European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2013:T010111.20130307 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 07 März 2013 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0101/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04011721.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60T 17/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Mehrkreisschutzventileinrichtung mit magnetventilgesteuerter Druckbegrenzersteuerung für druckluftbetätigte Aktuatoren eines Fahrzeugs | ||||||||
Name des Anmelders: | KNORR-BREMSE Systeme für Nutzfahrzeuge GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Haldex Brake Products GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (nein) Zulassung von nach der Beschwerdeerwiderung eingereichtem Hilfsantrag 2 (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat am 15. Januar 2011 gegen die am 16. Dezember 2010 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 1 479 584 in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde, Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 15. April 2011 eingegangen.
II. Der Einspruch war auf die Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit nach Artikel 100 a) EPÜ 1973 sowie der unzureichenden Offenbarung nach Artikel 100 b) EPÜ 1973 gestützt. Die Einspruchsabteilung hat als Stand der Technik unter anderem folgendes Dokument berücksichtigt:
D8: DE 195 15 895 A1.
III. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte mit Schreiben vom 2. März 2011 die Zurückweisung der Beschwerde und reichte ihre Beschwerdeerwiderung mit Schreiben vom 28. Juli 2011 ein.
IV. In Erwiderung auf die mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung zugestellte Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK, ABl. EPA 2007, 536) bestätigte die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 7. Februar 2013 ihren Antrag, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen (Hauptantrag), beantragte hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 4 wie erteilt (Hilfsantrag 1; Anspruch 5 wie erteilt entfällt) oder der neu eingereichten Patentansprüche gemäß der Hilfsanträge 2 bis 5.
V. Am 7. März 2013 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt. In Reaktion auf eine erstmalig vorgetragene Argumentationslinie der Beschwerdeführerin in Bezug auf mangelnde Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gegenüber D8 reichte die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung einen neuen Hilfsantrag ein, nahm diesen jedoch nach Diskussion der Zulässigkeit der Änderungen wieder zurück. Nach Diskussion des Hilfsantrags 2 reichte die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung einen weiteren Hilfsantrag 2' ein. Die mit Schreiben vom 7. Februar 2013 eingereichten Hilfsanträge 4 und 5 wurden zurückgenommen.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 4 in der erteilten Fassung gemäß Hilfsantrag 1, oder der Ansprüche 1 bis 4 gemäß Hilfsantrag 2 vom 7. Februar 2013, oder der Ansprüche 1 bis 4 gemäß Hilfsantrag 2', eingereicht während der mündlichen Verhandlung, oder der Ansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag 3 vom 7. Februar 2013.
VI. Der erteilte Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, der identisch zu Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist, lautet wie folgt (die Merkmale sind in Anlehnung an die von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung vorgelegte und bereits im Einspruchsschriftsatz verwendete Merkmalsanalyse nummeriert; die hinzugefügte Nummerierung ist durch Fettdruck gekennzeichnet):
"1) Mehrkreisschutzventileinrichtung (1) insbesondere für druckluftbetätigte Aktuatoren eines Fahrzeugs, die die folgenden Merkmale aufweist:
a) wenigstens einen Eingangsanschluß (4) zur Beaufschlagung mit Druckluft,
a1) wobei der Eingangsanschluß (4) mit einem Druckluftzentralbereich (12) in Verbindung steht,
b) wenigstens einen ersten Ausgangsanschluß (20) zur Abgabe von Druckluft aus dem Zentralbereich (12),
b1) wobei zwischen dem ersten Ausgangsanschluß (20) und dem Zentralbereich (12) ein Rückschlagventil (17) angeordnet ist,
c) wenigstens einen zweiten Ausgangsanschluß (23; 27, 28) zur Abgabe von Druckluft aus dem Zentralbereich (12),
d) eine Steuerung (2),
d1) die mehrere Eingänge zur Verarbeitung von Messsignalen entsprechend den Drücken am ersten Ausgangsanschluß (20) und dem wenigstens einen zweiten Ausgangsanschluß (23; 27, 28),
d2) einen Ausgang zur Ansteuerung einer Druckregelungseinheit (7) und
d3) einen Speicher für einen ersten und wenigstens einen zweiten Referenzdruck aufweist,
d4) wobei die Steuerung (2) am Ausgang ein vorbestimmtes erstes Ansteuersignal für die Druckregelungseinheit (7) ausgibt, wenn der Druck am ersten Ausgangsanschluß (20) kleiner als der erste Referenzdruck ist, wobei die Druckregelungseinheit (7) in Abhängigkeit des ersten Ansteuersignals eine solche Schaltstellung einnimmt, dass der Zentralbereich (12) mit Druckluft beaufschlagt wird, und
d5) wobei die Steuerung (2) am Ausgang ein vorbestimmtes zweites Ansteuersignal für die Druckregelungseinheit (7) ausgibt, wenn der Druck an dem wenigstens einen zweiten Ausgangsanschluß (23; 27, 28) kleiner als der wenigstens eine zweite Referenzdruck ist, wobei die Druckregelungseinheit (7) in Abhängigkeit des wenigstens einen zweiten Ansteuersignals eine solche Schaltstellung einnimmt, dass den (sic) Zentralbereich (12) mit Druckluft beaufschlagt wird."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 wurde im Vergleich zum Hauptantrag um folgendes Merkmal ergänzt, welches zwischen die Merkmale d3) und d4) eingeschoben wurde:
"eine Druckbegrenzungseinrichtung (21), die zwischen einem zweiten Ausgangsanschluß (23; 27, 28) und dem Zentralbereich (12) vorgesehen ist und die von der Steuerung (2) außer Kraft setzbar ist,"
In Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2' lautet das im Vergleich zum Hauptantrag hinzugefügte Merkmal wie folgt:
"ein Druckbegrenzungsventil (21), das zwischen einem zweiten Ausgangsanschluß (23; 27, 28) und dem Zentralbereich (12) vorgesehen ist und die (sic) von der Steuerung (2) außer Kraft setzbar ist,"
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist gegenüber Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unverändert.
VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:
Es sei im bisherigen Verfahren in Bezug auf Merkmal b1) noch nicht berücksichtigt worden, dass in D8 (Figur 1) der Zentralbereich hinter dem Rückschlagventil 32 über eine Drossel 34 und die Rohrleitung 33 sowie die Rohrleitungen 46, 47 und Rückschlagventile 48, 49 mit dem Ausgangsanschluss des Kreises I verbunden sei. Es sei nicht beansprucht, dass Druckluft über die Leitung 46 und 47 fließen müsse; Merkmal b1) stelle vielmehr auf eine physikalische Rohrleitungsverbindung ab. Außerdem schließe eine Verbindung zwischen zwei Punkten nicht aus, dass weitere Ventile in der Verbindungsleitung angeordnet seien, was insbesondere durch den geänderten Hilfsantrag 5 der Beschwerdegegnerin belegt werde.
D8 offenbare auch Merkmal d3), da D8 verschiedene Druckniveaus und damit die Speicherung von Betriebs- bzw. Referenzdrücken durch entsprechende Programmierung der Steuerelektronik anspreche (siehe Spalte 7, Zeile 62 bis Spalte 8, Zeile 1: "durch entsprechende Programmierung der Steuerelektronik 57 bezüglich der Einstellung unterschiedlicher Betriebsdrücke in weiten Grenzen variiert werden kann"). Die Variation der Betriebsdrücke in weiten Grenzen sei nur möglich, wenn die Betriebs- oder Referenzdrücke nicht fest in einem Programm der Steuerelektronik verankert seien, sondern über einen Speicher der Steuerelektronik zur Verfügung gestellt würden. Für den Luftfederkreis V werde in D8 ein höherer Betriebsdruck eingestellt (Spalte 7, Zeilen 20 ff.), so dass in der Steuerung in D8 ein erster und wenigstens ein zweiter Referenzdruck abgespeichert seien.
Bei Ausübung des Ermessens nach Artikel 13 (1) VOBK in Bezug auf Hilfsantrag 2 sei zu berücksichtigen, dass gemäß Anspruch 1 eine Druckbegrenzungseinrichtung vorgesehen sei (siehe Absatz [0019] des Streitpatents), um auf die Problematik von Fehlern bei der Messung mit Drucksensoren zu reagieren, was gegenüber der bisher diskutierten Befüllung der Verbraucherkreise ein völlig neues technisches Gebiet darstelle und zudem erstmalig in einem späten Stadium des Verfahrens, einen Monat vor dem angesetzten Termin der mündlichen Verhandlung, eingeführt worden sei. Daher habe erst seit diesem Zeitpunkt die Veranlassung für eine Nachrecherche des auf dem erteilten Anspruch 2 beruhenden zusätzlichen Merkmals bestanden. Außerdem sei im Vergleich zu dem neu in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag, der eine genauere Definition des beanspruchten Rückschlagventils versucht habe, keine Konvergenz der Anträge im Sinn der Rechtsprechung der Beschwerdekammern bei abgestuften Anträgen (siehe T 1685/07) festzustellen, da Hilfsantrag 2 eine andere Richtung einschlage.
Die in D8 in Figur 1 gezeigten Überströmventile 40.1 bis 40.5 seien über einen Steueranschluss 41 in eine Sperrstellung zu bringen und damit als Druckbegrenzungs ventile aufzufassen, wie in D8 beispielsweise für die Überströmventile der Kreise I bis III zum Füllen des Luftfederkreises V auf einen höheren Betriebsdruck (Spalte 7, Zeilen 20 bis 24) beschrieben. Jeder Verbraucherkreis in D8 weise damit eine eigene Druckbegrenzungs einrichtung auf. Es sei zu beachten, dass Überströmventile nur bei Unterschreiten eines Schließdrucks oder aber bei Gegensteuern über den Steuereingang schließen würden. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 verlange keine automatisch (d. h. ohne Steuerung) erfolgende Druckbegrenzung und definiere keinen Verbraucherkreis näher. Im Schiebebetrieb des Fahrzeugs könne ein beliebiger Kreis gemäß D8 (Spalte 8, Zeilen 7 ff.) auf ein gegenüber dem Betriebsdruck höheres Druckniveau gefüllt werden (z. B. ein Kreis der Betriebsbremse auf ein Druckniveau höher als 8,5 bar), d. h. die Druckbegrenzung werde außer Kraft gesetzt.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 spezifiziere allgemein eine Druckbegrenzungseinrichtung, und auch der Wortlaut von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2' fordere keine mechanische Einrichtung bzw. kein Ventil in spezifischer Weise, zumal auch das Streitpatent eine Steuerung wie in D8 zeige. Das Merkmal "außer Kraft setzbar" lasse offen, ob die Druckbegrenzungsfunktion mit dem Signal der Steuerung gesperrt werde oder nicht.
VIII. Das für diese Entscheidung relevante Vorbringen der Beschwerdegegnerin kann wie folgt zusammengefasst werden:
Die in D8 gezeigten Ventile 48, 49 seien Bestandteile eines Wechselventils, welches keine Strömung von Druckluft zwischen den Leitungen 46 und 47 ermögliche und damit keine Verbindung zwischen Leitung 46 und 47 herstelle. Beide Leitungen bildeten jeweils eine Versorgungsleitung zur Speisung der Magnetventile, welche den Steuerbereich der Überströmventile speisten. Der mit Merkmal b1) beanspruchte Einbauort sei also aus D8 nicht zu entnehmen.
Es erscheine zweifelhaft, ob D8 einen Speicher für einen ersten und zweiten Referenzdruck gemäß Merkmal d3) offenbare. Die Lehre von D8 lasse mehrere Möglichkeiten offen, z. B. ob (angedeutet in Spalte 7, Zeilen 48 bis 53) ein Referenzdruck und eine Druckdifferenz oder aber zwei Referenzdrücke abgelegt seien, wobei keine dieser Möglichkeiten explizit erwähnt sei. Auch beschreibe D8 eine Programmierung der Steuerelektronik zur Einstellung unterschiedlicher Betriebsdrücke und nicht die Speicherung von einem ersten und zweiten Referenzdruck in einem Speicher der Steuerelektronik. Deshalb gehe Merkmal d3) weder explizit noch implizit aus D8 hervor.
Die Kombination von Anspruch 1 und 2 gemäß Hilfsantrag 2 sei im Einspruch nie thematisiert worden, jedoch sei Hilfsantrag 2 in Reaktion auf einen Vortrag der Beschwerdeführerin vom Herbst 2012 eingereicht worden, wobei auf die Möglichkeit zur Zurückverweisung an die erste Instanz hinzuweisen sei. Mit dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten - und wieder zurückgezogenen - Hilfsantrag habe man auf die erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Einwände reagiert und nicht um eine Vertagung gebeten. Die Beschwerdegegnerin verfolge mit ihrem Vorbringen konvergierende Anträge.
Ein Überströmventil sei zu unterscheiden von der in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 beanspruchten Druckbegrenzungseinrichtung. Ein Druckbegrenzungsventil sorge automatisch dafür, dass abhängig vom Druck am Eingang der Ausgangsdruck begrenzt werde. D8 zeige aber Überströmventile mit begrenzter Rückströmung, die über pneumatische Steuereingänge sperrbar seien. Der Begriff "außer Kraft setzbar" sei so zu verstehen, dass die Druckbegrenzung aufgehoben werde, um ein höheres Druckniveau zuzulassen. Werde die Summe der in D8 gezeigten Überströmventile als Druckbegrenzungs einrichtung aufgefasst, so werde die Druckbegrenzung in D8 nicht außer Kraft gesetzt, da mit Ausnahme des Luftfederkreises alle anderen Überströmventile gesperrt würden (siehe Spalte 7, Zeilen 20 bis 24).
Bei Ansprechen der Steuerung werde in D8 eine Druckbegrenzung der Überströmventile eingestellt und damit eine Druckbegrenzungsfunktion erst ermöglicht, im Streitpatent dagegen die Druckbegrenzung außer Kraft gesetzt und das Druckbegrenzungsventil aktiv in seiner offenen Stellung gehalten, auch wenn dies nicht wörtlich in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2' ausgedrückt sei.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag und Hilfsantrag 1 der Beschwerdegegnerin - Neuheit gegenüber Dokument D8 (Artikel 54 (1) EPÜ 1973)
2.1 Nach Auffassung der Kammer zeigt D8 alle Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und des identischen Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1, insbesondere auch die im Verfahren strittigen Merkmale b1) und d3).
2.2 Merkmal b1) spezifiziert die Anordnung eines Rückschlagventils zwischen einem ersten Ausgangsanschluß und dem Zentralbereich und damit zwischen zwei physikalischen Orten bzw. Bereichen der beanspruchten Mehrkreisschutzventileinrichtung. Der Beschwerdegegnerin kann insoweit gefolgt werden, dass damit ein Einbauort für das Rückschlagventil definiert wird, denn eine solche "Anordnung" des Rückschlagventils und damit eines Bauteils ist im Sinne einer Platzierung dieses Bauteils in einer Leitungsverbindung zwischen zwei Punkten der mit den Merkmalen a) bis c) beanspruchten pneumatischen Schaltungsknoten (d. h. Eingangsanschluß, in Verbindung mit Druckluftzentralbereich, erster Ausgangsanschluß, zweiter Ausgangsanschluß) zu verstehen. Dabei können noch weitere Bauteile in dieser Leitungsverbindung angeordnet sein, da auch im Streitpatent (Figuren 1 bis 3) in der Verbindung zwischen Zentralbereich 12 und erstem Ausgangsanschluß 20 noch ein Überströmventil 18 in Reihe zum Rückschlagventil 17 geschaltet ist. Eine derartige Leitungsverbindung zwischen dem Zentralbereich und einem ersten Ausgangsanschluß zeigt D8 (Figur 1), da der Zentralbereich hinter dem Rückschlagventil 32 über eine Drossel 34 und die Rohrleitung 33 sowie die Rohrleitungen 46, 47 und die Rückschlagventile 48, 49 mit dem Ausgangsanschluß des Kreises I verbunden ist.
Der Beschwerdegegnerin argumentierte, dass die in D8 gezeigten Rückschlagventile 48, 49 ein Wechselventil bildeten und keine Strömungsverbindung zwischen den Leitungen 46 und 47 ermöglichten, so dass der mit Merkmal b1) beanspruchte Einbauort nicht gezeigt sei. Wie bereits ausgeführt, definiert Merkmal b1) einen Einbauort des Rückschlagventils, jedoch ist die Kammer der Auffassung, dass Merkmal b1) nicht gleichzeitig eine Strömungsverbindung voraussetzt, welche eine Strömung von Druckluft zwischen dem ersten Ausgangsanschluß und dem Zentralbereich ermöglicht. Auch bei den im Streitpatent gezeigten Ausführungsbeispielen mit einem Rückschlagventil zwischen Zentralbereich und einem Ausgangsanschluß (Figuren 1 bis 3: Rückschlagventil 17 in Reihe mit Überströmventil 18) kann Druckluft nicht beliebig zwischen dem Zentralbereich und dem ersten Ausgangsanschluß strömen, da zum einen aufgrund des Rückschlagventils nur eine Strömung von Druckluft in eine Richtung möglich ist (wobei Anspruch 1 noch keine Angabe über die Einbaurichtung des Rückschlagventils und damit die Strömungsrichtung macht) und zum anderen aufgrund des in Serie geschalteten federbelasteten Überströmventils eine Strömung von Druckluft erst bei einem definierten Öffnungsdruck einsetzt. Das Streitpatent liefert also keinen Hinweis darauf, dass Merkmal b1) über die Definition des Einbauortes des Rückschlagventils hinaus noch dahingehend eingeschränkt zu interpretieren ist, dass eine Strömung bzw. ein Austausch von Druckluft zwischen den beiden Enden der in Merkmal b1) definierten Leitungsverbindung erfolgen muss. Jedes der in Form eines Wechselventils gegeneinander geschalteten Rückschlagventile 48, 49 kann also dem Merkmal b1) neuheitsschädlich entgegengehalten werden.
Auch in Zusammenhang mit Merkmal b) betrachtet, welches eine Abgabe von Druckluft aus dem Zentralbereich über den ersten Ausgangsanschluß und damit eine Strömung von Druckluft fordert, bleibt offen, ob die Druckluft führende Leitungsverbindung gemäß Merkmal b) identisch ist mit der Leitungsverbindung über ein Rückschlagventil gemäß Merkmal b1) oder ob zwischen dem erstem Ausgangsanschluß und dem Zentralbereich möglicherweise eine parallele Leitungsverbindung vorliegen kann. Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1 ist in dieser Hinsicht nicht näher spezifiziert und daher entsprechend weit auszulegen, so dass die in D8 gezeigte parallele Leitungsverbindung mit Rückschlagventilen 48, 49 das Merkmal b1) offenbart.
2.3 In Bezug auf Merkmal d3) folgt die Kammer der Auffassung der Beschwerdeführerin, dass dieses Merkmal in D8 gezeigt ist. Da durch entsprechende Programmierung der Steuerelektronik in D8 (Spalte 7, Zeile 62 bis Spalte 8, Zeile 1) unterschiedliche Betriebsdrücke eingestellt werden können, wobei für den Luftfederkreis ein höherer Betriebsdruck vorgesehen wird (Spalte 7, Zeilen 20 ff.), zeigt D8 mindestens zwei unterschiedliche Betriebsdrücke und damit einen ersten und wenigstens einen zweiten Referenzdruck. Da weiterhin die Betriebsdrücke gemäß D8 in weiten Grenzen variiert werden können, sind die Betriebs- bzw. Referenzdrücke nicht fest in einem Programm der Steuerelektronik verankert, sondern werden über einen Speicher der Steuerelektronik zur Verfügung gestellt. Merkmal d3) geht also im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdegegnerin zumindest implizit aus D8 hervor.
2.4 Da die restlichen Merkmale von Anspruch 1 des Hauptantrags sowie des Hilfsantrags 1 unstrittig auch aus D8 bekannt sind, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber D8 (Artikel 54 (1) EPÜ 1973).
3. Hilfsantrag 2 der Beschwerdegegnerin
3.1 Zulassung in das Verfahren (Artikel 13 (1) VOBK)
Die Kammer lässt in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 (1) VOBK Hilfsantrag 2 in das Verfahren zu.
Auch wenn Hilfsantrag 2 erst einen Monat vor dem angesetzten Termin zur mündlichen Verhandlung eingereicht wurde, so kann die Kammer der Argumentation Beschwerdeführerin nicht folgen, dass das zusätzliche Merkmal ein neues technisches Gebiet betreffe und deshalb eine Nachrecherche erforderlich gewesen sei. Der Einspruch war auf den vollständigen Widerruf des Streitpatents gerichtet, wobei Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 eine Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 2 darstellt. Die Kammer war deshalb nicht überzeugt, dass die im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren recherchierten Beweismittel nicht ausreichen.
Durch die mit Schreiben vom 7. Februar 2013 eingereichten Hilfsanträge wurde der beanspruchte Gegenstand in eine Richtung und damit in konvergenter Weise eingeschränkt. Der in der mündlichen Verhandlung eingereichte - und im Übrigen wieder zurückgezogene -Hilfsantrag stellte einen Versuch der Beschwerdegegnerin dar, auf eine neue, erstmalig in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Argumentationslinie in Bezug auf mangelnde Neuheit des strittigen Merkmals b1) von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag zu reagieren und dieses Merkmal vom Stand der Technik abzugrenzen. Wie in der von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidung T 1685/07 angemerkt (Punkt 6.2 der Entscheidungsgründe), sind die Regelungen gemäß Artikel 12 und 13 VOBK, welche die Zulässigkeit von nachträglichen Änderungen am Vorbringen eines Beteiligten in das Ermessen der Kammer stellen, "Ausdruck des Beschleunigungsgrundsatzes und des Prinzips der Fairness gegenüber der anderen Partei". Nachdem die Beschwerdegegnerin bereit war, direkt in der mündlichen Verhandlung auf die neue Argumentation der Beschwerdeführerin zu reagieren, sollte nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall der Beschwerdegegnerin aus Gründen der Fairness die Gelegenheit gegeben werden, ihre bisherige konsistente Verteidigungsstrategie zu überdenken. Insbesondere nimmt die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 (1) VOBK den nicht zielführenden Versuch der Einreichung eines neuen Hilfsantrags - wie durch die Rücknahme des Hilfsantrags belegt - aufgrund der besonderen Situation des vorliegenden Falles nicht zum Anlass, den mit Schreiben vom 7. Februar 2013 eingereichen Hilfsantrag 2 nicht in das Verfahren zuzulassen, auch wenn keine Konvergenz zwischen den Anspruchsfassungen des Hilfsantrags 2 und des in der mündlichen Verhandlung eingereichten und wieder zurückgezogenen Hilfsantrags vorliegen mag.
3.2 Neuheit gegenüber Dokument D8 (Artikel 54 (1) EPÜ 1973)
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 definiert zusätzlich eine Druckbegrenzungseinrichtung zwischen einem zweiten Ausgangsanschluß und dem Zentralbereich, die von der Steuerung außer Kraft setzbar ist.
Der in Bezug auf den Hauptantrag in Bezug auf Merkmal b1) diskutierte erste Ausgangsanschluß wird in D8 durch den Ausgang des Kreises I gebildet, von dem aus die Leitung 47 über die Rückschlagventile 48, 49 und die Leitungen 46 und 33 sowie die Drossel 34 zum Zentralbereich führt. Der nicht näher definierte zweite Ausgangsanschluß kann in D8 also mit einem Ausgang der restlichen Kreise II bis V identifiziert werden. Die Kreise II, III und V (siehe Figur 1) sind über steuerbare Überströmventile 40.2, 40.3 und 40.5 mit dem Zentralbereich verbunden, wobei die Überströmventile über den Steueranschluss 41 mittels pneumatischer Ansteuerung durch Vorsteuerventile in eine Sperrstellung gebracht werden können (wie in Spalte 7, Zeilen 6 bis 11 bezüglich der Ventile 40.3 und 40.5 ausgeführt). Wie in D8 explizit beschrieben (siehe Spalte 7, Zeilen 20 bis 24), werden zum Füllen des Luftfederkreises V auf einen gegenüber den anderen Kreisen höheren Betriebsdruck die Überströmventile 40.1 bis 40.3 der Kreise I bis III in ihre die Druckluft absperrende Stellung geschaltet, d. h. der Betriebsdruck dieser Kreise wird nicht auf das erhöhte Druckniveau des Luftfederkreises V angehoben und damit begrenzt. Diese Überströmventile sind also mit einer Druckbegrenzungs funktion ausgestattet und damit als Druckbegrenzungs einrichtung aufzufassen, wobei insbesondere jedes der Überströmventile 40.2 oder 40.3 der Kreise II oder III einer Druckbegrenzungseinrichtung zwischen einem zweiten Ausgangsanschluß und dem Zentralbereich entspricht wie in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 definiert.
Die Argumentation der Beschwerdegegnerin, dass ein Druckbegrenzungsventil automatisch - ohne Steuerung über pneumatische Steuereingänge - für eine Begrenzung des Drucks sorge, führt nicht zu einem anderen Ergebnis, da die beanspruchte "Druckbegrenzungseinrichtung" allein durch die Funktion der Druckbegrenzung charakterisiert wird. Weitere Einschränkungen wie eine automatische Druckbegrenzung müssen damit nicht verbunden sein.
D8 beschreibt weiterhin (siehe Spalte 8, Zeilen 7 ff.), dass im Schiebebetrieb des Fahrzeugs ein Kreis auf ein gegenüber dem Betriebsdruck höheres Druckniveau gefüllt werden kann, d. h. die zuvor für den Normalbetrieb mit Betriebsdruck beschriebene Druckbegrenzung wird außer Kraft gesetzt. Nachdem D8 explizit ein Auffüllen der Verbraucherkreise I bis V im Schiebebetrieb anspricht und damit die Möglichkeit, jeden dieser Kreise potentiell auf ein gegenüber dem Betriebsdruck höheres Druckniveau zu füllen, sind die Überströmventile der in D8 gezeigten Kreise I bis V "außer Kraft setzbar" wie mit dem zusätzlichen Merkmal von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 gefordert, also auch das Überströmventil 40.2 oder 40.3, welches dem zweiten Ausgangsanschluß zuzuordnen ist, auch wenn die tatsächliche Auswahl des konkreten außer Kraft zu setzenden Überströmventils bei Schiebebetrieb in D8 offen gelassen ist.
D8 ist damit auch als neuheitsschädlich für den Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 anzusehen.
4. Hilfsantrag 2' der Beschwerdegegnerin - Neuheit gegenüber D8 (Artikel 54 (1) EPÜ 1973)
4.1 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2' wurde gegenüber dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 im Wesentlichen dadurch geändert, dass der Begriff "Druckbegrenzungseinrichtung" durch "Druckbegrenzungsventil" ersetzt wurde.
Wie bereits vorstehend in Bezug auf Hilfsantrag 2 ausgeführt, zeigt D8 als Druckbegrenzungseinrichtung ein Überströmventil zwischen einem zweiten Ausgangsanschluß und dem Zentralbereich, welches eine Druckbegrenzungs funktion aufweist und zudem über einen Steuereingang von der Steuerung außer Kraft setzbar ist. Diese Druckbegrenzungseinrichtung aus D8 ist also mittels eines Ventils realisiert und stellt nach Auffassung der Kammer ein Druckbegrenzungsventil gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2' dar.
4.2 Der Argumentation der Beschwerdegegnerin, dass ein Druckbegrenzungsventil den Druck automatisch in Abhängigkeit des Eingangs- oder Ausgangsdrucks begrenze, kann nicht gefolgt werden, da kein automatisch begrenzendes Druckbegrenzungsventil beansprucht ist, sondern ein von der Steuerung außer Kraft setzbares Druckbegrenzungsventil, welches demzufolge in irgendeiner Weise mit einem Steuereingang versehen sein muss. Dies trifft wie bereits ausgeführt für das Überströmventil 40.2 oder 40.3 aus D8 zu. Darüber hinaus war die Kammer nicht überzeugt, dass das beanspruchte Druckbegrenzungsventil weitere spezifischere Merkmale aufweist als das in D8 gezeigte Überströmventil mit Druckbegrenzungsfunktion.
Auch der von der Beschwerdegegnerin angesprochene Unterschied, dass im Streitpatent im Gegensatz zu D8 die Druckbegrenzung bei Ansprechen der Steuerung außer Kraft gesetzt werde und das Druckbegrenzungsventil aktiv in seiner offenen Stellung gehalten werde, findet im Anspruchswortlaut keine Entsprechung. Ob die Druckbegrenzung durch Anlegen eines Steuersignals oder bei Ausbleiben des Steuersignals am Überströmventil außer Kraft gesetzt wird, ist nicht beansprucht und kann deshalb keinen Unterschied zu der Lehre von D8 begründen. Im Übrigen wird im Streitpatent (Absatz [0052]) nur für eine alternative Ansteuerung des Überströmventils 26 aus Figur 3 gezeigt, dass das Überströmventil aktiv in seiner offenen Stellung gehalten wird; das entsprechende Überströmventil aus Figur 1 wird wie in D8 durch die Steuerung zum Schließen in Sperrrichtung betätigt.
Nach Auffassung der Kammer ist ein von der Steuerung "außer Kraft setzbares" Druckbegrenzungsventil wie mit Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2' beansprucht als Ventil aufzufassen, bei dem durch die Steuerung eine Druckbegrenzungsfunktion außer Kraft gesetzt werden kann, so dass keine Druckbegrenzung mehr stattfindet. Dies entspricht dem Offenhalten eines Überströmventils wie in D8 für den Schiebebetrieb gezeigt und bereits weiter oben für Anspruch 1 des Hilfsantrag 2 argumentiert.
4.3 Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2' ist also ebenfalls nicht neu (Artikel 54 (1) EPÜ 1973) gegenüber D8.
4.4 Vor diesem Hintergrund erübrigt es sich, auf weitere Fragen bezüglich der Zulassung des erst in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 2' sowie dessen Zulässigkeit einzugehen.
5. Hilfsantrag 3 der Beschwerdegegnerin - Neuheit gegenüber Dokument D8 (Artikel 54 (1) EPÜ 1973)
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist identisch zu Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 und erfüllt ebenfalls nicht die Erfordernisse von Artikel 54 (1) EPÜ 1973.
6. Da sämtliche Anträge der Beschwerdegegnerin wegen mangelnder Neuheit des Gegenstands des jeweiligen Anspruchs 1 nicht gewährbar sind, ist das Streitpatent zu widerrufen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.