European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1987:T023486.19871123 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 23 November 1987 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0234/86 | ||||||||
Anmeldenummer: | 78101805.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61N 1/32 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | A | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | Somartec | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Siemens | ||||||||
Kammer: | 3.4.01 | ||||||||
Leitsatz: | 1. Das Erfordernis der Regel 55 c) EPÜ "Angabe der ... Beweismittel" ist erfüllt, wenn das Beweismittel (hier: Dokument) in der Einspruchsschrift genau bezeichnet und angegeben ist welche Tatsachenbehauptung hierdurch bewiesen werden soll. Die Beweiswürdigung (hier: Feststellung, ob das Dokument vorveröffentlicht ist), ist Teil der Prüfung der sachlichen Begründetheit des Einspruchs. 2.Die Einspruchsabteilung kann, und gegebenenfalls muß, die Aufrechterhaltung des Patents aufgrund eines nachrangigen Hilfsantrags des Patentinhabers beschließen, falls der Patentinhaber einen Hauptantrag und im Rang dem stattzugebenden vorangehende Hilfsanträge, denen nicht stattgegeben werden kann, aufrechterhält, ohne deswegen gegen die Vorschriften der Artikel 102 (3) und 113 (2), sowie der Regel 58 EPÜ zu verstoßen. 3. Ist im EPÜ nicht eindeutig vorgeschrieben, wie in einer bestimmten Situation (hier: bei Vorliegen von Haupt- und Hilfsanträgen) zu verfahren ist, so kann in der Anwendung einer falschen Verfahrensweise kein die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigender wesentlicher Verfahrensmangel gesehen werden, solange hierzu keine gefestigte Rechtsprechung vorliegt (vgl. Entscheidung T 156/84, ABl. EPA 1988, 372, Nr. 3.13 der Entscheidungsgründe). 4. Wird ein Antrag (hier: Hilfsanträge 2.3 und 2.5) abgelehnt, ohne daß in der Entscheidung selbst oder zumindest in einem vorausgehenden Bescheid, auf den in der Entscheidung Bezug genommen ist, eine Begründung für diese Ablehnung gegeben wird (R. 68 (2) EPÜ), so ist hierin ein die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigender wesentlicher Verfahrensmangel zu sehen (R. 67 EPÜ). |
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Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (ja) Relevanter Stand der Technik: einschlägige und übergeordnete allgemeine Fachgebiete Angabe von Beweismitteln - Beweiswürdigung Patenterteilung aufgrund eines Hilfsantrags bei aufrechterhaltenem nichtgewährbarem Hauptantrag Rückzahlung der Beschwerdegebühr (ja) Wesentlicher Verfahrensmangel - Verfahrensweise nicht eindeutig vorgeschrieben Ablehnung eines Antrags ohne Begründung |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des am 24. Februar 1982 mit acht Patentansprüchen erteilten europäischen Patents 0 002 811 (Anmeldenummer78 101 805.6). Anmeldetag ist der 21. Dezember 1978 und Prioritätstag der 27. Dezember 1977 (Prioritätsdokument AT 9305/77).
II. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) hat am 15. November 1982 Einspruch eingelegt.
III. Während des Einspruchsverfahrens hat die Beschwerdeführerin die Verwerfung des Einspruchs als unzulässig beantragt mit der Begründung, daß ein von der Einsprechenden genanntes Dokument (DE-A-2 632 700) (D3) nach dem Prioritätstag des angegriffenen Patents veröffentlicht worden sei. Dieses Dokument könne aber nur den letzten Unteransprüchen entgegengehalten werden, nicht dagegen dem Anspruch 1.
Da der Einspruch das Patent in vollem Umfange angegriffen habe und diese Druckschrift ein unerläßliches Glied in der Kette der Argumentation der Beschwerdegegnerin sei, sei der Einspruch auf ein nicht zuberücksichtigendes Beweismittel gestützt. Bereits aus diesem Grunde sei der Einspruch als unzulässig zu verwerfen.
Ferner sei ein anderes nicht sehr kurzes Dokument (DE-A-2 615 157) (D4) von der Beschwerdegegnerin genannt worden, ohne daß die maßgeblichen Stellen des Dokumentes angegeben seien.
Die Angaben der Beschwerdegegnerin zu diesem Dokument reichten nicht aus, um der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Vorbringens der Beschwerdegegnerin, insoweit es auf diese Druckschrift Bezug nehme, eine abschließende Prüfung zu ermöglichen. Auch aus diesem Grund sei der Einspruch als unzulässig zu verwerfen.
IV. Nach mündlicher Verhandlung und mehrfachem Schriftwechsel reichte die Beschwerdeführerin schließlich mit Eingabe vom 12. Juni 1985 einen Hauptantrag und sieben Hilfsanträgeein.
V. Durch eine Mitteilung vom 17. Juli 1985 gemäß Regel 58(4) EPÜ, teilte die Einspruchsabteilung den Parteien mit, daß sie beabsichtige, das europäische Patent in der Fassung gemäß Hilfsantrag 2.7 der Beschwerdeführerin aufrechtzuerhalten. Sie fügte hinzu:
"Nur wenn der Patentinhaber seinen Hilfsantrag 2.7. der Eingabe vom 12.06.85 zum Hauptantrag macht, kann die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang beschlossen werden, da die Einspruchsabteilung bei ihrer Entscheidung über das Patent an die vom Patentinhaber vorgelegte oder gebilligte Fassung, die stets nur der Hauptantrag sein kann, gebunden ist (Artikel 113(2) EPÜ).
Zur Beschleunigung des Verfahrens erläßt die Einspruchsabteilung auf der Grundlage des Hilfsantrages2.7 die Mitteilung gemäß Regel 58(4) EPÜ. Erhebt der Patentinhaber innerhalb der Regel 58(4) EPÜ genannten Frist keine Einwendungen gegen die Fassung, in der das Patent aufrechterhalten werden soll, so wird unterstellt, daß er den Hilfsantrag 2.7 vom 12.06.85 zum Hauptantrag gemacht hat. Erhebt der Patentinhaber Einwendungen, so wird die Einspruchsabteilung eine Entscheidung über den dann gültigen Hauptantrag gemäß Artikel 102 EPÜ erlassen."
Diese Mitteilung wies diesbezüglich auf die Rechtsauskunft des EPA N° 15/84 (ABl EPA 1984, 491) hin.
VI. In ihrer Antwort zu dieser Mitteilung verweigert die Beschwerdeführerin den Hilfsantrag 2.7 zum Hauptantrag zu machen und begründet ihre Auffassung im wesentlichen wie folgt:
Es handle sich bei sämtlichen vorgelegten Fassungen des Anspruchsbegehrens entsprechend Hauptantrag und Hilfsanträgen, um vom Patentinhaber vorgelegte Fassungen, die mit der Vorlage dann implizit gebilligt seien, wenn auch hinsichtlich der Hilfsanträge lediglich für den Fall, daß diesen vorgeordnete Anträge zurückgewiesen würden, wobei dies ohne weiteres in einem Beschluß erfolgen könne.
Vorgelegte Anspruchsbegehren müßten nicht explizit gebilligt werden; die beiden Begriffe "vorgelegte" und "gebilligte" Fassung seien in Artikel 113, Abs. 2 nicht durch ein "und", sondern durch die eine Alternative ausdrückende Konjunktion "oder" verbunden.
Aus Artikel 113, Abs. 2 EPÜ könne nicht gefolgert werden, daß die vorgelegte oder gebilligte Fassung stets nur der Hauptantrag bzw. ein Antrag sein könne. Der Artikel 113 gelte sowohl für die erste Instanz als auch für die zweite Instanz und es sei für die Beschwerdeinstanz unstrittig, wie eine Reihe von Entscheidungen zeige, daß im Beschwerdeverfahren verschiedene Fassungen mit Haupt- und Hilfsantrag vorgelegt werden könnten, die vorgelegte Fassungen im Sinne von Artikel 113, Abs. 2 seien, über die dann die Beschwerdekammer, zwar der Rangfolge nach, aber in einer Entscheidung entscheide (T 169/83 ABl. 1985, 193, insb. S. 195 und 198, Ziff. 1).
Es lägen also mehrere vorgelegte und gebilligte Fassungen vor, bei denen sich der Patentinhaber lediglich vorbehalte, für den Fall, daß nicht dem Hauptantrag stattgegeben werde, sondern der Fassung gemäß einem Hilfsantrag, die vorangehenden Anträge im Beschwerdeverfahren weiterzuverfolgen.
Der Patentinhaber habe auch nicht nur ein Rechtsinteresse daran, sondern einen Anspruch darauf, daß über diese Anträge im Rahmen einer beschwerdefähigen Entscheidung, die auch sachlich zu begründen sei, entschieden werde.
Wenn man sich auf den Standpunkt stelle, daß der Anmelder oder Patentinhaber, wenn er den weitesten von ihm erstrebten Anspruch in einer Beschwerdeentscheidung überprüfen lassen wolle, nur diesen Anspruch stellen dürfe und zunächst erstinstanzlich zurückweisen lassen müsse, würde ihm hinsichtlich der weiteren Hilfsanträge, von denen in der Regel, wie auch im vorliegenden Falle, einer als gewährbar angesehen werde, praktisch eine Instanz genommen, da hierüber dann nur in der Beschwerdeinstanz zu entscheiden wäre.
VII. In der Entscheidung vom 20. Mai 1986, hat die Einspruchsabteilung entschieden, daß der Einspruch zulässig war, weil er allen Erfordernissen des Artikels 99 und der Regel 55 EPÜ genügt und weil keines der vom Patentinhaber vorgebrachten Argumente für stichhaltig erachtet werden kann.
Zur Begründung führt sie an:
- Keine Vorschrift des EPÜ verlange für die Zulässigkeit des Einspruchs, daß das Einspruchsvorbringen in sich schlüssig sei.
- Das im Prioritätsintervall veröffentlichte Dokument sei hinsichtlich der durch die Prioritätsanmeldung nicht gedeckten Anmeldungsteile vorveröffentlichter Stand der Technik.
- Das als Ganzes zitierte Dokument sei kurz, so daß der Fachmann sehr schnell die für das vorliegende Patent relevanten technischen Zusammenhänge dieser Druckschrift entnehmen könne.
VIII. Die Einspruchsabteilung hat in ihrer Entscheidung das Patent widerrufen mit der Begründung, daß die Gegenstände der Ansprüche gemäß Hauptantrag in Anbetracht der Druckschriften US-A-3 895 639 (D1) und IEEE Transactions on Bio-Medical Engineering, Vol. BME-18, no. 3, Mai 1971 (New York), G. Silverman et al. "A programmable parallel timing system, Seiten 201 - 205 (D2) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten, und dies auch im Einzelnen dargelegt.
IX. Unter Punkt IV und V der Entscheidungsgründe wird ferner ausgeführt, daß gemäß der ständigen Amtspraxis das Patent allein aufgrund der Nichtgewährbarkeit des Hauptantrags zu widerrufen sei, weil nur der Hauptantrag die vom Patentinhaber (vorbehaltlos) vorgelegte oder (vorbehaltlos) gebilligte Fassung im Sinne des Artikels113 (2) EPÜ darstelle. Bezüglich der Hilfsanträge 2.2 bis 2.6 wird dort auf einen vorangegangenen Bescheid der Einspruchsabteilung verwiesen.
X. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Beschwerdeführerin am 18. Juli 1986 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde erhoben und diese am 17. September 1986 begründet. In der Begründung wird beantragt, das Patent aufgrund der Patentansprüche 1 bis 8 der Patentschrift oder hilfsweise aufgrund einer der am 14. Juni 1985 eingegangenen6 Gruppen von Patentansprüchen aufrechtzuerhalten und die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
XI. Folgende Druckschriften sind u.a. in dem Einspruchsverfahren genannt:
(D1), (D2), (D3), (D4), siehe oben Punkte III und VIII,
sowie
AT-B-165 657 (D5)
DE-A-2 159 437 (D6)
US-A-3 588 732 (D7)
US-A-3 746 891 (D8)
XII. Mit Brief eingegangen am 11. August 1986 hat die Beschwerdegegnerin den Einspruch zurückgezogen, ohne zur Begründung der Beschwerde Stellung zu nehmen.
XIII. Der geltende Patentanspruch 1 des Hauptantrags lautet:
"1. Vorrichtung zur Interferenzstromtherapie, mit einem gemeinsamen Oszillator für beide vorhandenen Stromkreise, dadurch gekennzeichnet, daß der Oszillator ein Hochfrequenzoszillator (1) ist; daß der Hochfrequenzoszillator (1) mit den Eingängen mindestens zweier digitaler Frequenzteiler (2, 3) verbunden ist; daß zumindest an einem Frequenzteiler (2) eine digitale Rückkopplungseinrichtung (8, 9, 10; 19; 32, 33, 40, 41, 42, 43) zum Einstellen eines geringen Frequenzunterschiedes der an den Ausgängen der Frequenzteiler (2, 3) gegebenen Behandlungsströme vorgesehen ist."
XIV. Die Auffassung der Beschwerdeführerin hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit läßt sich wie folgt zusammenfassen:
Nach dem Stand der Technik werde die Schwebungsfrequenz entweder durch zwei getrennte Mittelfrequenzoszillatoren (siehe z.B. D5) oder durch einen einzigen Mittelfrequenzoszillator mit zwei Zweigen erzeugt, wobei zwischen diesen eine Phasenverschiebung hervorgerufen werde (siehe z.B.D1).
Bei diesen Lösungen träten Ungenauigkeiten auf, die nur mit erheblichem Aufwand vermindert werden könnten.
Mit der im Streitpatent vorgeschlagenen Lösung, wobei zwischen den zwei von einem Hochfrequenzoszillator gespeisten Zweigen ein veränderbarer Frequenzunterschied anstatt eines veränderbaren Phasenunterschieds erzeugt werde, sei in einfacher Weise ein stabiler, geringer Frequenzunterschied zu erreichen.
Die von der Einspruchsabteilung erwähnte "Einbahnstraßensituation" der technischen Entwicklung, wobei für den Fachmann als Alternative zu der Phasenverschiebung nur noch die Überlagerung zweier Wechselströme ungleicher Frequenzen bleibe, treffe nicht zu, denn es seien mehrere Alternativen vorhanden, so z.B. Verbesserungen an der in D1 vorgeschlagenen Lösung mittels Phasenverschiebung, Verwendung von zwei Oszillatoren, usw.
Darüberhinaus liege D2 vom Gegenstand der Erfindung so weit entfernt, daß diese Druckschrift keine wesentliche Bedeutung für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit habe.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und der Regel 64 EPÜ und ist somit zulässig.
2. Zulässigkeit des Einspruchs
2.1. Die Beschwerdeführerin hat nicht bestritten, daß der Einspruch den Bedingungen von Artikel 99 und den Regeln 55 a), b) und d) entspricht.
Die Beschwerdeführerin hat nur bestritten, daß der Einspruch alle Bedingungen der Regel 55 c) erfülle, weil die zur Begründung des Einspruchs angegebenen Tatsachen und Beweismittel insofern nicht schlüssig seien, als Beweismittel für behauptete Tatsachen angegeben wurden, die für den geforderten Beweis ungeeignet (DE-A-2 632 700) bzw. nicht ohne weiteres als geeignet erkennbar (DE-A-2 615 157) sind.
2.2. Die Beschwerdekammer teilt in dieser Frage die Auffassung der Einspruchsabteilung, daß keines der Argumente der Beschwerdeführerin für stichhaltig erachtet werden kann, weil keine Vorschrift des EPÜ für die Zulässigkeit des Einspruchs verlangt, daß das Einspruchsvorbringen "insofern in sich schlüssig" sein muß.
2.3. Die Einsprechende hat zum Beweis der von ihr behaupteten Tatsache, daß der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs1 nicht patentfähig sei, weil er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, auf das allgemeine Fachwissen verwiesen und zusätzlich drei Dokumente genannt (Seiten 3 und 4 des Einspruchsschriftsatzes). Jedes der angegebenen Dokumente war von der Einsprechenden genau bezeichnet worden. Ferner hat sie angegeben, was jeweils aus welchem Dokument bekannt sein soll. Auf eine genaue Angabe des Ortes der behaupteten Offenbarung im Dokument DE-A-2 615 157 konnte dabei in Hinblick auf dessen geringen Umfang (6 1/2 Schreibmaschinenseiten) verzichtet werden. Damit ist im vorliegenden Fall der diesbezüglichen Vorschrift der Regel 55 c) EPÜ genügt.
2.4. Die Beweiswürdigung, d. h. hier die Feststellung, ob die angezogenen Dokumente die behaupteten Tatsachen auch wirklich beweisen können, ist der Prüfung der sachlichen Begründetheit des Einspruchs vorbehalten, die gemäß Artikel 101 (1) EPÜ erst dann erfolgen darf, wenn feststeht, daß der Einspruch zulässig ist. Im vorliegenden Fall war also erst nach Feststellung der Zulässigkeit des Einspruchs zu prüfen, ob und inwieweit die Priorität der österreichischen Erstanmeldung zu Recht in Anspruch genommen worden ist, ob die genannten Dokumente vor dem Prioritätstag veröffentlicht worden sind und ob sie das von der Einsprechenden Behauptete offenbaren.
3. Hauptantrag
3.1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 geht nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus, denn er enthält alle technischen Merkmale des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 und zusätzliche einschränkende Merkmale (digitaler Frequenzteiler, digitale Rückkopplungseinrichtung), die aus den ursprünglich eingereichten Zeichnungen und der zugehörigen Beschreibung zu entnehmen sind (Artikel 123 (2) EPÜ).
Artikel 100 (c) EPC steht deshalb der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen.
3.2. Da die Priorität vom 27. Dezember 1977 zurecht in Anspruch genommen worden ist und das Prioritätsdokument AT 9305/77 alle Merkmale des Patentanspruchs 1 enthält, müssen bei der Prüfung, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht, die Druckschriften D3, US-A-4 071 033 und GB-A-1 502 432 außer Betracht bleiben.
3.3. Neuheit
3.3.1. Aus D1 (Figuren 1 und 3; zugehörige Beschreibung) ist eine Vorrichtung zur Interferenzstromtherapie, mit einem gemeinsamen Mittelfrequenzoszillator für beide vorhandenen Stromkreise bekannt (Oszillator 1, Stromkreise 2, 4, 6, 7 bzw. 3, 5, 8, 9). Zur Erzeugung der Schwebungsfrequenz wird in einem der zwei Stromkreise eine Verschiebung der Phase hervorgerufen.
Die Vorrichtung nach dieser Entgegenhaltung entspricht der Vorrichtung nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1. Sie enthält dagegen keine Merkmale des kennzeichnenden Teils.
3.3.2. Bei der Vorrichtung zur Interferenzstromtherapie nach D6 (Figur 1 und zugehörige Beschreibung) wird wie in D1 ein einziger Oszillator zur Gewinnung zweier Wechselströme gleicher Frequenz verwendet, wobei die Phasenlage des einen Wechselstroms stetig veränderbar ist. Im Gegensatz zu D1 und zum Gegenstand des Anspruchs 1 ist der Oszillator ein Sägezahnspannungsgenerator und die Änderung der Phasenlage wird durch eine Schaltung mit zwei Schwellwertschaltern realisiert.
3.3.3. Die Druckschrift D4 (Figur 5 und zugehörige Beschreibung) bezieht sich auf eine Vorrichtung zur Interferenzstromtherapie mit einem gemeinsamen Oszillator (1) für beide vorhandenen Stromkreise. Im Gegensatz zur Erfindung sind keine Frequenzteiler vorhanden, der Oszillator ist ein Mittelfrequenzoszillator und die zwei Kreise enthalten je einen in einer Rückkopplungseinrichtung verbundenen Oszillator (2, 12).
3.3.4. Aus D5 ist eine Vorrichtung zur Interferenzstromtherapie bekannt, die zwei Oszillatoren zur Erzeugung zweier Frequenzen aufweist, wobei die eine geringfügig von der anderen abweicht.
3.3.5. Die Druckschrift D2 bezieht sich auf einen Zeitschalter (siehe Figuren 2 und 3 und zugehörige Beschreibung), der einen Hochfrequenzoszillator (100 kHz crystal controlled oscillator) enthält. Der Hochfrequenzoszillator ist mit digitalen Frequenzteilern verbunden und eine digitale Rückkopplungseinrichtung (Figur 3) ist an einem Frequenzteiler zum Einstellen einer Frequenz vorgesehen.
Obwohl die Vorrichtung nach dieser Druckschrift für therapeutische Zwecke vorgesehen ist, ist sie für Interferenzstromtherapie nicht geeignet, denn sie enthält keine zwei Stromkreise, die Behandlungsströme erzeugen, die einen geringen Frequenzunterschied aufweisen.
3.3.6. Die Druckschrift D7 (siehe Figur 2 und zugehörige Beschreibung) bezieht sich auf einen Frequenz-Synthesizer. Er enthält zwar einen einzigen Hochfrequenzoszillator (11), der mit zwei Kreisen und insbesondere mit den Eingängen zweier Frequenzteiler (12 und 14) verbunden ist, wobei zwei erwünschte nebeneinanderliegende Frequenzen erzeugt werden, jeder Kreis arbeitet aber mit einem frei schwingenden Oszillator (18, 25), der lediglich als gesteuerter Oszillator mit Hilfe eines Phase-Locked-Regelkreises an die Frequenz des Hochfrequenzoszillators über einen Phasenvergleich angebunden ist. Diese Vorrichtung tung ist nicht zur Interferenzstromtherapie geeignet, denn zwei Behandlungsströme mit einem geringen Frequenzunterschied am Ausgang der Vorrichtung sind nicht vorhanden.
3.3.7. Die übrigen bekannten Druckschriften liegen vom Anmeldungsgegenstand weiter ab. Sie brauchen deshalb hier nicht erörtert zu werden.
3.3.8. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu (Artikel 54 EPÜ).
3.4. Erfinderische Tätigkeit
3.4.1. Die Beschwerdekammer sieht D1 als den dem Gegenstand des Streitpatents am nächsten kommenden Stand der Technik an.
Hiervon ausgehend wird die Aufgabe der Erfindung darin gesehen, in einfacher Weise einen stabileren Frequenzunterschied in beiden Stromkreisen bei kleinen Frequenzunterschieden zu schaffen.
Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß entsprechend den im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 angegebenen Merkmalen gelöst.
3.4.2. Die Aufgabenstellung ergibt sich ohne weiteres aus der Praxis, denn bei der Interferenzstromtherapie ist es allgemein bekannt, daß hohe Anforderungen an die Frequenzgenauigkeit zu stellen sind und daß mit geringen Frequenzunterschieden zwischen beiden Behandlungsströmen (siehe z.B. D6, Spalte 2, Zeilen 37 bis 42 und D1, Spalte1, Zeilen 34 bis 49) gearbeitet werden muß. Im übrigen ist die Suche nach technisch einfachen Lösungen eine allgemeine Forderung in jedem technischen Gebiet.
3.4.3. Um zur patentgemäßen Lösung der Aufgabe zu gelangen, ist es dem Fachmann zuzumuten, daß er folgendermaßen vorgeht:
Zunächst sucht er eine Lösung im Stand der Technik auf dem spezifischen Fachgebiet der Interferenzstromtherapie. Falls er dort keine Hinweise in Richtung der Erfindung findet, wie dies die nachgewiesenen Druckschriften dieses spezifischen Gebiets erkennen lassen (siehe u.a. D1, D4, D5 und D6), erkennt er das Fachgebiet der Elektromedizin als ein übergeordnetes, allgemeines Fachgebiet und holt sich dort Anregungen für die Lösung der obengenannten Aufgabe.
Dabei würde er auf die Druckschrift D2 stoßen.
Es ist zwar richtig, wie von der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung festgestellt wurde, daß diese Druckschrift einen digitalen, programmierbaren Zeitgeber beschreibt, der für unterschiedliche Zwecke insbesondere um Impulse, d.h. Frequenzen, zu erzeugen, eingesetzt werden kann, wobei ein Hochfrequenzoszillator mit den Eingängen mehrerer digitaler Frequenzteiler verbunden ist, und wobei diesen Frequenzteilern zusätzliche einstellbare, digitale Frequenzteiler (Timer der Figur 3) nachgeschaltet werden können. Diese Druckschrift befaßt sich aber lediglich mit der Erzeugung von Impulszügen mit variablen Impulsen und Pausen in unterschiedlichen funktionell unabhängigen elektrischen Kreisen (siehe "Abstract") und enthält keinen Hinweis auf die Möglichkeit, zwei funktionell abhängige, elektrische Kreise zu realisieren, die sich um einen einstellbaren geringen Frequenzunterschied unterscheiden. Der Fachmann konnte deswegen diesem übergeordneten, elektromedizinischen Gebiet keine Anregung für eine Lösung der zugrundeliegenden Aufgabe entnehmen.
Weiterhin ist von dem Fachmann zu erwarten, daß er sich auf dem übergeordneten, noch allgemeineren Gebiet der elektronischen Schwingungserzeugungen umsieht, denn er würde zweifellos erkennen, daß die bekannten Geräte zur Interferenzstromtherapie mindestens einen Oszillator aufweisen, d.h. zum Gebiet der elektronischen Schwingungserzeugung gehören.
Die bekannten Druckschriften auf diesem Gebiet (siehe die in dem Recherchenbericht erwähnte DE-A-1 298 557 und D8) beziehen sich zwar auf veränderliche, elektronische Frequenzteiler, sie enthalten aber keinen Hinweis auf zwei einen geringen Frequenzunterschied aufweisende, elektrische Kreise.
Es ist aber dem Fachmann nicht zuzumuten, daß er nunmehr ausgehend von dem übergeordneten allgemeineren Gebiet (elektronische Schwingungserzeugung) wieder zu einem engeren Fachgebiet (Radio- oder Funktechnik) übergeht, das keine direkte Verbindung hat zu dem speziellen Fachgebiet der Erfindung (Interferenzstromtherapie), sondern lediglich eine indirekte Verbindung, über das übergeordnete allgemeine Gebiet der elektronischen Schwingungserzeugung (vgl. T 176/84, ABl EPA 1986, 50).
Die Druckschrift D7 liegt auf einem solchen engeren Fachgebiet, nämlich dem Gebiet der Radio- oder Funktechnik zur Ansteuerung von Sendern oder mit anderen Worten auf dem Gebiet der Empfängertechnik, das dem elektronischen Schwingungserzeugungsgebiet untergeordnet ist. Sie konnte deshalb dem Fachmann keine Anregung für die Lösung der Aufgabe der Erfindung geben.
3.4.4. Die Argumentation der Einspruchsabteilung, ausgehend von der Lehre der Druckschrift D1 gebe es nur noch eine einzige, andersartige Möglichkeit, um eine Schwebung zu erzeugen, nämlich durch Überlagerung zweier Wechselströme ungleicher Frequenzen ("Einbahnstraßen-Situation der technischen Entwicklung"), ist nach der Meinung der Beschwerdekammer nicht überzeugend. Denn die in D1 vorgeschlagene Lösung kann durch mehrere Lösungen ersetzt werden, wie die bekannten Druckschriften auf dem Gebiet der Interferenzstromtherapie deutlich zeigen (siehe insbesondere D4, D5 und D6). Darüberhinaus ist es zu erwarten, daß der Fachmann eher neue Lösungen im Bereich der Phasenverschiebung oder der Verwendung von mehreren Oszillatoren sucht; denn der Stand der Technik liefert Hinweise ausschließlich in diese Richtungen.
3.4.5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
Die Ansprüche 2 bis 8 sind von Anspruch 1 abhängig. Ihre Gegenstände beruhen somit gleichfalls auf erfinderischer Tätigkeit.
Die Beschwerdekammer ist deshalb der Meinung, daß keiner der im Artikel 100 a) EPÜ genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Streitpatents im Umfang der erteilten Ansprüche 1 bis 8 entgegensteht.
4. Hilfsanträge
Da die Beschwerdekammer bereits dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin stattgeben kann, sind deren Hilfsanträge gegenstandslos.
5. Rückzahlung der Beschwerdegebühr
5.1. In ihrer Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt mit der Begründung, daß die Weigerung der Einspruchsabteilung, eine Entscheidung über ihre Hilfsanträge zu treffen, ein wesentlicher Verfahrensmangel gemäß Regel 67 EPÜ sei.
5.2. Die Einspruchsabteilung hat in der Entscheidungsbegründung (Punkt IV) ihre Weigerung damit begründet, daß sie die Aufrechterhaltung des Patents in einem geänderten Umfang nur in der vom Patentinhaber vorbehaltlos gebilligten Fassung beschließen könne. Da die Fassungen gemäß den Hilfsanträgen vom Patentinhaber nicht vorbehaltlos gebilligt worden seien, könne sie somit nur über den Hauptantrag des Patentinhabers entscheiden.
5.3. Die Einspruchsabteilung stützt ihren Standpunkt auf die Rechtsauskunft des EPA N° 15/84 (ABl. 1984, S. 491).
5.4. Gemäß Artikel 102(3)a EPÜ kann die Einspruchsabteilung das europäische Patent nur dann in geändertem Umfang aufrechterhalten, wenn gemäß der Ausführungsordnung (Regel 58(4), (5) EPÜ) feststeht, daß der Patentinhaber mit der Fassung, in der die Einspruchsabteilung das Patent aufrechtzuerhalten beabsichtigt, einverstanden ist.
In besagter Rechtsauskunft heißt es, im Einspruchsverfahren könne es zweckmäßig sein, als Grundlage für eine Entscheidung der Einspruchsabteilung auf Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang einen Anspruchssatz hilfsweise einzureichen.
Der Patentinhaber könne seine Rechte auch wahren, indem er an einem von der Einspruchsabteilung nicht gebilligten Anspruchssatz festhalte. Mache er innerhalb der einmonatigen Frist gemäß Regel 58 (4) EPÜ Einwände geltend, so könne die Einspruchsabteilung das europäische Patent widerrufen. Auf diese Weise könne der Anmelder ein Verfahren vor der Beschwerdekammer einleiten, ohne sich der Möglichkeit zu begeben, hilfsweise ein europäisches Patent auf der Grundlage der von der Einspruchsabteilung vorgeschlagenen engeren Fassung zu beantragen. Der Patentinhaber müsse den Vorschlag der Einspruchsabteilung aber ausdrücklich ablehnen (siehe Punkt 4 der Rechtsauskunft N° 15/84).
5.5 .Die Beschwerdekammer hält diese Rechtsauskunft zumindest für mißverständlich. Sie erweckt nämlich den Eindruck, daß, falls der Patentinhaber an Anträgen (z.B. Hauptantrag oder im Rang vorgehende Hilfsanträge) festhält, die auf Aufrechterhaltung des Patents in einer Fassung gerichtet sind, in der es die Einspruchsabteilung nicht aufrechtzuerhalten beabsichtigt, das Patent selbst dann widerrufen werden kann, wenn gleichzeitig noch ein Hilfsantrag vorliegt, der auf eine Fassung gerichtet ist, die nach Überzeugung der Einspruchsabteilung, den Erfordernissen des EPÜ genügt.
5.5.1. So sind aber Art. 102(3)a i.V.m. Regel 58(4) und Art. 113(2) EPÜ nicht auszulegen und zwar aus folgenden Gründen:
Zunächst kann nicht bestritten werden, daß der Patentinhaber das Recht hat, der Einspruchsabteilung neben einem Hauptantrag auch Hilfsanträge vorzulegen. Dies wird auch von der Rechtsauskunft N° 15/84 zugestanden und sogar empfohlen. Die Beschwerdekammern haben auch stets die Einreichung solcher Hilfsanträge (zumindest, wenn sie rechtzeitig eingereicht worden waren) zugelassen (siehe z.B. die obengenannte Entscheidung T 169/83). Dies war auch die Absicht der Verfasser des Übereinkommens (siehe Materialien zum EPÜ M/PR/I S. 56 Punkt 509).
Wie die Beschwerdeführerin zu Recht betont, würde mit der Forderung, daß die Fassung, über die eine Entscheidung getroffen wird, vom Patentinhaber vorbehaltlos vorgelegt oder gebilligt sein muß, dem Artikel 113(2) EPÜ eine zusätzliche Bedingung hinzugefügt.
5.5.2. Die Tatsache, daß, wie von Artikel 102(3)a EPÜ verlangt, die Entscheidung über die Aufrechterhaltung eines Patents nur gefaßt werden kann, wenn für die Einspruchsabteilung feststeht, daß der Patentinhaber mit der Fassung in der die Einspruchsabteilung das Patent aufrechtzuerhalten beabsichtigt, einverstanden ist, bedeutet nicht, daß dieses Einverständnis vorbehaltlos sein muß.
Artikel 102(3) EPÜ lautet: "Ist die Einspruchsabteilung der Auffassung, daß unter Berücksichtigung der vom Patentinhaber im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen dieses Übereinkommens genügen, so beschließt sie die Aufrechterhaltung des Patents in dem geändertem Umfang, vorausgesetzt, daß a) gemäß der Ausführungsordnung feststeht, daß der Patentinhaber mit der Fassung, in der die Einspruchsabteilung das Patent aufrechtzuerhalten beabsichtigt, einverstanden ist, und ...."
Die zugehörige Regel 58(4) bestimmt, daß bevor die Einspruchsabteilung die Aufrechterhaltung des europäischen Patents in geändertem Umfang beschließt, sie den Beteiligten mitteilt, in welchem Umfang sie das Patent aufrechtzuerhalten beabsichtigt, und sie auffordert, innerhalb eines Monats Stellung zu nehmen, wenn sie mit der Fassung, in der das Patent aufrechterhalten werden soll, nicht einverstanden sind.
5.5.3. Artikel 102(3)a und Regel 58(4) EPÜ tragen der in Artikel 113(2) EPÜ angegebenen allgemeinen Vorschrift für das Verfahren Rechnung, wonach sich bei der Prüfung der europäischen Patentanmeldung oder des europäischen Patents und bei den Entscheidungen darüber das Europäische Patentamt an die vom Anmelder oder Patentinhaber vorgelegte oder gebilligte Fassung zu halten hat.
Wenngleich in Artikel 102(3) und 113(2) sowie in Regel 58(4) EPÜ jeweils nur von der Fassung die Rede ist, so heißt das dennoch nicht zwingend, daß nur eine einzige Fassung zu einer Entscheidung vorgelegt werden darf oder mit anderen Worten, daß die Vorlage oder Billigung einer Fassung vorbehaltlos erfolgen muß.
Vielmehr ist es auch möglich, wie im vorliegenden Fall, daß der Patentinhaber lediglich ein bedingtes Einverständnis (als Hilfsantrag) gibt. Dies geht für das Beschwerdeverfahren klar aus den vorbereitenden Arbeiten für das EPÜ hervor (vgl. M/PR/I a.a.O.). In solchen Fällen hat deshalb die Spruchpraxis der Beschwerdekammern die Artikel 102 und 113 und die Regel 58 (4) (5) EPÜ so interpretiert, daß die Aufrechterhaltung eines Patents im geänderten Umfang auch beschlossen werden kann, wenn der Patentinhaber die Aufrechterhaltung in dieser Fassung lediglich hilfsweise beantragt hat (vgl. z.B. die Entscheidung T 205/83 Vinylester-Crotonsäure Copolymerisate/HOECHST ABl. EPA 1985, S. 363).
5.5.4. Es gibt keinen Grund dafür, die genannten Vorschriften des EPÜ für Einspruchsabteilungen anders auszulegen als für Beschwerdekammern.
5.5.5. Ein solches Vorgehen entspricht auch der gebotenen Verfahrensökonomie, da es den Patentinhaber ebenso wie den Einsprechenden in die Lage versetzt, zu entscheiden, ob eine Beschwerde zweckmäßig ist oder nicht und im Falle einer Beschwerde sich eine Zurückverweisung zur Vermeidung eines Instanzverlustes erübrigt, solange der Patentinhaber in der Beschwerde nur von der Vorinstanz zurückgewiesene Anträge weiterverfolgt.
5.6. Die Beschwerdekammer ist somit der Meinung, daß auch die Einspruchsabteilung die Aufrechterhaltung des Patents aufgrund eines Hilfsantrags des Patentinhabers beschließen kann und gegebenenfalls auch muß, falls der Patentinhaber einen Hauptantrag und im Rang dem stattzugebenden vorangehende Hilfsanträge, denen nicht stattgegeben werden kann, aufrechterhält, ohne deswegen gegen die Vorschriften der Artikel 102 und 113, sowie der Regel 58 zu verstoßen.
5.7. Vor einer Entscheidung über die Aufrechterhaltung im beschränkten Umfang, wird der Patentinhaber aufgefordert, Übersetzungen der geänderten Ansprüche einzureichen, die Druckkostengebühr zu entrichten usw. Alle diese Maßnahmen erweisen sich als Fehlinvestition, wenn sich später herausstellt, daß auf eine Beschwerde hin die Fassung nochmals geändert oder das Patent widerrufen wird. Dies soll nach der derzeitigen Praxis durch den Erlaß einer beschwerdefähigen begründeten Zwischenentscheidung vermieden werden, falls der Einsprechende Einwendungen erhoben hat (vgl. Richtlinien für die Prüfung im EPA Teil D VI. 6.2.2 und 6.2.3 und Mitteilung des EPA "Einspruchsverfahren im EPA" Abl. 1985, S. 272).
Eine solche Praxis kann ohne weiteres auch dann angewandt werden, wenn der Patentinhaber ein bedingtes Einverständnis gegeben hat.
5.8. Eine solche Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Patents aufgrund eines Hilfsantrags erfolgt, zumindest im schriftlichen Verfahren, nach Ablauf der in Regel 58 (4) gesetzten Frist unter Zulassung der Beschwerde gemäß Artikel 106 (3) EPÜ und ist gemäß Regel 68 (2) wie jede beschwerdefähige Entscheidung zu begründen. Der Patentinhaber ist dadurch beschwert, daß seinem oder seinen im Rang dem stattgegebenen Hilfsantrag vorangehenden Anträgen nicht stattgegeben wurde. Der Einsprechende ist, falls er innerhalb der Frist nach Regel58 (4) sein Nichteinverständnis erklärt hat (vgl. T244/85, wird veröffentlicht), gleichfalls durch die Entscheidung beschwert. In der Entscheidung ist deshalb für jeden abgelehnten Antrag des Patentinhabers, sowie für die Stattgabe eines Hilfsantrags, der der Einsprechende rechtzeitig widersprochen hat, eine Begründung zu geben.
5.9. Im vorliegenden Fall ist in falscher Auslegung des EPÜ das Patent nicht in der von der Einspruchsabteilung für aufrechterhaltbar gehaltenen Fassung aufrechterhalten, sondern widerrufen worden. Hierin ist jedoch kein wesentlicher Verfahrensmangel zu sehen, weil das EPÜ nicht eindeutig vorschreibt, wie beim Vorliegen von Haupt- und Hilfsanträgen zu verfahren ist (vgl. T 156/84, Nr. 3.13, wird veröffentlicht).
5.10. Entscheidungen des EPA sind laut Regel 68 (2) zu begründen. Wenn, wie im vorliegenden Fall, in einer einzigen Entscheidung über mehrere Anträge einer Partei ablehnend entschieden wird, so ist grundsätzlich in dieser Entscheidung die Ablehnung jedes dieser Anträge zu begründen. Dieser Begründungspflicht ist nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen worden. Es mag zwar in Ausnahmefällen zulässig sein, in den Gründen einer Entscheidung auf in vorangegangenen Bescheiden gegebene Begründungen zu verweisen. Doch müssen dann die dort gegebenen Begründungen erkennen lassen, welche Überlegungen für die Einspruchsabteilung leitend waren, um zu der getroffenen Entscheidung zu kommen. Dies ist hier zumindest hinsichtlich der Ablehnung der Hilfsanträge 2.3 und 2.5 nicht der Fall.
In der Entscheidung selbst ist dazu auf einen der Mitteilung nach Regel 58(4) vom 17. Juli 1985 beigefügten Bescheid verwiesen und in diesem auf einen Bescheid vom 13. Februar 1985. Dort ist zwar der patentrechtliche Grund für die Ablehnung dieser Hilfsanträge angegeben, nämlich das Fehlen erfinderischer Tätigkeit. Zur Begründung, warum dieser Einspruchsgrund vorliegt, wird aber lediglich auf eine Beratung der Einspruchsabteilung verwiesen. Diese Beratung habe ergeben, daß die Einspruchsabteilung bezüglich einer gegenüber der von ihr vorgeschlagenen Fassung durch Weglassen der Worte "Eingang des" verallgemeinerten Fassung des Anspruchs 1 dem Vorbringen der Einsprechenden zustimme und somit das Patent zu widerrufen wäre.
Dies mag als Begründung gerade noch angehen, falls der Vortrag der Gegenseite keiner Erläuterung bedarf und der Sachverhalt besonders einfach ist, so daß ohne weiteres erkennbar ist, weshalb die Einspruchsabteilung dem Vortrag zustimmt. Bereits dies ist im vorliegenden Fall zweifelhaft. Bezüglich der der Widerrufsentscheidung zugrundeliegenden Hilfsanträge 2.3 und 2.5 ist dem Bescheid (unter Punkt 3) aber lediglich zu entnehmen, daß der von der Einspruchsabteilung vorgeschlagene Anspruch 1 (der diesen Hilfsanträgen zugrunde liegt) unter Berücksichtigung der von der Einsprechenden gegebenen Interpretation der Druckschrift "IEEE Transactions" nicht auf erfinderische Tätigkeit beruhen dürfte. Diese Vermutung reicht als Begründung nicht aus, zumal sich die zur Stützung dieser Vermutung herangezogenen Einlassungen der Einsprechenden nicht auf die Ansprüche 1 der Hilfsanträge 2.3 und 2.5 beziehen, sondern auf den weitergefaßten Anspruch 1, wie er jetzt den Hilfsanträgen 2.2 und 2.4 zugrunde liegt. Obwohl somit dem besagten Bescheid klar zu entnehmen ist, daß die Einspruchsabteilung der Meinung war, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 der Hilfsanträge 2.3. und 2.5. nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhte, kann diesem Bescheid nicht entnommen werden, und damit auch nicht indirekt der angefochtenen Entscheidung, ob und, gegebenenfalls, weshalb sie der Meinung war, daß die Überlegungen der Einsprechenden, die auf eine Vorrichtung gerichtet sind, bei der der Ausgang eines Frequenzteilers (irgendwie) auf einen anderen Frequenzteiler "rückgekoppelt" ist, in gleicherweise auch für eine Vorrichtung gelten, bei der der Ausgang eines Frequenzteilers (speziell) auf den Eingang eines anderen Frequenzteilers "rückgekoppelt" ist. Es fehlt somit an einer Begründung für die Ablehnung der Hilfsanträge 2.3 und 2.5, wie dies gemäß Regel 51 (3) für Bescheide und gemäß Regel 68 (2) für Entscheidungen des EPA erforderich ist. Hierin sieht die Kammer einen die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigenden wesentlichen Verfahrensmangel (Regel 67 EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen, mit der Auflage, das Patent mit folgenden Unterlagen in geänderter Form aufrechtzuerhalten.
2.1. Patentansprüche: 1 bis 8 der Patentschrift;
2.2. Beschreibung:
Seiten 1 und 2 der Anlage zur Mitteilung nach Regel 58(4) vom 4. April 1984,
Spalte 1, Zeile 56 bis Spalte 2, Zeile 3 der Patentschrift,
Seite 3, ab Zeile 21 bis Seite 15 der Anlage zur Mitteilung vom 4. April 1984;
2.3. Zeichnungen: Figuren 1 bis 6 der Patentschrift.
3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.