European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1994:T002792.19940531 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 31 Mai 1994 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0027/92 | ||||||||
Anmeldenummer: | 85900626.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | F16L 55/16 F16L 55/18 E21B 29/10 B05C 7/08 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Vorrichtung zum Ausfüllen und Verleimen von Vertiefungen aller Art in einer nichtbegehbaren Rohrleitung | ||||||||
Name des Anmelders: | KA-TE System AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Rocas Rohr- und Kanal-Service GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (bejaht) Erfinderische Tätigkeit (bejaht) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die am 13. Februar 1985 eingereichte internationale Patentanmeldung PCT/CH85/00026 wurde mit Wirkung vom 27. April 1988 das europäische Patent Nr. 0 211 825 erteilt.
Anspruch 1 des Patents lautet wie folgt:
"Vorrichtung zum Ausfüllen und Verleimen von Vertiefungen aller Art in einer nichtbegehbaren Rohrleitung, mit einem ferngesteuerten Fahrzeug, mit einer Spachteleinrichtung zum Aufbringen und Verstreichen des zum Ausfüllen und Verleimen verwendeten Materials, einer zum Auffinden der Vertiefungen dienenden Fernsehkamera sowie einem wegnehmbaren Behälter für das genannte Material, dadurch gekennzeichnet, daß dieser Behälter ein auf dem Fahrzeug selber gelagertes, das Material enthaltendes Rohr (27) ist, das durch einen in seinem Innern frei beweglichen, über eine Leitung (33) mit Druckluft beaufschlagbaren Kolben (31) in die Spachtelvorrichtung (41) hinein entleerbar ist und nach erfolgter Leerung durch bloßes Lösen von Verriegelungen (30) und Verschlüssen (43) sowohl vom Fahrzeug als auch von der Spachtelvorrichtung (41) leicht wegnehmbar und durch ein anderes, mit Material gefülltes und ebenfalls einen Kolben (31) aufweisendes Rohr ersetzbar ist".
(Der erteilte Anspruch 1 in der veröffentlichten Fassung enthält einige offensichtliche, sprachliche Fehler die im oben wiedergegebenen Anspruchswortlaut korrigiert wurden.)
II. Gegen das erteilte Patent wurde am 27. Januar 1989 Einspruch eingelegt.
Während der Anhängigkeit des Einspruchsverfahren vor der Einspruchsabteilung hat die Beschwerdeführerin am 9. November 1991 ihren Beitritt zum Einspruchsverfahren erklärt und die dazu notwendigen Nachweise gemäß Artikel 105 (1) und (2) EPÜ erbracht. Der Einspruch der Beschwerdeführerin war auf die Gründe nach Artikel 100 a), b) und c) EPÜ gestützt.
Zur Stützung des Vorbringens bezüglich mangelnder erfinderische Tätigkeit wurden insbesondere die folgenden Druckschriften genannt:
D1: EP-A-0 025 204
D3: FR-A-1 571 793
D6: US-A-2 894 539
D7: Prospekt "Pyles Sealant Guns" (1971)
D16: GB-A-1 331 602
III. Durch Entscheidung in der mündlichen Verhandlung vom 18. September 1991, mit schriftlichen Gründen zur Post gegeben am 22. Oktober 1991, wies die Einspruchsabteilung die Einsprüche zurück. Die Einspruchsabteilung vertrat die Ansicht, die Erfindung sei im Sinne der Artikel 83 und 100 b) EPÜ ausreichend offenbart und der Gegenstand des erteilten Patents gehe nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprüngliche Fassung im Sinne der Artikel 123 (2) und 100 c) EPÜ hinaus.
Ausgehend vom nächstkommenden Stand der Technik wie er in der Druckschrift D6 offenbart sei, stellte die Einspruchsabteilung fest, keines der zitierten Dokumente zeige für die im Patent gestellte Aufgabe eine Lösung, die der im Anspruch 1 des Patents vorgeschlagenen Lösung ähnlich sei. Daher beruhe die im Anspruch 1 des angefochtenen Patents vorgeschlagene Lösung auf einer erfinderischen Tätigkeit.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 20. Dezember 1991 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die vorgeschriebene Gebühr entrichtet.
Die Beschwerdebegründung ging am 21. Februar 1992 ein. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sei das Patent zu widerrufen, da es eine unzulässige Änderung enthalte (Artikel 100 c) bzw. 123 (2) EPÜ) und der beanspruchte Gegenstand auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 100 a) bzw 56 EPÜ).
V. Im Bescheid vom 1. Oktober 1992 zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vertrat die Kammer die vorläufige Auffassung, daß die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente in bezug auf eine behauptete unzulässige Änderung nicht überzeugten.
In der mündlichen Verhandlung sei insbesondere zu diskutieren, ob es ausgehend von dem in der D1 offenbarten, nächstkommenden Stand der Technik unter Berücksichtigung der übrigen Entgegenhaltungen, insbesondere der Dokumente D3, D6 und D16 und im Hinblick auf die Tatsache, daß auswechselbare Materialbehälter im Zusammenhang mit dem Aufbringen von Materialien dem Fachmann an sich bekannt seien (D7), nahegelegen habe, zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen.
VI. Es wurde am 31. Mai 1994 mündlich verhandelt.
VII. Die Beschwerdeführerin beantragte den Widerruf des Patents. Ihr Vorbringen im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung läßt sich wie folgt zusammenfassen:
Einwand nach Artikel 100 c) EPÜ
Der ursprünglich eingereichte Anspruch 1 beanspruche im kennzeichnenden Teil nur ein wegnehmbar auf dem Fahrzeug gelagertes Rohr, das das Füllmaterial enthalte und kein "leicht" wegnehmbares Rohr gemäß dem erteilten Anspruch sei.
In der ursprünglichen Beschreibung (Seite 8, Zeilen 15 bis 20) werde zwar auf ein leichtes Abmontieren der Spachtelvorrichtung vom Rohr hingewiesen. Dies bedeute aber lediglich, daß die nur am Rohr befestigte Spachtelvorrichtung leicht vom Rohr abmontierbar sein solle, sei aber noch keine Offenbarung dafür, daß das Rohr selbst "leicht" vom Fahrzeug wegnehmbar sei. Im erteilten Anspruch 1 werde daher Schutz für eine Ausführungsform beansprucht, die in der ursprünglich eingereichten Anmeldung nicht offenbart sei.
Auch in Anbetracht der Rechtsprechung der Beschwerdekammern, wie sie sich aus den Entscheidungen T 0017/86 (ABl. EPA 1989, 297) und T 0066/85 (ABl. EPA 1989, 167) ergebe, fehle eine ausreichende Grundlage für den erteilten Patentanspruch 1.
Dieser entspreche daher nicht den Erfordernissen von Artikel 100 c) bzw. 123 (2) EPÜ.
Einwand nach Artikel 100 a), bzw. Artikel 56 EPÜ
Der nächstkommende Stand der Technik sei in der D1 offenbart. Die dort in bezug auf die Figuren 6 und 7 beschriebene bekannte Vorrichtung betreffe eine Spachtelvorrichtung, welche die im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 angegebene Merkmalskombination aufweise.
Zum Füllen des Behälters für die Spachtelmasse sei der Behälterzylinder wegnehmbar ausgestaltet und zur Realisierung der Wegnehmbarkeit müßten zwangsläufig und daher für den Fachmann offensichtlich irgendwelche auch im angefochtenen Patent nicht näher angedeutete "Verschlüsse" und "Verriegelungen" vorgesehen sein.
Wenn die sich in dem Behälter befindende Spachtelmasse nicht ausreiche, um in einem Arbeitsgang alle Risse und Vertiefungen auszufüllen, stelle sich das Problem des Nachfüllens des Behälters. Bei der Suche nach einer Lösung dieses Problems werde der Fachmann auf die in der Entgegenhaltung D3 offenbarte Vorrichtung stoßen. Ähnlich wie die D1 offenbare auch die D3 eine Vorrichtung zum Ausfüllen und Verleimen von Vertiefungen aller Art, die jedoch mit mehreren, lösbar gekoppelten Behältern für das genannte Material versehen sei. Jeder Behälter sei ein mit dem Fahrzeug verbundenes, Material enthaltendes Rohr und stelle also im wesentlichen eine fahrbare, auswechselbare Kartusche dar. Dadurch werde der Fachmann angeregt, zur Lösung des genannten Problems den aus D1 bekannten Behälter durch eine leicht auswechselbare Kartusche gemäß der Offenbarung der D3 zu ersetzen, und gelange so in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand.
Im übrigen sei die Verwendung von auswechselbaren Kartuschen dem Fachmann wohlbekannt, denn in jedem Baumarkt würden Kartuschen für Abdichtmassen angeboten, die leicht lösbar und auswechselbar seien, wie in der D7 gezeigt werde.
Auch von der D3 ausgehend fehle dem Gegenstand des Anspruchs 1 jede erfinderische Tätigkeit. Zwar führe die angefochtene Entscheidung aus, daß die Behälter nach der D3 nicht als auf dem Fahrzeug gelagerte Rohre betrachtet werden könnten, es bedürfe jedoch keiner erfinderischen Tätigkeit, zur Lösung der gestellte Aufgabe nunmehr das Fahrgestell und den Behälter getrennt auszubilden, weshalb der Fachmann alleine schon auf der Basis der Offenbarungen nach der D3 ohne erfinderische Leistung zur Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1 des angefochtenen Patents gelange.
Darüber hinaus unterscheide sich die beanspruchte Vorrichtung von der Vorrichtung nach der D6 lediglich durch eine Fernsehkamera und eine "leichte" Wegnehmbarkeit des Rohrs vom Fahrzeug und der Spachtelvorrichtung.
Die Verwendung einer Fernsehkamera habe aber bei der Beurteilung der erfinderische Tätigkeit außer Betracht zu bleiben, da dieses Merkmal zur Lösung der gestellten Aufgabe nichts beitrage. Um den Behälter in Form eines Rohrs aus der Vorrichtung gemäß der D6 herauszunehmen, müßten nur Spannschrauben gelöst werden, die Spachtelvorrichtung bleibe dann an dem linken Verschlußdeckel befestigt, was jedoch auch beim Gegenstand des angegriffenen Patents der Fall sei.
Das Lösen einiger Spannschrauben erfordere nicht mehr Zeit als das Lösen von "Verriegelungen" und "Verschlüssen". Es handele sich dabei um glatt äquivalente Lagefixierungsmittel zu den aus D6 bekannten Spannschrauben. In diesem Zusammenhang könne auch auf die D16 verwiesen werden.
Auch aufgrund der Offenbarungen der D6 und D16 sei also eine erfinderische Tätigkeit zu verneinen.
VIII. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde. Zur Stützung ihres Antrags trug sie im wesentlichen folgendes vor:
Zum Einwand nach Artikel 100 c) EPÜ
Die Verwendung des Adverbs "leicht" im erteilten Anspruch 1 sei berechtigt, weil die ursprüngliche Beschreibung (Seite 8, Absatz 1) für das Lösen und Auswechseln des Rohrs angebe, daß ... "lediglich zuerst die Spachteleinrichtung nach Lösen der Verschlüsse abmontiert und die Verriegelungen gelöst werden müssen ... . Der Austausch geht also sehr rasch vor sich, und die Vorrichtung kann sofort und praktisch ohne Zeitverlust wieder zum Einsatzort gelangen". Für den Fachmann bedeute dies, daß keine besonderen Werkzeuge für das Wechseln des Rohrs notwendig seien und das Auswechseln daher "leicht" ausgeführt werden könne.
Zum Einwand nach Artikel 100 a) EPÜ
Der nächstkommende Stand der Technik sei in der D1 offenbart. Diese Druckschrift zeige eine Vorrichtung mit den im Oberbegriff des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents angegebenen Merkmalen.
Das Patent selbst nenne die erfindungsgemäß zu lösende Aufgabe klar und deutlich (Spalte 1, Zeilen 52 bis 64). Sie bestehe darin, die aus der D1 bekannte Vorrichtung so zu verbessern, daß sie an einer begehbaren Stelle zum Auffüllen nur noch kurz gewartet werden müsse und dann sofort wieder einsatzbereit sei. Die Reinigung des Behälters und dessen Wiederauffüllen könnten damit unabhängig vom Einsatz der Vorrichtung durchgeführt werden, was insbesondere beim normalerweise verwendeten Spachtelmaterial mit kurzer Aushärtezeit die Wartung besonders vereinfache.
In der D1 werde zwar auch ein Zylinder als Behälter verwendet, dessen Kolben sei jedoch mittels einer Kolbenstange geführt und sei somit nicht "frei" beweglich im Sinne der im Patent beanspruchten Vorrichtung. Der Füllvorgang des Rohres sei zwar nicht näher beschrieben, es sei jedoch klar, daß ein Auswechseln des Behälters konstruktiv nicht vorgesehen sei und auch anderweitig nicht angedeutet werde.
Die von der Beschwerdeführerin bezüglich des Auswechselns des Behälters für besonders relevant erachtete D3 betreffe keine Vorrichtung zum Ausfüllen und Verleimen von Vertiefungen. Sie sei nicht fernsteuerbar und enthalte auch keine Hinweise auf totzeitfreies Arbeiten. Die Vorrichtung enthalte mehrere Tankwagen, in denen die zwei Komponenten einer Kunststoff-Schutzschicht getrennt gespeichert seien, die aus diesen Tankwagen mittels durch Druckluft beaufschlagter Kolben über besondere Leitungen in einen Mischwagen geleitet würden. Das Beschichtungsmaterial gelange von dort aus drucklos auf den Rohrboden, bevor es von rotierende Bürsten aufgenommen und auf die Rohrinnenseite verteilt werde. Eine Verbindbarkeit mit der Vorrichtung nach der D1 sei nicht erkennbar und ein Auswechseln der Tankwagen werde nicht einmal angesprochen.
Der Vorrichtung nach der D6 könne ebenfalls kein Hinweis auf die beanspruchte Lösung entnommen werden, denn die Handhabung dieser bekannten Vorrichtung erfordere offensichtlich nach jeder Entleerung des Behälterrohres ein Zerlegen des gesamten Fahrzeugs, um das Behälterrohr erneut mit Spachtelmasse zu befüllen. Dasselbe gelte in bezug auf die Vorrichtung nach der D16.
Die aus der D7 bekannten Kartuschen seien nur für Handgeräte konzipiert und für einen Einbau in eine Vorrichtung nach der D1 überhaupt nicht geeignet. Übrigens würden diese Kartuschen ausschließlich zusammen mit einer auf die Kartusche aufgesetzten Düse verwendet.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.
2. Einwand nach Artikel 100 c) EPÜ
2.1. Der erteilte Anspruch 1 basiert auf den ursprünglichen Ansprüchen 1, 3 und 5 sowie auf Merkmalen, die der ursprünglichen Beschreibung Seite 8, Zeilen 3 bis 10 entnommen wurden. Diese Beschreibungsstelle bildet insbesondere die Grundlage für das Merkmal, daß nach erfolgter Leerung durch bloßes Lösen von Verriegelungen und Verschlüssen das Behälterrohr sowohl vom Fahrzeug als auch von der Spachtelvorrichtung leicht wegnehmbar und durch ein anderes, mit Spachtelmaterial gefülltes und ebenfalls einen Kolben aufweisendes Rohr ersetzbar ist.
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 6 basieren auf den ursprüngliche Ansprüchen 2, 4 und 6 bis 8.
Die ersten Merkmale des Anspruchs 3 stützen sich auf die Beschreibung, Seite 6, letzter Absatz und Seite 7, erster Absatz.
2.2. Die Offenbarung der "leichten" Wegnehmbarkeit des Behälterrohres im erteilten Anspruch 1 wurde von der Beschwerdeführerin in Frage gestellt.
Aus der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 8, Zeilen 3 bis 20, geht jedoch hervor, daß "lediglich" Verschlüsse abmontiert und Verriegelungen gelöst werden müssen, um das Behälterrohr "sehr rasch" auszutauschen. Auch wird darauf hingewiesen, daß die Spachtelvorrichtung "leicht" vom Rohr abmontierbar sein muß. Schließlich geht aus der Figur 1 hervor, daß die Verschlüsse und Verriegelungen mit Handgriffen ausgestaltet sind.
Diese Offenbarung ist nach Auffassung der Kammer eine eindeutige Stütze dafür, daß durch bloßes Lösen der Verschlüsse und der Verriegelungen und ohne Zuhilfenahme besonderer Werkzeuge das Behälterrohr vom Fahrzeug und von der Spachtelvorrichtung weggenommen werden kann. Der relative Ausdruck "leicht wegnehmbar" steht daher in Einklang mit den Maßnahmen, mit welchen die so bezeichnete Wegnehmbarkeit konstruktiv verwirklicht wird, und die Verwendung des Begriffes "leicht" zur näheren Umschreibung der Wegnehmbarkeit kann daher nicht als unzulässige Änderung der Ursprungsunterlagen angesehen werden.
Auch aus den von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidungen T 0017/86 und T 0066/85 folgt, daß ursprünglich in den Ansprüchen nicht vorhandene Begriffe durchaus in einem Anspruch aufgenommen werden können, wenn sie von der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldungsunterlagen gestützt sind.
Obwohl also keine direkte, wörtliche Offenbarung einer "leichten" Wegnehmbarkeit des Behälterrohres sowohl vom Fahrzeug als auch von der Spachtelvorrichtung in der ursprünglich eingereichten Patentanmeldung vorhanden ist, folgt eine solche "leichte" Wegnehmbarkeit für den Fachmann in offensichtlicher Weise aus dem Gesamtzusammenhang der Patentanmeldung in ihrer eingereichten Fassung. Die Aufnahme dieses Merkmals in den Anspruch 1 verstößt somit nicht gegen Artikel 100 c) bzw. Artikel 123 (2) EPÜ.
3. Neuheit
Die Neuheit des Anspruchsgegenstandes folgt schon daraus, daß der entgegengehaltene Stand der Technik keine Vorrichtung zum Ausfüllen und Verleimen von Vertiefungen in einer nichtbegehbaren Rohrleitung offenbart, die einen Behälter in Form eines Rohres mit einem frei beweglichen Kolben enthält, wobei das Rohr nach erfolgter Leerung durch bloßes Lösen von Verriegelungen und Verschlüssen sowohl vom Fahrzeug als auch von der Spachtelvorrichtung leicht wegnehmbar und durch ein anderes, mit Material gefülltes und ebenfalls einen Kolben aufweisendes Rohr ersetzbar ist.
Da die Neuheit nicht bestritten wurde, erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf diese Frage.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1. Den dem Gegenstand nach Anspruch 1 des angefochtenen Patents am nächsten kommenden Stand der Technik stellt nach Auffassung der Kammer die schon in der Beschreibungseinleitung des Patents berücksichtigte D1 dar (siehe Spalte 1, Zeilen 17 bis 51 der Patentschrift).
Diese Druckschrift offenbart mit Bezug auf die Figuren 6 und 7 eine Vorrichtung, die zum Ausfüllen und Verspachteln einer nichtbegehbaren Rohrleitung dient. Diese bekannte Vorrichtung hat alle im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 aufgeführten Merkmale und darüber hinaus auch die kennzeichnenden Merkmale, daß der Behälter ein auf dem Fahrzeug selber gelagertes, das Material enthaltendes Rohr (Zylinder 79) ist und das Material durch einen im Innern des Rohrs beweglichen, über eine Leitung (82) mit Druckluft beaufschlagbaren Kolben (81) in die Spachtelvorrichtung hinein entleerbar ist (siehe auch die Beschreibung der D1, Seite 12, letzter Absatz und Seite 13 erster Absatz).
Der Anspruch 1 des angefochtenen Patents entspricht damit nicht dem Erfordernis der Regel 29 (1) EPÜ. Da ein solcher Verstoß jedoch keinen Einspruchsgrund darstellt, muß er im vorliegenden Fall bei der Beurteilung der Bestandsfähigkeit des Patents unberücksichtigt bleiben.
4.2. Die Einspruchabteilung hat die Druckschrift D6 als den relevantesten Stand der Technik angesehen. Die Beschwerdeführerin war der Meinung, daß auch die D3 als nächstkommender Stand der Technik in Frage käme.
Die Vorrichtungen nach diesen Druckschriften werden jedoch jeweils mittels Kabel o. dgl. in einer Richtung durch die Rohrleitung gezogen (siehe D6, Spalte 2, Zeilen 29 bis 33 und D3, Seite 7, Zeilen 30 bis 32, 39 bis 42, Seite 10, Zeilen 39 bis 41) und betreffen daher keine im Sinne des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents ferngesteuerten Fahrzeuge. Als solche sind ausschließlich, wie auch von der Beschwerdegegnerin vorgebracht wurde, Fahrzeuge mit ferngesteuerten, eigenen Antrieben zu verstehen.
Bei der bekannten Vorrichtung nach der D6 fehlt auch eine zum Auffinden der Vertiefungen dienende Fernsehkamera. Ohnehin offenbaren weder die D6 noch die D3 weitere, nicht schon von der D1 gezeigte Merkmale des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents.
4.3. Wie bei der aus der D1 bekannten Vorrichtung das Füllen des Materialzylinders ausgeführt wird, ist dieser Druckschrift nicht eindeutig entnehmbar. Auf Seite 13, Zeilen 6 bis 9 wird lediglich angegeben, daß der Zylinder 79 jeweils vor Beginn des Einsatzes des Wagens gefüllt wird, also noch bevor dieser in die Rohrleitung eingebracht wird. Ein Nachfüllen während des Einsatzes wird nicht angesprochen.
Diese bekannte Vorrichtung hat den Nachteil, daß die Zuleitung für das Spachtelmaterial zur Spachteleinrichtung in der Vorrichtung fest eingebaut ist und nach jeder ausgeführten Arbeit an einer begehbaren Stelle von der Spachtelmasse befreit werden muß, was längere Stillsetzungen der Vorrichtung zur Folge hat. Auch das Nachfüllen erfordert offensichtlich das Herausnehmen des Fahrzeuges aus der Rohrleitung.
Im Einklang mit der in der Beschreibung in Spalte 1, Zeilen 52 bis 64 des Patents genannten Aufgabe soll durch die vorliegende Erfindung die aus der D1 bekannte Vorrichtung so verbessert werden, daß sie an einer begehbaren Stelle nur noch kurz gewartet werden muß und dann sofort wieder einsatzbereit ist. Die Reinigungsarbeiten und auch das Wiederauffüllen mit Spachtelmaterial können damit unabhängig vom Einsatz der Vorrichtung durchgeführt werden.
Diese Aufgabe wird von der Vorrichtung nach Anspruch 1 des Patents insbesondere dadurch gelöst, daß nach erfolgter Leerung des Behälterrohres durch bloßes Lösen von Verriegelungen und Verschlüssen das Behälterrohr sowohl vom Fahrzeug als auch von der Spachtelvorrichtung leicht wegnehmbar und durch ein anderes, mit Material gefülltes und einen frei beweglichen Kolben aufweisendes Rohr ersetzbar ist.
Auf diese Weise kann die Vorrichtung innerhalb kürzester Zeit an jeder begehbaren Stelle wieder betriebsbereit gemacht werden, während das ausgewechselte Rohr samt seinem Kolben in Ruhe gereinigt und wieder neu gefüllt werden kann.
4.4. Die Beschwerdeführerin war der Ansicht, daß die D3 dem Fachmann einen Hinweis vermittle, den aus der D1 bekannten Zylinder durch eine auswechselbare Kartusche zu ersetzen, woraus sich der Patentgegenstand in naheliegender Weise ergebe.
Nach Auffassung der Kammer ist der D3 jedoch weder die Verwendung von austauschbaren Kartuschen mit frei beweglichen Kolben zu entnehmen, noch findet sich darin ein Hinweis auf die zur raschen Auswechslung notwendigen Verriegelungen und Verschlüsse, oder die Abkupplung des Behälters von der Spachtelvorrichtung selbst.
Die aus D3 bekannte Vorrichtung betrifft vielmehr im wesentlichen einen aus mehreren Wagen bestehenden Zug, der mit einer Einrichtung zum Beschichten der Innenwand eines nicht begehbaren Rohres versehen ist. Der Zug enthält mehrere Tankwagen, in denen die beiden Komponenten einer Kunststoff-Schutzschicht getrennt gespeichert sind, die aus diesen Tankwagen mittels durch Druckluft beaufschlagter Kolben über Leitungen in einen Mischwagen geleitet und aus diesem durch eine Mischförderschnecke ausgetragen werden (siehe Figur 11). Wegen des völlig anderen Aufbaus dieser Vorrichtung, insbesondere bezüglich der Förderung der Spachtelmasse zur Spachtelvorrichtung, der Verwendung einer separaten Mischvorrichtung und der Verwendung mehrerer Tankwagen, sowie dem fehlenden Bezug zu dem im Patent gestellten Problem hat der Fachmann, nach Auffassung der Kammer, weder einen Grund, diese Druckschrift überhaupt zu berücksichtigen, noch wäre er unter Berücksichtigung der darin gezeigten Vorrichtung zum Gegenstand des angefochtenen Patent gelangt. In diesem Zusammenhang sei noch bemerkt, daß die Tankwagen zwar mit Druckluft beaufschlagbare Kolben aufweisen, diese Kolben jedoch mittels einer Stange (852 in Figur 11) geführt werden und daher ebensowenig wie der Kolben aus der D1 im Sinne des Patentanspruchs 1 "frei" beweglich sind.
Die Kammer kann der Beschwerdeführerin auch nicht darin folgen, daß die Tankwagen als auswechselbare Kartuschen angesehen werden können. Die Tankwagen sind eindeutig als geschlossene, koppelbare, mit Rädern versehene Behälter mit koppelbaren Leitungsanschlüssen offenbart, die zwar offensichtlich als Einheit ausgewechselt werden können, zur Lösung des oben angegebenen Problems in der beanspruchten Form aber nichts beitragen können, wobei insbesondere auch die patentgemäße Ankupplung der Spachtelvorrichtung am Rohr zwecks Vermeidung eines Verbindungsrohrs zu berücksichtigen ist.
4.5. Auch die ferner genannten Druckschriften D6 und D16 können dem Fachmann keine Anregungen in Richtung der beanspruchten Lösung vermitteln, da dort ein Auswechseln der bekannten Behälterzylinder nicht angesprochen ist und sie konstruktiv derart in die bekannten Vorrichtungen integriert sind, daß ein Auswechseln ohne das Herausnehmen der Vorrichtung aus der Rohrleitung und ihre Zerlegung ohnehin ausgeschlossen erscheint. Des weiteren sind auch hier die Kolben nicht frei beweglich (in D6 ist der Kolben mit einem Kabel 74 verbunden und in D16 wird der Kolben über eine Kolbenstange angetrieben), was eine Auswechslung des Rohres samt seinem Kolben ebenfalls nicht nahelegt.
4.6. Die aus der D7 bekannten Kartuschen für Handgeräte haben keinen Bezug zu einer Vorrichtung der im Anspruch 1 des angefochten Patents angegebenen Art. Sie können ebenfalls keine Anregung zur Lösung des gestellten Problems vermitteln, weil diese Kartuschen als selbständige Einheiten samt Austrittsdüse verwendet werden und daher ihre Auswechselbarkeit ohne jeglichen Zusammenhang mit einer leicht lösbaren Verbindung sowohl zu einem Fahrzeug als auch zu einer Spachtelvorrichtung bleibt.
4.7. Die im Einspruchsverfahren noch genannten weiteren Dokumente liegen offensichtlich weiter vom beanspruchten Gegenstand ab als der oben berücksichtigte Stand der Technik. Im Hinblick darauf, daß diese Dokumente weder in der angefochtenen Entscheidung eine Rolle spielten, noch im Beschwerdeverfahren von der Beschwerdeführerin aufgegriffen wurden, sieht die Kammer keinen Anlaß, auf sie im Detail einzugehen.
5. Zusammenfassend kommt die Kammer daher zu dem Ergebnis, daß die im Verfahren befindlichen Druckschriften weder für sich noch in irgendwelchen Kombinationen oder in Verbindung mit dem einem Fachmann zu unterstellenden Wissen dem Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf das Erfordernis der erfinderische Tätigkeit patenthindernd entgegenstehen (Artikel 56 EPÜ), so daß das Patent auf der Basis des erteilten Anspruchs 1 Bestand hat.
Bestandsfähig sind auch die abhängigen Ansprüche 2 bis 6, die vorteilhafte Ausgestaltungen des Gegenstandes des Anspruchs 1 beinhalten (Regel 29 (3) EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.