T 1620/18 () of 27.6.2022

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2022:T162018.20220627
Datum der Entscheidung: 27 Juni 2022
Aktenzeichen: T 1620/18
Anmeldenummer: 07009604.5
IPC-Klasse: B42D 15/00
D21H 21/42
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Sicherheitselement
Name des Anmelders: Giesecke+Devrient Currency Technology GmbH
Name des Einsprechenden: Hueck Folien Ges.m.b.H.
Kammer: 3.4.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 52(1)
European Patent Convention Art 101(3)(b)
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Schlagwörter: Hauptantrag - Neuheit - (nein)
Spät eingereichte Beweismittel - Beweismittel hätten bereits im erstinstanzlichen Verfahren eingereicht werden können (nein)
Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (ja)
Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit - (nein)
Spät eingereichte Hilfsanträge - eingereicht in der mündlichen Verhandlung
Spät eingereichte Hilfsanträge - Streichen von Produktansprüchen und Beschränkung nur auf Verfahrensansprüche stellt eine Änderung des Beschwerdevorbringens dar (ja)
Spät eingereichte Hilfsanträge - außergewöhnliche Umstände (nein)
Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
J 0014/19
T 2222/15
T 0752/16
T 1569/17
T 0482/19
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent Nr. EP 1 857 295 in geänderter Form gemäß dem damaligen Hilfsantrag 3 aufrechtzuerhalten.

II. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer stellten die Beteiligten ihre Anträge wie folgt:

Die Beschwerdeführerin 1 - Patentinhaberin (im Weiteren "Patentinhaberin") beantragte gemäß Hauptantrag die Aufhebung der Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs (d. h. die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt). Hilfsweise beantragte sie gemäß Hilfsantrag 2, die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen (d. h. das Patent in der von der Einspruchsabteilung gebilligten Fassung aufrechtzuerhalten). Weiter hilfsweise beantragte sie gemäß Hilfsanträgen 3 und 4 die Aufhebung der Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis der entsprechenden, in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Anspruchssätze (bezeichnet als "Neuer Hilfsantrag 3" bzw. "Neuer Hilfsantrag 4"). Weiterhin beantragte die Patentinhaberin die Nichtzulassung des Dokuments D13 und des Datenblatts "VHL-31534" (von der Kammer im Weiteren als "D14" bezeichnet).

Der in der Beschwerdebegründung der Patentinhaberin gestellte Hilfsantrag 1 wurde in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zurückgenommen.

Die Beschwerdeführerin 2 - Einsprechende (im Weiteren "Einsprechende") beantragte die Aufhebung der Entscheidung und den Widerruf des Patents.

III. Es wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:

D1: WO 2004/111338 A1,

D2: DE 102 26 177 A1,

D3: WO 92/11142 A1,

D13: DE 42 42 407 A1,

D14: Datenblatt "VHL-31534" mit Datumsaufdruck "January 2000", eingereicht am 2. Januar 2019 von der Einsprechenden mit Schreiben vom 30. Dezember 2018.

IV. Der unabhängige Anspruch 1 des Patents wie erteilt, also gemäß vorliegendem Hauptantrag der Patentinhaberin, lautet wie folgt:

Sicherheitselement (2) für ein Sicherheitspapier oder ein Wertdokument (1), wie eine Banknote, eine Ausweiskarte oder dergleichen, mit zumindest im Durchlicht visuell erkennbaren Zeichen, Mustern oder Codierungen, umfassend

- eine transparente oder zumindest transluzente Kunststoffschicht (3),

- eine erste metallische Schicht (7) mit Aussparungen (9) in Form der Zeichen, Muster oder Codierungen,

- eine maschinell prüfbare Schicht (5) mit Freibereichen,

- eine für den Betrachter metallisch erscheinende Schicht mit Freibereichen,

die in der genannten Reihenfolge übereinander angeordnet sind, wobei die Freibereiche der maschinell prüfbaren Schicht (5) und der metallisch erscheinenden Schicht so dimensioniert und angeordnet sind, dass die visuelle Erkennbarkeit der Aussparungen (9) der ersten metallischen Schicht gewährleistet ist,

dadurch gekennzeichnet, dass zwischen der ersten metallischen Schicht (7) und der maschinell prüfbaren Schicht (5) eine transparente oder zumindest transluzente Haftvermittlerschicht oder erste Schutzlackschicht (10) vollflächig vorgesehen ist.

V. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 der Patentinhaberin lautet wie folgt:

Sicherheitselement (2) für ein Sicherheitspapier oder ein Wertdokument (1), wie eine Banknote, eine Ausweiskarte oder dergleichen, mit zumindest im Durchlicht visuell erkennbaren Zeichen, Mustern oder Codierungen, umfassend

- eine transparente oder zumindest transluzente Kunststoffschicht (3),

- eine erste metallische Schicht (7) mit Aussparungen (9) in Form der Zeichen, Muster oder Codierungen,

- eine maschinell prüfbare Schicht (5) mit Freibereichen,

- eine für den Betrachter metallisch erscheinende Schicht mit Freibereichen,

die in der genannten Reihenfolge übereinander angeordnet sind, wobei die Freibereiche der maschinell prüfbaren Schicht (5) und der metallisch erscheinenden Schicht so dimensioniert und angeordnet sind, dass die visuelle Erkennbarkeit der Aussparungen (9) der ersten metallischen Schicht gewährleistet ist,

wobei zwischen der ersten metallischen Schicht (7) und der maschinell prüfbaren Schicht (5) eine transparente oder zumindest transluzente erste Schutzlackschicht (10) vollflächig vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass die erste Schutzlackschicht (10) aus einem Lack auf Nitrocellulosebasis, PVC-Basis, Polyamidbasis oder aus einem vernetzenden Lack besteht.

VI. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 der Patentinhaberin lautet wie folgt:

Verfahren zur Herstellung eines Sicherheitselements (2) für ein Sicherheitspapier oder ein Wertdokument (1), wie eine Banknote, eine Ausweiskarte oder dergleichen, mit zumindest im Durchlicht visuell erkennbaren Zeichen, Mustern oder Codierungen, umfassend

- eine transparente oder zumindest transluzente Kunststoffschicht (3),

- eine erste metallische Schicht (7) mit Aussparungen (9) in Form der Zeichen, Muster oder Codierungen,

- eine maschinell prüfbare Schicht (5) mit Freibereichen,

- eine für den Betrachter metallisch erscheinende Schicht mit Freibereichen,

die in der genannten Reihenfolge übereinander angeordnet sind, wobei die Freibereiche der maschinell prüfbaren Schicht (5) und der metallisch erscheinenden Schicht so dimensioniert und angeordnet sind, dass die visuelle Erkennbarkeit der Aussparungen (9) der ersten metallischen Schicht gewährleistet ist,

wobei zwischen der ersten metallischen Schicht (7) und der maschinell prüfbaren Schicht (5) eine transparente oder zumindest transluzente erste Schutzlackschicht (10) vollflächig vorgesehen ist, wobei die erste Schutzlackschicht (10) aus einem Lack auf Nitrocellulosebasis, PVC-Basis, Polyamidbasis oder aus einem vernetzenden Lack besteht,

gekennzeichnet durch folgende Schritte:

- Auftragen einer ablösbaren Druckfarbe (8) in Form der Zeichen, Muster oder Codierungen, die beim fertig gestellten Sicherheitselement (2) zumindest im Durchlicht als Aussparungen (9) visuell erkennbar sein sollen, auf Teilbereiche einer transparenten oder zumindest transluzenten Trägerfolie (3),

- vollflächiges Aufbringen einer metallischen Schicht (7) auf die transparente oder zumindest transluzente Trägerfolie (3),

- Demetallisieren der metallischen Schicht (7) durch Entfernen der ablösbaren Druckfarbe (8) und der auf der ablösbaren Druckfarbe (8) aufgebrachten Bereiche der metallischen Schicht (7),

- vollflächiges Auftragen einer transparenten oder zumindest transluzenten ersten Schutzlackschicht (10) auf die metallische Schicht (7),

- Auftragen einer maschinell prüfbaren Schicht (5) auf Teilbereiche der ersten Schutzlackschicht (10) dergestalt, dass die Erkennbarkeit der Aussparungen (9) der metallischen Schicht (7) nicht beeinträchtig wird,

- Auftragen einer Metalleffektschicht (4) auf die maschinell prüfbare Schicht (5) und gegebenenfalls auf Teilbereiche der ersten Schutzlackschicht (10) dergestalt, dass die Erkennbarkeit der Aussparungen (9) der metallischen Schicht (7) nicht beeinträchtigt wird, und

- gegebenenfalls Zuschneiden des Sicherheitselements (2) auf ein gewünschtes Mass.

VII. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 der Patentinhaberin lautet wie folgt:

Verfahren zur Herstellung eines Sicherheitselements (2) für ein Sicherheitspapier oder ein Wertdokument (1), wie eine Banknote, eine Ausweiskarte oder dergleichen, mit zumindest im Durchlicht visuell erkennbaren Zeichen, Mustern oder Codierungen, umfassend

- eine transparente oder zumindest transluzente Kunststoffschicht (3),

- eine erste metallische Schicht (7) mit Aussparungen (9) in Form der Zeichen, Muster oder Codierungen,

- eine maschinell prüfbare Schicht (5) mit Freibereichen,

- eine für den Betrachter metallisch erscheinende Schicht mit Freibereichen,

die in der genannten Reihenfolge übereinander angeordnet sind, wobei die Freibereiche der maschinell prüfbaren Schicht (5) und der metallisch erscheinenden Schicht so dimensioniert und angeordnet sind, dass die visuelle Erkennbarkeit der Aussparungen (9) der ersten metallischen Schicht gewährleistet ist,

wobei zwischen der ersten metallischen Schicht (7) und der maschinell prüfbaren Schicht (5) eine transparente oder zumindest transluzente erste Schutzlackschicht (10) vollflächig vorgesehen ist, wobei die erste Schutzlackschicht (10) aus einem Lack auf Nitrocellulosebasis, PVC-Basis, Polyamidbasis oder aus einem vernetzenden Lack besteht,

gekennzeichnet durch folgende Schritte:

- Auftragen einer ablösbaren Druckfarbe (8) in Form der Zeichen, Muster oder Codierungen, die beim fertig gestellten Sicherheitselement (2) zumindest im Durchlicht als Aussparungen (9) visuell erkennbar sein sollen, auf Teilbereiche einer transparenten oder zumindest transluzenten Trägerfolie (3),

- vollflächiges Aufbringen einer metallischen Schicht (7) auf die transparente oder zumindest transluzente Trägerfolie (3),

- Demetallisieren der metallischen Schicht (7) durch Entfernen der ablösbaren Druckfarbe (8) und der auf der ablösbaren Druckfarbe (8) aufgebrachten Bereiche der metallischen Schicht (7),

- vollflächiges Auftragen einer transparenten oder zumindest transluzenten ersten Schutzlackschicht (10) auf die metallische Schicht (7),

- Auftragen einer maschinell prüfbaren Schicht (5) auf Teilbereiche der ersten Schutzlackschicht (10) dergestalt, dass die Erkennbarkeit der Aussparungen (9) der metallischen Schicht (7) nicht beeinträchtig wird,

- Auftragen einer Metalleffektschicht (4) auf die maschinell prüfbare Schicht (5) und gegebenenfalls auf Teilbereiche der ersten Schutzlackschicht (10) dergestalt, dass die Erkennbarkeit der Aussparungen (9) der metallischen Schicht (7) nicht beeinträchtigt wird, und

- gegebenenfalls Zuschneiden des Sicherheitselements (2) auf ein gewünschtes Mass.

VIII. Die für die Entscheidung wesentlichen Argumente der Patentinhaberin sind im Folgenden zusammengefasst:

Hauptantrag - Neuheit

Die Neuheit gegenüber dem Dokument D1 sei gegeben, da die beanspruchte Haftvermittler- oder Schutzlackschicht eine untere und obere Schichtgrenze definiere. Hiermit sei ausgeschlossen, dass die Haftvermittler- oder Schutzlackschicht eine dieser angrenzenden Schichten vollständig umgebe. Die angrenzende Schicht dürfe nicht in der Haftvermittler- oder Schutzlackschicht eingebettet liegen.

Zulassung des Dokuments D13 in das Verfahren

Dokument D13 sei verspätet eingereicht worden, denn es hätte bereits im erstinstanzlichen Verfahren in Reaktion auf das Schreiben der Patentinhaberin vom 10. Oktober 2017 eingereicht werden können und müssen. In diesem Schreiben weise die Patentinhaberin darauf hin, dass die Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1 und 8 einen Gegenstand definiere, welcher nicht vom Stand der Technik vorweggenommen oder nahegelegt sei. Das Dokument D13 sei auch prima facie betrachtet nicht neuheitsschädlich. Zu diesem späten Zeitpunkt könnten aber nur noch neuheitsschädliche Dokumente prima facie betrachtet relevant sein, denn es müsse sofort erkennbar sein, dass das verspätet eingereichte Dokument den beanspruchte Gegenstand nichtig mache. Dies sei hier nicht zutreffend. Auch sei die Kombination des Dokuments D13 mit Dokument D1 für den Fachmann nicht naheliegend, da D13 eine Prägefolie betreffe. Ferner sei die Kombination der Dokumente D1 und D13 rückschauend, weswegen eine prima facie Relevanz des Dokuments D13 nicht gegeben sei. Folglich dürfe das Dokument D13 nicht in das Verfahren zugelassen werden.

Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit

Das Dokument D13 dürfe nicht mit dem Dokument D1 kombiniert werden, da dort die Schutzlackschicht nicht in Bezug auf ein Sicherheitselement offenbart sei, sondern in Bezug auf eine Prägefolie. Außerdem sei die in Dokument D1 offenbarte Schutzlackschicht eine außen liegende Schutzlackschicht, denn sie werde erst durch das gegenseitige Aufeinanderbringen der beiden Trägerfolien zur innen liegenden Schutzlackschicht. Somit würde der Fachmann nach einer außen liegenden Schutzlackschicht suchen. Die Schutzlackschicht in Dokumente D1 habe nicht die Funktion, die metallische Schicht von der maschinell prüfbaren Schicht zu trennen. Deswegen würde der Fachmann das Dokument D13 nicht berücksichtigen. Die Kombination des Dokuments D1 mit D13 beruhe auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.

Zulassung der Hilfsanträge 3 und 4

Das Streichen der Vorrichtungsansprüche stelle keine Änderung des Beschwerdevorbringens der Patentinhaberin dar, da die Streichung von Ansprüchen lediglich eine Einschränkung des Anspruchsgegenstands, aber keine Änderung des Beschwerdevorbringens darstelle. Somit stünde die Zulassung dieser beiden Hilfsanträge in das Verfahren gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 nicht zur Diskussion.

IX. Die für die Entscheidung wesentlichen Argumente der Einsprechenden sind im Folgenden zusammengefasst:

Hauptantrag - Neuheit

Der Wortlaut des Anspruchs 1 besage lediglich, dass zwischen der metallischen Schicht und der maschinell prüfbaren Schicht eine Schutzlackschicht vorliegen müsse. Was außerhalb dieses Bereichs vorzufinden sei, sei nicht definiert. Auch im Streitpatent erstrecke sich die Schutzlackschicht über diese beiden Schichtgrenzen in vertikaler Richtung hinaus und sei auch nicht nur auf den Bereich zwischen diesen beiden genannten Schichten beschränkt. Gemäß Figur 5 des Streitpatents sei die maschinell prüfbare Schicht 5 in der Schutzlackschicht 6 eingebettet. Somit offenbare das Dokument D1 alle im Anspruchswortlaut definierten Merkmale.

Zulassung des Dokuments D13 in das Verfahren

Das Dokument D13 wurde als Reaktion auf den Hilfsantrag 3 des Einspruchsverfahrens eingereicht, welcher erstmalig während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung (als "Hilfsantrag 2A") vorgelegt worden war. Es war nicht zu erwarten, dass in der Entscheidung der Einspruchsabteilung ein Unterschied zwischen einer innen liegenden und einer außen liegenden Schutzlackschicht gesehen werde. Deswegen konnte die Einsprechende erst mit der Beschwerdebegründung auf diese Einschätzung mit einem weiteren Dokument reagieren. Überdies sei das Dokument D13 prima facie betrachtet relevant, weil es das in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung aufgeworfene Problem behandele.

Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit

Eine Kombination der Dokumente D1 und D13 sei naheliegend, da der Fachmann bei der Suche nach einem geeigneten Material für die innen liegende Schutzlackschicht die in Dokument D13 aufgezeigten Materialien berücksichtigen würde. Das Dokument D13 weise insbesondere auch auf das zu lösende Problem der Korrosion hin, weswegen die Kombination des Dokuments D1 mit D13 naheliegend sei.

Zulassung der Hilfsanträge 3 und 4

Die Hilfsanträge 3 und 4 stellten eine Änderung des Beschwerdevorbringens dar, da bezüglich der Verfahrensansprüche der gesamte Fall neu diskutiert und behandelt werden müsse. Dies sei auch hieraus offensichtlich erkenntlich, dass sich die Patentinhaberin auf neue, bisher nicht diskutierte Druckschriften in ihrer Argumentation stützen wolle. Hierauf sei sie, die Einsprechende, nicht vorbereitet.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Neuheit gegenüber Dokument D1

1.1 Das Dokument D1 offenbart ein Sicherheitselement (Titel; Figur 5) für ein Sicherheitspapier oder ein Wertdokument (Seite 1, zweiter Absatz), wie eine Banknote, eine Ausweiskarte oder dergleichen, mit zumindest im Durchlicht visuell erkennbaren Zeichen, Mustern oder Codierungen (Seite 2, dritter Absatz), umfassend

- eine transparente oder zumindest transluzente Kunststoffschicht (1; Seite 4, Zeilen 1 bis 4),

- eine erste metallische Schicht (Figur 5, 3 unten; Seite 25, Zeilen 7 bis 12) mit Aussparungen (Figur 5, 4 unten) in Form der Zeichen, Muster oder Codierungen (Figur 1),

- eine maschinell prüfbare Schicht (6; Seite 25, Zeilen 7 bis 12) mit Freibereichen,

- eine für den Betrachter metallisch erscheinende Schicht mit Freibereichen (Figur 5, 3 oben), die in der genannten Reihenfolge übereinander angeordnet sind (Figur 5),

wobei die Freibereiche der maschinell prüfbaren Schicht (6) und der metallisch erscheinenden Schicht (Figur 5, 3 oben) so dimensioniert und angeordnet sind, dass die visuelle Erkennbarkeit der Aussparungen der ersten metallischen Schicht gewährleistet ist, wobei zwischen der ersten metallischen Schicht (Figuren 1 und 5) und der maschinell prüfbaren Schicht (6) eine transparente oder zumindest transluzente Haftvermittlerschicht oder erste Schutzlackschicht (8; Schicht 8 kann pigmentiert oder nicht pigmentiert sein; nicht pigmentiert ist als transparent zu verstehen, da sonst die "farbgebende Schicht 5" nicht sichtbar wäre) vollflächig vorgesehen ist (Figur 5).

1.2 Entgegen der Ansicht der Patentinhaberin versteht die Kammer die Definition in Bezug auf die Lage der Haftvermittler- oder Schutzlackschicht wie im Folgenden dargelegt.

1.3 Anspruch 1 besagt, dass "zwischen der ... metallischen Schicht ... und der maschinell prüfbaren Schicht ... eine ... Haftvermittlerschicht oder ... Schutzlackschicht ... vollflächig vorgesehen ist". Was auf diese Haftvermittler- oder Schutzlackschicht außerhalb des Bereichs zwischen der metallischen und der maschinell prüfbaren Schicht zutrifft, bleibt im Anspruchswortlaut offen.

Auch in der Patentschrift beschränkt sich die Haftvermittler- oder Schutzlackschicht, ähnlich wie in Dokument D1, nicht nur auf den Bereich zwischen der metallischen und der maschinell prüfbaren Schicht. In der Patentschrift reicht die Haftvermittler- oder Schutzlackschicht (10), wie in den Figuren 8 bis 10 gezeigt ist, seitlich weit über die Seitenkanten der maschinell prüfbaren Schicht (5) hinaus. Sie ist beispielsweise in manchen Bereichen zwischen zwei metallischen Schichten (7 und 4) oder zwischen einer metallischen Schicht (7) und einer zweiten Haftvermittler- oder Schutzlackschicht (11) angeordnet. Auch reicht sie in den Aussparungen (9) der metallischen Schicht (7) bis an den unteren Rand der metallischen Schicht (7), wo sie überdies unmittelbar an die Kunststoffschicht (Kunststoffträgerfolie) angrenzt. Somit liegt die Haftvermittler- oder Schutzlackschicht auch im Streitpatent nicht in ihrem gesamten Bereich zwischen der metallischen und der maschinell prüfbaren Schicht. Sie kann sich in vertikaler Richtung, also in Richtung des Schichtaufbaus, verdicken und verdünnen und andere Schichten zumindest seitlich umgeben.

Die Lehre des Streitpatents muss folglich so verstanden werden, dass Anspruch 1 die Haftvermittler- oder Schutzlackschicht lediglich im Bereich zwischen der metallischen und der maschinell prüfbaren Schicht als vollflächig definiert. Die Haftvermittler- oder Schutzlackschicht ist dabei nicht nur auf den Bereich zwischen der metallischen und der maschinell prüfbaren Schicht beschränkt, sondern kann sich darüber hinaus erstrecken, ohne dabei bezüglich des sich darüber hinaus erstreckenden Bereichs näher definiert zu sein. Der Begriff "zwischen" legt im Anspruchswortlaut nur die an diese Schicht gestellten Bedingungen in einem bestimmten Bereich fest. Was auf die Haftvermittler- oder Schutzlackschicht in den angrenzenden oder weiter entfernten Bereichen zutrifft, bleibt im Anspruchswortlaut offen.

Überdies offenbart das Streitpatent in der Beschreibung, Spalte 13, Zeilen 14 bis 28, dass ein besonders wirksamer Korrosionsschutz dann erreicht werden kann, wenn die Schutzlackschicht "größer [ist] als die maschinell prüfbare Schicht 5, d. h. sie sollte sich über die mit der Schicht 5 bedruckten Bereiche hinaus erstrecken". Nach Ansicht der Kammer weist der gesamte Absatz im Streitpatent, Spalte 13, Zeilen 14 bis 28, darauf hin, dass der Korrosionsschutz umso effizienter sein wird, je weiter die maschinell prüfbare Schicht von der Schutzlackschicht umgeben ist. Jedenfalls schließt das offenbarte "darüber hinaus Erstrecken" ein Umschließen der maschinell prüfbaren Schicht nicht aus.

Folglich muss der Begriff "zwischen" im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 so ausgelegt werden, dass die hierzu gegebene Definition sich nur auf den Bereich bezieht, welcher räumlich zwischen der metallischen Schicht und der maschinell prüfbaren Schicht liegt. Die Kammer liest diese Bedingung nur für den im Anspruch definierten Bereich, wobei die Schutzlackschicht nicht zwangsläufig nur auf diesen Bereich begrenzt ist.

Der Begriff "eine ... Haftvermittlerschicht oder ... Schutzlackschicht" (Unterstreichen durch die Kammer) muss wiederum so verstanden werden, dass diese Schicht nicht allein auf den Bereich zwischen den beiden genannten Schichten beschränkt ist, aber nur in diesem Bereich zwischen der metallischen Schicht und der maschinell prüfbaren Schicht die beschränkende Definition der Vollflächigkeit aufweist. Insbesondere darf das Wort "eine" nicht im Sinne von "eine einzige" gelesen werden.

Somit darf der Ausdruck "dass zwischen der ersten ... Schicht (7) und der .. Schicht (5) eine ... Schutzlackschicht ... vorgesehen ist" (Unterstreichen durch die Kammer) auch so verstanden werden, dass diese "eine Schutzlackschicht" eine aus einer Vielzahl von übereinanderliegenden oder aneinandergrenzenden Schutzlack(teil)schichten ist. Dies entspricht der Interpretation der Einspruchsabteilung. Bei Zugrundelegung dieser Auslegung des Anspruchswortlauts nimmt die Lehre des Dokuments D1 ebenfalls den in Anspruch 1 definierten Gegenstand neuheitsschädlich vorweg.

1.4 Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass die Auslegungen der Wörter "zwischen" und "eine Schicht" gemäß dem Anspruchswortlaut in breiter Auslegung so zu interpretieren sind, dass die Lehre des Dokuments D1 die Neuheit des in Anspruch 1 definierten Gegenstands vorwegnimmt (Artikel 52 (1) EPÜ und Artikel 54 (1) und (2) EPÜ 1973).

2. Zulassung des Dokuments D13 in das Verfahren

2.1 Das Dokument D13 wurde erstmalig mit der Beschwerdebegründung von der Einsprechenden eingereicht.

2.2 Die Zulassung des Dokuments D13 in das Verfahren unterliegt folglich Artikel 12 (4) VOBK 2007 (welcher hier gemäß Artikel 25 (2) VOBK 2020 anzuwenden ist), wonach die Kammer befugt ist, Beweismittel nicht in das Verfahren zuzulassen, welche bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können.

2.3 Aus den folgenden Gründen erkennt die Kammer jedoch nicht, dass das Dokument D13 bereits im Einspruchsverfahren hätte vorgelegt werden können und müssen.

2.4 Das Dokument D13 wurde in Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung eingereicht, welche sich auf einen während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten Antrag (damals eingereicht als Hilfsantrag 2A, in der Entscheidung als Hilfsantrag 3 umnummeriert) bezieht. Überdies weist die Einspruchsabteilung in ihrer zu diesem Hilfsantrag getroffenen Entscheidung erstmalig explizit darauf hin, dass es bezüglich der Auswahl des Materials des Schutzlacks einen Unterschied macht, ob dieser sich "in oder auf einem Sicherheitselement befindet" (Entscheidungsgründe, Seite 19, vierter und letzter Absatz).

Da zum Zeitpunkt kurz vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung bereits Dokumente im Verfahren waren oder zumindest eingereicht worden waren, welche einen Schutzlack auf PVC-Basis oder Nitrocellulosebasis offenbaren, ohne hierbei auf den Unterschied der innen oder außen liegenden Schutzlackschicht einzugehen, konnte die Einsprechende zum damaligen Zeitpunkt nicht davon ausgehen, dass die bereits im Verfahren befindlichen Dokumente entweder nicht in das Verfahren zugelassen werden würden oder diese Dokumente bezüglich erfinderischer Tätigkeit unberücksichtigt oder erfolglos bleiben würden. Es war jedenfalls vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung nicht absehbar, dass für einen erfolgversprechenden Angriff mangelnder erfinderischen Tätigkeit ein Dokument nötig wäre, welches eine innen liegende PVC-Schutzschicht zeigt.

Das Vorlegen des Dokuments D13 zusammen mit der Beschwerdebegründung stellt folglich eine legitime Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung dar, die nicht zu einem früheren Zeitpunkt hätte erfolgen können und müssen.

2.5 Zu den von der Patentinhaberin hierzu vorgetragenen Argumenten, nimmt die Kammer wie folgt Stellung.

2.5.1 Der unabhängige Anspruch 1 des damaligen Hilfsantrags 3 (eingereicht als Hilfsantrag 2A) unterscheidet sich vom damaligen Hilfsantrag 2 lediglich dadurch, dass die Alternative der Haftvermittlerschicht gestrichen wurde. Somit ist der unabhängige Anspruch 1 des damaligen Hilfsantrags 3 eine der möglichen Alternativen, welche sich aus der Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1 und 8 ergibt. Hierdurch war zwar der Anspruchsgegenstand auch vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung Teil des Anspruchsbegehrens der Patentinhaberin, dennoch war es eine Kombinationsmöglichkeit aus einer Vielzahl an möglichen, da einerseits die Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1 und 8 mehrere "und/oder" Kombinationen beinhaltet, und andererseits auch die Kombination der Ansprüche 1 und 8 nur eine mögliche Kombination aus einer Vielzahl an möglichen weiteren Anspruchskombinationen darstellt. Somit konnte von der Einsprechenden zum damaligen Zeitpunkt nicht erwartet werden, dass sie darauf vorbereitet war, genau diese erst in der mündlichen Verhandlung als unabhängiger Anspruch vorgelegte Merkmalskombination zu diskutieren.

Überdies konnte von der Einsprechenden auch nicht zwingend antizipiert werden, dass die im Anspruch 1 definierten Materialien des Schutzlacks eine unterschiedliche Würdigung fänden, abhängig davon ob sie innerhalb des Schichtverbunds oder außen liegend angeordnet sind.

Der in Vorbereitung zur mündlichen Verhandlung eingereichte Schriftsatz vom 10. Oktober 2017 der Patentinhaberin, in welchem auf die Kombination der ursprünglich eingereichten Patentansprüche 1 und 8 des damaligen Hilfsantrags 2 eingegangen wird, stellt nicht eindeutig klar, dass die Schutzlackschicht eine andere Bewertung findet, abhängig davon, ob sie im Schichtverbund innen oder außen liegend angeordnet ist. Im Schriftsatz vom 10. Oktober 2017 führt die Patentinhaberin lediglich an (siehe Seite 7, zweiter Absatz), dass "Bindemittel auf einer ähnlichen Basis bekannt sind, welche jedoch gemäß dem Stand der Technik nicht derart verwendet werden, wie es der Gegenstand des Patentanspruchs 1 bzw. 8 des Hilfsantrags 2 vorsieht". Nach Meinung der Kammer darf dies nicht als deutlicher Hinweis gewertet werden, dass es einen wesentlichen Unterschied macht, ob die Schutzlackschicht innen oder außen liegend angeordnet ist. Somit kann von der Einsprechenden nicht erwartet werden, dass sie zwingend auf das Schreiben der Patentinhaberin vom 10. Oktober 2017 mit der Eingabe des Dokuments D13 hätte reagieren müssen.

Im Übrigen stellt selbst die Einspruchsabteilung fest (Entscheidungsgründe, Seite 19, vierter und letzter Absatz), dass die im Anspruch definierten Materialien für die Schutzlackschicht dem Fachmann offensichtlich erscheinen mögen, dies aber auf den zweiten Blick nicht zwingend für Schutzlackschichten in einem Sicherheitselement gelte.

2.5.2 Schließlich kann die Kammer nicht nachvollziehen, warum das Dokument D13 nur zugelassen werden dürfe, wenn es prima facie betrachtet neuheitsschädlich sei. Hierfür kann die Kammer keine Rechtsgrundlage finden.

2.5.3 Das Dokument D13 ist im Hinblick auf die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit prima facie betrachtet relevant, da es ein zentrales Argument der Einspruchsabteilung bezüglich mangelnder erfinderischer Tätigkeit des gemäß Hilfsantrag 2 beanspruchten Gegenstands betrifft.

2.5.4 Ebenso wenig kann die Patentinhaberin mit dem Argument überzeugen, dass es für den Fachmann nicht naheliegend sei, die in Dokument D13 gezeigte Prägefolie zur Lösung der gestellten Aufgabe heranzuziehen, da sie nicht unmittelbar etwas mit einem Sicherheitselement zu tun habe. Die Kammer stellt hierzu fest, dass das Dokument D13 eine für Wertdokumente verwendete Prägefolie mit einem Sicherheitselement (siehe Zusammenfassung) zeigt. Diese Prägefolie weist eine innen liegende Barriereschicht auf PVC-Basis auf, um die Korrosion einer metallischen Schicht durch diffundierende Partikel einer magnetischen, also maschinell prüfbaren Schicht zu verhindern. Da hier die Korrosion in Bezug auf identische Schichten genannt wird, ist es für den Fachmann prima facie durchaus naheliegend, die Lehre des Dokuments D13 zu Rate zu ziehen.

2.6 Zusammenfassend kommt die Kammer folglich zum Schluss, dass sie nicht von ihrer Befugnis unter Artikel 12 (4) VOBK 2007 Gebrauch macht, das Dokument D13 nicht in das Verfahren zuzulassen. Da das Dokument D13 mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurde, wird es somit als Teil des gesamten Beschwerdevorbringens der Einsprechenden im Verfahren berücksichtigt.

3. Hilfsantrag 2 - Erfinderische Tätigkeit,

Dokument D1 in Kombination mit Dokument D13

3.1 Nächstliegender Stand der Technik

Das Dokument D1 stellt einen geeigneten nächstliegenden Stand der Technik dar, da es eine Prägefolie mit einem Sicherheitselement mit allen im Oberbegriff des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 definierten Merkmalen aufweist (siehe Punkte 1.1 bis 1.4 oben).

3.2 Unterschiedsmerkmale

Da alle im Oberbegriff des Anspruchs 1 definierten Merkmale aus dem Dokument D1 bekannt sind, unterscheidet sich der in Anspruch 1 definierte Gegenstand von dem aus Dokument D1 bekannten dadurch, dass die erste Schutzlackschicht aus einem Lack auf Nitrocellulosebasis, PVC-Basis, Polyamidbasis oder aus einem vernetzenden Lack besteht.

3.3 Objektive technische Aufgabe bzw. objektiver technischer Effekt

Die durch dieses Merkmal gelöste objektive technische Aufgabe ist die Bereitstellung eines geeigneten Materials für die im Oberbegriff definierte Schutzlackschicht, um eine besonders gute Separierung der ersten metallischen Schicht von der maschinell prüfbaren Schicht zu erreichen.

3.4 Naheliegen

Das im Patent gelöste Problem ist auch im Dokument D13 explizit genannt, siehe Spalte 1, Zeilen 56 bis 63. Die Korrosion der Metallschicht durch magnetische Partikel der magnetischen, also maschinell prüfbaren Schicht wird dort durch die Verwendung eines Schutzlacks zwischen diesen beiden Schichten effizient verhindert. Das Dokument D13 nennt als geeignete Materialien für diese Schutzlackschicht unter anderem PVC (Spalte 2, Zeilen 47 bis 51). Somit stellt die Verwendung von PVC als Schutzlack ein für den Fachmann naheliegendes Vorgehen dar. Folglich ist der in Anspruch 1 definierte Gegenstand durch die Zusammenschau der Dokumente D1 und D13 nahegelegt.

Die Patentinhaberin konnte nicht mit ihrer Argumentation überzeugen, dass der Fachmann ausgehend von D1 nur nach einer außen liegenden Schutzlackschicht suchen würde. Dies steht auch im Gegensatz zum bisherigen Vortrag der Patentinhaberin. Selbst wenn dem jedoch so wäre, hätte der Fachmann ausgehend von Dokument D1 auf Grund seines allgemeinen Fachwissens auf die üblichen Lackzusammensetzungen, welche auch PVC oder Nitrocellulose beinhalten, zurückgegriffen und wäre somit zum beanstandeten Gegenstand gelangt.

Somit kommt die Kammer zum Schluss, dass der in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 definierte Gegenstand nicht erfinderisch ist (Artikel 52 (1) EPÜ und Artikel 56 EPÜ 1973).

4. Hilfsanträge 3 und 4 - Zulassung in das Verfahren

4.1 Die Hilfsanträge 3 und 4 wurden erstmalig in einem fortgeschrittenen Stadium der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgelegt. In diesen Anträgen hat die Patentinhaberin die in allen bisherigen Anspruchssätzen enthaltenen Produktansprüche gestrichen und sich nur auf entweder alle verbleibenden Verfahrensansprüche (Hilfsantrag 3) oder einen Teil dieser verbleibenden Verfahrensansprüche (Hilfsantrag 4) zur Herstellung des Produkts beschränkt. Diese Anträge wurden in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zu einem Zeitpunkt gestellt, als bereits die erfinderische Tätigkeit der Produktansprüche, die in allen vorrangigen Anträgen enthalten sind, mit den Parteien ausführlich erörtert worden waren.

4.2 Auf Grund des Zeitpunkts der Einreichung dieser Anträge ist deren Zulassung gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 zu prüfen. Hier ist zunächst festzustellen, ob die neuen Anträge als Änderung des Beschwerdevorbringens anzusehen sind. Nur wenn eine Änderung des Beschwerdevorbringens vorliegt, kann in einem weiteren Schritt über deren Zulassung in das Verfahren entschieden werden.

4.3 Änderung des Beschwerdevorbringens

4.3.1 Gewöhnlich stellt jede Änderung des Patents zu diesem sehr späten Zeitpunkt im Beschwerdeverfahren eine Änderung des Beschwerdevorbringens dar (siehe beispielsweise J 14/19, Punkt 1.5 der Entscheidungsgründe). Auch das Streichen von Verfahrens- bzw. Produktansprüchen wird in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern häufig als geändertes Beschwerdevorbringen angesehen (T 2222/15, T 482/19, T 1569/17). Gemäß der gängigen Rechtsprechung der Kammern liegt bei Einreichen eines geänderten Anspruchssatzes dann eine Änderung des Beschwerdevorbringens im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK 2020 vor, wenn sich hierdurch die Sachlage ändert, d. h. wenn es zu einer Neugewichtung des Anspruchsbegehrens kommt.

4.3.2 Im vorliegenden Fall stellt das Streichen der Produktansprüche, selbst wenn es auf den ersten Blick wie eine Einschränkung des Anspruchsbegehrens wirken könnte, eine Änderungen des Beschwerdevorbringens dar. Es führt nämlich zu einer Neugewichtung des Anspruchsgegenstands, da alle bisher im Verfahren diskutierten Sachzusammenhänge auf die Verfahrenansprüche nicht zutreffen und die gesamte sachliche Diskussion neu geführt werden müsste.

4.3.3 Die Patentinhaberin argumentierte, dass es keine Änderung des Streitgegenstands gebe, da die Einsprechende bereits in ihrer Beschwerdebegründung Argumente gegen die Verfahrensansprüche vorgebracht habe, so dass diese Ansprüche Teil der Streitfragen seien. Diese Argumente der Einsprechenden wurden jedoch von der Patentinhaberin in ihrer Antwort auf die Beschwerde der Einsprechenden oder in einem ihrer weiteren Antwortschreiben nicht widerlegt oder in irgendeiner Weise erwähnt. Die Patentinhaberin hat im gesamten schriftlichen Beschwerdeverfahren nur zu den Produktansprüchen Stellung genommen. Auf die Verfahrensansprüche ist sie nicht eingegangen. Unter diesen Umständen konnten weder die Einsprechende noch die Kammer vorhersehen, dass die Patentinhaberin versuchen würde, das Patent allein auf der Grundlage der Verfahrensansprüche aufrechtzuerhalten, so dass diese ggf. in der mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Hätte die Patentinhaberin nämlich beabsichtigt, diese als Rückfallposition beizubehalten, hätte sie dies gemäß Artikel 12 (2) VOBK 2007 mit der Erwiderung auf die Beschwerde der Einsprechenden tun müssen. Bis zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer war der gesamte Sachvortrag der Patentinhaberin exklusiv auf die Produktansprüche gerichtet und diesen hat die Kammer entsprechend berücksichtigt, diskutiert und beurteilt, wobei insbesondere die Dokumente D1, D2 und D13 diskutiert wurden.

Hierbei kam die Kammer zu dem Ergebnis, dass das beanspruchte Produkt, nämlich das Sicherheitsmerkmal, gemäß aller vor der mündlichen Verhandlung eingereichten Anträge und entsprechend der vorläufigen Meinung der Kammer (siehe Bescheid gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020) nicht neu bzw. nicht erfinderisch ist.

Zumindest aus Sicht der Kammer war die Betrachtung und Beurteilung der Verfahrensansprüche separat von den Produktansprüchen entgegen der Behauptung der Patentinhaberin bis zur Einreichung der nun vorliegenden Hilfsanträge 3 und 4 zu keinem Zeitpunkt des Beschwerdeverfahrens vonnöten. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Einsprechende in ihrer Beschwerdebegründung gesonderte Argumente gegen die Verfahrensansprüche vorgebracht hat. Letztendlich waren nämlich alle Anspruchssätze bestehend aus der Kombination von Produkt- und Verfahrensansprüchen, übereinstimmend mit der vorläufigen Meinung der Kammer, wegen mangelnder Neuheit bzw. mangelnder erfinderischer Tätigkeit des beanspruchten Produkts nicht gewährbar.

Selbst wenn die Kammer ihre vorläufige Meinung in der mündlichen Verhandlung geändert und die Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Produkts anerkannt hätte, so wäre eine gesonderte Beurteilung der Verfahrensansprüche ebenfalls nicht nötig gewesen. Die Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Produkts hätte nämlich zwangsläufig die Neuheit und erfinderische Tätigkeit des an das Produkt geknüpften Herstellungsverfahrens begründet. Es gab folglich im Laufe des Beschwerdeverfahrens zu keinem Zeitpunkt eine Veranlassung die Verfahrensansprüche separat zu prüfen.

Würde man nun die neuen Anträge, welche nur die Verfahrensansprüche enthalten, berücksichtigen, müsste die gesamte Diskussion zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit neu erfolgen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Patentinhaberin auf bisher noch nicht im Verfahren diskutierte Dokumente stützen wollte.

4.3.4 Zusammenfassend belegen die folgenden Sachverhalte die Tatsache, dass die neu vorgelegten Hilfsanträge 3 und 4 eine Änderung des Beschwerdevorbringens der Patentinhaberin darstellen:

- Die Verfahrensansprüche wurden im Beschwerdeverfahren von der Patentinhaberin in keinem der eingereichten Schriftsätze diskutiert oder gewürdigt.

- Es gab bis dato keine Veranlassung, die Verfahrensansprüche separat zu prüfen.

- Die gesamte Diskussion zu Neuheit und erfinderischer Tätigkeit müsste neu, mit noch nicht im Beschwerdeverfahren diskutierten Dokumenten erfolgen.

4.4 Zulassung in das Verfahren

4.4.1 Da die neu eingereichten Hilfsanträge 3 und 4 eine Änderung des Beschwerdevorbringens darstellen, muss über die Zulassung dieser Anträge gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 in das Verfahren entschieden werden, welche nur dann zuzulassen sind, wenn stichhaltige Gründe aufgezeigt werden, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.

4.4.2 Hierzu hat und konnte die Patentinhaberin nichts vortragen. Insbesondere konnte sie nicht erklären, warum diese Anträge nicht bereits früher vorgelegt wurden. Auch hat das Beschwerdeverfahren während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer keine überraschende Wendung genommen, welche als Reaktion die Einreichung dieser Anträge begründen könnte, da die Kammer bei ihrer vorläufigen Meinung geblieben ist. Hierzu ist anzumerken, dass selbst eine Änderung der Meinung der Kammer nicht zwingend als außergewöhnlicher Umstand zu werten gewesen wäre (siehe hierzu z. B. T 752/16, Entscheidungsgründe, Punkt 3.4).

4.4.3 Somit kommt die Kammer zum Schluss, dass keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen, welche die Zulassung der Hilfsanträge 3 und 4 in das Verfahren rechtfertigen könnten.

4.4.4 Die Hilfsanträge 3 und 4 werden folglich gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 nicht in das Verfahren zugelassen.

5. Schlussfolgerung

Da der in Anspruch 1 des Hauptantrags definierte Gegenstand nicht neu ist, der in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 definierte Gegenstand nicht erfinderisch ist und die Hilfsanträge 3 und 4 nicht in das Verfahren zugelassen werden, ist das Patent zu widerrufen (Artikel 101 (3) (b) EPÜ and Artikel 111 (1) EPÜ 1973).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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