T 0066/85 (Verbinder) of 9.12.1987

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1987:T006685.19871209
Datum der Entscheidung: 09 Dezember 1987
Aktenzeichen: T 0066/85
Anmeldenummer: 80301128.7
IPC-Klasse: H01R 23/66
Verfahrenssprache: EN
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: AMP
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.01
Leitsatz: 1. Wird im Verfahren zu einer europäischen Patentanmeldung ein technisches Merkmal aus einem Anspruch gestrichen, um bestimmte Ausführungsarten der Erfindung nicht vom Patentschutz auszuschließen, so verstößt diese Anspruchserweiterung dann nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ, wenn ein dieses Merkmal nicht enthaltender Anspruch von der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung gestützt wird. Dabei ist unerheblich, ob das betreffende Merkmal für die dem beanspruchten Gegenstand zugrunde liegende erfinderische Idee relevant ist.
2. Sind bestimmte Ausführungsarten einer Erfindung, die durch eine Erweiterung des Anspruchs (z. B. durch Streichung eines technischen Merkmals) in seinen Umfang aufgenommen werden, nur in den ursprünglich eingereichten Zeichnungen offenbart, so verstößt diese Erweiterung dann nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ, wenn der Fachmann diese Ausführungsarten den Zeichnungen klar und unzweideutig entnehmen kann.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Anspruchserweiterung (zugelassen) - nur durch Zeichnungen gestützt (ursprünglich eingereichte)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0248/88
T 0392/89
T 0748/89
T 0118/91
T 0319/91
T 0027/92
T 0441/92
T 0545/92
T 0191/93
T 0058/94
T 0228/98
T 1040/98
T 0690/05
T 1726/06
T 1515/11
T 2019/16

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 9. April 1980 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 80 301 128.7 (Veröffentlichungsnummer 0 018 160), die eine Priorität vom 11. April 1979 und eine vom 23. November 1979 (beide US) in Anspruch nimmt, wurde mit Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 18. Oktober 1984 zurückgewiesen. Der Entscheidung lagen die am 25. Januar 1984 eingereichten Ansprüche 1 bis 7 zugrunde.

II. Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß Anspruch 1 in einer nach Artikel 123 (2) EPÜ nicht zulässigen Weise über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgehe. Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, daß die ursprüngliche Offenbarung auf einen Verbinder der angegebenen Art mit einer Verbindungsschiene beschränkt gewesen sei, die sich über beide Oberflächen des Grundkörpers erstrecke; dieses Merkmal komme zwar im ursprünglichen Anspruch 1, nicht jedoch in dem am 25. Januar 1984 eingereichten Anspruch 1 vor.

III. Die Beschwerdeführerin legte gegen diese Entscheidung am 10. Dezember 1984 Beschwerde ein.

(...)

V. Die Beschwerdeführerin beantragte als Hauptantrag die Erteilung eines europäischen Patents auf der Grundlage der am 25. Januar 1984 eingereichten Ansprüche 1 - 7. Der am 25. Januar 1984 eingereichte Anspruch 1 lautet wie folgt:

1. Elektrischer Verbinder für den Anschluß eines mehradrigen Flachkabels mit einem Grundkörper (1) aus elektrisch isolierendem Material, wobei auf zwei einander gegenüberliegenden Oberflächen des Grundkörpers (1) jeweils eine Reihe elektrischer Anschlußklemmen (2) angebracht sind, die ein Anschlußstück (3) aufweisen, das an einem Ende des Grundkörpers angeordnet ist, wobei die Anschlußklemmen (2) ferner ein Leiter-Anschlußteil (4) zur Herstellung einer elektrischen Verbindung mit einem Leiter (101) des mehradrigen elektrischen Flachkabels (100) aufweisen, wobei die Oberflächen des Grundkörpers (1) mit Vertiefungen (9) zur Aufnahme der Leiter (101) des Kabels (100) und zur Führung der Leiter (101) der Leiter-Anschlußteile (4) der Anschlußklemmen (2) versehen sind, wobei die Vertiefungen (9) zu dem genannten Ende des Grundkörpers (1) hin offen sind und eine Abdeckung über den genannten Oberflächen vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Leiter-Anschlußteile (4) die Form von geschlitzten Platten aufweisen, und daß beiderseits des Grundkörpers (1) je eine Verbindungsschiene (5) mit mehreren geschlitzten Plattenteilen (6) vorhanden ist, die in einer Reihe parallel zu den Reihen der geschlitzten Platten der Leiter- Anschlußteile (4) der Anschlußklemmen angeordnet sind, und daß die Abdeckung des Grundkörpers (1) zwei Teile (7, 8) aufweist, die über den genannten Oberflächen des Grundkörpers (1) bzw. den Anschlußklemmen (4) und der Schiene (5) angebracht sind, daß die Vertiefungen (9) zum Rand des Grundkörpers (1) hin mittels Aufnahmeöffnungen (11) offen sind, die so geformt sind, daß sie die Leiter (101), die in die Öffnungen (11) in einer planparallelen Reihe eingeführt werden, so führen, daß sie die beiden Oberflächen des Grundkörpers (1) überdecken, wobei die elektrischen Verbindungen dann dadurch hergestellt werden, daß die Leiter (101) quer zu ihren Achsen in die Schlitze in den Leiter-Anschlußteilen (4) der Anschlußklemmen (2) und in das mit Schlitzen versehene Plattenteil (6) der Verbindungsschiene hineingleiten.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 - 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist somit zulässig.

2. Wie die Prüfungsabteilung insbesondere unter den Nummern 13 und 16 ihrer Entscheidung zu Recht festgestellt hat, ist Artikel 123 (2) EPÜ so auszulegen, daß eine völlige Streichung eines Merkmals aus einem Anspruch, durch die sein Umfang erweitert wird, auch dann nicht zulässig ist, wenn dieses Merkmal für die Merkmale nicht relevant ist, die bei dem beanspruchten Gegenstand die erfinderische Idee ausmachen, es sei denn, in der ursprünglichen Anmeldung ist eine Grundlage für einen solchen erweiterten Anspruch vorhanden. Diese Grundlage braucht nicht in einer ausdrücklichen Formulierung zu bestehen; sie muß jedoch so klar sein, daß sie für den Fachmann eindeutig als solche erkennbar ist. Infolgedessen braucht im Einzelfall nicht darüber entschieden zu werden, ob ein weggelassenes Merkmal für die erfinderische Idee relevant ist oder nicht.

3. Die Prüfungsabteilung hat entsprechend Nummer 14 ihrer Entscheidung den Ausdruck "eine Verbindungsschiene, die sich über beide Oberflächen des Grundkörpers erstreckt" nur als eine Anordnung verstanden, bei der (wie in den Abbildungen 7 - 10 der vorliegenden Anmeldung und in Abbildung 4A der in der ursprünglichen Anmeldung als Stand der Technik angegebenen Druckschrift US-A-4 094 566 gezeigt) die Schiene zunächst über die eine große Oberfläche des Grundkörpers, dann um ein Ende herum und schließlich über die andere große Oberfläche wieder zurückläuft. Die Prüfungsabteilung war offensichtlich der Auffassung, daß der ursprünglichen Anmeldung keine andere Anordnung der Verbindungsschiene zu entnehmen sei, und stellte sich auf den Standpunkt, daß der fragliche Ausdruck aufgrund von Artikel 123 (2) EPÜ im Anspruch 1 verbleiben müsse, da dieser sonst unzulässig erweitert würde.

4. Die Beschwerdeführerin hielt diese Auslegung des betreffenden Ausdrucks für zu eng und weigerte sich, ihn wieder in Anspruch 1 aufzunehmen.

5. Die Beschwerdekammer stimmt der Prüfungsabteilung darin zu, daß in der Regel die in den Ansprüchen verwendeten Begriffe streng anhand dessen ausgelegt werden sollten, was in der Anmeldung als Ganzem offenbart ist, gegebenenfalls einschließlich aller darin enthaltenen Bezugnahmen auf den Stand der Technik.

6. Nach Prüfung der Argumente der Prüfungsabteilung und der Gegenargumente der Beschwerdeführerin gelangt die Kammer zu der Auffassung, daß die Prüfungsabteilung den Ausdruck "eine Verbindungsschiene, die sich über beide Oberflächen des Grundkörpers erstreckt" nicht zu restriktiv ausgelegt hat.

7. Wie die Beschwerdeführerin jedoch dargelegt hat, zeigen die Abbildungen 15 und 16 eine Anordnung der Verbindungsschiene, die sich von der in den Abbildungen 7 - 10 insofern unterscheidet, als darin die mit (5) bezeichneten gestrichelten Linien anzeigen, daß die Verbindungsschiene an einer Seite des Grundkörpers in einer seitlichen Vertiefung entlangläuft, wobei diese Schiene entgegengesetzt vorspringende, mit Schlitzen versehene Plattenteile aufweist, die auf einer Seite aus der Vertiefung herausragen und auf der anderen Seite durch Öffnungen in die den Draht aufnehmenden Vertiefungen auf der gegenüberliegenden Seite des Grundkörpers eingreifen. Die Kammer räumt ein, daß dies für den Fachmann anhand des einschlägigen allgemeinen Fachwissens, das von ihm erwartet werden kann und für das die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung eine Reihe von Dokumenten des Stands der Technik als Beispiel angegeben hat, eindeutig erkennbar wäre.

8. Die Kammer ist deshalb davon überzeugt, daß der am 25.1.1984 eingereichte Anspruch 1, der der angefochtenen Entscheidung zugrunde lag, durch die Zeichnungen gestützt ist, die Teil der ursprünglich eingereichten Anmeldung sind. Die Kammer hat in diesem Zusammenhang zur Kenntnis genommen, daß bereits in der ursprünglichen Beschreibung angegeben war, daß die Erfindung anhand von Beispielen unter Bezugnahme auf die Zeichnungen beschrieben werde und daß die Abbildung 13 (auf die sich die Abbildungen 15 und 16 beziehen) einen anderen erfindungsgemäßen Verbinder zeige. Wenn die Zeichnungen an sich keinen Zweifel über ein bestimmtes darin gezeigtes Merkmal lassen, bedarf es keiner Beschreibung in Worten. Der Anspruch verstößt somit nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 18. Oktober 1984 wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Prüfungsabteilung mit der Auflage zurückverwiesen, die Prüfung fortzusetzen und dabei davon auszugehen, daß der am 25. Januar 1984 eingereichte Anspruch 1 nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstößt.

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