European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2010:T168507.20100804 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 04 August 2010 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1685/07 | ||||||||
Antrag auf Überprüfung: | R 0005/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 01976074.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | F25J 3/04 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | B | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Herstellung einer Luftzerlegungsanlage | ||||||||
Name des Anmelders: | Linde AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Praxair, Inc. L'AIR LIQUIDE, S.A. |
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Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | Bei der Vorlage mehrerer Anspruchsfassungen ist für deren Zulassung ins Verfahren neben dem Zeitpunkt ihrer Einreichung auch von Bedeutung, ob die jeweiligen Anspruchsfassungen "konvergieren" oder "divergieren". | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Neuheit (ja) Erfinderischer Schritt (nein) Zulässigkeit Hilfsanträge (teilweise verneint) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: | |||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die am 26. Juli 2007 zur Post gegeben wurde und mit der das europäische Patent No. 1311790 widerrufen worden ist.
II. Hiergegen hat die Patentinhaberin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) am 20. September 2007 Beschwerde eingelegt. Am gleichen Tag hat sie die Beschwerdegebühr entrichtet. Mit der Beschwerdebegründung vom 20. November 2010, eingegangenen am 22. November, hat sie neue Ansprüche gemäss einem Hauptantrag und einem Hilfsantrag eingereicht.
III. Mit Schriftsatz vom 21. April 2008 reichte die Einsprechende I (im Folgenden: Beschwerdegegnerin I) ihre Erwiderung ein. Sie zitierte folgende Dokumente aus dem Einspruchsverfahren:
D1: DE-A-2822774;
D2: US-A-5896755
D3: GB-A-2334085;
D4: US-A-5461871;
D6: Winkler, D. "Neue technische Lösungen bei kleinen Luftzerlegern", Linde Symposium Luftzerlegungsanlagen, Oktober 1980;
D9: Schmücker, B. "Optimizing plant concepts for specific projects in air separation", Linde Reports on Science and Technology, 62/2000;
D10: ISO668: 1995(e): "Series 1 freight containers - Classification, dimensions and ratings, S.4;
In ihrer Erwiderung vom 13. Juni 2008 hat die Einsprechende II (im Folgenden: Beschwerdegegnerin II) zum ersten Mal folgende Entgegenhaltung zitiert:
D12: Katalog "Cryogenic Equipment - Central Institute of Scientific and Technical Information and Technical Economical Research on Chemical and Petrochemical Engineering" 4. Ausgabe, 1988, Seiten 1 bis 59, sowie Englische Übersetzung von Titelblatt und Tabellen auf den Seiten 14 und 15.
IV. Mit Schriftsatz vom 30. März 2009 reichte die Beschwerdeführerin weitere Hilfsanträge 2 und 3 ein.
V. Mit der Ladung vom 5. Mai 2010 zur mündlichen Verhandlung versandte die Kammer eine Mitteilung gemäss Artikel 15(1) VOBK, in welcher sie den Parteien das vorläufige Ergebnis ihrer Prüfung der Beschwerde mitteilte.
VI. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2010 bestätigte die Beschwerdeführerin den Hauptantrag vom 20. November 2010 und reichte neue Hilfsanträge 1 bis 6 ein.
VII. Die mündliche Verhandlung fand am 4. August 2010 statt.
VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Basis des mit Schriftsatz vom 30. November 2007 als Hauptantrag eingereichten Anspruchssatzes oder hilfsweise auf der Basis der mit Schriftsatz vom 30. Juni 2010 als Hilfsanträge 1 bis 6 eingereichten Anspruchssätze.
Die Beschwerdegegnerinnen 01 und 02 (Einsprechenden 01 und 02) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.
IX. Anspruch 1 gemäss Hauptantrag lautet:
"Verfahren zur Herstellung einer Anlage zur Durchführung eines Tieftemperaturluftzerlegungsverfahrens und zur Verarbeitung von mehr als 50000Nm**(3)/h Luft, bei dem mindestens ein Bestandteil der Einsatzluft mittels einer ausgewählten Verfahrensvariante als Produkt gewonnen wird, wobei die Anlage mindestens eine Coldbox aufweist, in der mindestens ein Modul angeordnet wird, dadurch gekennzeichnet, dass mehrere Grössenklassen vordefiniert werden, wobei eine Grössenklasse die Abmessungen der Coldbox dieser Grössenklasse festlegt und die Coldbox jeder Grössenklasse so gross ist, dass in der Coldbox das Modul für mindestens zwei unterschiedliche Produktmengenanforderungen und/oder mindestens zwei unterschiedliche Verfahrensvarianten unterbringbar ist, und dass eine Coldbox einer bestimmten Grössenklasse ausgewählt wird und das Modul in der Coldbox der ausgewählten Grössenklasse angeordnet wird."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ist gleich dem Anspruch 1 des Hauptantrags, aber mit einteiliger Anspruchsfassung.
Anspruch 1 gemäss Hilfsantrag 2 lautet:
"Verfahren zur Herstellung einer Anlage zur Durchführung eines Tieftemperaturluftzerlegungsverfahrens, bei dem mindestens ein Bestandteil der Einsatzluft mittels einer ausgewählten Verfahrensvariante als Produkt gewonnen wird, wobei die Anlage drei Coldboxen aufweist in denen jeweils ein Modul angeordnet wird, wobei die Anlage drei Module aufweist, nämlich ein Energieaustauschmodul mit Wärmetauschern, ein Rektifikationsmodul mit Rektifikationssäulen und ein Zubehörmodul mit sonstigen Elementen, und in jeder der drei Coldboxen je ein derartiges Modul angeordnet wird, wobei für jede der den drei genannten Modulen entsprechenden Coldboxen mehrere Grössenklassen vordefiniert werden, wobei eine Grössenklasse die Abmessungen der Coldbox dieser Grössenklasse festlegt und die Coldbox jeder Grössenklasse so gross ist, dass in der Coldbox das Modul für mindestens zwei unterschiedliche Produktmengenanforderungen und/oder mindestens zwei unterschiedliche Verfahrensvarianten unterbringbar ist, wobei für jede der den drei genannten Modulen entsprechenden Coldboxen eine Coldbox einer bestimmten Grössenklasse ausgewählt wird und das Modul in der Coldbox der ausgewählten Grössenklasse angeordnet wird und wobei die Anlage zur Verarbeitung von mehr als 50000Nm**(3)/h Luft geeignet ist."
Anspruch 1 gemäss Hilfsantrag 3 ist gleich Hilfsantrag 2, aber mit Ergänzung des Worts "allen" in dem Satz "ein Zubehörmodul mit allen sonstigen Elementen".
Anspruch 1 gemäss Hilfsantrag 4 lautet:
"Verfahren zur Herstellung einer Anlage zur Durchführung eines Tieftemperaturluftzerlegungsverfahrens, bei dem mindestens ein Bestandteil der Einsatzluft mittels einer ausgewählten Verfahrensvariante als Produkt gewonnen wird, wobei die Anlage mindestens eine Coldbox aufweist, in der mindestens ein Modul angeordnet wird, wobei mehrere Grössenklassen vordefiniert werden, wobei eine Grössenklasse die Abmessungen der Coldbox dieser Grössenklasse festlegt und die Coldbox jeder Grössenklasse so gross ist, dass in der Coldbox das Modul für mindestens zwei unterschiedliche Produktmengenanforderungen und/oder mindestens zwei unterschiedliche Verfahrensvarianten unterbringbar ist, wobei eine Coldbox einer bestimmten Grössenklasse ausgewählt wird und das Modul in der Coldbox der ausgewählten Grössenklasse angeordnet wird, wobei die Anlage mindestens zwei Coldboxen aufweist, wobei 3 bis 10, bevorzugt 4 bis 8, besonders bevorzugt 4 bis 6 Grössenklassen vordefiniert werden und wobei die Anlage zur Verarbeitung von mehr als 50000Nm**(3)/h Luft geeignet ist."
Anspruch 1 gemäss Hilfsantrag 5 ist gleich Anspruch 1 gemäss Hilfsantrag 4, aber der Passus "bevorzugt 4 bis 8, besonders bevorzugt 4 bis 6" ist gestrichen.
Anspruch 1 gemäss Hilfsantrag 6 ist gleich Anspruch 1 gemäss Hilfsantrag 5, wobei aber der Bereich "3 bis 10" durch "4 bis 8", ersetzt ist.
X. Die Argumente der Parteien zum Anspruch 1 des Hauptantrags der Beschwerdeführerin lassen sich folgendermassen zusammenfassen:
a) Beschwerdegegnerinnen
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei angesichts D2 und D9 nicht neu.
D2 und D9 offenbarten ein Verfahren zur Herstellung einer Anlage zur Durchführung eines Tieftemperaturluftzerlegungsverfahrens gemäss dem Oberbegriff des Anspruchs 1 des Hauptantrags.
Die Merkmale des kennzeichnenden Teils, wonach mehrere Grössenklassen vordefiniert werden, wobei:
eine Grössenklasse die Abmessungen der Coldbox dieser Grössenklasse festlegt und die Coldbox jeder Grössenklasse so gross ist, dass in der Coldbox das Modul für mindestens zwei unterschiedliche Produktmengenanforderungen und/oder mindestens zwei unterschiedliche Verfahrensvarianten unterbringbar ist, und dass eine Coldbox einer bestimmten Grössenklasse ausgewählt wird und das Modul in der Coldbox der ausgewählten Grössenklasse angeordnet wird,
hätten keinen technischen Inhalt, weil sie nur eine geschäftliche Tätigkeit beträfen, und seien daher für die Frage der Neuheit und des erfinderischen Schritts irrelevant.
Aus der letzten Spalte rechts sei zu erkennen, dass für die Varianten KAAp-15 et KAAp-15-3 die gleichen Abmessungen 18,1x19,5x38,06 der Coldbox gelten.
Es gebe keinen Zweifel, dass D12 für die Öffentlichkeit zugänglich gewesen und als Stand der Technik zu berücksichtigen sei, weil es angesichts ihres Preises von 2 Rubeln et 72 Kopeken sowie der Auflagenzahl von 4600 kein Geheimdokument sein könne.
Damit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 angesichts D12 nicht neu.
b) Beschwerdeführerin
Der Fachmann unterscheide drei Typen von Tieftemperatur-Luftzerlegungsanlagen anhand der Grössenordnung ihres Luftdurchsatzes:
(i) Typ 1: Container-Anlagen bis ca. 3.000Nm**(3)/h Luftmenge;
(ii) Typ 2: Anlagen mittlerer Grösse bis 50.000Nm**(3)/h;
(iii) Typ 3: Grossanlagen über 50.000Nm**(3)/h bis 500.000Nm**(3)/h.
Bei den Typen 1 und 2 sei das Design einer einzelnen Anlage nicht speziell angepasst. Beispiele einer Anlage des Typs 1 seien in den Entgegenhaltungen D6 und D10 dargestellt. Beispiele des Typs 2 stellten die Einzelanlagen A,B,C im Ausführungsbeispiel der Entgegenhaltung D2 dar.
D2 offenbare eine Anlage mit drei Coldboxen und repräsentiere damit den Stand der Technik gemäss dem Oberbegriff des Anspruchs 1 des Hauptantrags.
Die Lehre von D2 bestehe darin, eine Anlage vom Typ 3 nicht wie üblich durch ein speziell angepasstes Design zu realisieren, sondern durch eine Mehrzahl parallel betriebener Standardanlagen des Typs 2. Hierdurch werde der ansonsten für Grössenanlagen notwendige spezielle Engineeringaufwand fast völlig eingespart, allerdings auf Kosten einer entsprechend verringerten Effizienz und deutlich erhöhten Materialaufwands.
Im Streitpatent habe der Begriff "Coldbox" die Bedeutung einer Hülle zur thermischen Isolierung, während D2 diesen Begriff im Sinne eines kalten Abschnitts als funktionaler Einheit der Anlage, also sämtlicher Einbauten innerhalb einer möglichen Coldbox-Hülle verwende. Im Patent werde eindeutig zwischen der "Coldbox" als Umhüllung und dem "Modul" als apparatetechnischem Inhalt der Coldbox unterschieden.
D2 befasse sich überhaupt nicht mit der Dimensionierung von Coldbox-Hüllen. Die Lehre von D2 enthalte keine technische Aussage über die mechanische Ausgestaltung und Dimensionierung von Coldboxen. Insbesondere ergäben die gestrichelten Linien A,B,C keinen Anhaltspunkt dafür, wie die Hülle um die kalten Module ausgeführt ist. Diese Linien zeigten lediglich die verfahrenstechnische Grenze des jeweiligen kalten Moduls an, nicht jedoch die tatsächliche Anordnung einer Coldbox-Hülle.
D9 enthalte ebenfalls keinen Hinweis zu den Abmessungen von Coldboxen im Sinne des Patents.
D12 könne aus dem folgenden Gründen nicht im vorliegenden Verfahren berücksichtigt werden:
Es wurde keine Begründung für die Verspätung vorgetragen, die erklären würde, dass die Entgegenhaltung nicht bereits früher hätte vorgelegt werden können;
auf der Basis der in einer der Amtssprachen vorliegenden Dokumente sei nicht erkennbar, dass das Dokument hoch relevant wäre.
Die Beschwerdegegnerin II habe die behauptete Neuheitschädlichkeit nicht substantiert begründet.
Ausserdem sei D12 nicht neuheitschädlich, weil die auf der zweiten Seite der Tabelle unter "Total measurements of the units" angegebene Abmessungen nicht denjenigen der Coldbox, sondern denen der gesamten Anlage entsprächen, wie aus der Figur auf Seite 13 ersichtlich sei.
Da keine der Entgegenhaltung einen Hinweis darauf enthalte, die Abmessungen von Coldboxen für verschiedene kalte Module im Sinne des Patentanspruchs 1 zu standardisieren, beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags auf einer erfinderischen Tätigkeit.
XI. Hilfsanträge 2 und 3
(a) Beschwerdegegnerinnen
Die Hilfsanträge 2 und 3 erfüllten nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ, weil das Merkmal
"ein Energieaustauschmodul mit Wärmetauschern, ein Rektifikationsmodul mit Rektifikationssäulen und ein Zubehörmodul mit sonstigen Elementen" nicht ursprünglich offenbart war. In der veröffentlichten Fassung, Seite 5, Zeile 35 bis Seite 6 Zeilen 1 heisse es
"ein Energieaustauschmodul mit den Wärmetauschern, ein Rektifikationsmodul mit den Rektifikationssäulen und ein Zubehörmodul mit allen sonstigen Elementen"
Die Änderung stelle eine Verallgemeinerung dar und daher seien die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ nicht erfüllt
(b) Beschwerdeführerin
Aus der veröffentlichten Fassung Seite 6, Zeilen 15 bis 23 sei zu entnehmen, dass es sinnvoll ist, das Argonmodul in seiner eigenen Coldbox zu installieren wenn nur relativ wenig Argon gewonnen werden soll. Infolgedessen sei die Weglassung des bestimmten Artikels und das Zusatzes "allen" gerechtfertigt.
XII. Hilfsanträge 4 bis 6, Zulassigkeit
Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass diese Anträge zuzulassen seien, weil sie eine Reaktion auf die Beanstandungen der Beschwerdegegnerin 01 zu dem Hilfsantrag 2 unter Artikel 123(2) und zu dem Hauptantrag unter Artikel 56, mangelnde erfinderische Tätigkeit gegenüber D2, darstellten. Ausserdem basierten diese Anträge auf den erteilten Ansprüchen 4 bzw. 6.
Entscheidungsgründe
1. Neuheit
1.1 Die Beschwerdegegnerinnen haben geltend gemacht, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber D2, D9 und D12 nicht neu sei.
1.2 Die Beschwerdegegnerin 01 hat argumentiert, dass die Merkmale des kennzeichnendens Teils des Anspruchs 1 nicht-technisch seien und daher für die Frage der Neuheit und des erfinderische Schritts ausser Betracht bleiben müssten.
1.3 Die Kammer ist dagegen der Auffassung, dass diese Merkmale einen technischen Charakter haben, weil sie die Abmessungen der Coldbox und die relative Grösse der Module betreffen und die Festlegung der Bemessungen der Coldbox aufgrund von technischen Überlegungen hinsichtlich der in der Coldbox unterzubringenden Module erfolgt.
1.4 Nach Meinung der Kammer beschreibt D2 ein:
Verfahren zur Herstellung einer Anlage zur Durchführung eines Tieftemperaturluftzerlegungsverfahrens (siehe Spalte 1, Zeilen 26 bis 30) und zur Verarbeitung von mehr als 50000Nm**(3)/h Luft (siehe Spalte 5, Zeilen 1 bis 5: 0,24 bis 7,2 million cfh = 6.796 to 203.882 m**(3)/h Luft), bei dem mindestens ein Bestandteil der Einsatzluft mittels einer ausgewählten Verfahrensvariante als Produkt gewonnen wird (siehe Spalte 1, Zeilen 10 bis 12), wobei die Anlage mindestens eine Coldbox aufweist, in der mindestens ein Modul angeordnet wird (siehe Spalte 2, Zeilen 60 bis 63), wobei mehrere Grössenklassen vordefiniert werden (siehe Spalte 5, Zeilen 7 bis 10 "Preferred standard design capacities for modular cold boxes in the practice of this invention are 250 and 400 tons per day of product oxygen").
1.5 D2 beschreibt ebenfalls das Merkmal, dass eine Coldbox einer bestimmten Grössenklasse ausgewählt wird und das Modul in der Coldbox der ausgewählten Grössenklasse angeordnet wird, weil gemäss Anspruch 1 eine Grössenklasse lediglich aus einer Grösse bestehen kann und der "Coldbox module" jeder Grössenklasse der D2 (d.h. 250 oder 400 Tonnen pro Tag) zwangsläufig eine Coldbox-Hülle umfasst.
1.6 Das Merkmal, dass die Coldbox jeder Grössenklasse so gross ist, dass in der Coldbox das Modul für mindestens zwei unterschiedliche Produktmengenanforderungen und/oder mindestens zwei unterschiedliche Verfahrensvarianten unterbringbar ist, ist ebenfalls zwangsläufig bei der in D2 vorhandenen Coldbox-Hülle erfüllt, weil es immer möglich ist, ein kleineres Modul in der Coldbox unterzubringen.
1.7 Der Beschwerdeführerin ist jedoch darin zu folgen, dass der Begriff "Coldbox" in D2 gemäss der Definition in Spalte 2, Zeilen 60 bis 63 für den gesamten, die Einbauten und die Hülle umfassenden Modul verwendet wird, während im Patent klar zwischen einem derartigen Modul und der Hülle unterschieden wird und der Begriff "Coldbox" nur die Hülle bezeichnet (siehe Spalte 2, Zeilen 8 bis 10). Daraus ergibt sich, dass sich D2 insofern vom Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet, als sich die Grössenklassen der D2 auf die Kapazität des gesamten Moduls beziehen und D2 damit keine Angaben zur Dimensionierung der Coldbox-Hüllen zu entnehmen sind.
1.8 Infolgedessen ist der D2 nicht entnehmbar, dass eine Grössenklasse die Abmessungen der Coldbox-Hülle dieser Grössenklasse festlegt.
1.9 Das Verfahren gemäss D9 unterscheidet sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 ebenfalls zumindest durch dieses Merkmal.
1.10 D12 ist nicht neuheitschädlich, weil die auf der zweiten Seite der Tabelle unter "Total measurements of the units" angegebenen Abmessungen sich offensichtlich nicht auf die der Coldbox, sondern die gesamte Anlage beziehen, wie aus der Figur auf Seite 13 ersichtlich ist.
1.11 Damit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu.
2. Erfinderische Tätigkeit.
2.1 Auf der Grundlage der Ausführungen zur Neuheit (siehe 1.4 bis 1.8) unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der D2, die den nächstkommenden Stand der Technik darstellt, nur dadurch, dass sich die Vordefinition der mehreren Grössenklassen für die Coldbox auf die Coldbox-Hülle bezieht, wobei eine Grössenklasse die Abmessungen der Coldbox(-Hülle) dieser Grössenklasse festlegt.
2.2 Dieses Merkmal löst die Aufgabe, die Herstellung des Moduls zu vereinfachen.
2.3 Die Coldboxmodule der Anlage aus D2 sind standardisiert (vgl. Spalte 5, Zeilen 7 bis 10, Spalte 5, Zeilen 29 bis 30). Der Fachmann der damit befasst ist, eine derartige Standardisierung auszuführen, wird auch die Herstellung der Coldboxhülle als wesentlichen Teil des Moduls standardisieren. Für jede Modulkapazität (z.B. 250 oder 400tons siehe Spalte 5, Zeilen 7 bis 10) liegt es damit auf der Hand die Abmessungen der Coldboxhülle dieser Grösse festzulegen bzw. konstant zu halten.
2.4 Somit erfüllt der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäss Hauptantrag nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.
3. Hilfsantrag 1, Artikel 56 EPÜ
3.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ist inhaltlich gleich dem Anspruch 1 des Hauptantrags und lediglich in einteiliger Form abgefasst. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäss Hilfsantrag 1 ist daher ebenfalls nicht erfinderisch.
4. Hilfsantrag 2, Artikel 123(2) EPÜ
4.1 Hilfsantrag 2 erfüllt nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ, weil das Merkmal:
"wobei die Anlage drei Coldboxen aufweist, in denen jeweils ein Modul angeordnet ist, wobei die Anlage drei Module aufweist, nämlich ein Energieaustauschmodul mit Wärmetauschern, ein Rektifikationsmodul mit Rektifikationssäulen und ein Zubehörmodul mit sonstigen Elementen"
eine Verallgemeinerung darstellt. Ein Beispiel einer Anlage, die drei Coldboxen aufweist, ist lediglich in der veröffentlichten Fassung, Seite 5, Zeile 35 bis Seite 6 Zeile 1 offenbart. Hier heisst es:
"ein Energieaustauschmodul mit den Wärmetauschern, ein Rektifikationsmodul mit den Rektifikationssäulen und ein Zubehörmodul mit allen sonstigen Elementen"
4.2 Im Gegensatz zur ursprünglichen Offenbarung schliesst die neue Fassung Ausführungsformen ein, bei denen das Energieaustauschmodul bzw. das Rektifikationsmodul nicht alle Wärmetauscher bzw. Rektifikationssäulen enthalten.
4.3 Die Argumentation der Beschwerdeführerin, dass die Weglassung des bestimmten Artikels zulässig sei, überzeugt nicht. Die Beschreibung der veröffentlichten Fassung Seite 6, Zeilen 15 bis 23, wonach es manchmal sinnvoll sei, das Argonmodul in einer eigenen Coldbox zu installieren, betrifft eine andere Ausführungsform als diejenige, die in der veröffentlichten Fassung, Seite 5, Zeile 35 bis Seite 6 Zeile 1 beschrieben ist.
4.4 Damit erfüllt der Gegenstand des Anspruchs 1 der Hilfsantrag 2 nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
5. Hilfsantrag 3, Artikel 123(2) EPÜ
5.1 Anspruch 1 gemäss Hilfsantrag 3 ist gleich Hilfsantrag 2, aber mit Ergänzung des Worts "allen" in dem Satz "ein Zubehörmodul mit allen sonstigen Elementen". Diese Änderung beseitigt jedoch nur teilweise die obengenannten Einwände, so dass die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ nicht erfüllt sind.
6. Hilfsanträge 4 bis 6, Zulässigkeit
Die erst mit Schriftsatz vom 30. Juni 2010 am 1. Juli 2010 und damit knapp fünf Wochen vor der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdeführerin eingereichten Hilfsanträge 4 bis 6 wurden nicht ins Verfahren zugelassen.
6.1 Gemäß Artikel 106(1), Satz 1 EPÜ sind Entscheidungen i.a. der Einspruchsabteilungen mit der Beschwerde anfechtbar.
Soweit das Beschwerdeverfahren nach Art. 106 (1) eröffnet ist, zielt es allein auf die Kontrolle des konkreten Einzelfalles. Damit wird der Prüfungsumfang darauf beschränkt, die von der angefochtenen Entscheidung des EPA ausgehende Beschwer einer oder mehrerer unterlegener Parteien auf deren Antrag ganz oder teilweise zu beseitigen, indem die zuständige Beschwerdekammer die angefochtene Entscheidung aufhebt oder ändert. Die Große Beschwerdekammer hat dazu in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass es Hauptzweck des mehrseitigen Beschwerdeverfahrens ist, der unterlegenen Partei eine Möglichkeit zu geben, die Entscheidung der Einspruchsabteilung sachlich anzufechten (G 9/91 u. G 10/91, ABl. EPA 1993, 408, 419 u. 420 - Prüfungsbefugnis; G 1/94, ABl. EPA 1994, 787, 795 - Beitritt). Insofern zielt das Beschwerdeverfahren auf die unabhängige gerichtliche Überprüfung der davon strikt zu trennenden früheren administrativen Entscheidung des EPA auf ihre Richtigkeit in tatsächlicher wie verfahrens- und materiellrechtlicher Hinsicht (vgl.: T 26/88, ABl. EPA 1991, 30, 48 - Automatischer Widerruf; T 611/90 v. 21.02.1991; T 34/90, ABl. 1992, 454, 455 - Viskositätsverringerung; T 534/89, ABl. 1994, 464 - unzulässiges verspätetes Vorbringen; T 506/91 v. 03.04.1992).
Bereits hieraus folgt, dass die Parteien im Beschwerdeverfahren bei ihrer Verfahrensführung gewissen Grenzen unterworfen sind, die sich zum einen aus den Verfahrensgrundsätzen (Verfügungsgrundsatz, Antragsbindung, Verschlechte rungs verbot, Verhandlungsgrundsatz/Amtsermittlungsgrundsatz, Grundsatz des fairen Verfahrens, rechtliches Gehör) und zum anderen aus den an ein ordnungsgemäßes Verfahren zu stellenden immanenten Erfordernissen ergeben. So obliegt es jedem Verfahrensbeteiligten selbst, alle für seine Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung relevanten Tatsachen, Beweismittel, Argumente und auch Anträge so frühzeitig und vollständig wie möglich vorlegen.
6.2 Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verfahrens führung durch die Parteien ergeben sich aus der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, insbesondere aus den Artikeln 12 (Grundlage des Verfahrens) und 13 (Änderung des Vorbringens eines Beteiligten) VOBK.
Die Zulässigkeit von nachträglichen Änderungen am Vorbringen eines Beteiligten ist ausdrücklich in das Ermessen der Kammer gestellt. Die Regelungen sind Ausdruck des Beschleunigungsgrundsatzes und des Prinzips der Fairness gegenüber der anderen Partei.
6.3 Für Änderungen der Anmeldung oder des Patents sind über die Regel 100(1) EPÜ für das Prüfungsbeschwerde verfahren die Regel 137(3) EPÜ und für das Einspruchsbeschwerdeverfahren die Regel 80 EPÜ relevant.
In einem - wie vorliegend - Einspruchsbeschwerdever fahren sind nur solche Änderungen zulässig, die durch Einspruchsgründe veranlasst worden sind. In zeitlicher Hinsicht steht es in analoger Anwendung von Regel 137(3) EPÜ auch im Einspruchsbeschwerdeverfahren im Ermessen der Beschwerdekammer, verspätet eingereichte Anträge zurückzuweisen.
6.4 Aus der Funktion des Beschwerdeverfahrens, der unterlegenen Partei die Möglichkeit zu geben, die Richtigkeit der Entscheidung der Verwaltungsinstanz überprüfen zu lassen, leiten einzelne Entscheidungen her, dass dem Beschwerde führenden Patentinhaber im Beschwerdeverfahren überhaupt keinen Rechtsan spruch zusteht, seine Anträge im Beschwerdeverfahren zu ändern, sondern dass die Zulassung von Änderungen generell im Ermessen der Beschwerdekammer liegt (T 840/93, ABl. EPA 1996, 335, 338f. - Orale Zusammensetzungen; T 427/99 v. 15.11.2001, Punkte 3ff. der Gründe; T 455/03 v. 05.07.2005, Punkt 2.1 der Gründe; T 651/03 v. 10.05.2007, Punkt 2 der Gründe; T 339/06 v. 05.12.2007, Punkte 6.2ff. der Gründe; T 240/04 v. 13.12.2007, Punkte 16.1ff. der Gründe).
Nach T 153/85 (ABl. EPA 1988, 1, 5ff. u. Leitsatz I - Alternativansprüche) soll sogar ein Patentanmelder im von ihm als alleinigem Beschwerdeführer und alleinigem Verfahrensbeteiligter geführten Prüfungsbeschwerdever fahren nur dann Anspruch auf Prüfung eines von dem Verfahren der Verwaltungsinstanz abweichenden Anspruchssatzes haben, wenn er diesen mit der Beschwerdebegründung oder unverzüglich danach eingereicht hat. Hierzu hat sich die Entscheidung T 577/97 (v. 05.04.2000, EG 3) kritisch geäußert. Sie sieht keine Rechtsgrundlage dafür, außer in Fällen von Verfahrensmissbrauch, Änderungsanträge im Verfahren vor der Beschwerdekam mer zurückzuweisen (ähnlich T 162/97 v. 30.06.1999, EG 1.2 ff.: Der Patentinhaber hat das Recht, sein Patent mit der Beschwerdebegründung und im Verlauf des Beschwerdeverfahrens zu ändern).
Trotz dieser Unterschiede im Ausgangspunkt werden in der Praxis mit der Beschwerdebegründung eingereichte Änderungen grundsätzlich zugelassen, dies jedenfalls dann, wenn durch die Änderungen im Beschwerdeverfahren kein gänzlich neuer Fall geschaffen wird. In T 356/08 (v. 07.07.2009, Punkt 2.1.1 der Gründe) hat die Beschwerdekammer dazu ausgeführt, dass die Entscheidung der Beschwerdekam mer im Prinzip auf der Basis des Streitstoffs der Verwaltungsin stanz ergehen soll, was die Zulassung von neuem Vorbringen zwar nicht ausschließt, jedoch von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig macht. Im Beschwerdeverfahren soll nämlich kein gänzlich neuer Fall, kein "fresh case" geschaffen werden ("Die Behandlung verspäteten Vorbringens in den Verfahren vor den Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", B. Günzel, Sonderausgabe ABl. EPA, 2007, 30, Nr. 5).
Zur Berücksichtigung von in einem fortgeschrittenen Stadium des Beschwerde verfahrens verspätet eingereichten Änderungen hat die Rechtsprechung in Anlehnung an die zur Berücksichtigung verspäteten Vorbringens entwickelten Grundsätze Regeln für die Ermessensausübung herausgearbeitet. Kriterien sind wie bei verspätetem Vorbringen der Zeitpunkt der Änderung, der Grund für die Änderung, der Umfang der Änderung oder die Schwierigkeit oder Komplexität der vorzunehmenden Prüfung der Änderungen sowie die Frage der Gewährbarkeit der geänderten Ansprüche (T 942/05 v. 13.03.2008, EG 1.2; T 81/03 v. 12.02.2004, EG 2.4).
6.5 Für die Zulassung erst im Laufe des Verfahrens eingeführter neuer Anträge ist unbeschadet der vorgenannten Kriterien und der dem Beschwerdeverfahren immanenten allgemeinen Anforderungen an die Verfahrensführung der Parteien, zu denen es eine umfassende Kasuistik der Beschwerdekammern gibt (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 6. Auflage 2010, Kap. VII.E.16, insbesondere S. 1015 bis 1018) von besonderer Bedeutung, ob der Anmelder bzw. Patentinhaber, der mehr als einen Antrag stellt, mit seinen verschiedenen Anträgen eine konsistente Verteidigungslinie verfolgt und nicht, zumal zum Ende des Beschwerdeverfahrens hin, durch einen "Schirm" divergierender Anspruchsfassun gen sowohl für die andere Partei als auch für die Beschwerdekammer eine unübersichtliche und unzumutbare Verfahrenssituation schafft, in der es ihnen obliegt, aus einer Vielzahl von inkongruenten Anspruchsfassungen, diejenige zu "wählen", die letztendlich Bestand haben könnte.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin bedarf es insoweit keiner expliziten Rechtsgrundlage für die restriktive Handhabung der Zulassung einer Vielzahl von Anträgen mit verschiedenen Anspruchsfassungen unter dem Gesichtspunkt der Konvergenz bzw. Divergenz.
Die Verwendung unterschiedlicher Anspruchsfassungen in Form von Hilfsanträgen und deren Zulässigkeit ist weder im EPÜ noch in der VOBK ausdrücklich geregelt. Es handelt sich dabei im Prinzip um bedingte Anträge insofern, als ein nachgeordneter Hilfsantrag nur dann zur Geltung kommen soll, wenn dem(n) vorhergehenden Antrag/Anträgen nicht stattgegeben werden kann. Der jeweils gestellte Antrag hängt also von einer anderen Entscheidung im Verfahren ab. Diese Art der Antragsstellung wurde zwar in der bisherigen Rechtssprechung im Prinzip als zulässig angesehen und hat sich auch in der Praxis als zweckmäßig erwiesen, entspricht aber einer Ausnahme vom Grundsatz der unbedingten Antragsstellung und muss daher einschränkenden Regeln unterliegen. Neben dem Zeitpunkt der Antragsstellung ist dabei gerade auch von Bedeutung, ob die jeweiligen Anspruchsfassungen "konvergieren" oder "divergieren", also den Gegenstand des unabhängigen Anspruchs eines Hauptantrags in eine Richtung bzw. in Richtung eines Erfindungsgedankens zunehmend einschränkend weiterentwickeln oder etwa durch Aufnahme jeweils verschiedener Merkmale unterschiedliche Weiterent wick lungen verfolgen.
6.6 Die Kammer hält insoweit an ihrer bisherigen Rechtsprechung fest und verweist insoweit auf ihre Entscheidung T 565/07 (v. 10.09.2009, Punkt 2.5 der Gründe):
"Wenn es auch einem Patentinhaber im Rahmen der Regel 80 EPÜ grundsätzlich gestattet sein muss, den Gegenstand des Patents durch Aufnahme der Merkmale eines abhängigen Anspruchs einzuschränken, um Einwänden gegen die Patentfähigkeit des erteilten unabhängigen Anspruchs zu begegnen, so würde die mehrfache Anwendung dieses Rechts in unterschiedlicher Richtung beispielsweise in Form von parallelen oder nacheinander eingereichten Anträgen im Ergebnis dazu führen, dass der Patentinhaber der Kammer die Entscheidung überlässt, in welcher der verschiedenen Versionen das Patents aufrechterhalten werden soll. Dies Ergebnis ist nicht mit der Vorschrift des Artikels 113(2) EPÜ zu vereinbaren, nach der sich die Kammer an "die vom Patentinhaber vorgelegte Fassung" zu halten hat, also die Entscheidung über die Fassung, in der das Patent weiterverfolgt werden soll, und die Vorlage eines oder mehrerer, in jedem Fall aber dieser Entscheidung und damit der eingeschlagenen Richtung der Einschränkung entsprechenden Anspruchssätze dem Patentinhaber obliegt (siehe hierzu auch die unveröffentlich ten Entscheidungen T 382/96 [v. 07.07.1999], Punkt 5.2 der Gründe, und T 446/00 [v. 03.07.2003], Punkt 4.3 der Gründe)."
Eine ähnliche Linie wird auch von anderen Beschwerdekammern vertreten, so in den zitierten Entscheidungen T 382/96 und T 446/00, den Entscheidungen T 1126/97 (v. 13.12.2008, Punkte 3.1.1ff. der Gründe) und T 47/03 (v. 27.09.2005, Punkte 1.1 und 1.4ff. der Gründe) sowie in den Entscheidungen T 745/03 (v. 22.09.2005, Punkt 2.2 der Gründe) und T 221/06 (v. 24.07.2008, Punkt 2.2 der Gründe).
In den letztgenannten Entscheidungen führte die Beschwerdekammer aus, dass es Sache eines Beteiligten ist, zu entscheiden, wie er seinen Fall darlegen will. Ein Beteiligter, der mehrere Anspruchssätze einreiche, ordne sie gewöhnlich in der Reihenfolge seiner Präferenz an, wobei die am weitesten gefassten Ansprüche den Hauptantrag bilden und die eingeschränkteren Fassungen Hilfsanträge, so dass bei Scheitern eines im Rang vorgehenden Antrags immer noch Aussicht bestehe, dass ein nachrangiger, beschränkterer Antrag Erfolg habe. Im dort zur Entscheidung stehenden Fall hätte die hieraus entwickelte Vorgehensweise treffender als "buntes Zusammenwürfeln" bezeichnet werden können, da unabhängige Ansprüche, die in rangmäßig vorgehenden Anträgen enthalten waren, sich in unterschiedlichen Kombinationen in nachrangigen Anträgen wiederfanden. Dies könne dazu führen, dass in der abschließenden Entscheidung auf einige unabhängige Ansprüche nicht eingegangen würde, denn wenn auch nur einer der aus einem vorrangigen Antrag übernommenen unabhängigen Ansprüche in einem bestimmten Antrag die Erfordernisse des EPÜ nicht erfülle, würde dieser Antrag scheitern, ohne dass über die weiteren unabhängigen Ansprüche entschieden werden müsse.
6.7 Vorliegend gehen die von der Beschwerdegegnerin erst nach der Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 30. Juni 2010 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 6 in unterschiedliche Richtungen.
Während sich Anspruch 1 des Hilfsantrages 1 lediglich dadurch vom Anspruch 1 des Hauptantrages unterscheidet, dass er als einteiliger Anspruch abgefasst ist, schränkt Anspruch 1 der Hilfsanträge 2 und 3 den Gegenstand des Hauptantrags auf eine spezielle Anordnung von drei Coldboxen für jeweils unterschiedliche Module der Anlage ein. Diese Einschränkung ist aber im unabhängigen Anspruch 1 der Hilfsanträge 4 bis 6 nicht mehr enthalten. Vielmehr sind diese Ansprüche insofern wieder allgemeiner gefasst, als nunmehr nur zwei Coldboxen ohne die in den Hilfsanträgen 2 und 3 geforderte Zuordnung zu bestimmten Modulen der Anlage vorhanden sein müssen.
6.8 Insgesamt gehen die Anspruchsfassungen nach den Hilfsanträgen 4 bis 6 damit in eine völlig andere Richtung als die Anspruchsfassungen nach dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 3. Dabei ist es entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin nicht relevant, dass die Hilfsanträge 2 und 3 wegen unzureichenden Offenbarung gemäß Artikel 123(2) EPÜ für nicht gewährbar erachtet wurden, denn dieser Mangel wäre ohne weiteres durch konvergierende Einschränkungen der Anspruchsfassungen überwindbar gewesen.
Die Vorgehensweise der Beschwerdegegnerin stellt sowohl die Beschwerdeführerin als auch die Kammer vor eine nicht zumutbare Situation, in der die Beschwerdegegnerin es ihnen auferlegt, sich mit divergierenden Anspruchsfassungen und dabei mit einem völlig neuen Sachverhalt befasst zu sehen. Diese Verfahrensweise stellt keine ordnungsgemäße verfahrensfördernde Verteidigung im oben genannten Sinne dar, weshalb die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13(1) und (3) VOBK die Hilfsanträge 4 bis 6 nicht ins Verfahren zugelassen hat.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.