frage, ob eine Änderung des Beschwerdevorbringens im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK 2020 vorliegt, von Erwägungen bezüglich des weiteren Verfahrensablaufs, die möglicherweise bei der anschließenden Ermittlung, ob außergewöhnliche Umstände vorliegen oder ob die nach Artikel 13 (1) VOBK 2020 maßgeblichen Kriterien erfüllt sind, eine Rolle spielen, zu trennen.
5. Aus den genannten Gründen ist die Kammer zum Schluss gelangt, dass die Streichung der erteilten Vorrichtungsansprüche im vorliegenden Fall eine Änderung des Beschwerdevorbringens darstellt, deren Zulassung gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 im Ermessen der Kammer liegt.
b) Außergewöhnliche Umstände
6. Als Rechtfertigung für die verspätete Einreichung des Hauptantrags hat die Beschwerdegegnerin geltend gemacht, dass dieser eine Reaktion auf die von der Kammer in ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 geäußerte vorläufige Meinung zur Nichtgewährbarkeit der Vorrichtungsansprüche darstelle.
7. Im Punkt 10.3.2 der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 hat die Kammer hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 6 in der erteilten Fassung ausgehend von der Druckschrift D2 ihre vorläufige Meinung dargelegt, dass dieser unabhängige Vorrichtungsanspruch keine expliziten Merkmale enthalte, wie eine Trennvorrichtung und eine Versetzeinrichtung für die Herstellung von TT-Systemen anzupassen wären und wie sich die wirkstoffhaltige Beschichtung, die haftklebend aufgebracht sei, darauf auswirke. Außerdem hat sie in Punkt 10.3.3 der Mitteilung darauf hingewiesen, dass in keinem der Vorrichtungsansprüche 6, 10 oder 12 in der erteilten Fassung definiert werde, dass die beim Stanzen entstehende Gitterstruktur an keiner Stelle eine Mindestbreite zwischen den kreisförmigen Pflastern unterschreiten solle. Hinsichtlich Anspruch 12 wurde den Beteiligten mitgeteilt, dass er offenbar keine strukturellen Merkmale enthalte, die für eine Konturierungsvorrichtung bzw. Stanzvorrichtung speziell bei der Herstellung von TT-Systemen erforderlich seien.
8. Diese Aspekte waren vorher im Verlauf des Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens nicht zur Sprache gekommen. Darüber hinaus teilt die Kammer die Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass es die Einspruchsabteilung versäumt hat, sich in der angefochtenen Entscheidung mit den unabhängigen Vorrichtungsansprüchen auseinanderzusetzen, obwohl die Einsprechende auch zu diesen Ansprüchen Einwände vorgetragen hatte.
9. Folglich kann der neue Hauptantrag als Reaktion auf die vorläufige Stellungnahme der Kammer in der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 gewertet werden. Die Beschwerdegegnerin hat mithin stichhaltige Gründe aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorlagen, die die Zulassung des Hauptantrags auch in dem späten Stadium des Verfahrens rechtfertigten.
10. Somit hat die Kammer den Hauptantrag in Ausübung ihres Ermessens ins Beschwerdeverfahren zugelassen (Artikel 13 (2) VOBK 2020).
Ausreichende Offenbarung der Erfindung
11. Bei der Beurteilung, ob die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann, ist der Gesamtinhalt des Patents, also die Beschreibung und die Zeichnungen genauso wie die Ansprüche zu berücksichtigen. Wie die Beschwerdegegnerin überzeugend dargelegt hat, beschreiben die Absätze [0052], [0055] bis [0057] und [0059] des Patents in Zusammenhang mit den Figuren, wie die Wirkstoffdepots entsprechend den von Anspruch 1 gestellten Anforderungen anzuordnen sind. Insbesondere die Offenbarung der Figur 4, wonach die Trennlinie derart wellenförmig ausgebildet ist, dass der Abstand Deltau zwischen zwei aufeinanderfolgenden Kehrpunkten den Eingriff zweier an der jeweiligen Wellenlinie ineinandergreifender Teilbahnen angibt (s. Absatz [0059]), versetzt den Fachmann in die Lage, Wirkstoffdepotfläche, die gemäß den Merkmalen 4 und 5 in zwei oder mehr Reihen angeordnet sind, welche jedoch nicht mittels einer geraden Linie voneinander getrennt werden können, trotzdem in Bahnrichtung in Teilbahnen zu trennen, ohne dabei Wirkstoffdepotflächen zu schneiden (Merkmale 7 bis 9).
12. Die Kammer kann nicht erkennen, warum der Fachmann außerstande sein sollte, auch bei Flächengeometrien, die von der Kreisform abweichen, die Erfindung auszuführen. Dabei gegebenenfalls den Verlauf der Wellenlinie an die konkreten Geometrien anzupassen, ist nach Auffassung der Kammer dem Fachmann durchaus zuzumuten. Vor diesem Hintergrund geht das Argument der Beschwerdeführerin, dass die Erfindung für rechteckförmige oder vieleckförmige Flächengeometrien nicht ausführbar sei, bereits aus dem Grund fehl, da auch dann die seitlich ineinandergreifenden Reihen von Wirkstoffdepots durch eine wellenförmige Trennlinie voneinander getrennt werden könnten. Es ist zuzugestehen, dass sich die Trennlinie in dem von der Beschwerdeführerin skizzierten Fall (s. Punkt IX oben) einer zwischen den in geringem Abstand zueinander liegenden Flächen verlaufenden Rechteckwelle nähern würde. Es hätte dem Fachmann jedoch keine besonderen Schwierigkeiten bereitet, die Erfindung auch in solchen Varianten auszuführen.
13. Die Überlegung der Beschwerdeführerin, dass eine Rechteckwelle zwingend Abschnitte aufweise, die sich quer zur Bahnrichtung erstreckten, ändert nichts an der Tatsache, dass die Durchtrennung der beschichteten Trägerfolienbahn in einzelne Teilbahnen im Sinne von Merkmal 7 in Bahnrichtung erfolgt. Die Kammer folgt diesbezüglich der Sichtweise der Beschwerdegegnerin, dass die Bahnrichtung im beanspruchten Zusammenhang als Gesamtausrichtung des Trennschnitts zu betrachten ist. Ähnlich hätte der Fachmann zum Durchtrennen einer beschichteten Trägerfolienbahn mit schmetterlingförmigen Wirkstoffdepots, je nachdem, ob die konkrete Anordnung es erforderte, den wellenförmigen Trennschnitt entsprechend angepasst, ohne dabei seine Gesamtausrichtung in Bahnrichtung zu ändern.
14. Auch die von der Beschwerdeführerin zitierte Entscheidung T 409/91 bildet keine Grundlage, die Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung in Zweifel zu ziehen.
In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall ging es um eine Gruppe chemischer Verbindungen (Destillatkraftstoffe), die durch ein gemeinsames Merkmal, nämlich das Vorhandensein von Wachskristallen, gekennzeichnet sind, die unter bestimmten Voraussetzungen eine bestimmte Teilchengröße aufweisen. In einem Hilfsantrag wurden die Untergrenze und die Obergrenze der durchschnittlichen Teilchengröße beansprucht, die durch bestimmte in der Beschreibung offenbarte Additive erreicht werden sollte, wobei im Anspruch aber kein Additiv angegeben war. Die Beschwerdekammer kam zum Schluss, dass die Offenbarung eines Weges zur Ausführung der Erfindung, mit dem man nur zu einigen Mitgliedern der beanspruchten Klasse chemischer Verbindungen gelangen konnte, nicht ausreichend im Sinne des Artikels 83 EPÜ war, zumal der Beschwerdeführer nicht bestritten hatte, dass die Beschreibung kein anderes Verfahren zur Erzielung der gewünschten Teilchengröße offenbare als den nicht-beanspruchten Zusatz bestimmter Additive zum Kraftstoff und dass auch einem Fachmann kein allgemeines Fachwissen über die Herstellung derartiger Kraftstoffe zur Verfügung stehe. Dabei hat die Beschwerdekammer eingeräumt, dass die Frage, ob die Offenbarung eines einzigen Weges zur Ausführung der Erfindung ausreicht, um einem Fachmann die Ausführung der Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich zu ermöglichen, eine Tatfrage ist, die von Fall zu Fall anhand der vorliegenden Beweismittel und nach Abwägen der Wahrscheinlichkeit zu entscheiden ist (s. Punkt 3.5 der Entscheidungsbegründung).
Ganz anders verhält es sich beim vorliegenden Patent. Anspruch 1 erstreckt sich auf ein (nicht-chemisches) Herstellungsverfahren, dass in der Beschreibung und in den Figuren anhand eines konkreten Ausführungsbeispiels mit kreisförmigen Wirkstoffdepots hinreichend offenbart ist. Wie oben dargelegt, hindert die reine Tatsache, dass die Flächengeometrie der Wirkstoffdepots von Anspruch 1 nicht festgelegt ist, den Fachmann nicht daran, geeignete Varianten der Erfindung, z.B. rechteckförmige oder vieleckförmige Wirkstoffdepots, auszuführen. Vor diesem Hintergrund braucht die Offenbarung keine besonderen Hinweise darauf zu enthalten, wie alle denkbaren Varianten der Flächengeometrien, die unter den Anspruch 1 des Hauptantrags fallen, zu erzielen sind.
15. Folglich sind die Voraussetzungen des Artikels 83 EPÜ erfüllt.
Erfinderische Tätigkeit
a) Ausgangspunkt
16. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass die Druckschrift D1 als nächstliegender Stand der Technik zu betrachten ist. Die Beschwerdeführerin hat zwar am Ende der mündlichen Verhandlung angedeutet, dass bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit auch von der Druckschrift D2 ausgegangen werden könne. Die Kammer ist allerdings der Auffassung, dass die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft dargelegt hat, dass sich das darin offenbarte, für die Herstellung von Metalldosen gedachte Verfahren dazu eigne, als Herstellungsverfahren in dem von Anspruch 1 abgesteckten Anwendungsbereich, nämlich bezüglich Systemen zur transdermalen oder permukosalen Verabreichung von Wirkstoffen, weiterentwickelt zu werden. Die Druckschrift D2 bildet folglich offensichtlich keinen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit. Damit könnte der Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von der Druckschrift D2 nicht zum Erfolg führen. Die Frage seiner Zulassung kann somit dahingestellt bleiben.
b) Unterscheidungsmerkmale
17. Unstreitig offenbart die Druckschrift D1 die Merkmale 1 bis 4 von Anspruch 1. Entsprechend der Ausführungsform der Figuren 5a und 5b wird der Wirkstoff 5 über einen gelochten Film 61 auf eine mit einer Klebeschicht 7 beschichtete Trägerfolienbahn 9 aufgetragen, so dass nach dem Entfernen des Films mehrere in Bahnrichtung ausgerichtete Reihen kreisförmiger Wirkstoffdepots gebildet werden.
18. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin ist auch das Merkmal 6 in der Druckschrift D1 offenbart. Diesen Befund leitet sie aus einer "Überschlagsrechnung" mit Verweis auf Figur 5b ab. Es ist für die Kammer jedoch nicht ersichtlich, wie die schematischen Perspektivdarstellungen in der Figur 5b zum Verständnis führen können, dass weniger als 39% der Gesamtfläche der beschichteten Trägerfolienbahn, unter Nichtberücksichtigung der Randzonen, nicht als Wirkstoffdepotfläche genutzt wird, zumal die Zeichnungen eher den Anschein erwecken, dass der tatsächlich ungenutzte Anteil deutlich größer ist. Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, dass Absatz [0004] des Patents diesbezüglich einen gegenteiligen Eindruck ("scheint es") vermittelt.
19. Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich daher von dem aus der Druckschrift D1 bekannten Verfahren durch die Merkmale 5 bis 9.
c) Objektive technische Aufgabe
20. Die Kammer stimmt der Beschwerdegegnerin insofern zu, dass die objektive technische Aufgabe darin besteht, die Herstellung von TT-Systemen so zu gestalten, dass die Nutzung der wirkstoffhaltigen Beschichtung verbessert wird. Allerdings hat sie nicht überzeugend dargelegt, weshalb auch das Ausschließen der Rechteckform und die leichte Trennung der einzelnen Elemente voneinander in die Aufgabenstellung einfließen sollten. Andererseits sieht die Kammer bei der Aufgabenformulierung der Beschwerdeführerin, ein flächensparendes Layout für Wirkstoffdepots zu erzeugen, keinerlei ursächlichen Zusammenhang mit dem Trennschritt der Merkmale 7 bis 9. Die objektive technische Aufgabe kann deshalb darin gesehen werden, die Herstellung von TT-Systemen so zu gestalten, dass die Nutzung der wirkstoffhaltigen Beschichtung verbessert wird.
d) Naheliegen
21. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin hätte der Fachmann, der bestrebt ist, eine Lösung der objektiven technischen Aufgabe zu finden, die technische Lehre der Druckschrift D2 aus dem Grund herangezogen, dass ähnliche fertigungstechnische Probleme auch bei der Herstellung von kreisförmigen Rohlingen aufträten. Dem hat die Beschwerdegegnerin mit dem Argument widersprochen, dass sich die in der Druckschrift D2 offenbarte Lehre nicht zur Herstellung der aus der Druckschrift D1 bekannten TT-Systeme eigne.
22. Nach ständiger Rechtsprechung kann zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit außer dem Stand der Technik auf dem Spezialgebiet des Patents gegebenenfalls auch der Stand der Technik auf Nachbargebieten und/oder auf einem übergeordneten allgemeinen technischen Gebiet herangezogen werden, insbesondere dann, wenn auf dem angrenzenden Gebiet die gleichen oder ähnliche Probleme eine Rolle spielen wie auf dem Spezialgebiet des Patents und wenn vom Fachmann auf diesem Spezialgebiet erwartet werden muss, dass er Kenntnisse vom Vorhandensein des anderen Fachgebiets hat (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 9. Auflage 2019, I.D.8.2).
23. Die Kammer stimmt der Beschwerdegegnerin zu, dass die Druckschrift D2 aus einem technischen Gebiet stammt, in dem im Vergleich zur Herstellung von Systemen zur Verabreichung von Wirkstoffen über die Haut (transdermal) bzw. Schleimhaut (permukosal) ganz andere Randbedingungen vorliegen. So hat sie überzeugend dargelegt, dass auf dem Gebiet der Druckschrift D2, anders als für das Durchtrennen einer in der Regel aus Kunststoff bestehenden Trägerfolienbahn mit einer darauf haftklebenden wirkstoffhaltigen Beschichtung, Faktoren wie die Reißfestigkeit oder die Anhaftstärke beim Stanzen von Dosendeckeln aus einem Blechband keine entscheidende Rolle spielen. Dass die Druckschrift D2 in diesem Zusammenhang auch auf einen laminierten Aufbau ("laminations") Bezug nimmt, steht nach Auffassung der Kammer dieser Schlussfolgerung nicht entgegen. Denn eine andere Anwendung als die Herstellung von Metalldosen geht nicht aus der Druckschrift D2 hervor (s. Spalte 5, Zeilen 46 bis 48).
24. Selbst wenn der Fachmann eine Anregung dazu gehabt hätte, die Nutzung der aus der Druckschrift D1 bekannten wirkstoffhaltigen Beschichtung durch Heranziehen der Druckschrift D2 zu verbessern, so hätte dies nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 geführt.
Diesbezüglich hat die Beschwerdeführerin auf die Figuren 3A, 5A und 5B der Druckschrift D2 hingewiesen, die jeweils eine platzsparende Anordnung von kreisförmigen Rohlingen veranschaulichen. Hinsichtlich der Figur 3A ist jedoch in Betracht zu ziehen, dass diese lediglich als Nachweis für eine aus dem Stand der Technik bekannte gestaffelte Anordnung dient (Spalte 8, Zeilen 23 bis 24: "prior art arrangement"). Das darin abgebildete Blechband ist zwar an zwei Stellen entlang quer zur Bahnrichtung verlaufender Zick-Zack-Linien 3 durchtrennt, der Figurenbeschreibung in Spalte 8, Zeilen 23 bis 61 ist allerdings nicht zu entnehmen, wie die kreisförmigen Rohlingen in Bahnrichtung voneinander getrennt werden. Hinsichtlich der Ausführungsform nach Figur 5A und 5B stimmt die Kammer der Beschwerdeführerin zu, dass die Trennung der seitlich ineinandergreifenden Längsreihen durch wellenförmige Trennschnitte 4a erfolgt. Es ist der Beschwerdegegnerin jedoch darin recht zu geben, dass wenigstens in Figur 5A eine gerade Linie zwischen den kreisförmigen Rohlingen mit Durchmesser D gezogen werden kann, so dass das Merkmal 5 fehlt. Auch der Figur 5B ist nicht unmittelbar zu entnehmen, ob die inneren Kreise derart angeordnet sind, dass sich die Reihen in Bahnrichtung nicht mittels einer geraden Linie voneinander trennen lassen ohne dabei die Kreise zu schneiden. Es ist daher nicht ersichtlich, dass die Unterscheidungsmerkmale 5 bis 9 durch die Gesamtoffenbarung der Druckschrift D2 nahegelegt sind.
25. Auch der weitere von der Beschwerdeführerin genannte Stand der Technik gibt dem Fachmann keinerlei Anregung, das aus der Druckschrift D1 bekannte Verfahren im Sinne des Gegenstands von Anspruch 1 abzuändern.
Obwohl eine versetzte, platzsparende Anordnung von kreisförmigen Wirkstoffdepots im Sinne von Merkmal 5 in Figur 4 der Druckschrift D5 dargestellt ist, und ausweislich der Beschreibung auf Seite 9, zweiter Absatz angenommen werden kann, dass es für den Fachmann auf dem technischen Gebiet der Medizinpflaster zum Zeitpunkt der Erfindung auf der Hand lag, den Abstand zwischen benachbarten Wirkstoffdepots derart zu wählen, dass der ungenutzte Anteil der beschichteten Oberfläche in dem sehr breiten Bereich von Merkmal 6 liegen würde, werden die Wirkstoffdepots der Druckschrift D5 entgegen den Erfordernissen der Merkmale 7 bis 9 einzelnen aus der Trägerfolienbahn ausgestanzt (s. Figur 2).
Gemäß der Druckschrift D3 wird ein wellenförmiger Längsschnitt 2 in eine untere Schutzfolie 1 eingebracht. Allerdings dient die sogenannte "cut-and-tear line 2" nicht zur Trennung der in parallelen Reihen angeordneten Wirkstoffdepotflächen (s. Figuren 4(e), (i), (k) und (m); Spalte 5, Zeilen 19 bis 37).
26. Aus genannten Gründen beruht der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
Schlussfolgerung
27. Weil die Ansprüche des vorliegenden Hauptantrags den Erfordernissen des EPÜ genügen, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückzuverweisen, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 5 gemäß Hauptantrag und mit einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 5 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrag und mit einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.