European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2001:T098996.20010705 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 05 Juli 2001 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0989/96 | ||||||||
Anmeldenummer: | 91101826.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | D02G 1/16 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Herstellung eines lufttexturierten Fadens | ||||||||
Name des Anmelders: | BARMAG AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | H. Stähle GmbH GIUDICI DAVIDE & FIGLI SNC DEI FLLI GIUDICI |
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Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | "Beitritt des vermeintlichen Patentverletzers - Zulässigkeit - (bejaht)" "Neuheit (bejaht)" "Erfinderische Tätigkeit (bejaht)" | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Der gegen das europäische Patent Nr. 0 443 390 gerichtete Einspruch wurde mit der am 2. Oktober 1996 zur Post gegebenen Entscheidung von der Einspruchsabteilung zurückgewiesen.
Folgende Beweismittel aus dem Einspruchsverfahren sind für diese Entscheidung relevant:
D1: EP-B-0 373 519
D2: Versuchsprotokoll vom 15. April 1986, 4 Seiten und Lieferschein vom 24 Februar 1986 der Fa. Dienes Apparatebau GmbH
D3: Internationales Textil-Bulletin Garnherstellung, 3/83, Seiten 49-62, "Schlingenbildungsmechanismus beim Luft-Texturierprozess".
D7: DE-A-2 459 102
D10: EP-A-0 032 067
Die Einspruchsabteilung war der Meinung, die Gegenstände der Ansprüche 1 und 4 seien neu gegenüber D1 und D2 und auch erfinderisch gegenüber D2 als nächstliegendem Stand der Technik.
II. Am 28. November 1996 legte die Einsprechende unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr gegen diese Entscheidung Beschwerde ein, die sie am 1. Februar 1997 begründete.
III. Mit Telefax vom 22. September 1999 hat die Firma Giudici Davide & Figli SNC dei Flli Giudici (Beitretende) ihren Beitritt zum Verfahren erklärt, weil sie am 24. Juni 1999 durch die Inhaberin des französischen Teils des Streitpatents auf Verletzung verklagt worden sei. Der Beitritt wurde damit begründet, daß dem Gegenstand der Ansprüche 1 bis 4 des Streitpatents die Neuheit bzw. die erfinderische Tätigkeit fehle. Gleichzeitig entrichtete sie sowohl die Einspruchsgebühr als auch die Beschwerdegebühr, letztere mit der Begründung, sie beabsichtige eine unabhängige Beschwerdeführerstellung zu erlangen.
IV. In einer Mitteilung nach Artikel 12 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern hat die Kammer unter anderem bezüglich des Antrags der Beitretenden, durch Zahlung der Beschwerdegebühr eine selbständige Beschwerdeführerstellung zu erlangen, auf die unterschiedliche Rechtsprechung der Beschwerdekammer hingewiesen und die Meinung der Parteien dazu erbeten.
Nur die Beitretende hat sich geäußert; sie vertrat die Auffassung, im Falle eines Beitritts im Beschwerdeverfahren müsse es möglich sein, durch zusätzliche Zahlung der Beschwerdegebühr die selbständige Stellung eines Beschwerdeführers zu erlangen. Denn nur so könne die Möglichkeit, die die Beschwerdeführerin habe, durch Rücknahme ihrer Beschwerde die im Beschwerdeverfahren Beitretende auszusperren, ausgeschlossen werden.
V. In einer Mitteilung nach Artikel 11 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern hat die Kammer zur Vorbereitung der angesetzten mündlichen Verhandlung ihre vorläufige Meinung zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit kundgetan und dazu im Verfahren folgende relevante Beweismittel eingeführt, die in dem parallelen Beschwerdeverfahren T 886/96 mit den gleichen Parteien, zur Unterstützung der gleichen behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen ("Ernaelsteen", "Kemira", "ITMA '87") im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren eingereicht worden waren:
E1: Versuchsprotokoll Fa. Ernaelsteen vom 21. November 1986, 1 Seite
E2: Versuchsprotokoll Fa. Ernaelsteen vom 26. Februar 1987, 1 Seite
E3: Versuchsprotokoll Fa. Kemira vom 28. Oktober 1986, 1 Seite
E6: Bedienungsanleitung Eltex-AT Luft-Texturiermaschine 1973.
Die Kammer hat weiter darauf hingewiesen, daß das Dokument D1 nicht als Stand der Technik nach Artikel 54. (3) EPÜ gelten könne, weil es keine europäische Anmeldung, sondern ein europäisches Patent betreffe.
Im weiteren Verfahren wurde von der Kammer die entsprechende europäische Patentanmeldung:
D1a: EP-A-0 373 519
berücksichtigt.
Zum Nachweis fachüblichen Wissens wies die Kammer noch auf folgende Literaturstellen hin:
E9: Fachwörterbuch Textil, Deutscher Fachverlag, 5. Auflage, Seite 72
E10: Textile Terms and Definitions, The Textile Institute, 10. Auflage, 1995, Seiten 145, 146
E11: F. Fourné, Synthetische Fasern, C. Hanser Verlag 1995, Seite 757.
VI. Die Beschwerdeführerin und die Beitretende beantragten, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Die Beitretende beantragte ferner, ihr die selbständige Stellung eines Beschwerdeführers zu gewähren, damit sie das Beschwerdeverfahren fortsetzen könne, wenn die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde zurückziehe. Hilfsweise beantragte sie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr, falls sie eine solche nicht erlangen könne.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise ebenso wie die Beitretende die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.
VII. Mit Schreiben vom 13., 15. bzw. 20 Juni 2001 kündigten die Parteien an, daß sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen beabsichtigten.
Eine mündliche Verhandlung hat am 5. Juli 2001 ohne ihre Beteiligung stattgefunden.
VIII. Die für diese Entscheidung geltenden Ansprüche 1 bis 4 lauten (Druckfehler sind korrigiert):
"1. Verfahren zur Herstellung eines lufttexturierten Fadens, bei dem ein Faden von der Lieferspule (1) abgezogen und im Anschluß daran in eine Lufttexturierzone gefördert, darin durch eine Lufttexturierdüse (7) geführt und mittels dieser Lufttexturierdüse (7) gefördert sowie ohne thermoplastische Erweichung zu Schlingen, Schlaufen, Bögen und dergleichen verblasen, durch ein Lieferwerk (10) aus der Lufttexturierzone abgezogen und nach einer geeigneten Zwischenbehandlung aufgewickelt wird,
mit folgenden kennzeichnenden Verfahrensschritten: eine Lieferspule (1) mit vollständig verstrecktem Faden wird vorgelegt;
der Faden wird durch eine beheizte Galette (5) von der Lieferspule (1) abgezogen und in die Lufttexturierzone gefördert, wobei der Faden die Galette (5) mehrfach umschlingt;
die Galette (5) wird auf eine Temperatur erhitzt, die zur Auslösung der Schrumpfung für die Herabsetzung des Restschrumpfes geeignet ist und über dem Umwandlungspunkt zweiter Ordnung, vorzugsweise über 80. C liegt;
von der Galette (5) wird der Faden mittels der Lufttexturierdüse (7) unter einer Spannung kleiner als 0,1 cN/dtex abgezogen wobei sich die Fadenspannung durch die Auslösung des Schrumpfes nicht erhöht, und in der Lufttexturierdüse unter den Umwandlungspunkt zweiter Ordnung, vorzugsweise auf weniger als 40 C abgekühlt;
hinter der Lufttexturierdüse (7) wird der Faden aus der Achse des Fadenkanals (8) der Düse (7) umgelenkt und aus dem Bereich der Lufttexturierdüse (7) mit geringer Fadenspannung von weniger als 0,08 cN/dtex durch ein der Lufttexturierdüse folgendes Lieferwerk (10) abgezogen, wobei die Differenz zwischen der Geschwindigkeit mit der der Faden in die Lufttexturierdüse gefördert wird und der Geschwindigkeit, mit der der Faden aus der Lufttexturierdüse (7) abgezogen wird, größer ist als der Betrag der ausgelösten Schrumpfung.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Faden aus dem Bereich der Lufttexturierdüse (7) mit einer Fadenspannung von weniger als 0,05 cN/dtex abgezogen wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß der Vorlauf (overfeed), mit welchem der Faden mittels der Galette (5) in die Texturierzone eingespeist wird, mindestens 1 % größer, vorzugsweise für technische Zwecke anwendbare Fäden 1 bis 10 %, für textile Zwecke anwendbare Fäden 10 bis 300 % größer als die in der Texturierzone durch Einstellung der Zugkraft der Düse und der Temperatur der Galette gewünschte Schrumpfung ist.
4. Lufttexturiermaschine mit einer Lieferspule (1), einer beheizten Galette (5) und einer Texturierzone mit einer Lufttexturierdüse sowie ein der Lufttexturierdüse (7) folgendes Lieferwerk (10) zur Ausführung des Verfahrens nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, daß
zwischen Lieferspule (1) und Texturierzone eine einzige beheizte, vom Faden umschlungene Galette (5) angeordnet ist, durch welche der Faden von der Lieferspule (1) abgezogen und in die Texturierzone eingespeist wird."
IX. Die Beschwerdeführerin hat zur Stützung ihres Antrags im wesentlichen wie folgt argumentiert:
Gemäß der angegriffenen Entscheidung sei die Neuheit des Gegenstandes des vorliegenden Anspruchs 1 gegenüber der D1 darin zu sehen, daß eine Lieferspule mit vollständig verstrecktem Faden vorgelegt und der Faden anschließend durch eine beheizte Galette von der Lieferspule abgezogen werde.
Die Offenbarung einer Verstreckung eines nicht vollständig vorverstreckten Fadens vor der Texturierdüse in D1 stehe jedoch der Offenbarung der Verwendung eines vollständig vorverstreckten Fadens vor der Texturierdüse gleich.
Weiter sei es nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern (siehe z. B. T 153/85) erlaubt, bei der Auslegung einer Druckschrift andere Veröffentlichungen zu berücksichtigen, auf die ausdrücklich in dieser Druckschrift hingewiesen werde. In D1 betreffe dies D7 und D10, wobei erstere die Verwendung vollverstreckten Garns als Ausgangsgarn vor der Texturierung betreffe. Auch damit werde durch D1 das Vorliegen eines vollverstreckten Garns und das Weglassen einer Verstreckungsphase vollständig offenbart. Aus Anspruch 2 der D1 folge dann das Ergebnis, daß das vollverstreckte Garn direkt durch die beheizte Galette 5 von der Lieferspule abgezogen werde. Unter Berücksichtigung der in der D7 und D10 enthaltenen Information nehme die D1 somit die Neuheit des beanspruchten Verfahrens vorweg.
Die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 sei auch mit D2 und den nach D2 funktionierenden offenkundigen Vorbenutzungen "Ernaelsteen", "Kemira" und "ITMA '87" angreifbar, die alle Merkmale dieses Anspruchs neuheitsschädlich vorwegnähmen. Die Spannungswerte, die aus der D2 nicht ersichtlich seien, würden sich automatisch beim Betreiben des Verfahrens nach D2 einstellen.
Die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 4 werde in der angefochtenen Entscheidung damit begründet, daß der Faden in der Vorrichtung nach D1 durch eine nicht beheizte Galette von der Lieferspule abgezogen und erst im Ausgang der Streckzone oder im Eingang der Texturierzone erhitzt werde. Dabei übersehe die Einspruchsabteilung Anspruch 1 der D1, der eine Lufttexturiermaschine betreffe, in der die kalte Galette, die den Faden von der Lieferspule abziehe, überhaupt nicht erwähnt werde. Dadurch und mit dem Verweis in D1 auf die oben bereits erwähnten Offenbarungen D7 und D10 seien sämtliche Merkmale dieses Anspruchs neuheitsschädlich getroffen.
Die erfinderische Tätigkeit der jeweiligen Gegenstände der Ansprüche 1 und 4 sei durch die kombinierten Lehren von D10 und D2 vorweggenommen.
Zur Frage der ausreichenden Offenbarung vertrat sie die Auffassung, daß, wenn ein Fachmann in der Lage sei (wie von der Einspruchsabteilung ausgeführt), den Gegenstand des Anspruchs 1 zu verstehen, er auch in der Lage sei, aus D1 zu entnehmen, daß beim Vorliegen eines vorverstreckten Garns eine Verstreckungsphase auszuschließen sei. Wenn letzteres nicht der Fall sei, könne wiederum der Fachmann die Erfindung nicht verstehen.
X. Die Beitretende ist die Ausführungen der Beschwerdeführerin bezüglich fehlender Neuheit des Verfahrens nach Anspruch 1 in Bezug auf die D2 und fehlender erfinderischer Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 4 in Bezug auf die Kombination der Merkmale der D2 und D10 beigetreten. Wenn die Kammer nicht die Meinung teile, die im Anspruch 1 genannten Verfahrenswerte seien normale praktische Werte, die sich bei den Versuchen nach D2 einstellten, weise der Gegenstand dieses Anspruchs keine erfinderische Tätigkeit auf, weil der Fachmann aus D3 ausreichend Hinweise erhalte, das aus D2 bekannte Verfahren nach der Praxis der D3 zu optimieren.
XI. Die Beschwerdegegnerin war der Meinung, die Gegenstände der Ansprüche 1 und 4 unterschieden sich von der D1 durch die beanspruchten Verfahrenswerten sowie durch folgende weitere Merkmale: der Faden werde durch eine beheizte Galette von der Lieferspule abgezogen, wobei der Faden die Galette (mehrfach) umschlinge. Auch dadurch sei die Neuheit dieser Gegenstände gegenüber D1 gegeben.
Abgesehen davon, daß es an Beweisen fehle, daß die D2 an die Öffentlichkeit gelangt sei oder ein Verfahren nach der D2 durch Vorbenutzung auf eine Eltex-AT Maschine der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei, fehle es neben den Verfahrenswerten auch am Merkmal der beheizten Abzugsgalette und ihrer (mehrfachen) Umschlingung. Die Kombination mit der Lehre der D10 führe nicht weiter, weil letztere auf eine Zufuhr zur Texturierzone mittels einer kalten Galette hinwirke.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerdeführerin hat frist- und formgerecht Beschwerde eingelegt und diese fristgerecht begründet. Damit ist die Beschwerde zulässig.
2. Beitritt des vermeintlichen Patentverletzers
2.1. Artikel 105 EPÜ erlaubt es einem Dritten, einem Einspruchsverfahren nach Ablauf der Einspruchsfrist beizutreten, wenn er nachweist, daß gegen ihn Klage wegen Verletzung des mit dem Einspruch angegriffenen Patents erhoben worden ist. Der Beitritt ist innerhalb einer Frist von 3 Monaten ab Klageerhebung schriftlich zu erklären sowie zu begründen; er wird erst wirksam mit Entrichtung der Einspruchsgebühr.
2.2. Der Wirksamkeit eines Beitritts steht nicht etwa entgegen, daß er, wie im vorliegenden Fall, nicht im Einspruchsverfahren vor der Einspruchsabteilung, sondern erst im Einspruchsbeschwerdeverfahren erklärt worden ist. Zwar läßt der Wortlaut des Artikels 105 (1) EPÜ, der lediglich von "einem Beitritt zum Einspruchsverfahren" spricht, durchaus Zweifel offen, ob der Beitritt ausschließlich im Verfahren vor der Einspruchsabteilung statthaft ist oder ob dies auch noch im Verfahren vor den Beschwerdekammern möglich sein soll. Die Große Beschwerdekammer hat jedoch derartige Zweifel in ihrer Entscheidung G 1/94 (ABl. EPA 1994, 787) unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift ausgeräumt und den Beitritt auch noch im Beschwerdeverfahren für zulässig erachtet.
2.3. In der obengenannten Entscheidung der Großen Beschwerdekammer (siehe Gründe Punkt 11) wurde offen gelassen, ob in einem solchen Fall die Einspruchsgebühr, die Beschwerdegebühr oder beide entrichtet werden müssen.
Da das EPÜ keine über die in Artikel 105 (1) und (2) hinausgehende Anforderungen für den Beitritt enthält, können nach Auffassung der Kammer auch dann, wenn er erst im Beschwerdeverfahren erklärt wird, keine zusätzlichen formalen Anforderungen, wie die Zahlung einer weiteren Gebühr, an seine Zulässigkeit gestellt werden (mittlerweile ständige Rechtsprechung:
siehe T 27/92 vom 25. Juli 1994, T 467/93, T 471/93, T 684/92, T 590/94 und T 144/95, alle nicht im ABl. veröffentlicht).
2.4. Da die formalen Anforderungen gemäß Artikel 105 (1) und (2) EPÜ einschließlich die Zahlung der Einspruchsgebühr erfüllt sind, ist der Beitritt des vermeintlichen Patentverletzers zulässig.
2.5. Die Beitretende hat im vorliegenden Fall beantragt, die Stellung eines selbständigen Beschwerdeführers zu erlangen, um die Beschwerde selbständig fortsetzen zu können, falls die Einsprechende/Beschwerdeführerin ihre Beschwerde zurückziehe. Sie hat hierzu vorsorglich, zusätzlich zur Einspruchsgebühr, die Beschwerdegebühr bezahlt.
Nachdem dieser Fall nicht eingetreten ist, braucht über diese Frage nicht entschieden zu werden.
3. Ausreichende Offenbarung (Artikel 83 EPÜ)
Dieser Einspruchsgrund betrifft das Patent als Ganzes. Daher kann aus angeblichen Unklarheiten im Anspruch nicht direkt auf einen Offenbarungsmangel geschlossen werden. Im übrigen ist aus den E9 bis E11 entnehmbar, daß die beanstandeten Begriffe "vollständig verstreckter Faden" und "Umwandlungspunkt 2. Ordnung" dem Fachmann auf diesem Fachgebiet geläufig sind. Der Einwand mangelnder Offenbarung vermag somit die angegriffene Entscheidung nicht in Frage stellen.
4. Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 (Artikel 54 (3) EPÜ)
4.1. Als Stand der Technik gilt auch der Inhalt europäischer Patentanmeldungen, deren Anmeldetag vor dem Anmeldetag des Streitpatents liegt und die erst an oder nach diesem Tag veröffentlicht worden sind (Artikel 54 (3) EPÜ). Unter Berücksichtigung der gültigen Prioritäten sowohl des angefochtenen Patents als auch der D1a ist die D1a als Stand der Technik zu beachten.
4.2. Die Beschwerdeführerin vertrat die Meinung, daß ein Fachmann die in D1a enthaltene Lehre, ein nicht vollständig vorverstreckter Faden vor der Texturierdüse zuerst zu verstrecken, gleichstellen werde mit einer Lehre, nach der eine Lieferspule mit vollständig verstrecktem Faden vorgelegt werde. Folglich sei das Verfahren nach der erteilten Fassung des Anspruchs 1 aus der D1a vorbekannt.
4.3. Bei der Bestimmung der Offenbarung einer Druckschrift kommt es jedoch darauf an, was der Fachmann unmittelbar und eindeutig dieser Druckschrift entnimmt.
Nach Auffassung der Kammer betrifft die Interpretation der D1a durch die Beschwerdeführerin eine Abwandlung, die der D1a nicht entnommen werden kann. Denn nirgends ist davon die Rede, die Streckzone wegzulassen oder der Texturierdüse einen vollständig verstreckten Faden zuzuführen. Die von der Beschwerdeführerin vertretene Interpretation der Lehre der D1a ist nach Meinung der Kammer nicht der Prüfung der Neuheit, sondern der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit zuzurechnen. D1a kann nach Artikel 56 Satz 2 EPÜ jedoch nur für die Prüfung der Neuheit in Betracht kommen.
Die Kammer ist deshalb der Meinung, daß D1a das Merkmal der Vorlage eines vollständig verstreckten Fadens nicht enthält.
4.4. Es kann der Beschwerdeführerin zugestimmt werden, daß der Inhalt eines Patentdokuments auch den Inhalt anderer Offenbarungen, auf die ein Hinweis im Patentdokument enthalten ist, umfassen kann. Dabei ist jedoch zu prüfen, ob die Offenbarung, auf die hingewiesen wird, nur zur Besprechung des bereits bekannten Standes der Technik gehört oder tatsächlich für (Teile der) Offenbarung der im Dokument enthaltenen Erfindung an deren Stelle tritt. Im letzteren Fall muß nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern der Hinweis auch ausdrücklich erfolgen (siehe z. B. T 153/85, ABl. EPA 1988, 1).
4.4.1. Von den beiden durch die Beschwerdeführerin zur Interpretation der D1 herangezogenen Druckschriften D7 und D10 (siehe Punkt IX dieser Entscheidung) ist in der D1a nur die D7 genannt. Dieser Verweis dient jedoch nicht der Erläuterung der in D1a enthaltenen Erfindung, sondern zur Besprechung der am Anmeldetag der D1a bereits bekannten Verfahren zur Herabsetzung des Schrumpfes. Es fehlt in D1a außerdem an jedem ausdrücklichen Hinweis darauf, daß das Ausgangsmaterial des in D1a als Erfindung vorgestellten Verfahrens das gleiche wie das in der D7 verwendete sein soll.
4.4.2. Die anderen in D1a genannten Druckschriften sind ebenfalls nur als Besprechung der bereits bekannten Verfahren zu werten; ein ausdrücklicher Hinweis, welche Informationen aus diesen Druckschriften zur Erläuterung der in D1a offenbarten Erfindung zu benutzen sind, fehlt.
4.4.3. Die in D1a genannten Druckschriften können somit nicht zur Offenbarung der in diesem Dokument enthaltenen Erfindung herangezogen werden. Gegenüber der D1a ist somit der Gegenstand des Anspruchs 1 neu.
5. Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 (Artikel 54 (2) EPÜ)
5.1. Die Beschwerdeführerin und die Beitretende haben ferner ausgeführt, daß D2 die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 in Frage stelle.
Nach Meinung der Kammer ist D2 als interner Versuchsbericht der Firma Hirschburger zu betrachten. Ein solcher Bericht ist erfahrungsgemäß nicht öffentlich zugänglich. Es ist weder Beweis angeboten noch geliefert, der belegt, daß dieser Bericht als solcher zur Öffentlichkeit gelangt ist oder daß die dort dargelegten Versuche der Öffentlichkeit zugänglich waren.
5.2. Unabhängig davon, ob diese Versuche oder dieser Bericht an die Öffentlichkeit gelangt ist oder sein Inhalt mit Personen, die der Öffentlichkeit zuzurechnen sind, besprochen wurde, kann festgestellt werden, daß durch D2 zumindest folgende Merkmale des Anspruchs 1 nicht offenbart sind:
a) nach dem Abzug durch die obere Lieferrolle findet eine Zwischenbehandlung statt, bevor der Faden aufgewickelt wird;
b) eine Lieferspule mit vollständig verstrecktem Faden wird vorgelegt;
Nach der D2 wird nämlich vororientierter Faden verwendet (POY=partially oriented yarn); das ist jedoch nicht gleichzustellen mit vollständig verstrecktem Faden (FOY=fully oriented yarn), weil andernfalls die Verstreckung über den Hotpin zwischen der kalten Lieferrolle und der Heizgalette nicht nötig wäre.
c) der Faden wird durch eine beheizte Galette von der Lieferspule abgezogen, wobei der Faden die Galette mehrfach umschlingt;
Nach der D2 wird der Faden durch eine kalte Lieferrolle von der Lieferspule abgezogen.
d) der Faden wird mittels der Lufttexturierdüse unter einer Spannung kleiner als 0,1 cN/dtex abgezogen, wobei sich die Fadenspannung durch die Auslösung des Schrumpfes nicht erhöht,
e) der Faden wird aus dem Bereich der Lufttexturierdüse mit geringer Fadenspannung von weniger als 0,08 cN/dtex abgezogen,
Es sind keine konkreten Angaben gemacht worden, welche Fadenspannungen vor oder nach der Düse in den Versuchen nach D2 tatsächlich erreicht wurden.
f) die Differenz zwischen der Geschwindigkeit, mit der der Faden in die Lufttexturierdüse gefördert wird, und der Geschwindigkeit, mit der der Faden aus der Lufttexturierdüse abgezogen wird, ist größer als der Betrag der ausgelösten Schrumpfung.
Gegenüber der D2 ist somit der Gegenstand des Anspruchs 1 ohne Zweifel neu.
5.3. Die Beschwerdeführerin hatte im Einspruchsverfahren weiter vorgetragen, daß Texturiermaschinen, die nach dem Versuchsprotokoll D2 verfuhren, an zwei Firmen ("Kemira" und "Ernaelsteen") geliefert worden seien. Auch sei das Verfahren nach D2 auf der ITMA 1987 auf einer Eltex-AT Maschine durchgeführt und somit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden.
5.3.1. Nach dem Versuchsbericht E3 wurde bei "Kemira" ein Wasserbad und nach den Versuchsberichten E1 und E2 bei "Ernaelsteen" eine Wasserdüse vor der Texturierdüse verwendet. Die Benutzung einer Wasserdüse bzw. eines Wasserbades bringt nach Auffassung der Kammer mit sich, daß der Faden bereits vor der Texturierdüse abgekühlt wird. Das in Anspruch 1 enthaltene Merkmal
g) der Faden wird in der Lufttexturierdüse unter den Umwandlungspunkt 2. Ordnung, vorzugsweise auf weniger als 40 C abgekühlt
ist somit von den behaupteten Vorbenutzungen "Kemira" und "Ernaelsteen" nicht nachgewiesen. Wo diese Vorbenutzungen nach den Angaben der Beschwerdeführerin auf ein Verfahren nach der D2 beruhen, weisen sie ebenfalls nicht die unter Punkt 5.2 genannten Merkmale a) bis f) auf.
5.3.2. In Bezug auf die Behauptung, eine Eltex-AT Maschine sei mit dem Verfahren nach D2 auf der ITMA 1987 betrieben worden, ist folgendes festzustellen:
Nach der Betriebsanleitung kann die Eltex-AT Maschine (E6) mit oder ohne Benetzung betrieben werden (E6, Seite 2). Wo der Versuchsbericht D2, in Gegensatz zu den oben genannten Versuchsberichten E1-E3, keine Benetzung erwähnt, braucht daher das unter Punkt 5.3.1 für das Merkmal g) Gesagte nicht für die ITMA '87-Maschine zu gelten. Damit sind lediglich noch die Merkmale a) bis f) zu erörtern:
In der Einspruchsschrift hatte die Beschwerdeführerin zu dieser Vorbenutzung zusätzlich erwähnt, daß die betreffende Maschine mit Fadenspannungen (Merkmale d) und e)) betrieben werde, wie sie aus der D3 bekannt seien, und daß der Überlieferungswert größer als der Schrumpfwert des Fadens gewesen sei (Merkmal f)).
Die D3 bezieht sich jedoch nur auf Fadenspannungen nach der Düse, nicht auf die zwischen einer geheizten Abzugsgalette und der Düse auftretende Fadenspannungen. D3 offenbart somit nicht das Merkmal d).
Wo auch diese Vorbenutzung nach den Angaben der Beschwerdeführerin auf einem Verfahren nach der D2 beruht, unterscheidet sich somit der Gegenstand des Anspruchs 1 von ihr bereits durch die Merkmale a) bis d).
5.4. Diese auf D2 basierenden Vorbenutzungen, können somit, unabhängig von der Frage, ob sie wie behauptet stattgefunden haben, die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 ebenfalls nicht in Frage stellen.
5.5. Auch die anderen Beweismittel, die übrigens nicht zur Beanstandung mangelnder Neuheit herangezogen wurden, weisen jeweils nicht alle Merkmale des Anspruchs 1 auf; dessen Gegenstand ist somit neu.
6. Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 4 (Artikel 54 (3) EPÜ)
6.1. Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, daß D1a auch die Neuheit des Gegenstandes des unabhängigen Anspruchs 4 in Frage stelle. Dabei seien speziell die Ansprüche dieses Dokuments zu berücksichtigen, die nicht darauf beschränkt seien, daß der Faden durch eine kalte Galette von der Lieferspule, die das Eingangslieferwerk der Streckzone bilde, abgezogen werde.
6.2. Es kann zugestimmt werden, daß die im Ausführungsbeispiel enthaltene kalte Galette zum Abziehen des Fadens von der Lieferspule weder in Anspruch 1 noch in Anspruch 2 der D1a erwähnt ist.
Wo Anspruch 4 des Streitpatents sich darauf beschränkt, den Faden direkt durch eine Heizgalette von der Lieferspule abzuziehen, gilt Anspruch 2 der D1a, der von deren Anspruch 1 abhängig ist, für die Beurteilung der Neuheit als nächstliegender Stand der Technik, weil darin auch von einer beheizten Galette die Rede ist.
Nach Anspruch 1 der D1a wird eine Verstreckung des Fadens vorgenommen. Im Anspruch 2 ist erwähnt, daß der Faden durch die Heizgalette aus der "Streckzone" abgezogen und verstreckt wird. Der Fachmann, der die Ausbildung der Texturiermaschine, die das Verfahren nach Anspruch 2 der D1a ausführen soll, verstehen will, rechnet daher mit einem Streckwerk.
Ein fachübliches Streckwerk hat nach Auffassung der Kammer mindestens ein Eingangslieferwerk und eine Streckgalette. Die Einstellung des Verhältnisses zwischen Eingangs- und Ausgangsgeschwindigkeit des Fadens in einem Streckwerk ist wesentlich für das Erreichen der gewünschten Verstreckung.
Es macht technisch keinen Sinn, der beheizten Streckgalette die Funktion eines Eingangslieferwerks, das den Faden von der Lieferspule abzieht, zu übertragen und dabei gleichzeitig zu erwarten, daß eine kontrollierte Verstreckung stattfindet. Denn die Streckparameter können in einem solchen Fall nicht richtig eingestellt werden.
Die Ausführungsform mit einem Eingangslieferwerk ist auch die einzige, die in der Beschreibung der D1a erläutert ist; es gibt dabei keine Widersprüche.
6.3. Die Ansprüche 1 und 2 der D1a in ihrer Zusammenschau offenbaren damit für den Fachmann ein Texturierverfahren mit einem vorangehenden Streckverfahren, wobei der Faden von der Lieferspule zur Texturierdüse mindestens über ein Eingangslieferwerk und eine Streckgalette läuft. In der Texturiermaschine nach Anspruch 4 des Streitpatents ist zwischen der Heizgalette und der Lieferspule keine andere Galette vorgesehen. Sie unterscheidet sich damit grundsätzlich von dem Verfahren nach D1a und weist somit ebenfalls die erforderliche Neuheit auf.
7. Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 4 (Artikel 54 (2) EPÜ)
7.1. Auch die behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen auf der Basis der D2 können die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 4 nicht in Frage stellen, weil sie keine Lufttexturiermaschine betreffen, die wie beansprucht zur Ausführung des Verfahrens nach Anspruch 1 geeignet ist. Denn sie ist weder mit einer Lieferspule mit vollständig verstrecktem Faden versehen, noch ist in ihr eine einzige beheizte vom Faden umschlungene Galette zwischen Lieferspule und Texturierzone angeordnet, welche den Faden abzieht und in die Texturierzone einspeist.
7.2. Auch die anderen vorhandenen Beweismittel, die übrigens nicht zur Beanstandung mangelnder Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 4 herangezogen wurden, weisen jedes für sich nicht alle Merkmale dieses Anspruchs auf; sein Gegenstand ist somit neu.
8. Erfinderische Tätigkeit des Verfahrens bzw. der Vorrichtung nach Anspruch 1 bzw. Anspruch 4 (Artikel 56 EPÜ)
8.1. Nächstliegender Stand der Technik ist nach Meinung der Kammer das angeblich in einer Eltex-AT Machine auf der ITMA 1987 ausgeführte Verfahren nach der D2 (weiter Vorbenutzung ITMA '87 genannt). Auch die Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren, die Einspruchsabteilung in ihrer angefochtenen Entscheidung und die Beitretende sind davon ausgegangen.
Im Beschwerdeverfahren hat die Beschwerdeführerin D10 als nächstliegenden Stand der Technik angeführt, weil diese Veröffentlichung die gleiche Aufgabe betreffe, wie das Patent, nämlich Restschrumpfwerte gering zu halten. Dies werde mit einer der Heizgalette des Streitpatents äquivalenten Lösung erreicht, nämlich mit einem Heizungsvorgang direkt vor der Texturierdüse mittels einer Heizplatte.
Die Kammer teilt diese Meinung nicht. Denn im Verfahren nach der D10 ist nach der angeblich mit der beheizten Galette des Streitpatents äquivalenten Heizplatte noch eine Galette und eine Anlage zur Benetzung mit Wasser auf Zimmertemperatur angeordnet. Der Faden wird somit nicht wie beansprucht (Merkmal g)) in der Lufttexturierdüse, sondern bereits davor unter dem Umwandlungspunkt zweiter Ordnung abgekühlt. Weiter ist eine Heizplatte keine mehrfach umschlungene Heizgalette, wie sie D2 und die Eltex-AT Maschine wohl nachweisen. Die Wärmeübertragungsverhältnisse sind somit nicht vergleichbar.
8.2. Die Diskussion, ob die geltend gemachte Vorbenutzung ITMA '87 tatsächlich wie behauptet stattgefunden hat, kann dahingestellt bleiben.
Das Verfahren nach Anspruch 1 unterscheidet sich nämlich von dieser Vorbenutzung bereits dadurch, daß ein vollständig vorverstreckter Faden verwendet wird, der durch eine beheizte vom Faden mehrfach umschlungene Galette von seiner Lieferspule abgezogen und im Anschluß daran in die Lufttexturierzone gefördert wird (Merkmale b) und c), siehe Punkt 5.2). Der Faden wird mittels der Lufttexturierdüse unter einer Spannung kleiner als 0,1 cN/dtex abgezogen, wobei sich die Fadenspannung durch die Auslösung des Schrumpfes nicht erhöht (Merkmal d)). Der Faden wird aus dem Bereich der Lufttexturierdüse mit geringer Fadenspannung von weniger als 0,08 cN/dtex abgezogen (Merkmal e)).
Diese Merkmale lösen die Aufgabe, auch bei der Texturierung vollständig verstreckter Faden einen geringen Restschrumpf des texturierten Fadens zu erreichen (siehe Streitpatent, Seite 2, Zeilen 13-15).
8.3. Die Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren und die Beitretende argumentierten, der Fachmann werde das Texturierverfahren nach der D2 in der ITMA '87 Texturiermaschine schonender ausführen wollen und dabei nach D3, Seite 58, Abbildung 9 vorgehen; damit seien auch die Spannungswerte nach den Merkmalen d) und e) erreicht.
Abgesehen davon, daß aus der D3 höchstens Spannungswerte im Faden nach der Düse herleitbar sind, stellt die Kammer fest, daß das nach der D3 bevorzugte Verfahren beinhaltet, den Faden auch noch zu benetzen, um eine gute Schlingenbildung und stabile Texturierung zu erreichen (siehe Seite 58, mittlere Spalte). Die vollständige Lehre der D3 führt somit den Fachmann weg vom Verfahren nach Anspruch 1, weil die Abkühlung unter den Umwandlungspunkt 2. Ordnung dann nicht mehr in der Texturierdüse stattfindet, sondern davor (vgl. Merkmal g)).
8.4. Die Beschwerdeführerin führte weiter aus, daß ein Fachmann einsehen werde, daß er auch bereits vollständig verstreckten Faden texturieren könne und somit eine Lieferspule mit solchem Faden vorzulegen sei. Dabei werde er wohl das aus D2 und der ITMA '87 Maschine bekannte Streckwerk weglassen, jedoch nicht die als unteres Lieferwerk funktionierende Heizgalette, die den Faden direkt von der Lieferspule abziehen solle. Das Beibehalten dieser Heizgalette sei durch die D10 angezeigt.
Es ist ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern, daß die Offenbarung eines zum Stand der Technik gehörenden Dokuments als Ganzes betrachtet werden muß, wie dies ein Fachmann tut. Es ist nicht zulässig, Teile eines solchen Dokuments willkürlich aus ihrem Zusammenhang herauszulösen (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 3. Auflage 1998, I.D.6.3).
Die Kammer ist somit der Auffassung, daß nicht ein einzelnes Detail, sondern die Gesamtlehre der D10 betrachtet werden muß, um zu beurteilen, ob der Fachmann ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 kommen würde.
Nach der D10 wird hinter der Heizplatte zuerst keine Schrumpfung zugelassen (die Galette 17 dreht mit gleicher Geschwindigkeit wie die Rolle 21) und eine Kühlung des Fadens in einem Wasserbad auf Raumtemperatur vorgenommen (siehe Seite 4, letzten Absatz). Die Gesamtlehre der D10 weist somit auf eine Anordnung mit Heizplatte und nachfolgender Rolle und Kühlung unter dem Umwandlungspunkt 2. Ordnung im Wasserbad, d. h. vor der Texturierdüse, hin. Sie führt somit ebenfalls weg von dem Verfahren nach Anspruch 1 des Streitpatents, weil das Merkmal g) dadurch fehlen wird.
8.5. Zusammenfassend kommt die Kammer zum Ergebnis, daß die Kombination der Lehren der Vorbenutzung "ITMA '87", sei es mit der D3, sei es mit der D10, sei es mit beiden Druckschriften, weder auf der Hand liegt noch, daß sie zur gesamten Kombination der Merkmale gemäß dem Gegenstand des Anspruchs 1 führen kann.
Nach diesem Sachverhalt braucht die Frage, ob es auf der Hand liege, das ITMA '87 Verfahren mit einem bereits vollständig verstreckten Faden auszuführen und dieser Faden dabei durch eine beheizte statt eine kalte Galette von seiner Lieferrolle abzuziehen (Merkmale b) und c)), keine weitere Betrachtung.
Das weiter unterscheidende Merkmal der Zwischenbehandlung nach dem Abzug durch die obere Lieferrolle (Merkmal a)) braucht für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ebenfalls nicht weiter besprochen zu werden.
Da es sonst weder in D2 noch in den anderen im Verfahren in Betracht zu ziehenden Druckschriften und Beweismitteln Hinweise auf die beanspruchte Lösung gibt, ist darauf zu schließen, daß eine erfinderische Tätigkeit vorliegt. Die Erfordernisse der Artikel 52 (1) und 56 EPÜ sind somit erfüllt.
8.5. Dies gilt auch für den Gegenstand des Anspruchs 4, denn die beanspruchte Texturiermaschine muß zur Ausführung des Verfahrens nach Anspruch 1 geeignet sein, d. h. sie muß den Faden in der Texturierdüse unter dem Umwandlungspunkt 2. Ordnung abkühlen können und eine beheizte Galette, die den Faden von der Lieferspule abzieht, nachweisen.
8.6. Die abhängigen Ansprüche 2 und 3 betreffen bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 1. Sie können somit ebenfalls aufrechterhalten bleiben.
9. Zurückzahlung der Beschwerdegebühr
Eine Gebühr kann nur dann zurückgezahlt werden, wenn darauf ein Rechtsanspruch besteht, sei es weil die entrichtete Gebühr niemals fällig war, weil die Dienstleistung, für die sie bezahlt wurde, wegen eines rechtlichen Hindernisses nicht erbracht werden konnte oder weil die Rückzahlung ausdrücklich vorgesehen ist (siehe J 14/85, ABl. EPA 1987, 47, Punkt 6 der Gründe).
Die Beschwerdegebühr war nach den obigen Ausführungen (siehe Punkte 2.3 und 2.5) niemals fällig und ist somit zurückzuerstatten.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr an die Beitretende wird angeordnet.