J 0014/85 (Rückzahlung der Prüfungsgebühr) of 30.7.1986

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1986:J001485.19860730
Datum der Entscheidung: 30 Juli 1986
Aktenzeichen: J 0014/85
Anmeldenummer: 83300695.0
IPC-Klasse: A24D 3/06
Verfahrenssprache: EN
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Suntory
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.1.01
Leitsatz: Wird eine europäische Patentanmeldung zurückgenommen nachdem die Zuständigkeit für die Prüfung gemäss den Artikel 16 und 18(1) EPÜ auf die Prüfungsabteilung übergegangen ist, aber noch bevor diese tatsächlich mit der Prüfung begonnen hat, so kann die Prüfungsgebühr nur dann zurückgezahlt werden, wenn die Prüfung aus rechtlichen Gründen nicht in Anspruch genommen werden konnte. Die Rückzahlung ist zwar nach dem EPÜ nicht verboten aber in der Ausführungsordnung und in der Gebührenordnung auch nicht ausdrücklich vorgesehen.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 94(2)
Schlagwörter: Rückzahlung der Prüfungsgebühr
Prüfungsgebühr/Rückzahlung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
J 0017/02
J 0018/02
J 0009/10
T 0678/90
T 0027/92
T 0886/96
T 0989/96
W 0003/98

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 83 300 695.0 wurde am 11. Februar 1983 unter Inanspruchnahme der Priorität einer am 16. Februar 1982 eingereichten japanischen Voranmeldung im Namen der Beschwerdeführerin eingereicht. Der Prüfungsantrag wurde auf dem dafür vorgesehenen Vordruck gestellt. Auf die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung (Veröffentlichungsnummer 0 086 638) wurde im Europäischen Patentblatt vom 28. März 1984 hingewiesen; die Frist für die Stellung des Prüfungsantrags lief somit am 28. September 1984 ab. Ein zweiter Prüfungsantrag wurde am 28. August 1984 gestellt und die Prüfungsgebühr ordnungsgemäß entrichtet. Die Eingangsstelle vermerkte am 18. September 1984 in der Akte, daß ein gültiger Prüfungsantrag gestellt worden sei.

II. Am 18. September 1984 nahm der Vertreter der Beschwerdeführerin die Anmeldung per Fernschreiben zurück, das durch ein am 24. September 1984 eingegangenes Schreiben ordnungsgemäß bestätigt wurde, und beantragte die Rückzahlung der Prüfungsgebühr. Er wies darauf hin, daß die Frist für die Entrichtung der Prüfungsgebühr noch nicht verstrichen sei, und fügte erläuternd hinzu, er habe eine Anweisung der japanischen Patentanwälte, die Prüfungsgebühr kurz vor Fälligkeit zu entrichten, als endgültig aufgefaßt; sie sei jedoch nur vorsorglich erteilt worden, falls später keine endgültige Anweisung mehr ergehen würde.

III. Der Leiter der Formalprüfungsstelle der Generaldirektion 2 wies den Antrag auf Rückzahlung der Prüfungsgebühr mit der angefochtenen Entscheidung vom 4. März 1985 zurück, die er wie folgt begründete: Da eine Gebühr mit dem Eingang des Antrags auf Vornahme der gebührenpflichtigen Amtshandlung fällig werde (Art. 4 (1) GebO), sei eine Rückzahlung nur möglich, wenn diese - wie in Artikel 77 (5) und den Regeln 31 (3) und 67 EPÜ - ausdrücklich vorgesehen sei. Als weiterer Grund für den Ausschluß der Rückzahlung wurde angegeben, daß die Prüfungsgebühr die tatsächlichen Prüfungskosten nicht decke. Außerdem sei die Prüfungsabteilung nicht befugt, die Prüfungsgebühr zurückzuzahlen, da die Zuständigkeit für die Anmeldung bereits von der Eingangsstelle auf die Prüfungsabteilung übergegangen sei (vgl. Rechtsauskunft Nr. 1/79, ABl. EPA 1979, 61).

IV. Am 2. Mai 1985 legte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein und entrichtete die entsprechende Gebühr ordnungsgemäß. Die Beschwerdebegründung wurde am 6. Mai 1985 nachgereicht. Zu einem Bescheid der Kammer vom 9. Januar 1986 nahm die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 19. Februar 1986 Stellung.

V. Sie brachte dabei im wesentlichen folgendes vor: In der angefochtenen Entscheidung werde die Auffassung vertreten, die Prüfungsgebühr könne nicht zurückgezahlt werden, wenn sie erst einmal fällig geworden sei, d. h. wenn ein Prüfungsantrag gestellt worden sei, was im vorliegenden Fall bereits bei Einreichung der Anmeldung geschehen sei. Diese Auffassung gehe im Hinblick auf Artikel 94 (2) EPÜ zu weit; nach diesem Artikel habe der Anmelder die Möglichkeit, seinen Prüfungsantrag noch bis zum Ablauf von 6 Monaten nach dem Hinweis auf die Veröffentlichung des europäischen Recherchenberichts zu stellen und die Prüfungsgebühr zu entrichten. Wenn die in der angefochtenen Entscheidung vertretene Auffassung richtig wäre, könnte die Gebühr in den Fällen, in denen der Prüfungsantrag bereits zum Zeitpunkt der Einreichung gestellt worden sei, niemals zurückgezahlt werden. Weder das EPÜ noch die Ausführungsordnung, noch die Gebührenordnung enthalte jedoch eine Bestimmung, die eine Rückzahlung verbiete, sofern sie innerhalb der in Artikel 94 (2) EPÜ genannten Frist beantragt werde. Außerdem gehe aus den Prüfungsrichtlinien (Teil A, Kapitel XI, 10.1) hervor, daß zwischen dem "Fälligkeitstag" und dem tatsächlichen Zahlungstag zu unterscheiden sei. Dementsprechend sei das EPA befugt, die Prüfungsgebühr zurückzuzahlen, wenn dies innerhalb der Frist von 6 Monaten beantragt werde. Die Rückzahlung sei gerechtfertigt, wenn die Anmeldung zurückgenommen werde, bevor die Prüfung habe in Angriff genommen werden können. Die Möglichkeit einer Rückzahlung sei für den Anmelder ein Anreiz, dem EPA die Durchführung einer unnötigen Prüfung zu ersparen. Die früheren Entscheidungen J 06/83 (ABl. EPA 1985, 97) und J 08/83 (ABl. EPA 1985, 102) schlössen die Rückzahlung der Prüfungsgebühr nicht aus. Ferner sei in den Richtlinien (Teil A, Kapitel XI, 10.2.7) angegeben, daß die Druckkostengebühr zurückgezahlt werden könne, wenn die europäische Patentanmeldung zu einem Zeitpunkt zurückgenommen werde, zu dem die Veröffentlichung der europäischen Patentschrift noch verhindert werden könne.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist somit zulässig.

2. In der angefochtenen Entscheidung heißt es zu Recht, daß die Rückzahlung der bei Fälligkeit gezahlten Prüfungsgebühr weder im EPÜ noch in der Ausführungsordnung, noch in der Gebührenordnung ausdrücklich geregelt ist. Gleichzeitig wird jedoch anerkannt, daß das EPA die Gebühr in den in der Rechtsauskunft Nr. 1/79 (ABl. EPA 1979, 61) genannten Fällen zurückzahlt, nämlich wenn die europäische Patentanmeldung im Verfahren vor der Eingangsstelle zurückgenommen wird.

3. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, daß sowohl der Rechtsauskunft Nr. 1/79 als auch den beiden Entscheidungen der Juristischen Beschwerdekammer, in denen die Rückzahlung der Prüfungsgebühr angeordnet wurde (J 06/83, ABl. EPA 1985, 97 und J 08/83, ABl. EPA 1985, 102), derselbe Rechtsgrundsatz zugrunde liegt; danach ist die entrichtete Prüfungsgebühr zurückzuzahlen, wenn das EPA zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anmeldung zurückgenommen wird oder als zurückgenommen gilt, aus rechtlichen Gründen (insbesondere aufgrund von Bestimmungen des EPÜ und ggf. des PCT) nicht in der Lage ist, die Sachprüfung in Angriff zu nehmen. Dies ist eindeutig der Fall, wenn die Zuständigkeit für die Anmeldung noch nicht gemäß den Artikeln 16 und 18 (1) EPÜ auf die Prüfungsabteilung übergegangen ist. Dies ist auch der Fall, wenn die Zuständigkeit zwar bereits auf die Prüfungsabteilung übergegangen ist, aber ein anderes rechtliches Hindernis vorliegt. In der Sache J 06/83 wurde die Auffassung vertreten, daß die Prüfung zum Zeitpunkt der Zurücknahme rechtlich ausgeschlossen war, weil der vorgeschriebene ergänzende europäische Recherchenbericht für die internationale Anmeldung noch nicht erstellt worden war (vgl. Gall, Münchner Gemeinschaftskommentar, Art. 51 GebO, Nrn. 378 - 392).

4. Im vorliegenden Fall ist die Kammer der Auffassung, daß die Prüfung wirksam beantragt worden ist und zum Zeitpunkt der Zurücknahme der Anmeldung im September 1984 rechtlich auch nicht ausgeschlossen war. Nach Artikel 94 (2) Satz 2 EPÜ gilt der von der Beschwerdeführerin auf dem Erteilungsformblatt gestellte Prüfungsantrag erst nach Entrichtung der Prüfungsgebühr im August 1984 als gestellt. Da der europäische Recherchenbericht der Beschwerdeführerin bereits im Januar 1984 zugesandt worden war, bestand somit keine Veranlassung, sie nach Artikel 96 (1) EPÜ zu der Erklärung aufzufordern, ob sie die europäische Patentanmeldung aufrechterhalte.

5. Weder im Übereinkommen noch in der Ausführungsordnung, noch in der Gebührenordnung wird eine Rückzahlung der Prüfungsgebühr ausdrücklich ausgeschlossen. Dies veranlaßt die Beschwerdeführerin zu der Behauptung, es liege im Ermessen des EPA, im vorliegenden Fall eine Rückzahlung vorzunehmen; die Anmeldung sei nämlich so kurz nach Entrichtung der Prüfungsgebühr zurückgenommen worden, daß die Prüfung noch gar nicht begonnen haben könne. Sie stützt sich dabei u. a. auf die Bemerkung in der Sache J 08/83, daß die Möglichkeit der Zurücknahme einer Anmeldung allen Beteiligten zugute komme und die Aussicht auf Rückzahlung ein Anreiz zur Zurücknahme von Anmeldungen sei, die nicht aussichtsreich erschienen.

6. Dieses Argument muß zurückgewiesen werden. Die Ausführungen in der Sache J 08/83 (Entscheidungsgründe, Nr. 6) bezogen sich speziell auf die mit Artikel 96 (1) EPÜ verfolgte Absicht und können nicht zur Ableitung einer allgemeinen Ermessensfreiheit herangezogen werden. Die Rückzahlung von Gebühren ist weder nach dem EPÜ noch nach der Ausführungsordnung, noch nach der Gebührenordnung Ermessenssache. Wenn eine Rückzahlung stattfindet, dann beruht sie auf einem Rechtsanspruch, sei es weil die entrichtete Gebühr niemals fällig war, weil die Dienstleistung, für die sie gezahlt wurde, wegen eines rechtlichen Hindernisses nicht erbracht werden kann oder weil diese Rückzahlung - wie in Artikel 77 (5) und den Regeln 31 (3) und 67 EPÜ sowie in Artikel 10 (4) GebO - ausdrücklich vorgesehen ist. Der zuletzt genannte Artikel schreibt ausdrücklich vor, daß die Recherchengebühr in voller Höhe zurückgezahlt wird, wenn die europäische Patentanmeldung zu einem Zeitpunkt zurückgenommen oder zurückgewiesen wird oder als zurückgenommen gilt, zu dem das Amt mit der Erstellung des europäischen Recherchenberichts noch nicht begonnen hat. Die Kammer wüßte nicht, welche Regel sich auf die Rückzahlung der Prüfungsgebühr im vorliegenden Fall entsprechend anwenden ließe.

7. Sie kann sich dem Argument der Beschwerdeführerin nicht anschließen, daß die Prüfungsgebühr zu dem Zeitpunkt, als sie entrichtet wurde, noch nicht fällig gewesen sei, da die Frist nach Artikel 94 (2) EPÜ noch nicht abgelaufen gewesen sei. Der Prüfungsantrag ist davon abhängig, daß der Anmelder die Gebühr von sich aus entrichtet, wie dies bei anderen Anträgen, z. B. beim Wiedereinsetzungsantrag und bei der Beschwerde, auch der Fall ist. Der Antrag wird wirksam, sobald die Gebühr entrichtet ist; danach kann sie außer bei Vorliegen einer Rechtsgrundlage für die Rückzahlung auch dann nicht zurückverlangt werden, wenn der Wunsch besteht, den Antrag oder die europäische Patentanmeldung zurückzunehmen. Auf diesen Sachverhalt ist die Beschwerdeführerin im Bescheid des Berichterstatters hingewiesen worden. In ihrer Erwiderung hat sie geltend gemacht, daß ein Prüfungsantrag gemäß Artikel 94 (2) Satz 2 EPÜ erst dann als gestellt gelte, wenn die Gebühr entrichtet worden sei; die Gebühr werde also nicht im Sinnedes Artikels 4 GebO fällig (dieser Artikel sieht vor, daß eine Gebühr mit dem Eingang des Antrags auf Vornahme der gebührenpflichtigen Amtshandlung fällig wird). Artikel 4 GebO treffe hier also nicht zu; der Fälligkeitstermin bestimme sich vielmehr nach Artikel 94 (2) EPÜ. Dieses Argument muß ebenfalls zurückgewiesen werden. Artikel 4 GebO und Artikel 94 (2) EPÜ schließen sich keineswegs gegenseitig aus; die Stellung des Antrags läßt nämlich die Gebühr fällig werden, während Artikel 94 (2) Satz 2 EPÜ bewirkt, daß dem Antrag erst dann entsprochen werden kann, wenn die Gebühr entrichtet worden ist. Wird die Gebühr nicht innerhalb der Frist nach Artikel 94 (2) Satz 1 EPÜ oder innerhalb der Nachfrist nach Regel 85b EPÜ entrichtet, so kann dem Antrag nicht entsprochen werden.

8. Die Beschwerdeführerin hat ferner geltend gemacht, daß es in den Richtlinien (Teil A, Kapitel XI, Nr. 10.2.7) heiße, die Druck kostengebühr könne zurückgezahlt werden, wenn die europäische Patentanmeldung zu einem Zeitpunkt zurückgenommen werde, zu dem die Veröffentlichung der europäischen Patentschrift noch ver hindert werden könne. In den Richtlinien sei außerdem angegeben, daß die Erteilungsgebühr zurückgezahlt werde, wenn die Anmeldung vor der Zustellung des Erteilungsbeschlusses zurückgenommen werde (loc. cit., Nr. 10.2.6). Diese Angaben lassen sich jedoch nicht entsprechend auf den vorliegenden Fall anwenden.

9. Aus diesen Gründen muß die Beschwerde zurückgewiesen und die angefochtene Entscheidung bestätigt werden. Allerdings kann sich die Kammer der angefochtenen Entscheidung insoweit nicht anschließen, als dort als weiterer Grund für den Ausschluß der Rückzahlung der Prüfungsgebühr angegeben ist, daß die Gebühr die Prüfungskosten nicht deckt. Es gibt viele Fälle, in denen eine Gebühr die Kosten für die betreffende Dienstleistung nicht deckt, aber dennoch nach dem EPÜ zurückgezahlt werden kann; Regel 67 EPÜ (Rückzahlung der Beschwerdegebühr) ist hierfür ein gutes Beispiel.

10. Im vorliegenden Fall sind die Erfordernisse der Regel 67 EPÜ nicht erfüllt, da der Beschwerde nicht stattgegeben wird und auch kein Verfahrensmangel vorliegt. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr muß daher zurückgewiesen werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde gegen die Entscheidung des Leiters der Formalprüfungsstelle der Generaldirektion 2 vom 4. März 1985 wird zurückgewiesen

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