T 0815/02 () of 21.8.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T081502.20030821
Datum der Entscheidung: 21 August 2003
Aktenzeichen: T 0815/02
Anmeldenummer: 99108537.4
IPC-Klasse: E04B 1/86
E01B 19/00
B32B 5/26
B32B 33/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schallabsorbierende Verbundplatte
Name des Anmelders: Heraklith AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 116
European Patent Convention 1973 R 67
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (anerkannt)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr (abgelehnt)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0005/88
G 0008/88
G 0067/99
J 0010/84
J 0003/87
J 0032/87
J 0001/89
T 0019/87
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen die Entscheidung einer Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts, zur Post gegeben am 11. März 2000, mit der die europäische Patentanmeldung 99 108 537.4 (EP-A-0 971 080) wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf die Entgegenhaltungen D1 (EP-A-0 464 618) und D2 (EP-A- 0. 585 626) zurückgewiesen worden ist, hat die Anmelderin, nachfolgend die Beschwerdeführerin, am 27. April 2002 unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

II. Die beiden unabhängigen Ansprüche 1 und 9 in ihrer ursprünglichen Fassung haben folgende Wortlaut:

1. "Schallabsorbierende Verbund-Platte mit einer Fasermatte (1) und einer auf der Oberfläche der Fasermatte aufgeklebten Holzwolle-Dämmplatte (3), gekennzeichnet durch ein auf der anderen Oberfläche der Fasermatte aufgeklebtes Klies (2)."

9. "Anwendung der Verbundplatte nach einem der Ansprüche 1-8 als Schallabsorptionsplatte zwischen Eisenbahnschienen im Tunnelbereich."

III. Nach einer Mitteilung gemäß Artikel 11 (2) VOBK vom 25. März 2003, in welcher die Kammer ihre vorläufige Beurteilung der Sachlage der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht hatte, hat diese am 8. April 2003 ihren früher gestellten Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen.

IV. Sie hat beantragt,

- die angefochtene Entscheidung aufzuheben,

- ein Patent im Umfang der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1. bis 9, der ursprünglich eingereichten Beschreibungsseiten 2 bis 6, der mit Schreiben vom 20. August 2001 eingereichten Beschreibungsseite 1 und der ursprünglich eingereichten einzigen Figur zu erteilen, und

- die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

Sie hat im wesentlichen die folgende Argumente zur Stützung ihrer Anträge vorgebracht:

Das Herstellen und Aufbringen eines Vlieses auf eine Faserstoffschicht sei ein so aufwendiges und teures Verfahren, vgl. das in D2 beschriebene Verfahren, daß der Fachmann eine solche Maßnahme für die Bestückung der zweiten Seite einer Verbundplatte nicht in Betracht ziehe. Weiterhin sei der D2 nicht zu entnehmen, daß dies zu einer Verbesserung der Schallabsorption beitragen könne.

Im Prüfungsverfahren habe die Beschwerdeführerin am 20. August 2001 einen Hilfsantrag auf ein Interview gestellt und diesen später auch nie zurückgenommen. Weder in dem letzten Bescheid der Vorinstanz noch in ihrer Entscheidung sei ausgeführt worden, warum ein solches Interview nicht sachdienlich habe sein sollen, vgl. im Gegensatz dazu die Entscheidung T 0019/87. Da die Vorinstanz in zwei Bescheiden darauf hingewiesen habe, daß sie die Formulierung eines gewährbaren Anspruchs für möglich erachte, sei die Zurückweisung der Anmeldung für die Beschwerdeführerin um so überraschender gewesen, da sie habe davon ausgehen können, daß eine solche Formulierung zumindest im Rahmen eines Interviews erfolgen werde. Es liege somit ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes vor (G 0005/88, G 0007/88, G 0008/88, J 0010/84, J 0002/87, J 0003/87, J 0001/89).

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Materielle Prüfung

2. Die Kammer hat sich überzeugt, daß ein Verbundplatte gemäß Anspruch 1 nicht aus dem vorgelegten Stand der Technik hervorgeht, so daß sie als neu gilt (Artikel 52 und 54 EPÜ).

3. Unstrittig ist als nächstliegender Stand der Technik die Entgegenhaltung D1 anzusehen, die eine Mehrschicht- Leichtbauplatte mit einer Fasermatte von luftdurchlässiger Struktur und einer ein- oder beidseitigen Deckschicht aus ebenfalls luftdurchlässigem Material, insbesondere aus gebundener Holzwolle, beschreibt, mit dem Ziel, den Schallabsorptionsgrad dieser Verbundplatte zu verbessern. Eine spezielle Art von Verklebung zwischen der Fasermatte und mindestens einer der Deckschichten wird als Lösung vorgeschlagen. Da das Maximum der Schallabsorption in einem relativ niedrigen Frequenzbereich von etwa 550 Hz liegt, wird ferner vorgeschlagen, eine solche Verbundplatte als Lärmschutzverkleidung von Verkehrsräumen (Tunnels, Straßengalerien) zu verwenden. Dieser Anwendungsbereich ist auch bei der vorliegenden Erfindung bevorzugt, vgl. Anspruch 9.

4. Von dieser bekannten Verbundplatte unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 durch das Kennzeichnungsmerkmal. Dadurch wird die Schallabsorption der Platte verbessert oder zumindest erhalten im Vergleich zu der Verbundplatte nach D1, so daß die Platten als "hochabsorbierend" eingestuft werden können, vgl. die Kennwerte, die in D1 sowie in der vorliegenden Anmeldungsschrift angegeben sind. Somit wird die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, vgl. Seite 2, Absatz 4 der veröffentlichten Anmeldungsschrift, gelöst.

5. In der angefochtenen Entscheidung wurde diese Lösung als nicht erfinderisch angesehen, weil die Anordnung eines Vlieses auf einer Seite einer Fasermatte eine fachübliche Maßnahme sei, um die Fasermatte zu kaschieren und/oder die Freisetzung von losen Fasern zu verhindern, wie dies in der Entgegenhaltung D2 offenbart sei.

6. Es ist richtig, daß die Entgegenhaltung D2 die Bestückung einer Seite der Fasermatte mit einem Vlies zum Zweck einer Staubverringerung offenbart, jedoch bezieht sich D2 auf eine flammhemmende Mineralfasermatte mit einer ein- oder beidseitigen Kaschierung aus einem vorverfestigten Faservliesstoff. Selbst wenn solche Mineralfasermatten im Bau- und Konstruktionswesen auch zur Wärme- und Schallisolierung eingesetzt werden, bleibt die Flammschutzwirkung das Hauptziel, wie dies in mehreren Passagen von D2 angegeben wird. Bei flammhemmenden Verblendungen ist üblicherweise eine Luftdurchlässigkeit nicht erwünscht, so daß die Kombination der Lehre der Entgegenhaltung D2 mit der der Entgegenhaltung D1 unlogisch, sogar widersprüchlich wäre, da D1 auf eine luftdurchlässige Verbundplatte gerichtet ist, vgl. Spalte 5, Zeilen 27 bis 37.

7. Weiterhin wurde seitens der Vorinstanz eine neue Aufgabe gestellt, nämlich die Verhinderung der Freisetzung von Mineralstaub, die bei der vorliegenden Erfindung sowie bei D1 keine Grundlage hat. Die Luftdurchlässigkeit der Fasermatte und der Deckschicht steht sogar in Widerspruch zu dieser Aufgabe. Ferner wurde bereits in D1 auf eine mögliche beidseitige Deckschicht aus gebundener Holzwolle hingewiesen. Schließlich spielt das Problem des Faserstaubs bei dem bereits in D1 erwähnten, besonderen Anwendungsbereich der vorliegenden Erfindung, vgl. Anspruch 9, keine wesentliche Rolle, da die möglicherweise nicht bedeckte Seite einer Verbundplatte gemäß D1 an eine Wand bzw. an den Boden (vgl. die veröffentlichte Anmeldungsschrift, Seite 2, Absatz 0016) gefügt wird, so daß an dieser Seite keine Freisetzung von Faserstaub stattfinden kann. Die von der Vorinstanz gestellte Aufgabe entspricht somit nicht der Logik, siehe die Entscheidung T 0800/91.

8. D2 gibt keinen Hinweis darauf, daß eine auf eine Seite einer Fasermatte aufgebrachte Deckschicht aus Vlies die Schallabsorption der Verbundplatte verbessern kann. Der Fachmann, der eine Lösung der der Erfindung zugrunde liegenden Aufgabe sucht, hat somit keinen Grund, das Dokument D2 in Betracht zu ziehen.

9. Die Kombination der Lehre des Dokuments D1 mit der von D2 ist somit als das Ergebnis einer rückschauenden Betrachtungsweise anzusehen.

10. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 8 betreffen besondere Ausführungsformen des Gegenstandes des Anspruchs 1 und erfüllen damit ebenfalls die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ. Dies gilt auch für den Anspruch 9, der auf eine Verwendung der beanspruchten Verbundplatte gerichtet ist. In der neu eingereichten Seite 1 wurde lediglich der Stand der Technik nach D1 und D2 gewürdigt. Deshalb kann ein Patent auf der Grundlage der geltenden Unterlagen erteilt werden.

Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

11. Das Recht auf eine Rücksprache mit dem Prüfer ist im EPÜ kein Verfahrensrecht und somit nicht vergleichbar mit dem Recht auf mündliche Verhandlung nach Artikel 116 EPÜ. Nach Regel 67 EPÜ kann eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nur angeordnet werden, wenn ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt. Die von der Beschwerdeführerin erwähnte Entscheidung T 0019/87 befaßt sich mit der Frage eines mehrdeutigen Antrags eines Anmelders, was in der vorliegenden Sache nicht der Fall ist. Ferner ist es entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht erforderlich, daß der Prüfer vor seiner Ablehnung eines Antrags auf Rücksprache in einem Bescheid ausdrücklich darauf hingewiesen haben muß, daß ihm die Rücksprache als nicht sachdienlich erscheint. Nach den Richtlinien (C-VI, 6.1a) ist es eine Ermessensentscheidung des Prüfers, ob eine Rücksprache angemessen ist oder nicht. Eine Begründung einer Ablehnung des Antrags oder ein Hinweis darauf wird in diesen Richtlinien nicht als erforderlich angegeben. Im vorliegenden Fall ist dem zweiten Bescheid auch ohne ausdrücklichen Hinweis von seiten des Prüfers ohne weiteres zu entnehmen, daß der Prüfer bei der gegebenen Sachlage - Festhalten der Anmelderin an ihren ursprünglichen Ansprüchen - eine Rücksprache nicht für sachdienlich hielt. Dies ergibt sich eindeutig aus Ziffer 5 dieses Bescheids. Deshalb konnte die Zurückweisung für die Anmelderin auch nicht überraschend sein, so daß ein evtl. Vertrauensschutz nicht zum Tragen kommen kann.

11. Deshalb liegt im vorliegenden Fall kein wesentlicher Verstoß gegen die im EPÜ vorgesehenen Verfahrensvorschriften vor, so daß die Kammer nach Regel 67 EPÜ dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht stattgeben kann.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

Beschreibung: Seite 1, eingereicht am 20. August 2001, und

Seiten 2 bis 6, wie ursprünglich eingereicht;

Ansprüche 1 bis 9: wie ursprünglich eingereicht;

Einzige Figur: wie ursprünglich eingereicht.

3. Der Antrag auf Zurückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

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