T 0471/93 () of 5.12.1995

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1995:T047193.19951205
Datum der Entscheidung: 05 Dezember 1995
Aktenzeichen: T 0471/93
Anmeldenummer: 87905161.3
IPC-Klasse: B02C 18/40
B02C 18/14
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zum Zerkleinern von Abfall
Name des Anmelders: Unterwurzacher, Anton
Name des Einsprechenden: MOCO Maschinen- und Apparatebau GmbH
Beitretender:
WEIMA Apparatebau GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 105
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Beitritt im Beschwerdeverfahren (zulässig)
Neuheit und erfinderische Tätigkeit (bejaht: unzulässige ex post Auslegung des Stands der Technik)
Intervention of assumed infringer - appeal pending
Intervention fees - reimbursement - yes
Inventive step - obvious combination of known features
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/94
T 0002/83
T 0037/85
T 0027/92
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0590/94
T 0886/96
T 0989/96
T 1001/97
T 1026/98
T 1007/01

Sachverhalt und Anträge

I. Mit Entscheidung vom 25. Februar 1993, die schriftliche Entscheidung erging am 22. März 1993, hat die Einspruchsabteilung den Einspruch der Beschwerdeführerin (Einsprechende) gemäß Artikel 102 (2) EPÜ zurückgewiesen, wobei folgender Stand der Technik Berücksichtigung fand:

(D1) AT-B-375 842

(D2) DE-A-2 451 168

(D3) DE-A-3 234 485

(D4) DE-A-2 362 620 und

(D5) US-A-4 385 732.

II. Gegen vorgenannte Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 20. Mai 1993 Beschwerde eingelegt und die vorgeschriebene Gebühr am 21. Mai 1993 bezahlt. Die Beschwerdebegründung wurde am 30. Juli 1993 eingereicht.

III. In ihr wird mit Blick auf (D1) weiterhin die Neuheit des Gegenstands gemäß erteiltem Anspruch 1 bestritten; sollte dieser Einwand nicht durchgreifen dann fehle dem beanspruchten Gegenstand laut Beschwerdeführerin im Lichte der Kombination von (D1) und (D3) zumindest eine patentbegründende erfinderische Tätigkeit, so daß die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen sei.

IV. Am 1. Juni 1994 hat die Fa. WEIMA Apparatebau GmbH - nachfolgend als Beitretende bezeichnet - ihren "Beitritt zum Einspruchsverfahren" der MOCO Maschinen- und Apparatebau GmbH erklärt. Sie macht geltend, daß ihr am 3. März 1994 eine Klage seitens des Beschwerdegegners (Patentinhabers) zugestellt worden sei. Gemäß Artikel 105 EPÜ hat sie die Einspruchsgebühr und "nur vorsorglich" die Beschwerdegebühr gezahlt.

V. Gestützt u. a. auf die weiteren Druckschriften

(D7) GB-A-1 454 288

(D8) US-A-3 627 211

(D9) US-A-3 897 016 und

(D10 AT) AT-B-359 812

beantragt die Beitretende den Widerruf des Patents, wobei sie im einzelnen die Kombinationen von (D1) mit (D7), (D1) mit (D8), (D2) mit (D7) bzw. (D8), (D1) mit (D9), (D1) mit (D10) und (D1) mit (D3) als Beleg dafür, daß der erteilte Anspruch 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, abhandelt.

Darüber hinaus beantragt sie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

VI. Der Beschwerdegegner widerspricht sowohl dem Vorbringen der Beschwerdeführerin als auch dem der Beitretenden und verteidigt das Patent in seiner erteilten Fassung, indem er beantragt die Beschwerde zurückzuweisen d. h. das erteilte Patent bestehenzulassen.

VII. Anspruch 1 erteilter Fassung hat nachfolgenden Wortlaut:

"1. Vorrichtung zum Zerkleineren von Abfall mit einem eine Einfüllöffnung aufweisenden Gehäuse (1), in dem symmetrisch zu einer vertikalen Mittelebene (4) vier horizontal liegende ineinandergreifende Zerkleinerungswalzen (5, 6) angeordnet sind, die jeweils aus mehreren mit axialem Abstand zueinander auf einer Antriebswelle (7) angeordneten Zerkleinerungsscheiben (8) bestehen und am Umfang versetzte Reißzähne (9, 10) aufweisen, die vorzugsweise in beide Drehrichtungen Schneidkanten (11) aufweisen, wobei das innere Paar der Zerkleinerungswalzen (5) gegenläufige Drehrichtungen aufweist, die Zerkleinerungswalzen (5, 6) beidseits der Mittelebene (4) sich jeweils gleichsinnig drehen, und die Umfangsgeschwindigkeit der äußeren Zerkleinerungswalze (6) jeweils größer als die der inneren Zerkleinerungswalze (5) ist, dadurch gekennzeichnet, daß austrittseitig jeder Zerkleinerungswalze (5, 6) ein zu deren Umfang parallel gekrümmter Siebboden (13) zugeordnet ist."

VIII. In der nach Zustellung einer Mitteilung gemäß Artikel 11 (2) VOBK stattfindenden mündlichen Verhandlung vor der Kammer haben die Parteien keine neuen Anträge gestellt, insgesamt aber ihre Argumentationen zur Stützung ihrer Anträge abgerundet bzw. abgeändert. Die wesentlichen Argumente der Parteien können wie folgt zusammengefaßt werden:

a) Beschwerdeführerin:

- der im schriftlichen Verfahren vorgebrachte Neuheitseinwand wird aufrechterhalten;

- schon bei (D1) hätten die Räumwalzen eine Doppelfunktion, nämlich zum Zerkleinern und darüber hinaus zum Fördern von zu großen, nicht durch das Sieb passenden Teilen;

- da auch (D3) schon Walzen lehre, die ebenfalls eine Doppelfunktion hätten, könne ein Fachmann, der vor der Aufgabe stehe, den Durchsatz des Zerkleinerers zu erhöhen, (D1) mit (D3) kombinieren, um in naheliegender Weise zum Zerkleinerer gemäß erteiltem Anspruch 1 zu gelangen, zumal (D3) nicht auf 3- oder 4- Walzenzerkleinerer beschränkt sei;

- die beim Zerkleinerer gemäß Anspruch 1 vorgesehenen Walzendrehrichtungen seien schon aus (D1) bekannt, so daß sich auch dort schon eine teilweise Materialrückführung einstelle, wobei die Siebgestaltung aber mit (D3) vorgezeichnet sei;

- damit sei aber auch schon die Voraussetzung dafür geschaffen, daß Material nicht nur im Hauptreißwerk, sondern auch in unmittelbar benachbarten Nebenreißwerken zerkleinert werde;

- auch die Unteransprüche enthielten nichts Erfinderisches, so daß nach Fall des Hauptanspruchs das Streitpatent ohne patentfähigen Kern sei; dies müsse somit zum Widerruf des Patents führen.

b) Beitretender:

- aus (D1) könne wegen Zeichenungenauigkeiten nicht auf eine Nichtparallelität von Sieben und Walzen geschlossen werden;

- es sei unbeachtlich, wenn in (D1) die Zusatzwalzen als "Räumwalzen" bezeichnet seien, da sie auch eine Zerkleinerungsfunktion übernähmen;

- im Zusammenspiel mit zutreffend gewählten Walzendrehrichtugen ergebe sich bei Kombination von (D1) und (D3) eine Vierwalzenmaschine gemäß erteiltem Anspruch 1, weil dann jeder Walze ein Sieb zugeordnet sei und neben dem Hauptreißwerk benachbarte Nebenreißwerke existierten;

- Figur 3 der (D3) lehre, daß die Rückführung von zu großem Material schon im Sinne des erteilten Anspruchs 1 gelöst sei, indem den hier wesentlichen zwei Walzen jeweils ein Sieb zugeordnet sei; durch bloße Spiegelung an einer vertikalen Symmetrieachse lasse sich somit die beanspruchte Lehre erhalten;

- neben (D1) und (D3) seien auch Kombinationen von (D2) mit (D3) oder (D7) dazu angetan, den Fachmann auf das Beanspruchte hinzulenken;

- zusammen mit dem schriftlichen Vortrag sei somit aufgezeigt, daß das Patent nicht rechtsbeständig sein könne;

- zum Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird festgestellt, daß Artikel 105 EPÜ nur die Zahlung der Einspruchsgebühr für den Beitritt regele, daß aus dem EPÜ aber nicht herleitbar sei, daß auch eine Beschwerdegebühr fällig sei.

c) Beschwerdegegner:

- die beanspruchte Erfindung habe bewußt an den Walzendrehrichtungen gemäß (D1) festgehalten und zusätzlich pro Walze ein Sieb vorgesehen;

- damit sei erstmals die Möglichkeit eröffnet worden, bei einem Vierwalzenzerreißer zusätzlich zu einem Hauptreißwerk gezielt zwei Nebenreißwerke vorzusehen, um ersteres zu entlasten und zwar nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ;

- (D3) lenke schon deshalb vom Beanspruchten weg, weil die Walzendrehrichtungen im Überlappungsbereich gleich seien;

- nur durch rückschauende Betrachtungsweise könne eine Kombination von (D1) und (D3) als Patenthindernis angesehen werden;

- den vier Sieben gemäß erteiltem Anspruch 1 komme insgesamt gesehen die überraschende Wirkung zu, neben der eigentlichen Siebfunktion bei einem Vierwalzenzerreißer die Materialrückführung zu übernehmen und zwar ohne störende Toträume, wobei erst dadurch sichergestellt sei, daß Material nicht nur zur Oberseite schlechthin rezirkuliert würde, sondern ganz bewußt in den Bereich der Nebenreißwerke;

- damit seien das Hauptreißwerk mengenmäßig ent- und die Nebenreißwerke vermehrt belastbar;

- da es für dieses Konzept kein übernehmbares Vorbild im Stand der Technik gebe, sei die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent in seiner erteilten Fassung bestehen zu lassen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist zulässig.

2. Beitritt

2.1. In Artikel 105 (1) EPÜ ist festgelegt, daß ein vermeintlicher Patentverletzer, gegen den Klage wegen Verletzung (des Streitpatents) erhoben worden ist, nach Ablauf der Einspruchsfrist dem Einspruchsverfahren beitreten kann.

2.2. Mit Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 1/94, ABl. EPA 1994, 787 ist klargestellt worden, daß mit "Einspruchsverfahren" des Artikels 105 (1) EPÜ auch ein anhängiges Beschwerdeverfahren umfaßt ist, so daß der Beitritt insofern gesetzeskonform ist.

2.3. Da der Beitritt innerhalb der in Artikel 105 (1) EPÜ vorgeschriebenen Dreimonatsfrist unter Nachweis der Klageerhebung wegen Verletzung erfolgte und die in Artikel 105 (2) EPÜ vorgesehene Einspruchsgebühr entrichtet worden ist, ist der Beitritt als zulässig anzusehen.

2.4. Die Beitretende hat zusätzlich zur Einspruchsgebühr die Beschwerdegebühr entrichtet und zwar "nur vorsorglich". Sie hat gleichzeitig die Rückzahlung dieser Gebühr beantragt, weil im EPÜ keine "Einspruchsbeschwerdegebühr" gesetzlich vorgeschrieben sei.

2.5. Die Kammer schließt sich dieser Auffassung der Beitretenden an, zumal im hier zu entscheidenden Fall seitens der Beschwerdeführerin eine zulässige und anhängige Beschwerde vorhanden war und die Frage nach der Rechtsstellung der Beitretenden, ob "weitere Verfahrensbeteiligte" oder "Beschwerdeführerin" nicht zu entscheiden war.

2.6. Aus vorgenannten Gründen wurde am Ende der mündlichen Verhandlung auf Rückzahlung der von der Beitretenden entrichteten Beschwerdegebühr entschieden, zumal auch in G 1/94, vgl. Entscheidungsgründe Punkt 11, diese Frage nicht entschieden worden ist.

3. Neuheit

3.1. Die Beschwerdeführerin hat bis zuletzt die Neuheit der in Anspruch 1 definierten Zerkleinerungsvorrichtung mit Blick auf (D1) bestritten. Die Kammer kommt diesbezüglich zu folgendem Ergebnis.

3.2. Für die Frage der Neuheit ist die Art und Weise, in der der Anspruch 1 zweigeteilt ist, unbeachtlich. Diese Feststellung ist deshalb vorauszuschicken, weil die Kammer nicht davon überzeugt ist, daß die gewählte Fassung gemäß Regel 29 (1) EPÜ stichhaltig ist. Im Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1 ist von vier Zerkleinerungswalzen (Fettdruck zur Hervorhebung) die Rede, obwohl in (D1), vgl. Seite 2, Zeilen 33 bis 35, Seite 3, Zeilen 47 bis 49, Seite 4, Zeilen 6 mit 8 und Zeilen 31 bis 33 und Figur 1, Bezugszeichen "21, 21", ausdrücklich hervorgehoben ist "Die Räumwalzen --21-- bewirken daher auch keine Vorzerkleinerung, sie unterstützen jedoch die Zuführung des Materials ...".

3.3. Aufgrund dieser Offenbarung der (D1) ist dem Fachmann, der die Erfindung nicht kennt, zweifelsfrei mitgeteilt, daß es vorteilhaft ist, wenn einem Paar von Zerkleinerungswalzen "3, 3" zwei Räumscheiben "21, 21" zugeordnet sind, um dasjenige Material, das noch nicht durch den Siebboden "13" hindurchtreten kann, zu rezirkulieren.

3.4. Zusammenfassend bleibt (D1) somit hinter dem erteilten Anspruch 1 zumindest insoweit zurück, daß keine vier Zerkleinerungswalzen und daß weiterhin auch keine vier Siebe, d. h. eines pro (wirklicher) Zerkleinerungswalze, vorgesehen sind. Mit anderen Worten ausgedrückt bedeutet dies, daß (D1) nur einen Zerkleinerungsspalt, der erteilte Anspruch 1 hingegen drei Zerkleinerungsspalte lehrt.

3.5. Vorstehende Überlegungen ergeben, daß ein Neuheitseinwand gegenüber dem Zerkleinerer gemäß erteiltem Anspruch 1 sachlich nicht gerechtfertigt ist, Artikel 54 EPÜ.

3.6. Die weiteren Argumente der angreifenden Parteien, wie die Mehrdeutigkeit des Wortes "ein" und die Frage der absoluten oder nichtabsoluten Parallelität von Sieb und Zerkleinerungswalze sowie der Frage der Zeichenungenauigkeit bei (D1), treten gegenüber vorstehenden Ausführungen in den Hintergrund, da gemäß Artikel 69 (1) EPÜ ein Anspruch ohnehin im Lichte der Beschreibung und der Zeichnungen auszulegen ist. Diese ergeben aber zweifelsfrei, daß das Streitpatent vier Zerkleinerungswalzen und vier Siebe aufweist, die austrittseitig in zu den Walzen paralleler Anordnung vorgesehen sind. Für den Fachmann ist ohne weiteres ersichtlich, daß "Walze" gedanklich mit dem Flugkreis der vorstehenden Zähne "9, 10" derselben gleichzusetzen ist, so daß insoweit keine andere Auslegung des Anspruchs 1 gerechtfertigt ist.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Obwohl die Beitretende auch Überlegungen mit (D2) als Ausgangspunkt der Erfindung angestellt hat, ist sich die Kammer mit der Beschwerdeführerin, dem Beschwerdegegner und der Einspruchsabteilung darin einig, daß (D1) als nächstkommender Stand der Technik anzusehen ist.

4.2. Bei Vorhandensein eines einzigen Zerkleinerungsspaltes ist es offensichtlich, daß (D1) Probleme in der Zerkleinerungsleistung hat, obwohl insgesamt vier Walzen vorgesehen sind.

4.3. Hieraus leitet sich für den Fachmann die objektiv zu lösende Aufgabe ab, nach Möglichkeiten Ausschau zu halten, die Zerkleinerungsleistung zu verbessern, ohne den apparativen Aufwand (wesentlich) zu erhöhen, vgl. angefochtene Entscheidung Seite 4, Mitte bzw. EP-B1-0 319 535 Spalte 1, Zeilen 6 bis 10.

4.4. Gelöst ist vorstehend genannte, objektive technische Aufgabe gemäß erteiltem Anspruch 1 dem Sinne nach dadurch, daß die Zahl der Zerkleinerungswalzen in einer zu einer vertikalen Mittelebene symmetrischen Anordnung auf vier erhöht wird und daß austrittsseitig jeder dieser Zerkleinerungswalzen ein zu deren Umfang parallel gekrümmter Siebboden zugeordnet ist, wobei die Walzendrehrichtungen auf einer Seite der vertikalen Mittelebene gleich aber zur jeweils anderen Seite derselben gegenläufig sind, derart, daß die Umfangsgeschwindigkeiten der äußeren Zerkleinerungswalzen größer sind als die der inneren Zerkleinerungswalzen.

4.5. Damit ist ein Zerkleinerer geschaffen, der drei Zerkleinerungsspalte aufweist, nämlich in Form eines zentralen Hauptreißwerkes und je einem benachbarten Nebenreißwerk. Die zugeordneten (vier) Siebböden haben dabei die Funktion des Siebens, aber auch des Zurückführens zu großer Teilchen an die Oberseite des Zerkleinerers. Dadurch daß diese Rezirkulation von Teilchen direkt in die Nebenreißwerke erfolgt, ergibt sich eine Entlastung des Hauptreißwerkes und insgesamt eine an sich bekannte Nachzerkleinerung. Die Folge davon ist die Möglichkeit einer deutlichen Steigerung der Zerkleinerungsleistung ohne daß der apparative Aufwand nennenswert gesteigert werden muß. Erkennbar ist mit Blick auf (D1) die Zahl der rotierenden Walzen quantitativ gleich geblieben, der zusätzliche Aufwand resultiert lediglich in der Ausbildung der dritten/vierten Walze als Zerkleinerungswalze und in der Anordnung von insgesamt vier koaxialen Siebböden. Das Merkmal der größeren Umfangsgeschwindigkeiten der Außen- gegenüber den Innenwalzen führt dazu, daß der Materialaustrag aus den Zerkleinerungsspalten der Nebenreißwerke bevorzugt nach unten - also hin zu den Siebböden - und nicht zur Oberseite zurück erfolgt, so daß der Aspekt des endgültigen Austrags aus dem Zerkleinerer mehr im Vordergrund steht als der der Rezirkulation.

4.6. In der Frage des erfinderischen bzw. nichterfinderischen Beitrags vorgenannter Aufgabenlösung zum Stand der Technik gelangt die Kammer zu folgendem Ergebnis:

4.6.1. Es trifft zunächst zu, daß das Stellen der vorstehend genannten Aufgabe nichts zur erfinderischen Eigenart des Zerkleinerers gemäß erteiltem Anspruch 1 beiträgt, da es genügt die Gegebenheiten der (D1) zu studieren, um zu erkennen, daß deren Zerkleinerungsleistung trotz Vorhandenseins von insgesamt vier Walzen begrenzt ist.

4.6.2. Es verbleibt somit zu untersuchen, ob die beanspruchte Gesamtkombination von Merkmalen, vgl. T 37/85, ABl. EPA 1988, 86 (nur Leitsatz), durch den hier zu berücksichtigenden Stand der Technik nahegelegt ist oder nicht. Das Bekanntsein einzelner oder mehrerer Merkmale läßt gemäß vorstehend genannter Entscheidung für sich aber keinen zuverlässigen Schluß auf das Naheliegen der Kombination zu.

Weiter ist zu berücksichtigen, ob der Durchschnittsfachmann, der Zugang zum hier zu berücksichtigenden Stand der Technik hat, auf die beanspruchte Lösung gekommen wäre oder ob er auf diese hätte kommen können, T 2/83, ABl. EPA 1984, 265.

4.6.3. Die bevorzugte Druckschriftenkombination, die die Erfindung gemäß Anspruch 1 nahelegen sollte, war jene von (D1) und (D3).

Das genauere Studium von (D3) zeigt aber auf, daß ohne ersichtlichen Grund der Fachmann die Walzendrehrichtungen von (D3) hätte ändern müssen, um die Kombination mit (D1) zu erlauben. Dies ist ein erstes Indiz dafür, daß sich die Kombination von (D1) mit (D3) nicht anbietet, sondern gewollt ist, nämlich ex post betrachtet.

Sowohl das Dreiwalzenwerk nach Figur 1 als auch das Vierwalzenwerk nach Figur 3 der (D3) sind dadurch gekennzeichnet, daß die Walze(n) "10" bzw. "10, 15" mit höherer Umfangsgeschwindigkeit umläuft bzw. umlaufen kann bzw. können, als die darüberliegenden Walzen, vgl. Seite 4, Absatz 2 der (D3). Dies ergibt einen Materialaustrag zur Seite hin, nämlich gegen eine feste Wand "1" gemäß Figur 1 bzw. 3 der (D3). Gerade dort ist aber ganz eindeutig kein Siebboden angeordnet. Ein Rückfördern zur Oberseite des Zerkleinerers ist damit nicht vorprogrammiert; selbst wenn Material aber zur Oberseite hin rezirkuliert wird, gelangt es nicht in den Bereich der Nebenreißwerke, sondern wieder in das Hauptreißwerk, was ersichtlich in direktem Widerspruch zur objektiv zu lösenden Aufgabe und deren Lösung gemäß erteiltem Anspruch 1 steht.

4.6.4. Mithin muß (D3) schon gewollt interpretiert werden, um die Basis für ein Naheliegen der Erfindung zu schaffen; diese Aussage bezieht sich auf das Argument der spiegelbildlichen Verdoppelung der in Figur 1 der (D3) wiedergegebenen Konstruktion.

Es trifft somit auch nicht zu, daß der Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 nicht über die Kombination von (D1) und (D3) hinausgehe. Vielmehr muß es als überraschend angesehen werden, daß die Realisierung von vier Siebböden an der Austrittsseite des Zerkleinerers die Situation des Materialeinzugs an der Oberseite des Zerkleinerers verbessert. Es geht hier also um mehr als nur darum, eventuell vorhandene Toträume zu beseitigen, um den Durchsatz zu erhöhen, denn vier Walzen wären ja auch schon bei (D1) bzw. (D3) und deren Figur 3 da, ohne aber die Durchsatzleistung der beanspruchten Aufgabenlösung gemäß Anspruch 1 zu erreichen. In diesem Zusammenhang hilft auch die Überlegung nicht weiter, durch bessere Gehäusegestaltung den Materialrückfluß zu verbessern, da diese Überlegung im Gegensatz zu den Lehren des Standes der Technik einhergehen müßte mit der Schaffung von Nebenreißwerken und damit, daß das Rückfördern des Materials tatsächlich auch in die Neben- und nicht in das Hauptreißwerk(e) erfolgt. Mithin ist es irrelevant, wenn seitens der Angreifer auf das Streitpatent, im Sieb eine Sieb- und eine Förderfunktion gesehen wird, denn sonst hätten schon Figuren 1/3 der (D3) die vorteilhaften Wirkungen des Zerkleinerers nach Anspruch 1 ergeben müssen, was ersichtlich nicht der Fall ist. Auch das Argument, wonach den rückführenden Walzen "10, 6" gemäß Figur 1 und "10, 15" gemäß Figur 3 der (D3) schon jeweils ein Sieb zugeordnet ist, verdeutlicht, daß Bauteile aus ihrem Zusammenhang gerissen werden, ohne aber die beanspruchte Fütterung von Nebenreißwerken zu ergeben.

Überlegungen zur Drehrichtung und Umfangsgeschwindigkeit der Walzen sind bezüglich (D1) und (D3) schon deshalb ex post, weil vorstehend aufgezeigt wurde, daß die Verhältnisse bei (D1) und (D3) nicht kombinierbar sind, so daß diese Druckschriften insgesamt nicht auf den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 hinlenken können.

4.6.5. Auch für die weiteren Druckschriften des Verfahrens gilt das vorstehend herausgearbeitete Ergebnis:

(D2) zeigt wohl vier Walzen, aber in einer Anordnung mit nur zwei Arbeitsspalten, nämlich zwischen den Walzen (Wellen) "17, 18" bzw. "19, 21", vgl. Seite 9, letzte 5 Zeilen ("Wichtig ..."), wobei Siebböden mit keinem Wort angesprochen sind. Da (D2) schon in der Zahl der Arbeitsspalte vom Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 weglenkt, obwohl vier Walzen da sind, würde selbst eine gedankliche Zuordnung eines Siebbodens zu jeder Walze keinen Materialfluß ergeben, der die Nebenreißwerke be- und das Hauptreißwerk entlastet. Wozu die Überlegung führt den Durchsatz des Zerkleinerers durch mehr Walzen zu erhöhen, verdeutlicht (D2), aber in einer vom Beanspruchten abliegenden Richtung.

Damit ist auch schon (D7) berücksichtigt, obwohl per se daraus die Lehre entnehmbar ist, Walzenzahl (zwei) ist gleich Zahl der Siebböden, vgl. Figur 3. Es ist auch unbeachtlich, daß (D7) die Parallelität von Siebboden und Walzen (koaxiale Anordnung) als bekannt ausweist, da sich die Lehre des erteilten Anspruchs 1 hierin nicht erschöpft.

4.6.6. Die weiter von der Beitretenden schriftlich vorgebrachten Kombinationen von Druckschriften ergeben insgesamt kein anderes Bild als bereits aufgezeigt wurde. (D1) mit (D7) ergibt erneut die Situation nur eines gewollten Zerreißspaltes, ebenso (D1) mit (D8), und auch(D2) mit (D8) führt allenfalls zu zwei Hauptreißwerken, nicht aber zu einer Konfiguration von Haupt- und Nebenreißwerk(en) wie beansprucht. Dies gilt auch für (D1) und (D9), da dann Räumwalzen Siebböden zugeordnet wären, hingegen keine weiteren Arbeitsspalte entstünden, so daß damit auch die Kombination von (D1) mit (D10 AT) abgehandelt ist.

4.6.7. Die Vielzahl der diskutierten und angeblich zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 führenden Wege läßt völlig unbeachtet, daß ein Anreiz für den Fachmann erkennbar sein muß, eine bestimmte kombinatorische Betrachtung von technischen Einzellehren auszuführen und daß es nicht genügt, Einzelmerkmale nachzuweisen und Überlegungen anzustellen, was zu veranlassen ist, um die Summe der Merkmale des angegriffenen Hauptanspruchs zu erhalten, vgl. T 2/83 gemäß Abschnitt 4.6.2

4.6.8. Prüfung auf erfinderische Tätigkeit bedeutet nach dem Verständnis der Kammer aber den vorliegenden Stand der Technik ohne Kenntnis der Erfindung auszuwerten. Die angreifenden Parteien blieben aber insgesamt den Nachweis schuldig, daß ein Fachmann ohne Kenntnis der Erfindung zum Zerkleinerer gemäß erteiltem Anspruch 1 gelangen konnte.

Es mag sein, daß die Zweiteilung des Anspruchs 1 gemäß EP-B1-0 319 535, die von der Kammer nicht getragen wird, insgesamt ein falsches Bild vom Beitrag der Erfindung zum Stand der Technik gegeben hat; der Kammer waren aber die Hände gebunden als sie keine Neufassung des Anspruchs 1 anregen oder erzwingen konnte, weil sie an den Antrag des Beschwerdegegners gebunden war (Zurückweisung der Beschwerde, d. h. Bestätigung des Streitpatents) und unzureichende Abgrenzung gegen den Stand der Technik kein Einspruchsgrund ist.

4.6.9. Zusammenfassend ist die Kammer davon überzeugt, daß der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 auf erfinderischer Tätigkeit beruht und insgesamt rechtsbeständig ist.

4.6.10. Die auf ihm rückbezogenen Ansprüche 2 bis 4 der EP- B1-0 319 535 sind als abhängige Ansprüche ebenfalls rechtsbeständig und erfordern für sich keine erfinderische Eigenart.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Dem Antrag der Beitretenden auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird stattgegeben.

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