European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1987:T001987.19870416 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 16 April 1987 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0019/87 | ||||||||
Anmeldenummer: | 82304491.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | G03F 7/26 | ||||||||
Verfahrenssprache: | EN | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | Fujitsu | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.4.01 | ||||||||
Leitsatz: | 1. Stellt die Mitteilung eines Verfahrensbeteiligten sinngemäss einen Antrag auf mündliche Verhandlung dar, so darf eine Zurückweisungsentscheidung nicht ohne vorherige Anberaumung einer solchen getroffen werden. 2. Die - wenn auch falsche - Feststellung in einer Entscheidung, dass keine mündliche Verhandlung beantragt worden sei, ist weder a) eine Begründung der Zurückweisungsentscheidung, so dass auch kein Verstoss gegen Artikel 113(1) EPÜ vorliegt, noch ist sie b) ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne der Regel 67 EPÜ. |
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Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Antrag auf Rücksprache zur Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung Zurückweisungsentscheidung ohne vorherige mündliche Verhandlung Entscheidung als von Anfang an nichtig aufgehoben Zurückverweisung der Anmeldung an die Prüfungsabteilung zur Durchführung einer mündl.Verhandl./kein wesentlicher Verfahrensmangel |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung wurde am 25. August 1982 eingereicht. Die Prüfungsabteilung erließ am 21. Januar 1985 einen Bescheid nach Artikel 96 (2) EPÜ und forderte die Beschwerdeführerin zur Stellungnahme auf. Diese reichte am 31. Juli 1985 eine schriftliche Stellungnahme ein, die mit folgender Erklärung schloß: "Sollte der Prüfer noch immer Einwände gegen die vorliegende Anmeldung haben, so bitte ich, mir Gelegenheit zu geben, diese telefonisch oder durch persönliche Rücksprache zu erörtern, bevor ein negativer Bescheid ergeht." In einem weiteren, vom 15. Oktober 1985 datierten Bescheid nach Artikel 96 (2) EPÜ, der wiederum eine Aufforderung zur Stellungnahme enthielt, stellte die Prüfungsabteilung fest, daß keiner der Ansprüche der Anmeldung erfinderisch sei, und schloß mit der Erklärung: "Unter diesen Umständen erscheint eine Rücksprache nicht sachdienlich. Sollte die Anmelderin jedoch nach Artikel 116 EPÜ eine mündliche Verhandlung beantragen, so würde diese anberaumt." Die Beschwerdeführerin reichte daraufhin am 25. April 1986 ein vom 23. April 1986 datiertes Schreiben mit ihrer Stellungnahme ein, das mit folgender Erklärung schloß:
"Sollte der Prüfer mit dem Vorbringen nicht einverstanden sein, so beantrage ich vor Zurückweisung der Anmeldung nochmals eine Rücksprache zur Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung."
Am 4. August 1986 erging eine Zurückweisungsentscheidung, in der die Auffassung vertreten wurde, daß "Anspruch 1 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar" sei und daß "weder die abhängigen Ansprüche noch die Beschreibung einen erfinderischen Gegenstand" aufwiesen. Daran schloß sich folgende Feststellung an: "Unter diesen Umständen erscheint die von der Anmelderin beantragte Rücksprache nicht sachdienlich. Obwohl die Prüfungsabteilung der Anmelderin dies mitgeteilt und sie darauf hingewiesen hatte, daß sie nach Artikel 116 EPÜ eine mündliche Verhandlung beantragen könne (Bescheid vom 15. Oktober 1985, Seite 2), hat sie keine Verhandlung beantragt, sondern auf einer Rücksprache bestanden." Das Patent werde deshalb zurückgewiesen.
(...)
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist somit zulässig.
2. Es geht hauptsächlich um die Frage, ob der Schlußsatz des Schreibens der Beschwerdeführerin vom 23. April 1986 aus dem Gesamtzusammenhang heraus (siehe Nr. I) einen Antrag auf mündliche Verhandlung im Sinne des Artikels 116 EPÜ darstellt. Nach Auffassung der Kammer enthält dieser Satz sinngemäß zwei Anträge, nämlich einen auf Rücksprache und einen auf mündliche Verhandlung.
3. Natürlich ist ein Antrag auf Rücksprache an sich kein Antrag auf eine mündliche Verhandlung. Ebensowenig ist die Prüfungsabteilung verpflichtet, einem Antrag auf Rücksprache stattzugeben. In den "Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt" wird unter Nummer C.VI, 6.1 die übliche Verfahrensweise wie folgt beschrieben: "Beantragt der Anmelder oder sein Vertreter eine Rücksprache, so ist diesem Antrag zu entsprechen, es sei denn, der Prüfer ist der Ansicht, daß eine solche Unterredung nicht sachdienlich ist." Im vorliegenden Fall hat der Prüfer in dem Bescheid vom 15. Oktober 1985 zum Ausdruck gebracht, daß "eine Rücksprache nicht sachdienlich erscheint." Als die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf eine Rücksprache in ihrem Schreiben vom 23. April 1986 wiederholte, mußte sie sich somit darüber im klaren sein, daß ihm möglicherweise nicht stattgegeben würde. Nach Auffassung der Kammer kann der in diesem Brief formulierte Antrag auf "eine Rücksprache zur Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung" nur als gleichzeitiger Antrag auf eine Rücksprache (dem möglicherweise nicht entsprochen würde) und auf eine mündliche Verhandlung ausgelegt werden. Unter diesen Umständen muß nach Artikel 116 EPÜ vor der Prüfungsabteilung eine mündliche Verhandlung stattfinden. Die Prüfungsabteilung war nicht befugt, ihre Entscheidung zu treffen, ohne die Beschwerdeführerin zuvor zu einer mündlichen Verhandlung zu laden, so daß die Entscheidung von Anfang an nichtig ist. Der Beschwerde wird stattgegeben; die Anmeldung ist zur Durchführung der bereits beantragten mündlichen Verhandlung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen, bevor diese darüber entscheidet.
4. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, daß die Zurückweisungsentscheidung gegen Artikel 113 (1) EPÜ verstößt, ist zu klären, ob sie "auf Gründe gestützt" worden ist, zu denen sich die Beschwerdeführerin nicht hatte äußern können. Die Entscheidung wurde mit mangelnder erfinderischer Tätigkeit begründet und stützt sich auf einschlägige Beweismittel. Nach Auffassung der Kammer stellt die - wenn auch falsche - Feststellung in dieser Entscheidung, daß kein Antrag auf eine mündliche Verhandlung gestellt worden sei, keinen "Grund" dar, auf den die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung gestützt worden wäre; somit liegt auch kein Verstoß gegen Artikel 113 (1) EPÜ vor.
5. Da der Beschwerde stattgegeben worden ist, muß der Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ geprüft werden.
Nach Auffassung der Kammer ist das in Artikel 116 EPÜ verankerte rechtliche Gehör ein ganz wichtiges Verfahrensrecht. Im vorliegenden Fall hätte der Schlußsatz des Schreibens der Beschwerdeführerin vom 23. April 1986 bei vernünftiger Betrachtung die Vermutung nahelegen müssen, daß hier eine mündliche Verhandlung beantragt wurde. Besteht im Einzelfall auch nur der geringste Zweifel darüber, ob eine mündliche Verhandlung beantragt worden ist, so empfiehlt es sich in der Praxis ohne Frage, den Betreffenden um eine Klärung zu bitten.
Dennoch hat die Prüfungsabteilung im vorliegenden Fall in ihrer Entscheidung die Auffassung vertreten, daß die Beschwerdeführerin keinen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat. Obwohl diese Feststellung nach Auffassung der Kammer aus den obengenannten Gründen nicht zutrifft, liegt hier eine Fehleinschätzung der Prüfungsabteilung und kein Verfahrensmangel vor. Auch die unterlassene Rückfrage bei der Beschwerdeführerin stellt nach Auffassung der Kammer keinen Verfahrensmangel dar. Es besteht daher kein Grund zur Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 67 EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 4. August 1986 wird aufgehoben.
2. Die Anmeldung wird an die Prüfungsabteilung mit der Auflage zurückverwiesen, nach Artikel 116 EPÜ eine mündliche Verhandlung durchzuführen, bevor sie gemäß Artikel 97 EPÜ darüber entscheidet, ob ein Patent erteilt oder die europäische Patentanmeldung Nr. 82 304 491.2 zurückgewiesen wird.
3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird abgelehnt.