T 0162/09 (Virtuelles Papierdokument/ANSWERS) of 13.9.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T016209.20120913
Datum der Entscheidung: 13 September 2012
Aktenzeichen: T 0162/09
Anmeldenummer: 01969744.0
IPC-Klasse: H04L 12/58
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zum Austausch von Informationen
Name des Anmelders: answers GmbH & Co. Erste Vermarktungs KG
Name des Einsprechenden: SAP AG
First Businesspost GmbH
Kammer: 3.5.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 69
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention 1973 Art 100(b)
European Patent Convention 1973 R 67
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (nein)
Klarheit - Hilfsantrag 2 (nein)
Zulässigkeit - Hilfsanträge 1 und 3 (nein)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - wesentlicher Verfahrensmangel (nein)
Orientierungssatz:

Zur Zulassung von neuen Anträgen nach Ladung zur mündlichen Verhandlung, siehe Begründung Punkt 7.

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/91
G 0010/91
G 0001/94
R 0011/08
T 0019/87
T 0454/89
T 0863/93
T 0212/97
T 1198/97
T 0081/03
T 0942/05
T 1685/07
T 0356/08
Anführungen in anderen Entscheidungen:
R 0006/14
R 0007/19
T 0576/12
T 0927/14
T 1953/16
T 0101/17
T 0120/17
T 1287/18
T 2403/19

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, zur Post gegeben am 17. November 2008, mit der das Europäische Patent EP 1 320 965 in geändertem Umfang aufrecht erhalten wurde.

In der vorliegenden Entscheidung der Beschwerdekammer wird auf folgende Druckschriften Bezug genommen:

D1: EP 0838774 A2,

D25: WO 00/56033,

D17: PDF Reference und

D38: Bünte, O.: XML auf dem Vormarsch, CT MAGAZIN FUER COMPUTER TECHNIK, HEISE ZEITSCHRIFTEN VERLAG, HANNOVER, DE, Heft 10/2000, Seiten 200-213 mit Veröffentlichungs datum 08. Mai 2000.

II. Die Beschwerdeschrift der Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) ging am 12. Januar 2009 ein. Die Beschwerdegebühr wurde am selben Tag entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 13. März 2009 eingereicht. Es wurde beantragt, die angefochtene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent im erteilten Umfang unverändert aufrecht zu erhalten, hilfsweise im Umfang des Hilfsantrags 1 eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 2008 aufrecht zu erhalten, sowie weiter hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

III. Die Beschwerdeschrift der Beschwerdeführerin 2 (Einsprechende 01) ging am 19. Dezember 2008 ein. Die Beschwerdegebühr wurde am selben Tag entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 17. März 2009 eingereicht. Darin wurde eine weitere Druckschrift D43 in das Verfahren eingeführt. Es wurde beantragt, die angefochtene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, sowie hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Des weiteren wurde die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt.

IV. Die Beschwerdeschrift der Beschwerdeführerin 3 (Einsprechende 02) ging am 21. Januar 2009 ein. Die Beschwerdegebühr wurde am selben Tag entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 27. März 2009 eingereicht. Darin wurden weitere Druckschriften B1 bis B9 in das Verfahren eingeführt. Es wurde beantragt, die angefochtene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, sowie hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

V. Mit Schriftsatz vom 14. Juli 2009 nahm die Beschwerdeführerin 3 (Einsprechende 02) zur Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) Stellung und brachte weitere Gegenargumente vor.

VI. Mit Schriftsatz vom 6. August 2009 nahm auch die Beschwerdeführerin 2 (Einsprechende 01) zur Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) Stellung und brachte weitere Gegenargumente vor.

VII. Die Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) erwiderte ihrerseits auf die vorgenannten Eingaben der beiden anderen Beschwerdeführerinnen mit Schreiben vom 8. Februar 2010. Darin wurden im wesentlichen Ausführungen zur Auslegung der Hauptansprüche der Anträge sowie zur Patentfähigkeit des beanspruchten Gegenstands gemacht.

VIII. Mit Schriftsatz vom 26. März 2010 nahm die Beschwerdeführerin 3 (Einsprechende 02) zur letzten Eingabe der Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) Stellung.

IX. Mit einem weiteren Schriftsatz vom 24. August 2011 machte die Beschwerdeführerin 3 (Einsprechende 02) einen wesentlichen Verfahrensmangel im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren geltend und brachte Gründe dafür vor.

X. Mit einem Bescheid vom 2. Mai 2012 wurden die Parteien zur mündlichen Verhandlung am 13. September 2012 geladen. In einem Anhang zur Ladung zur mündlichen Verhandlung brachte die Kammer ihre vorläufige Meinung zum Ausdruck. Die Kammer gab eine vorläufige Einschätzung zur Interpretation der unabhängigen Ansprüche, zu deren Offenbarung (Artikel 83 mit 100 b) EPÜ), zur Klarheit (Artikel 84 EPÜ) des Wortlauts geänderter Ansprüche und zur Neuheit (Artikel 54 mit 100 a) EPÜ) des beanspruchten Gegenstands ab. Auch nahm die Kammer zur beantragten Rückzahlung der Beschwerdegebühr vorläufige Stellung. Nach der vorläufigen Einschätzung der Kammer war der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 nach Haupt- und Hilfsantrag nicht neu gegenüber der Offenbarung von D1 oder D38. Des weiteren wurden die in der anberaumten mündlichen Verhandlung diesbezüglich zu diskutierenden Fragen skizziert.

XI. Mit Schreiben vom 13. August 2012 reichte die Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) weitere Hilfsanträge 2 bis 37 ein. Es wurde beantragt, die Unterlagen B1 bis B9 sowie D43 nicht in das Verfahren zuzulassen. Hilfsweise wurde beantragt, die Angelegenheit an die erste Instanz zurückzuverweisen, sollte eine Zulassung der genannten Unterlagen erfolgen. Außerdem wurden weitere Argumente zur Patentfähigkeit des beanspruchten Gegenstands nach Haupt- und Hilfsanträgen 1 bis 37 übermittelt.

XII. Am 13. September 2012 fand eine mündliche Verhandlung statt.

Die Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt, hilfsweise des Patents im Umfang des Hilfsantrags 1 gleichlautend mit dem mit Schreiben vom 13. August 2012 eingereichten Hilfsantrag 2 oder des Hilfsantrags 2 gleichlautend mit dem Hilfsantrag, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 2008 aufrechtzuerhalten oder des Hilfsantrags 3 eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 13. September 2012. Alle übrigen Anträge wurden zurückgenommen.

Die Beschwerdeführerin 2 (Einsprechende 01) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents in vollem Umfang. Weiterhin beantragte sie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

Die Beschwerdeführerin 3 (Einsprechende 02) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents in vollem Umfang. Weiterhin beantragte sie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr. Der Antrag auf Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz wurde zurückgenommen.

XIII. Der Wortlaut von Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"1. Verfahren zur Übertragung von Information, welche von einem Absender an wenigstens einen Empfänger gerichtet ist, wobei

die Information in einer ersten Einrichtung aufgenommen und in elektronische Daten umgesetzt wird,

die elektronischen Daten zu dem wenigstens einen

Empfänger übertragen werden,

dadurch gekennzeichnet, dass

ein virtuelles Papierdokument erzeugt wird, welches in systemunabhängiger Weise Inhalte der schriftlichen Information sowie auf die Form bezogene Daten umfaßt, und basierend auf den übertragenen elektronischen Daten ein Austausch von Datenformat- und/oder Strukturbeschreibungen durchgeführt wird, derart, dass das virtuelle Papierdokument beim Empfänger in einer vom Empfänger wählbaren Form umgesetzt wird."

XIV. Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 weist gegenüber dem Hauptantrag folgendes weitere Teilmerkmal auf:

"und die an einen Drucker abgesandten Daten aufgenommen und zu dem virtuellen Dokument umgesetzt werden, welches alle nötigen Informationen zum Seitenaufbau weiter behält."

XV. Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 weist gegenüber dem Hauptantrag folgendes weitere Teilmerkmal auf:

"wobei für den Anwender eine direkte Verbindung zwischen Absender und Empfänger geschaffen wird, welche unabhängig von der verwendeten technischen Ausrüstung sowohl das verwendete Schriftbild enthält als auch direkt weiter nutzbare Daten bereithält und wobei das virtuelle Papierdokument alle benutzerbezogenen Informationen in elektronischer weiterbe- und verarbeitbarer Form enthält".

XVI. Der Wortlaut von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 lautet wie folgt:

"1. Verfahren zur Übertragung von Information, welche von einem Absender an wenigstens einen Empfänger gerichtet ist, wobei

die Information in einer ersten Einrichtung aufgenommen und in elektronische Daten umgesetzt wird,

die elektronischen Daten zu dem wenigstens einen

Empfänger übertragen werden,

dadurch gekennzeichnet, dass

ein virtuelles Papierdokument erzeugt wird, welches in systemunabhängiger Weise Inhalte der schriftlichen Information sowie auf die Form bezogene Daten umfaßt, und basierend auf den übertragenen elektronischen Daten ein Austausch von Datenformat- und Strukturbeschreibungen durchgeführt wird, derart, dass das virtuelle Papierdokument beim Empfänger in einer vom Empfänger wählbaren Form umgesetzt wird, wobei das virtuelle Papierdokument alle benutzerbezogenen Informationen in elektronischer weiterbe- und

-verarbeitbarer Form enthält,

und die an einen Drucker abgesandten Daten aufgenommen und zu dem virtuellen Dokument umgesetzt werden, welches alle nötigen Informationen zum Seitenaufbau weiter behält,

und wobei ein spezieller Druckertreiber hierbei das elektronische Interface zum virtuellen Papierdokument herstellt und

a) wobei die Strukturinformationen außerdem eine Beschreibung des Aufbaus der Daten aufweisen,

b) wobei die Beschreibung dabei auch Steuerinformationen zum Aufbau des Druckbildes am Ort des Empfängers enthält,

c) wobei somit ein "virtuelles Druck-Dokument" gesendet und empfangen wird [sic]

d) wobei somit die übertragenen Daten redundant sind."

XVII. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete die Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerden

Alle Beschwerdeschriften und Beschwerdebegründungen wurden wirksam und fristgerecht eingereicht. Die Beschwerdegebühren wurden ebenfalls fristgerecht entrichtet (siehe Sachverhalt und Anträge, Punkte II bis IV). Die Beschwerden sind daher zulässig.

2. In der angefochtenen Entscheidung wurde der erteilte unabhängige Anspruch 1 durch die Offenbarung der Druckschrift D1 als neuheitsschädlich vorweggenommen angesehen.

Die Einspruchsabteilung sah das weitere Teilmerkmal von Anspruch 1 gemäß jetzigem Hilfsantrag 2 als die Neuheit gegenüber D1 begründend an. Zum gleichen Schluss gelangte die Einspruchsabteilung hinsichtlich der weiteren Druckschrift D25. Weiter wurde festgestellt, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß jetzigem Hilfsantrag 2 nicht durch eine Kombination von D1 mit der weiteren Druckschrift D38 nahegelegt ist.

Darüber hinaus stellte die Einspruchsabteilung fest, dass andere Dokumente nicht für eine Kombination mit D1 herangezogen wurden, weil "das Veröffentlichungsdatum z.B. der D36 (Microsoft) oder der D41 (Behme) nicht belegt waren" (vgl. Punkt 2.9 der angefochtenen Entscheidung).

Hinsichtlich der geltend gemachten Einspruchsgründe wegen mangelnder Ausführbarkeit (Artikel 100 b) mit 83 EPÜ 1973) führte die Einspruchsabteilung aus, dass die bemängelten Teilmerkmale "virtuelles Papierdokument" und "auf die Form bezogene Daten" durch die Absätze [0010] bis [0014] und [0017] ausreichend offenbart seien. Zwar äußerte sich die Einspruchsabteilung nicht zu dem weiteren bemängelten Teilmerkmal "in systemunabhängiger Weise", jedoch sah sie anscheinend auch dieses als unproblematisch an, da festgestellt wurde, dass die Erfindung durch die Ausführungsbeispiele ausreichend offenbart sei.

Hauptantrag der Beschwerdeführerin 1 - Anspruch 1 wie erteilt

3. Die Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) argumentierte im wesentlichen, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 auch gegenüber der Offenbarung von D1 neu sei, weil D1 nicht offenbare, dass ein virtuelles Papierdokument beim Empfänger in einer vom Empfänger wählbaren Form umgesetzt werde. Da im Anspruch 1 zwischen Datenformat und Strukturbeschreibung unterschieden werde, gehe "spätestens im Lichte der Beschreibung" hervor, dass zwischen dem Druckbild und einer anderen, insbesondere automatisch weiterverarbeitbaren, Form unterschieden werde. Dies ergebe sich im Zuge einer Auslegung des Ausdrucks "virtuelles Papierdokument", welcher bisher unbekannt gewesen sei, im Lichte der Beschreibung (vor allem der Abschnitte [0014] bis [0017] des Streitpatents). Hier sei die Beschreibung des Patents ihr eigenes Lexikon. So werde z.B. der Rechnungsbetrag zum einen als Ausdruck und zum anderen auch als maschinenlesbarer Code übertragen. Dies sei bei D1 nicht der Fall, wo lediglich erkannt werde, dass es sich beim Empfänger um einen Drucker handelt und die Daten entsprechend konvertiert würden, um das Dokument auf dem jeweiligen Drucker ausdrucken zu können, also eine Umsetzung der Daten von einem Standard in einen anderen beschrieben sei, nicht jedoch eine "wählbare Form" gemäß Anspruch 1.

4. Interpretation des Wortlauts von Anspruch 1

Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass der Wortlaut des Anspruchs 1 nicht auf eine solche Auslegung beschränkt werden kann.

4.1 Grundsätzlich ist der Anspruchsgegenstand im Rahmen der Neuheitsprüfung in seiner ganzen Breite auszulegen und nicht durch die Beschreibung beschränkt, anders als die Interpretation des Umfangs des Patentanspruchs nach Artikel 69 EPÜ (insofern stimmt die Kammer den Ausführungen der Beschwerdeführerin 3 (Einsprechende 02) zur Entscheidung T 0454/89 vom 11.03.1991 zu, vgl. Seite 15f. des Schriftsatzes vom 24. August 2011). Somit können die von der Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) angeführten Begriffe "virtuelles Papierdokument", "Druckbild", "automatisch weiterverarbeitbaren" und "Empfängeradresse" (vgl. z.B. Seite 3 der Beschwerde begründung) nicht zur einschränkenden Auslegung von Anspruch 1 führen.

4.2 Zwar mag der Ausdruck "virtuelles Papierdokument" zum Prioritätstag des Streitpatents nicht gängig gewesen sein. Jedoch hätte der Fachmann damit nicht alle die von der Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) geltend gemachten Einschränkungen und speziellen Bedeutungen verbunden. Zum einen liefert die Beschreibung des Streitpatents keine konkrete Definition dessen, was unter einem "virtuelles Papierdokument" zu verstehen ist und hat somit keine Funktion als ihr eigenes Lexikon. Zum anderen hat der Fachmann damit durchaus einen konkreten Gegenstand verbunden, da bereits Formate bekannt waren, mit denen Papierdokumente plattformübergreifend ausgetauscht und dargestellt werden konnten (vgl. z.B. das portable document format PDF wie in D17 beschrieben) und damit ein Papierdokument virtuell nachbildeten. Nach Auffassung der Kammer beschreibt das Streitpatent nicht auf ausreichend konkrete Weise, wie ein "virtuelles Papierdokument" genau erzeugt wird, insbesondere auch nicht den von der Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) wiederholt angeführten Extraktionsprozess für benutzerbezogene Daten. Deshalb kann die Beschreibung nicht zur einschränkenden Auslegung des Ausdrucks "virtuelles Papierdokument" dienen.

4.3 Nach Anspruch 1 wird außerdem zwischen "Datenformat- und/oder Strukturbeschreibungen" unterschieden. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass auf Grund des "oder" auch ein Gegenstand mit nur einem Austausch von Datenformat oder nur einem Austausch von Strukturbeschreibungen umfasst ist. Andererseits bleibt auch im Lichte der Beschreibung unklar, worin der angebliche Unterschied genau besteht. Selbst wenn man nämlich dennoch die Beschreibung zur Auslegung heranziehen würde, so findet sich nur eine einzige Passage zu dem genannten Teilmerkmal in Abschnitt [0033] mit der Formulierung "Austausch von Datenformat- bzw. Strukturbeschreibungen". Der Ausdruck "bzw." jedoch erweckt nach gängigem Sprachverständnis den Eindruck, dass es sich um lediglich zwei alternative Begriffe für die gleiche Sache handelt. Vor diesem Hintergrund können die genannten Begriffe nur bedingt zur Konkretisierung des Ausdrucks "virtuelles Papierdokument" beitragen.

5. Einwände nach Artikel 100 b) EPÜ 1973 - Offenbarung

5.1 Vor dem Hintergrund der gebotenen breiten Auslegung von Anspruch 1 erachtet die Kammer dessen Gegenstand für ausreichend offenbart, vor allem auch die gerügten Ausdrücke "virtuelles Papierdokument", "auf die Form bezogene Daten" und "systemunabhängig", insbesondere im Licht des dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt bereits bekannten PDF-Formats (vgl. dazu z.B. D17), das diese Teilmerkmale in sich vereint.

5.2 Was den bidirektionalen Charakter der Erfindung des Streitpatents betrifft (vgl. Punkt 2-2.6 der angefochtenen Entscheidung), so versteht die Kammer den entsprechenden Abschnitt [0057] des Streitpatents so, dass die Erfindung generell ein bidirektionales System betrifft, bei dem die Auswahleinheit (vgl. Element 3 in Figur 3, auch als viper-System bezeichnet) zwar zum iterativen Abgleich der Empfängerformate Daten empfängt, jedoch die eigentliche Übertragung der Informationen im Sinne des Anspruchs 1 erfolgt dann mit Hilfe der Datenbank der Auswahleinheit unidirektional zum Empfänger, weshalb hierzu der bidirektionale Charakter nicht erforderlich ist.

6. Einwände nach Artikel 100 a) EPÜ 1973 - Neuheit von Anspruch 1

6.1 Die Kammer stimmt mit der angefochtenen Entscheidung (vgl. Punkt 2-2.3) dahingehend überein, dass D1 ein Verfahren zur Übertragung von Information (vgl. den Titel "Electronic document delivery system" von D1) offenbart, welche von einem Absender an wenigstens einen Empfänger gerichtet sind (vgl. Seite 17, Zeile 48 und Zeile 52), wobei die Information in einer ersten Einrichtung aufgenommen und in elektronische Daten umgesetzt wird (vgl. Seite 17, Zeilen 49 bis 51), die elektronischen Daten zu dem wenigstens einen Empfänger übertragen werden (vgl. Seite 17, Zeile 52). Das Verfahren ist auch derart ausgestaltet, dass ein virtuelles Papierdokument erzeugt wird (Seite 17, Zeile 51 mit der Erwähnung von PDF) welches in systemunabhängiger Weise Inhalte der schriftlichen Information (vgl. Seite 11, Zeilen 4 bis 5 "Portable document formats allow preserve content ...") sowie auf die Form bezogene Daten umfasst (vgl. Seite 11, Zeile 5: "... and color of the information within a document ..."). Basierend auf den übertragenen elektronischen Daten wird ein Austausch von Datenformat- und/oder Strukturbeschreibungen durchgeführt (vgl. Seite 11, Zeilen 5 bis 6: "... formats allow indexing, searching ...").

6.2 Die Kammer stimmt den Beschwerdeführerinnen 2 und 3 (Einsprechende) zu (siehe z.B. die Eingabe vom 14. Juli 2009, Seite 2, erster Absatz), dass D1 neben den vorstehend identifizierten Merkmalen auch das letzte Teilmerkmal von Anspruch 1 offenbart, nämlich dass das virtuelle Papierdokument beim Empfänger in einer vom Empfänger wählbaren Form umgesetzt wird, weil ein Druckformat vom Empfänger auswählbar ist. Dies ist zum einen ein empfängerseitiges Faxgerät, für das empfängerseitig ein entsprechendes 200/100 dpi Format aus dem virtuellen Papierdokument in Form eines PDF Dokumentes bereitgestellt wird (vgl. D1, Seite 18, Zeilen 1-3), oder ein PC, für den empfängerseitig ein textbezogenes Format bereitgestellt wird (vgl. D1, Seite 18, Zeilen 8-13). Je nachdem, welches der Geräte empfängerseitig gewählt wird, wird das virtuelle Papierdokument in eine andere "Form" umgesetzt, die damit "wählbar" im Sinne von Anspruch 1 ist.

6.3 Die Kammer stimmt daher der angefochtenen Entscheidung zu, dass D1 den Gegenstand von Anspruch 1 neuheitsschädlich vorwegnimmt (Artikel 100 a) mit 54(2) EPÜ 1973).

Hilfsantrag 1 der Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin)

7. Zulässigkeit

7.1 Die Beschwerdeführerinnen 2 und 3 haben sich gegen die Zulassung dieses Antrags gewandt mit der Begründung, dass das Vorbringen erstmals nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereicht worden und daher verspätet sei. Zusätzlich sei es auf einen gegenüber der aufrecht erhaltenen Fassung divergierenden Gegenstand gerichtet, da das letzte Teilmerkmal des unabhängigen Anspruchs 1 der aufrecht erhaltenen Fassung gestrichen und durch einen anderen erstmalig im Verfahren vorgebrachten anderen Aspekt ersetzt worden sei. Auch sei es als rechtsmissbräuchlich zu betrachten, dass die Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) eine Vielzahl von 37 größtenteils divergierenden (zum Zeitpunkt der Diskussion dieser Frage noch in der mündlichen Verhandlung anhängigen) Hilfsanträgen eingereicht habe, mit dem Ziel mögliche Standpunkte der Kammer zu erforschen. Ein solcher Schirm divergierender Anspruchsfassungen in einem späten Verfahrensstadium sei unzulässig und stehe im Widerspruch zu dem Erfordernis einer konsistenten Verteidigungslinie. Durch den zu diesem Schirm divergierender Anspruchsfassungen gehörigen Anspruch 1 des vorliegenden Hilfsantrags 1 werde zu einem sehr späten Zeitpunkt des Beschwerdeverfahrens, nämlich erst 4 Wochen vor mündlichen Verhandlung, deren Rahmen im Anhang zur Ladung festgelegt worden sei, der beanspruchte Gegenstand in eine nicht vorhersehbare von der erteilten Fassung sowie von der aufrecht erhaltenen Fassung abweichende Richtung getrieben. Durch die Tatsache, dass dieser neue Gegenstand in der Rangfolge der Anträge noch vor den Gegenstand in der aufrecht erhaltenen Form gestellt wurde, werde ein "fresh case" geschaffen, was im Hinblick auf die Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer, insbesondere die Entscheidungen G 0009/91 und G 0010/91, unzulässig sei.

7.2 Grundsätzlich liegt es im Ermessen der Kammer, nachträgliche Änderungen am Vorbringen eines Beteiligten zuzulassen.

Die Große Beschwerdekammer hat dazu in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass es Hauptzweck des mehrseitigen Beschwerdeverfahrens ist, der unterlegenen Partei eine Möglichkeit zu geben, die Entscheidung der Einspruchsabteilung sachlich anzufechten (G 0009/91 und G 0010/91, ABl. EPA 1993, 408, 419 u. 420 - Prüfungsbefugnis; G 0001/94, ABl. EPA 1994, 787, 795 - Beitritt). Insofern zielt das Beschwerdeverfahren hauptsächlich auf die unabhängige gerichtliche Überprüfung der Entscheidung auf ihre Richtigkeit in tatsächlicher wie verfahrens- und materiellrechtlicher Hinsicht. Das Ermessen der Kammer und die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verfahrensführung durch die Parteien ergeben sich aus der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK), insbesondere aus den Artikeln 12 (Grundlage des Verfahrens) und 13 (Änderung des Vorbringens eines Beteiligten) VOBK. Diese Regelungen verfolgen den Zweck der Verfahrensbeschleunigung und sind Ausdruck des Prinzips der Fairness gegenüber der/den anderen Partei/en.

Hieraus folgt, dass die Parteien im Beschwerdeverfahren bei ihrer Verfahrensführung gewissen Grenzen unterworfen sind. So obliegt es jedem Verfahrensbeteiligten selbst, alle für seine Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung relevanten Tatsachen, Beweismittel, Argumente und auch Anträge so frühzeitig und vollständig wie möglich vorzulegen. So ergibt sich aus Artikel 12(2) VOBK, dass mit der Beschwerdebegründung der vollständige Sachvortrag einer Partei erfolgen soll.

Tatsächlich aber hat die Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) mit der Beschwerdebegründung neben dem Patent in der erteilten Fassung (Hauptantrag) nur einen einzigen Hilfsantrag eingereicht, der auf die aufrecht erhaltene Fassung gerichtet war (jetziger Hilfsantrag 2). Weitere Rückzugspositionen wurden erst 4 Wochen vor der mündlichen Verhandlung eingereicht und dann in großer Zahl auf teilweise divergierende Gegenstände gerichtet (37 Hilfsanträge mit teilweise optionalen Teilmerkmalen). Beachtet man, dass diese Unterlagen den beiden anderen Parteien erst noch postalisch zugestellt werden mussten, so blieb diesen ein noch kürzerer Zeitraum zur Vorbereitung auf diese Vielzahl von Hilfsanträgen zur mündlichen Verhandlung. Das dem Hilfsantrag 1 zugrunde liegende Vorbringen war daher verspätet.

7.3 Kriterien für die Ermessensausübung der Kammer zur Änderung des Vorbringens sind beispielhaft in Artikel 13(1) VOBK aufgezählt. Für die Zulassung neuer Anträge sind Kriterien wie der Zeitpunkt der Änderung, der Grund für die Änderung, der Umfang der Änderung oder die Schwierigkeit oder Komplexität der vorzunehmenden Prüfung der Änderungen sowie die Frage der Gewährbarkeit der geänderten Ansprüche (T 0942/05 vom 13.03.2008, Entscheidungsgrund 1.2; T 0081/03 vom 12.02.2004, Entscheidungsgrund 2.4) und der dem Beschwerdeverfahren immanenten allgemeinen Anforderungen an die Verfahrensführung der Parteien anzuwenden. Weiter ist von besonderer Bedeutung, ob der Patentinhaber, der mehr als einen Antrag stellt, mit seinen verschiedenen Anträgen eine konsistente Verteidigungslinie verfolgt und nicht, zumal zum Ende des Beschwerdeverfahrens hin, durch einen "Schirm" divergierender Anspruchsfassungen sowohl für die andere Partei als auch für die Beschwerdekammer eine Verfahrenssituation schafft, in der es ihnen obliegt, aus einer Vielzahl von Anspruchsfassungen diejenige zu "wählen", die letztendlich Bestand haben könnte. So ist neben dem Zeitpunkt der Antragsstellung auch von Bedeutung, ob die jeweiligen Anspruchsfassungen "konvergieren" oder "divergieren", also den Gegenstand des unabhängigen Anspruchs eines Hauptantrags in eine Richtung bzw. in Richtung eines Erfindungsgedankens zunehmend einschränkend weiterentwickeln oder etwa durch Aufnahme jeweils verschiedener Merkmale unterschiedliche Weiterentwicklungen verfolgen.

Genau eine solche Situation hat die Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) aber, wie oben dargestellt, geschaffen, indem sie 37 Hilfsanträge mit divergierenden Anspruchsfassungen eingereicht hat, zu denen auch der Gegenstand des vorliegenden Hilfsantrags 1 gehört, welcher von der aufrecht erhaltenen Fassung des Anspruchs 1 abweicht, indem dessen letztes Teilmerkmal gestrichen wurde und durch die zu einem Drucker abgesandten Daten ersetzt wurde, die zu einem virtuellen Dokument umgesetzt werden. Letzterer Aspekt wurde jedoch aus der Beschreibung aufgenommen und erstmalig im Beschwerdeverfahren beansprucht. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 divergiert somit im Vergleich zu der der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Fassung.

7.4 Auch die Tatsache der Rücknahme der meisten der 37 Hilfsanträge durch die Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) in der mündlichen Verhandlung kann nichts daran ändern, dass für die Kammer und die anderen beteiligten Parteien vor und während der mündlichen Verhandlung ein solcher "Schirm" divergierender und inkongruenter Anspruchsfassungen, zu denen auch der vorliegende Hilfsantrag gehört, vorlag und damit eine unübersichtliche und unzumutbare Verfahrenssituation geschaffen wurde.

7.5 Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern werden mit der Beschwerdebegründung eingereichte Änderungen grundsätzlich zugelassen, dies jedenfalls dann, wenn durch die Änderungen im Beschwerdeverfahren kein gänzlich neuer Fall geschaffen wird. In T 0356/08 (v. 07.07.2009, Punkt 2.1.1 der Gründe) hat die Beschwerdekammer dazu ausgeführt, dass die Entscheidung der Beschwerdekammer im Prinzip auf der Basis des Streitstoffs der ersten Instanz ergehen soll, was die Zulassung von neuem Vorbringen zwar nicht ausschließt, jedoch von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig macht. Im Beschwerdeverfahren soll nämlich kein gänzlich neuer Fall, kein "fresh case" geschaffen werden (vgl. hierzu und im weiteren auch T 1685/07 vom 04.08.2010, Entscheidungsgründe 6.4 und 6.5).

Durch die Tatsache, dass der divergierende Gegenstand des vorliegenden Hilfsantrags 1 während der mündlichen Verhandlung in der Rangfolge der Anträge vor den Gegenstand in der aufrecht erhaltenen Fassung gestellt wurde, das Streitpatent somit vorrangig in einer von der aufrecht erhaltenen Fassung divergierenden Richtung weiterverfolgt wurde, wurde mit dem vorliegenden Hilfsantrag 1 in einem späten Verfahrensstadium ein "fresh case" geschaffen, wie die Beschwerdeführerinnen 2 und 3 (Einsprechende) zu Recht gerügt haben.

7.6 Die Kammer vermag auch das Argument der Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) nicht zu überzeugen, dass der Hilfsantrag 1 (als Bestandteil der auf die Ladung eingereichten Hilfsanträge) in Reaktion auf erstmalig in der Ladung aufgeworfene Einwände erfolgt sei. So war bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung von Seiten der Beschwerdeführerinnen 2 und 3 (Einsprechende) das Argument vorgebracht worden, dass ein PDF-Dokument systemunabhängig sei. Somit war dieser Einwand keinesfalls überraschend für die Patentinhaberin. Auch kann die Beschwerdeführerin 1 (Pateninhaberin) die verspätete Einreichung des geänderten Anspruchs 1 mit dem Hilfsantrag 1 (eingereicht 4 Wochen vor der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag 2, erst während der mündlichen Verhandlung zum Hilfsantrag 1 erhoben) nicht dadurch rechtfertigen, dass die Kammer mit dem Anhang zum Ladungsbescheid eine für die Patentinhaberin unerwartete Lage geschaffen habe, indem die Kammer in der Neuheitsfrage des Anspruchs 1 wie aufrecht erhalten eine der Einspruchsabteilung entgegengesetzte Position eingenommen habe.

7.7 Insofern hat die Kammer vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen und Grundsätze in Ausübung ihres Ermessens dem Antrag der beiden Beschwerdeführerinnen 2 und 3 (Einsprechende) stattgegeben und den Hilfsantrag 1 nicht in das Verfahren zugelassen, weil dieser verspätet vorgebracht wurde und dadurch erst in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer ein gänzlich neuer Fall, ein "fresh case", geschaffen wurde.

Hilfsantrag 2 der Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) - Anspruch 1 wie am 15. Oktober 2008 eingereicht

8. Die Einspruchsabteilung argumentierte im wesentlichen, dass Anspruch 1 dieses Antrags die Erfordernisse der Artikel 83 und 84 EPÜ 1973 erfülle und das hinzugefügte Teilmerkmal darüber hinaus die Neuheit gegenüber D1 begründe (vgl. Punkte 2-2.5 bis 2.7 der angefochtenen Entscheidung). Die Einspruchsabteilung argumentierte, dass D1 nicht zeige, dass das virtuelle Papierdokument alle benutzerbezogenen Informationen in elektronisch weiterverarbeitbarer Form enthalte. Damit würde erreicht, dass zusätzlich zu Daten für den Ausdruck auf Papier auch Daten in dem virtuellen Papierdokument enthalten seien, die elektronisch weiter bearbeitet werden könnten, d.h. in einem Rechner ausgewertet werden könnten.

9. Die Kammer stimmt dieser Begründung nicht zu und ist der gegenteiligen Auffassung, das das dem Anspruch 1 dieses Antrags hinzugefügte Teilmerkmal mehrere Unklarheiten aufweist. Da Anspruch 1 im Einspruchsverfahren geändert wurde, ist (obwohl kein Einspruchsgrund) auch die Klarheit nach Artikel 84 EPÜ 1973 bzgl. der Änderungen zu prüfen.

Von Seiten der Beschwerdeführerinnen 2 und 3 (Einsprechende) wurde bemängelt, dass eine Verbindung kein Schriftbild enthalten könne. Weiter sei unklar wie die Verbindung eine "direkte Verbindung zwischen Absender und Empfängern" sein solle, wo doch die Auswahleinheit (vgl. Element 3 der Figur 3 der Beschreibung) als zwischengeschaltete Einheit zur Durchführung des beanspruchten Verfahrens erforderlich sei. Zudem sei unklar, wie unabhängig von der technischen Ausrüstung eine direkte Verbindung aufgebaut werden soll. Mit Einführung der Begriffe "Anwender", "Absender" und "Empfänger" werde eine weitere Unklarheit eingeführt, da nicht klar sei, wer denn nun der Anwender sei, ob der Absender oder der Empfänger. Auch sei nicht klar wie der Ausdruck "alle benutzerbezogenen Informationen" zu verstehen sei. Es bleibe unklar, was der Begriff "alle" in diesem Zusammenhang umfasse.

9.1 Die Einspruchsabteilung stellte zwar fest, dass die entsprechenden Teilmerkmale in der Beschreibung eine Basis im Sinne des Artikels 123(2) EPÜ hätten. Jedoch ist damit noch nicht automatisch das Erfordernis der Klarheit erfüllt. Die Kammer stimmt den Beschwerdeführerinnen 2 und 3 (Einsprechende) zu (vgl. z.B. Beschwerdeführerin 2, Beschwerdebegründung vom 16. März 2009, Seite 6, Punkt III.), dass das Teilmerkmal von Anspruch 1, wonach eine Verbindung ein Schriftbild enthält, nicht das Erfordernis der Klarheit nach Artikel 84 EPÜ 1973 erfüllt. So kann eine direkte Verbindung zwischen Empfänger und Absender selbst kein Schriftbild enthalten, sondern allenfalls die über eine solche Verbindung transportierten Daten.

9.2 Weiter kann das Argument der Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) nicht überzeugen, dass die "direkte Verbindung" im Sinne einer logischen Informationsverbindung zu interpretieren sei, was nicht ausschließe, dass eine Auswahleinheit zwischengeschaltet sei. Vielmehr ist den Beschwerdeführerinnen 2 und 3 (Einsprechende) zuzustimmen, dass der Ausdruck einer logischen Informationsverbindung im Streitpatent nicht vorkomme und die Formulierung "direkte Verbindung" daher unklar und nicht durch die Beschreibung gestützt ist (Artikel 84 EPÜ 1973), weil nicht ersichtlich ist, wie das beanspruchte Verfahren ohne Auswahleinheit bzw. viper-System funktionieren kann.

9.3 Der Kammer ist auch nicht klar, wie eine Verbindung unabhängig von der technischen Ausrüstung geschaffen werden kann. Selbst wenn eine ursprüngliche Offenbarung bestehen sollte, so ist die verwendete Formulierung dennoch als unklar anzusehen (Artikel 84 EPÜ 1973). Insofern ist u.a. der Beschwerdeführerin 2 (Einsprechende 01) zuzustimmen (vgl. Beschwerdebegründung vom 16. März 2009, Seite 7, letzter Absatz).

9.4 Die Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) hat argumentiert, dass die Formulierung "alle benutzerbezogenen Informationen" so zu verstehen sei, dass im Zuge des iterativen Prozesses zum Aufbau der viper-Datenbank zum Abgleich der Empfängerformate alle vom Empfänger gewünschten Informationen zu verstehen seien. Dieses Argument vermag jedoch nicht zu überzeugen. Zum einen würde mit den gewünschten Informationen ein spekulatives Element in den Anspruch 1 gelangen. Zum anderen ist der von der Patentinhaberin angeführte iterative Prozess gar nicht Bestandteil der Lehre von Anspruch 1. Somit kann die bemängelte Formulierung nicht in dieser Richtung ausgelegt werden und bleibt unklar im Sinne des Artikel 84 EPÜ 1973.

Das hinzugefügte Teilmerkmal weist aus diesen Gründen mehrere Unklarheiten auf, weshalb dem Anspruch 1 dieses Antrags die erforderliche Klarheit fehlt (Artikel 84 EPÜ 1973).

Hilfsantrag 3 der Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin)

10. Zulässigkeit

10.1 Dieser Antrag wurde erst während der mündlichen Verhandlung eingereicht und war damit ebenfalls verspätet aus den oben genannten Gründen (vgl. Punkt 7.2).

10.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 dieses Antrags divergiert ebenfalls von der aufrecht erhaltenen Fassung des Anspruchs 1, indem dessen letztes Teilmerkmal größtenteils gestrichen wurde und der Aspekt der zu einem Drucker abgesandten Daten eingeführt wurde, die zu einem virtuellen Dokument umgesetzt werden. Letzterer Aspekt wurde durch weitere aus der Beschreibung aufgenommene Merkmale weiter spezifiziert und damit erstmalig im Beschwerdeverfahren beansprucht. Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 divergiert somit im Vergleich zu der der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Fassung aus den oben genannten Gründen (vgl. Punkt 7.3).

10.3 Somit geht auch der Anspruch 1 dieses Hilfsantrags in eine von der aufrecht erhaltenen Fassung divergierende Richtung, wodurch mit dem vorliegenden Hilfsantrag 3 ein "fresh case" geschaffen wurde, wie die Beschwerdeführerinnen 2 und 3 (Einsprechende) zu Recht gerügt haben. Die oben genannten Gründe gelten auch hier entsprechend (vgl. Punkt 7.5).

10.4 Hinzu kommt, dass der Gegenstand von Anspruch 1 dieses Antrags nicht prima facie gewährbar ist, weil zumindest das Teilmerkmal "alle benutzerbezogenen Informationen", welches im Wortlaut von Anspruch 1 dieses Antrags verblieben ist, aus den oben genannten Gründen (vgl. Punkt 9.4) unklar ist (Artikel 84 EPÜ 1973).

10.5 Insofern hat die Kammer in Ausübung ihres Ermessens dem Antrag der beiden Beschwerdeführerinnen 2 und 3 (Einsprechende) stattgegeben und den Hilfsantrag 3 nicht in das Verfahren zugelassen, weil dieser verspätet vorgebracht wurde, nicht prima facie gewährbar ist und dadurch darüber hinaus aufgrund des divergierenden Gegenstands in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer ein gänzlich neuer Fall, ein "fresh case", geschaffen wurde. Die übrigen Gründe unter Punkt 7 oben gelten analog auf den vorliegenden Hilfsantrag 3.

11. Rückzahlung der Beschwerdegebühr (Regel 67 EPÜ)

11.1 Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird in Regel 67 EPÜ 1973 bzw. Regel 103 des revidierten EPÜ geregelt. Welche dieser Bestimmungen auf den vorliegenden Fall anwendbar ist, ergibt sich aus den Übergangsbestimmungen gemäß Artikel 2 des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 7. Dezember 2006 zur Änderung der Ausführungsordnung zum EPÜ (EPA ABl., Sonderausgabe Nr. 1/2007, S. 89). Danach ist die Ausführungsordnung zum EPÜ 2000 auf alle dem EPÜ 2000 unterliegenden europäischen Patentanmeldungen, europäischen Patente, Entscheidungen von Organen des Europäischen Patentamts und internationalen Anmeldungen anzuwenden. Damit kann nur gemeint sein, dass eine Regel der Ausführungsordnung zum EPÜ 2000 dann anzuwenden ist, wenn, bzw. soweit der der Regel zugeordnete Artikel des EPÜ 2000, den diese Regel näher bestimmt, auf die zu behandelnde Anmeldung anwendbar ist (J 10/07, ABl. EPA 2008, 567, Ziff. 1.3). In der genannten Entscheidung wird in Ziff. 7 die Ansicht vertreten, Regel 67 EPÜ 1973 und Regel 103 des revidierten EPÜ seien beide den Artikeln 109 und 111 EPÜ zugeordnet, die bis auf redaktionelle Änderungen unverändert geblieben sind. Aus Artikel 1 Nr. 1 Satz 1 des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (EPA ABl., Sonderausgabe Nr. 1/2007, S. 197) folge, dass die Artikel 109 und 111 EPÜ auf die bei ihrem Inkrafttreten anhängigen europäischen Patentanmeldungen nicht anzuwenden seien, was entsprechend auch für die Regel 103 EPÜ gelte. Die Kammer schließt sich dieser Meinung der juristischen Beschwerdekammer an. Demzufolge wird die Frage der Rückerstattung der Beschwerdegebühr auf der Grundlage der Regel 67 EPÜ 1973 entschieden.

11.2 Die Beschwerdeführerin 2 (Einsprechende 01) hat in ihrer Beschwerdebegründung vom 16. März 2009 einen Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr gestellt und im wesentlichen damit begründet, dass ihre Einwände unter Artikel 100 b) in Verbindung mit 83 EPÜ 1973 sowie Artikel 84 EPÜ 1973 erstinstanzlich nicht vollständig berücksichtigt worden wären und die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht vorschriftsgemäß durchgeführt und begründet worden sei (vgl. Beschwerdebegründung vom 16. März 2009, Seite 28, Abschnitt XI).

Hinsichtlich der geltend gemachten mangelnden Ausführbarkeit (Artikel 100 b) in Verbindung mit 83 EPÜ 1973) hat die Einspruchsabteilung zu den bemängelten Teilmerkmalen "virtuelles Papierdokument" und "auf die Form bezogene Daten" explizit Stellung genommen und argumentiert, diese seien durch die Absätze [0010] bis [0014] und [0017] ausreichend offenbart. Zwar äußerte sich die Einspruchsabteilung nicht explizit zu den weiteren bemängelten Teilmerkmalen "in systemunabhängiger Weise" und dass eine Verbindung kein Schriftbild enthalten könne, jedoch sah sie auch diese als unproblematisch an, da festgestellt wurde, dass die Erfindung durch die Ausführungsbeispiele und damit auch implizit diese Teilmerkmale ausreichend offenbart seien (vgl. Punkt 2-2.2 der angefochtenen Entscheidung). Zu den Einwänden hinsichtlich der Artikel 83 und 84 EPÜ 1973 gegen den Hilfsantrag (jetziger Hilfsantrag 2) hat die Einspruchsabteilung ebenfalls Stellung genommen (vgl. Punkt 2-2.6 der angefochtenen Entscheidung). Die Kammer kann infolge dessen nur zu dem Ergebnis gelangen, dass die angefochtene Entscheidung nach Regel 68 (2) EPÜ 1973 ausreichend begründet worden ist. In diesem Zusammenhang ist noch festzustellen, dass selbst wenn die Einspruchsabteilung in einzelnen Punkten unzutreffend argumentiert haben sollte (wie von der Beschwerdeführerin 2/Einsprechende 01 in ihrem Schreiben vom 16. März 2009 als "teilweise unlogisch" bezeichnet), wovon die Kammer jedoch nicht überzeugt ist, so würde es sich um eine unrichtige Beurteilung handeln und nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern keinen wesentlichen Verfahrens fehler darstellen (siehe z.B. T 0019/87, ABl. EPA 1988, 268 oder T 0863/93 vom 17.02.1994, Entscheidungsgrund 10).

Auch dass die Einspruchsabteilung nicht den Aufgabe-Lösungs-Ansatz verwendet hat, ist für die Kammer nicht eindeutig erkennbar. Zwar ist die entsprechende Begründung in der angefochtenen Entscheidung knapp. Jedoch lässt sich die objektive Aufgabe der Schaffung einer Möglichkeit zur Auswertung auf einem Rechner anhand des zum auf Seite 10, erster Absatz der angefochtenen Entscheidung angeführten Unterscheidungsmerkmals entnehmen.

11.3 Die Beschwerdeführerin 3 (Einsprechende 02) hat mit Schriftsatz vom 24. August 2011 eine angebliche Unvollständigkeit des Protokolls zur mündlichen Verhandlung vor der ersten Instanz gerügt. Festzustellen ist, dass vor dem Beginn des Beschwerdeverfahrens und auch in ihrer Beschwerdebegründung die Beschwerdeführerin 3 (Einsprechende 02) die Korrektheit bzw. Vollständigkeit dieses Protokolls nicht bemängelt hat, insbesondere nicht zeitnah nachdem es den Parteien zugestellt worden war. Die Kammer weist darauf hin, dass von den Parteien und deren Vertretern erwartet werden kann, dass der Inhalt eines Protokolls, insbesondere dessen Vollständigkeit, direkt nach dem Erhalt sorgfältig geprüft wird und zeitnah bemängelt wird, da das Protokoll die einzige Möglichkeit darstellt, nachzuvollziehen, was sich während der mündlichen Verhandlung vor der ersten Instanz ereignet hat. Weiter wird darauf hingewiesen, dass eine Berichtigung des Protokolls, so problematisch diese nach einer so langen Zeitspanne ohnehin ist, nicht im Zuge des Beschwerdeverfahrens möglich ist, sondern vor der ersten Instanz erfolgen muss (vgl. T 1198/97 vom 05.03.2001, Entscheidungsgrund 7), weil die Einspruchsabteilung nicht am Beschwerdeverfahren beteiligt ist und somit ihren Standpunkt nicht einbringen kann. Die Beschwerdeführerin 3 (Einsprechende 02) hat keinen solchen Antrag auf Berichtigung gestellt. Die Kammer muss somit davon ausgehen, dass das Protokoll den Verlauf der mündlichen Verhandlung korrekt widerspiegelt (siehe z.B. R 0011/08, Punkt 16). Insofern hat die Kammer keinen Hinweis für eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdeführerin 3 (Einsprechende 02) auf Grund einer Nicht-zur-Kenntnisnahme des als "Internet-Dokumente" bezeichneten Standes der Technik sowie der Dokumente D36 bis D41 durch die Einspruchsabteilung. Die Frage, inwieweit das jeweilige Veröffentlichungsdatum dieser Dokumente nachgewiesen wurde, ist dem Protokoll konkret für die D38 zu entnehmen, welche im Verfahren diskutiert wurde. Aus der bloßen Tatsache, dass das Protokoll keine konkreten Angaben zu den anderen eingeführten Dokumenten, insbesondere dem als "Internet-Dokumente" bezeichneten Stand der Technik macht, lässt sich nicht zweifelsfrei ableiten, dass diese und deren Veröffentlichungsdatum nicht diskutiert wurden, da ein entsprechender Einwand seitens der Beschwerdeführerin 3 (Einsprechende 02) weder aus der Niederschrift selbst ersichtlich ist, noch im Anschluss an die Zustellung der Niederschrift zu den Akten gelangt ist (siehe auch T 0212/97 vom 08.06.1999, Entscheidungsgrund 2.2).

11.4 Die Kammer ist daher nicht davon überzeugt, dass ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt, welcher die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigen würde.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Das Patent wird widerrufen.

2. Die Anträge auf Rückzahlung der Beschwerdegebühren werden zurückgewiesen.

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