T 1279/05 () of 15.7.2008

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2008:T127905.20080715
Datum der Entscheidung: 15 Juli 2008
Aktenzeichen: T 1279/05
Anmeldenummer: 00920553.5
IPC-Klasse: G01D 5/244
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Schaltungsanordnung zur Korrektur von periodischen Signalen eines inkrementalen Positionsmesssystems
Name des Anmelders: Dr. Johannes Heidenhain GmbH
Name des Einsprechenden: patentverein.de.e.V.
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 R 55(c)
Schlagwörter: Zulässigkeit des Einspruchs (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0222/85
T 0234/86
T 0134/88
T 0002/89
T 0114/95
T 1097/98
T 0653/99
T 0782/04
T 1366/04
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0109/11
T 1610/15
T 2558/16

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) richtet ihre Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der unter Berücksichtigung der im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen gemäß dem damaligen zweiten Hilfsantrag das europäische Patent Nr. 1166047 (Anmeldenummer 00920553.5, internationale Veröffentlichungsnummer WO 00/60314) aufrechterhalten worden ist.

II. Mit dem Einspruch der Beschwerdegegnerin (Einsprechende) war das Streitpatent in vollem Umfang im Hinblick auf die Einspruchsgründe fehlender Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ 1973) angegriffen worden.

Folgende Dokumente wurden im erstinstanzlichen Verfahren herangezogen und von den Parteien im Beschwerdeverfahren wieder aufgegriffen:

E1: "Meyers Neues Lexikon", Band 11, VEB Bibliogra phisches Institut, Leipzig, 2. Aufl. (1975); Seiten 416 und 417

E2: "Praktische Regelungstechnik", D. Schulz, Hüthig Buch Verlag GmbH, Heidelberg (1994); Seiten 20 bis 29

E3: "Lehrgang der Regelungstechnik", Band I, J. C. Gille et al., VEB Verlag Technik, Berlin, 3. Aufl. (1964); Seiten 8 bis 13

E4: Deutsche Norm "DIN 19 226", "Regelungstechnik und Steuerungstechnik", Februar 1994, Teil 1, Seite 7, Teil 4, Seiten 2, 3, 5 und 8, Teil 5, Seiten 4 und 9 und Deckblatt

E5: DE-C2-19544948

E6: EP-A-0489936

E7: "Analyse und Synthese kontinuierlicher Steuerungs systeme" K. Reinisch, VEB Verlag Technik, Berlin, 2. Aufl. (1982); Seiten 203, 204 und 210 bis 212

E8: DE-C1-3843108

E9: DE-C2-4331151.

In der angefochtenen Entscheidung befand die Einspruchs abteilung u.a.,

- dass der Einspruch im Hinblick auf Regel 55 c) EPÜ 1973 zulässig sei,

- dass die verspätet eingereichten Dokumente E8 und E9 ins Verfahren zuzulassen seien (Artikel 114(2) EPÜ 1973),

- dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents gemäß Hauptantrag gegenüber der Druckschrift E6 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 56 EPÜ 1973) und

- dass der in der mündlichen Verhandlung eingereichte zweite Hilfsantrag zulässig sei sowie die Erfordernisse des Artikels 102 (3) EPÜ 1973 erfülle.

III. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Einspruch unter Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung als unzulässig zu verwerfen oder als unbegründet zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte sie, das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage von Hilfsanträgen aufrechtzuerhalten und weiter hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde als unbegründet nach Lage der Akte und ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen.

IV. Die Parteien wurden zu einer mündlichen Verhandlung geladen. In der Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung teilte die Kammer u.a. mit, dass aufgrund des Hilfsantrags der Beschwerdeführerin auf mündliche Verhandlung dem Antrag der Beschwerdegegnerin auf Zurückweisung der Beschwerde ohne mündliche Verhandlung im Hinblick auf Artikel 113 und 116 EPÜ 1973 nicht stattgegeben werden könne.

V. Die Beschwerdegegnerin verkündete, dass sie an der anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde.

VI. Die mündliche Verhandlung fand in Abwesenheit der Beschwerdegegnerin statt.

Die Beschwerdeführerin bestätigte ihren vorangehenden Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung und zog ihre früheren Hilfsanträge auf Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung zurück.

Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

VII. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 15 des Streitpatents in der erteilten Fassung lauten wie folgt:

"1. Verfahren zur Korrektur von periodischen Signalen (sin, cos, -sin, -cos) eines inkrementalen Positions messsystems, wobei zur Korrektur ein oder mehrere Signalparameter über mindestens ein Stellglied (6.1,6.2, 6.3,6.4; 60.5; 60.6) auf vorgegebene Soll-Werte eingeregelt werden und das Korrekturverfahren folgende Schritte aufweist:

a) Ermittlung des Ist-Wertes eines Signal-Parameters des periodischen Signales (sin, cos, -sin, -cos);

b) Vergleich des ermittelten Ist-Wertes des Signal-Parameters mit einem oder mehreren vorgegebenen Schwell- oder Referenzwerten (SW1, SW2 SW3, SW4; R);

c) Bestimmung einer Stellgröße (s) zur Regelung des Signal-Parameters in Richtung auf den vorgegebenen Soll-Wert, wobei die Stellgröße (s) in Abhängigkeit von der Relativlage des Ist-Wertes des Signal-Parameters zu den Schwell- oder Referenzwerten (SW1, SW2, SW3, SW4; R) aus mindestens zwei vorgegebenen, verschiedenen Stellgrößen (s) ausgewählt wird und wobei sich die verschiedenen Stellgrößen betragsmäßig unterscheiden;

d) Einwirken der Stellgröße (s) auf den Signal- Parameter über ein Stellglied (6.1,6.2,6.3,6.4; 60.5; 60.6), um den Signal-Parameter in Richtung des vorgegebenen Soll-Wertes einzuregeln."

"15. Schaltungsanordnung zur Korrektur von periodischen Signalen eines inkrementalen Positions messsystems, wobei zur Korrektur der Ist-Werte eines Signalparameters dieser auf einen vorgegebenen Soll-Wert einregelbar ist und die Schaltungsanordnung

a) eine erste Baugruppe (1) mit einem Multiplexer (1.1) aufweist, an dessen Eingängen die periodischen Signale (sin, cos, -sin, -cos) anliegen und ferner

b) weitere Baugruppen (3,4) aufweist, in denen ein Vergleich des Ausgangssignales (OUTMUX) des Multiplexers (1.1) mit ein oder mehreren, vorgegebenen Schwell- oder Referenzwerten (SW1, SW2, SW3, SW4) erfolgt und in Abhängigkeit der Relativlage des Ist-Wertes des Signal-Parameters zu den vorgegebenen Schwell- oder Referenzwerten (SW1, SW2, SW3, SW4) eine Auswahl einer Stellgröße (s) aus mindestens zwei vorgegebenen, verschiedenen Stellgrößen (5) erfolgt, über die eine Einwirkung auf den Signal-Parameter über ein Stellglied (6.1, 6.2, 6.3, 6.4) erfolgt, um den Signal-Parameter in Richtung des vorgegebenen Soll-Wertes einzuregeln und und [sic] wobei sich die verschiedenen Stellgrößen betragsmäßig unterscheiden."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 14 und 16 bis 26 richten sich auf bevorzugte Ausführungsformen des in Anspruch 1 definierten Verfahrens bzw. der in Anspruch 15 definierten Vorrichtung.

VIII. Die Beschwerdeführerin stützte ihre Anträge auf folgende Argumente:

Die Ausführungen der Einsprechenden im Einspruchs schriftsatz lassen in keiner Weise irgend etwas erkennen, das als eine Begründung fehlender Neuheit oder mangelnder erfinderischer Tätigkeit der beanspruchten Erfindung angesehen werden könnte. Die Einsprechende zitiert mehrfach aus den als Literaturstellen E1 bis E4 und E7 eingeführten Entgegenhaltungen, wo jeweils Definitionen des Begriffes "Regelung" angegeben sind. Es wird hierbei jedoch kein erkennbarer Bezug zu den Merkmalen des Anspruchs 1 des angegriffenen Patents hergestellt. An keiner Stelle wird angegeben, dass aus einer der Entgegenhaltungen beispielweise die Merkmale des Anspruchs 1 bekannt sind, wonach zur Bestimmung einer Stellgröße für die Regelung des Signal-Parameters diese Stellgröße in Abhängigkeit von der Relativlage des Ist-Wertes des Signal-Parameters aus mindestens zwei vorgegebenen, sich betragsmäßig unterscheidenden Stellgrößen ausgewählt wird. Es wird auch an keiner Stelle angegeben, dass diese wesentlichen Verfahrens schritte in irgendeiner Weise aus einer der besagten Literaturstellen für einen Fachmann in naheliegender Weise herleitbar sind. Die einzige Stelle, an der überhaupt Anspruchsmerkmale - wenn auch höchst unvollständig - des Patentanspruchs 1 genannt werden, sind die Ausführungen im Einspruchsschriftsatz in Bezug auf Dokument E4; diese sind aber vollkommen unbeachtlich, weil weder aus dem Dokument E4 selbst noch aus irgendwelchen Ausführungen der Einsprechenden im Einspruchsschriftsatz hervorgeht, dass diese Literatur stelle vor dem Anmelde- bzw. Prioritätstag des angegriffenen Patents öffentlich zugänglich gewesen sein könnte. Außerdem ist dem Dokument keinerlei Hinweis auf wesentliche Merkmale der Erfindung - insbesondere auf die Korrektur von periodischen Signalen oder auf die Auswahl von Stellgrößen - zu entnehmen. Es bleibt auch im Dunkeln, inwieweit die Ausführungen der Einsprechenden fehlende Neuheit oder mangelnde erfinderische Tätigkeit betreffen. Der Einspruchs schriftsatz enthält auch keine Ausführung, die als Begründung einer angeblich fehlenden Neuheit oder mangelnden erfinderischen Tätigkeit des unabhängigen Patentanspruchs 15 verstanden werden kann. Daher ist der Einspruch unzulässig. Wie in der Rechtssprechung anerkannt wird, soll Regel 55 c) EPÜ 1973 in erster Linie verhindern, dass die bloße Einreichung einer Einspruchschrift zusammen mit Dokumenten ohne Bezug auf die wesentlichen Merkmale der Erfindung ausreicht, ein neues Verfahren einzuleiten.

Die Druckschriften E8 und E9 sind während des erstinstanzlichen Verfahrens verspätet eingereicht worden. Außerdem hat sich die Einsprechende zu diesem Zeitpunkt in keiner Weise bemüht, die Relevanz dieser Dokumente darzulegen und zu begründen. Vielmehr wurde jedes dieser beiden Dokumente in dem Schriftsatz der Einsprechenden auf nur zweieinhalb Zeilen abgehandelt. Die Einspruchs abteilung hat jedoch die Druckschriften zugelassen, da sich die Patentinhaberin vor der mündlichen Verhandlung bereits mit diesen Schriften auseinandergesetzt habe; dies kann aber keine tragfähige Begründung für die Zulassung der Schriften sein. Diese Umstände müssen zu einer Nichtberücksichtigung der Dokumente E8 und E9 führen (Artikel 114(2) EPÜ 1973).

Die Auffassung der Einspruchsabteilung, dass in der Druckschrift E6 das Ausgangsignal der Zähler die jeweilige Stellgröße repräsentiere und dass die Zählwerte der Zähler für einen Fachmann erkennbar betragsmäßig unterschiedliche Werte annehmen können, ist unzutreffend, da die Zählerstände nicht ausgewählt werden, sondern sich vielmehr aus den zuvor ausgewählten Zählerschritten + 1 und - 1 durch Berechnung (nämlich Herauf- oder Herabsetzen des Zählers) ergeben. Die auszuwählende Stellgröße wird nicht durch den Zählerstand der Zähler repräsentiert, sondern vielmehr durch die betragsmäßig identischen Zählerschritte + 1 und -1; nur diese sind bei dem in der E6 beschriebenen Verfahren in Abhängigkeit von der Abweichung der Signal-Parameter von den entsprechenden Soll-Werten auswählbar. Außerdem würde die Auslegung durch die Einspruchs abteilung dazu führen, dass jedes der aufeinander folgenden, kumulativ berechneten Ausgangsignale der Zähler über die Stellglieder auf das vorangehende eingeregelte Signal einwirken und dieses über den vorgegebenen Soll-Wert weit hinaus einregeln würde.

Außerdem lässt sich bei Verwendung eines Zählers zur Korrektur der Signale nur durch die Auswahl betragsmäßig unterschiedlicher Zählerschritte erreichen, dass unterschiedlich starke Schwankungen des Signal-Parameters (kleine Abweichungen infolge eines langsamen Driftens bzw. große Abweichungen infolge einer Verschmutzung der Messteilung) zügig und zielgenau korrigiert werden können (vgl. Patentschrift, Absätze [0003], [0021] und [0074]).

Eine Anregung auf die beanspruchte Auswahl von Stellgrößen erhält der Fachmann auch nicht bei einer Kombination der Druckschrift E6 mit den anderen Entgegenhaltungen. In E8 werden die den einzelnen Signalen zugeordneten Stellgrößen in nicht näher bestimmter Weise berechnet, in E5 ist ausschließlich von einer nicht näher spezifizierten Berechnung von Referenzwerten und Steuersignalen die Rede, in E1 bis E4 und in E7 werden lediglich allgemeine Ausführungen zur Regelung offenbart und hinsichtlich E9 ist nicht erkennbar, in welcher Beziehung diese Druckschrift zur technischen Lehre der Erfindung steht. Im Übrigen wurde nicht dargelegt, dass die Druckschrift E4 vor dem Prioritätstag des Patents öffentlich zugänglich war.

Zusätzlich vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, die Einspruchsabteilung habe mehrere Verfahrensfehler begangen.

IX. Die Beschwerdegegnerin stützte ihren Antrag auf folgende Argumente:

Die Druckschriften E8 und E9 belegen die mangelnde Neuheit bzw. mangelnde erfinderische Tätigkeit eines bis in den Stand der Technik verallgemeinerten Hauptanspruchs im Einspruchspatent und sind als relevant zuzulassen.

Anspruch 1 des Hauptantrags beschreibt die klassische Regelungstechnik in bekannten Regelungsverfahren, wobei das Stellglied im üblichen regelungstechnischen Sinne definiert wird. Die Ermittlung von Ist-Werten, der Vergleich mit Referenzwerten und die Bestimmung einer Stellgröße zur Regelung der Parameter in Richtung auf den vorgegebenen Soll-Wert entsprechen regelungs technischem Grundwissen. Auch die Auswahl aus mindestens zwei verschiedenen Stellgrößen (Regelung mit Bereichs aufspaltung, siehe Dokument E4) ist aus mehrstufigen Regelkreisen lehrbuchmäßig bekannt. Die Stellgrößen unterscheiden sich dabei üblicherweise betragsmäßig, um z.B. verschiedene Regelcharakteristika zu erreichen. Dass die Stellgröße auf den Signal-Parameter über ein Stellglied zur Regelung auf Soll-Werte wirkt, beschreibt nochmals die bekannte Wirkung von Regelkreisen.

Dokument E8 beschreibt bereits den bekannten Regelkreis der Signale in Inkrementalgebern mit mehrfachen Hinweisen auch auf betragsmäßige unterschiedliche Stellgrößen. Die Realisierung eines Stellglieds als programmierbarer Verstärker, um im Regelkreis betragsmäßig unterschiedliche Stellgrößen vorzusehen, wird vom Fachmann als eine Auswahl per Programmierung angesehen. Es ist dabei unerheblich, ob die Programmier möglichkeit das gesamte Wertespektrum der digital/analogen Wandlung zulässt oder diese Auswahl auf eine bestimmte Anzahl von Stellgrößen begrenzt. Auch ein programmierbarer Verstärker stellt entsprechend der Auflösung der Digital/Analog-Wandlung nur eine bestimmte Anzahl vorgegebener Stellgrößen zur Verfügung, üblicherweise mehr als andere hardwaretechnische Realisierungen, z. B. durch einen Wahlschalter.

Es ist auch anzumerken, dass der Zähler bereits in Dokument E6 erwähnt wird und die Schrittweiten vom Fachmann mitgelesen werden mit dem Grundwissen z.B. von Lösungen mit SAR-Wandlern (Succesive Approximation).

Im Anspruch 1 und in den nachfolgenden sechs Unter ansprüchen ist von einer Realisierung der Stellgröße durch Zähler überhaupt nicht die Rede; es wird der Regelkreis schlechthin - wenn auch zweistufig - für ein ebenfalls bekanntes Regelungsproblem beschrieben.

Die Beschwerdegegnerin weist derartig verallgemeinerte Ansprüche in seiner Initiative für mehr Patentqualität der Spezies der "Verallgemeinerungspatente" zu. Darin wird Lehrbuchwissen sprachlich verkompliziert und verklausuliert dargestellt, so dass es Prüfungshürden nehmen kann und in Patentklagen auslegbar wird. Im Sinne des Patentgesetzes fordert die Beschwerdegegnerin hier Klarheit und eindeutige Nomenklatur als Bringschuld des Anmelders und als Gegenleistung zum beanspruchten Monopol. Letztlich sind derartige Verallgemeinerungen als unzulässig bezüglich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit zu verwerfen und Patente auf konkrete Ausführungsformen und Realisierungen zu begrenzen. Dass dabei die Möglichkeit zur Umgehung des gewählten technischen Ansatzes steigt, ist durchaus im Sinne des Patentgesetzes und zum Nutzen der marktwirtschaftlich orientierten Industriegesellschaft.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zulässigkeit des Einspruchs

2.1 Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, dass keiner der in der Einspruchsschrift genannten Einspruchsgründe (mangelnde Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit) substantiiert vorgetragen worden sei, so dass der Einspruch entgegen der Auffassung der Prüfungsabteilung unzulässig sei. Da die Einspruchsschrift vor Inkrafttreten des revidierten Europäisches Übereinkommen eingereicht wurde, gelten für die Beurteilung der Zulässigkeit des Einspruchs die Rechtvorschriften des EPÜ 1973 und insbesondere die der Regel 55 c) EPÜ 1973, denn - wie in der Entscheidung T 1366/04, Punkt 1.2 betont - ist die Befugnis zu einer Verfahrenshandlung auf der Grundlage des zum Zeitpunkt dieser Handlung herrschenden Rechtes zu entscheiden.

Es stellt sich daher die Frage, ob im Einspruchs schriftsatz "die Angaben der zur Begründung vorge brachten Tatsachen und Beweismittel" im Sinne der Regel 55 c) EPÜ 1973 so ausreichend angegeben sind, dass die angeführten Einspruchsgründe und ihre Stichhaltigkeit von der Einspruchsabteilung und von der Patentinhaberin richtig verstanden werden können (vgl. T 222/85, OJ EPO 1988, 128, Punkte 4 und 5).

2.2 Im Einspruchsschriftsatz wurde nach einer Auflistung der Merkmale des Patentanspruchs 1 unter ergänzender Bezugnahme auf Figur 1 der Patentschrift behauptet, dass - so wörtlich - "sowohl der Wortlaut des Anspruchs 1 als auch das Flussdiagramm in Figur 1 beschreiben bzw. zeigen einen üblichen Regelkreis und gehören zum Grundlagenwissen eines Regeltechnikers/Ingenieurs". Es folgten mehrere aus den Entgegenhaltungen E1 bis E4 und E7 zitierten technischen Definitionen des Begriffes "Regelung", wonach eine Regelung im Wesentlichen ein Vorgang ist, bei dem eine bestimmte Größe (Regelgröße) erfasst wird, dessen Wert (Ist-Wert) gemessen, mit einem festgelegten Wert (Soll-Wert) verglichen und die Größe so geändert wird, dass Störungen ausgeglichen werden. Hier wird entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ein erster erkennbarer Bezug zu Merkmalen des Anspruchs 1 des Streitpatents hergestellt, der in erster Linie auf ein Regelungs verfahren gerichtet ist, das die Ermittlung des Ist-Wertes eines Signal-Parameters (Merkmal a)), den Vergleich des Ist-Wertes mit vorgegebenen Referenzwerten (Merkmal b)) und die Bestimmung einer Stellgröße zur Regelung des Signal-Parameters in Richtung auf einen vorgegebenen Soll-Wert (Merkmale c) und d)) umfasst.

Kern des im Anspruch 1 definierten Regelungsverfahrens ist die Bestimmung der Stellgröße zur Regelung des Signal-Parameters. Laut Anspruch 1 wird die Stellgröße in Abhängigkeit von der Relativlage des Ist-Wertes des Signal-Parameters zu den Referenzwerten aus mindestens zwei vorgegebenen, sich betragsmäßig unterscheidenden Stellgrößen ausgewählt (Merkmal c)). Der Einspruchs schriftsatz nimmt zwar nicht explizit Bezug auf diese Merkmale, diese werden aber implizit in der darauf folgenden Passage der Einspruchsschrift abgehandelt, welche wie folgt lautet: "Eine Regelung mit Bereichsaufspaltung ist ebenfalls aus Literaturstelle [E4], Teil 4, Seite 8, bekannt. Sie ist eine Regelung, bei der der gesamte Stellbereich abgedeckt wird, die von einem oder mehreren Reglern beeinflußt werden. Teil 5, Seite 4, der Literaturstelle [E4] definiert das Parametrieren, was bedeutet, den Parametern von Funktionseinheiten oder Programmbausteinen eines Regelungs- oder Steuerungssystems Werte zuzuweisen, welche ein gewünschtes Verhalten bewirken. Letztendlich ist in der gleichen Literaturstelle, Teil 5, Seite 9, Punkt 4.1.3.2, die Mehrpunktregelung beschrieben."

Diese Ausführungen der Einsprechenden befassen sich - auch wenn nur implizit und kurz - mit der beanspruchten Bestimmung der Stellgröße zur Regelung des Signal-Parameters und ermöglichen nach Auffassung der Kammer eine Untersuchung der Frage, ob sie in sich schlüssig sind und die Patentierbarkeit des beanspruchten Gegenstandes in Frage stellen können. Daher enthält der Einspruchsschriftsatz nach Auffassung der Kammer eine hinreichende Auseinandersetzung des Kerns der Erfindung mit dem Inhalt der Druckschrift E4. Eine nähere Untersuchung, ob tatsächlich die Ausführungen im Einspruchsschriftsatz die Patentierbarkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 in Frage stellen - insbesondere ob die im Dokument E4 offenbarte "Regelung mit Bereichsaufspaltung" bzw. "Mehrpunktregelung" die Auswahl einer aus mindestens zwei vorgegebenen, sich betragsmäßig unterscheidenden Stellgrößen nach Anspruch 1 vorwegnimmt oder zumindest nahelegt -, ist nicht im Rahmen der Beurteilung der Zulässigkeit des Einspruchs, sondern erst bei der Überprüfung der sachlichen Begründetheit des Einspruchs durchzuführen.

Der Beschwerdeführerin ist zwar zuzustimmen, dass die oben erwähnten Passagen des Einspruchsschriftsatzes nicht ausdrücklich angeben, nach welchem der genannten Einspruchsgründe (fehlende Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) der Gegenstand des Anspruchs 1 als nicht patentfähig zu gelten hätte. Es ergibt sich jedoch aus dem Zusammenhang, dass die Ausführungen in den erwähnten Passagen des Einspruchsschriftsatzes zumindest unter den Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973) subsumierbar sind und dieser substantiiert wird.

Damit sind die einschlägigen Tatsachen und Beweismittel für ein richtiges und objektives Verständnis des Vorbringens der Einsprechenden im Bezug auf mindestens den Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit - wenn auch knapp - ausreichend angegeben. Der Beschwerdeführerin ist zwar zuzustimmen, dass der Einspruchsschriftsatz sich nicht mit sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1 ausdrücklich und explizit auseinandersetzt, insbesondere nicht mit der von der Patentinhaberin als wesentlich betrachteten Auswahl der Stellgröße aus mindestens zwei vorgegebenen, sich betragsmäßig unterscheidenden Stellgrößen. Dieser Mangel reicht jedoch nicht aus, im vorliegenden Fall die Zulässigkeit des Einspruchs in Frage zu stellen. Solange sich der Einspruchsschriftsatz mit dem wesentlichen Gehalt der im Anspruch 1 definierten Erfindung auseinandersetzt, besteht keine absolute Notwendigkeit, sämtliche Merkmale des angegriffenen Patentanspruchs zu behandeln (vgl. T 134/88, Punkt 4.4, T 2/89 (OJ EPO 1991, 51), Punkt 5, und T 1097/98, Punkt 2).

Das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach vor der Einspruchsfrist keine Beweise für die rechtzeitige Veröffentlichung des Dokuments E4 erbracht worden ist, reicht ebenfalls nicht aus, die Zulässigkeit des Einspruchs in Frage zu stellen, da erstens die Beweiswürdigung, ob das Dokument tatsächlich vorveröffentlicht ist, nicht die Zulässigkeit des Einspruchs, sondern dessen sachlichen Begründetheit berührt (siehe T 234/86 (OJ EPO 1989, 79), Punkt 2.4 und T 782/04, Punkt 3.2), und zweitens Dokument E4 eine DIN-Norm betrifft, die als allgemein öffentlich zugänglich gilt und deren Veröffentlichungstag unmittelbar nachweisbar ist.

Nach alledem kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass die an sich knappen Ausführungen der Einsprechenden im Einspruchsschriftsatz zur Frage der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 soweit ausreichend verständlich und vollständig sind, dass eine Prüfung ihrer materiell-rechtlichen Begründetheit eingeleitet werden kann. Daher sind die Erfordernisse der Regel 55 c) EPÜ 1973 zumindest für den Einspruchsgrund der fehlenden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 erfüllt.

2.3 Angesichts des Vorangehenden und in Anbetracht der Rechtsprechung der Beschwerdekammern, wonach ein Einspruch grundsätzlich schon dann zulässig ist, wenn mindestens einer der Einspruchsgründe (siehe z.B. T 653/99, Punkte 1 bis 3) im Hinblick auf mindestens einen der unabhängigen Ansprüche (siehe z.B. T 114/95, Punkte 1.2 bis 1.4) die Erfordernisse der Regel 55 c) EPÜ 1973 erfüllt, erübrigt sich die Prüfung der Frage, ob der Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit von den Ansprüche 1 und 15 und der Einspruchsgrund der fehlenden erfinderischen Tätigkeit von unabhängigen Anspruch 15 im Einspruchschriftsatz ausreichend substantiiert wurden.

Da aber während des erstinstanzlichen Einspruchs verfahrens sowohl die Neuheit der unabhängigen Patentansprüche 1 und 15 als auch die erfinderische Tätigkeit des Patentanspruchs 15 behandelt wurden (siehe z.B. die in dem Bescheid vom 15.02.2005 dargelegte vorläufige Stellungnahme der Einspruchsabteilung), sind diese Gründe auch im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen.

2.4 Die Kammer kommt aus den oben angeführten Gründen zu dem Schluss, dass der Einspruch zulässig war.

3. Verspätet eingereichte Dokumente E8 und E9

Die Beschwerdeführerin hat während des Beschwerde verfahrens an ihrem bereits erstinstanzlich gestellten Antrag festgehalten, die Druckschriften E8 und E9 nicht zuzulassen. Diese Dokumente wurden mit dem Brief vom 13.05.2005, d.h. ca. einen Monat vor der erstinstanz lichen mündlichen Verhandlung, von der Beschwerde gegnerin eingereicht und von der Einspruchsabteilung in das Verfahren zugelassen.

Die Einspruchsabteilung hat es für gerechtfertigt gehalten, die Dokumente zuzulassen, da sie sie für relevant gehalten hat und die Patentinhaberin ausreichende Zeit hatte, sich mit den Dokumenten zu befassen (Protokoll, Punkt 3 und Entscheidung, Punkt 2.1). Außerdem hatte die Beschwerdegegnerin - anders als von der Beschwerdeführerin behauptet - die mögliche Relevanz der Dokumente, obwohl sehr kurz, jedoch ausreichend dargelegt (siehe Brief von 13.05.2005). Unter diesen Umständen ist es für die Kammer nicht ersichtlich, dass die Einspruchs abteilung ihr Ermessen nach Artikel 114(2) EPÜ 1973 überschritten bzw. fehlerhaft ausgeübt hätte. Daher kann dem Gesuch der Beschwerdeführerin, die Zulassung der Dokumente E8 und E9 durch die Einspruchsabteilung in das Verfahren rückgängig zu machen, nicht gefolgt werden.

4. Neuheit und erfinderische Tätigkeit

4.1 Patentanspruch 1

4.1.1 Die Neuheit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 war am Ende des erstinstanzlichen Einspruchsverfahrens nicht mehr bestritten. Während des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdegegnerin zwar behauptet, dass die Dokumente E8 und E9 "die mangelnde Neuheit bzw. mangelnde erfinderische Tätigkeit eines bis in den Stand der Technik verallgemeinerten Hauptanspruchs im Einspruchspatent" belegen. Diese Ausführungen wurden jedoch nur im Rahmen der Diskussion der Zulässigkeit der im erstinstanzlichen Verfahren nachgereichten Dokumente E6 und E8 gemacht und der Einwand fehlender Neuheit wurde hingegen nicht erhoben bzw. substantiiert. Die Kammer sieht keinen Grund, einen anderen Standpunkt einzunehmen. Daher erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.

4.1.2 Es ist unbestritten, dass Dokument E6 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt. Das Dokument offenbart ein Verfahren zur Korrektur sowohl von Amplituden- als auch von Offset-Fehlern zweier sinusförmiger Signale S1 und S2 (Zusammenfassung). Dabei werden die Signale über Schwellwertstufen (Komparatoren K11, K21) bewertet, um Amplituden-Abweichungen zu detektieren, und sofern ermittelt wird, dass die Amplitude des Signals S1 im Hinblick auf den vorgegebenen Amplituden-Soll-Wert zu groß bzw. zu klein ist, wird ein erster Zähler Z12 um einen Wert "1" in seinem Zählerstand verringert bzw. erhöht (Spalte 2, Zeilen 40 bis 52, Spalte 3, Zeile 52 bis Spalte 4, Zeile 47). In gleicher Weise wird für das Signal S2 einen zweiten Zähler Z21 angesteuert. Die Ausgangsignale der Zähler zeigen anhand ihrer digitalen Zählwerte an, inwieweit die Amplitude der Signale S1 und S2 einer Korrektur bedürfen und werden jeweils einem Differenz glied D1 bzw. D2 einer Regelschleife zur Regelung der Amplituden der Signale auf den vorgegebenen Soll-Wert zurückregelnd zugeleitet (Spalte 4, Zeile 48 bis Spalte 5, Zeile 8). In ähnlicher Weise werden Offset-Fehler der Signale S1 und S2 ermittelt und zur Offset-Fehlerausregelung der Signale verwendet.

4.1.3 In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Einspruchsabteilung die Auffassung, dass die Inkremente + 1 und - 1, die auf den Zähler Z12 und Z21 einwirken, als Stellgröße im Sinne von Patentanspruch 1 verstanden werden könnten, d.h. als Stellgröße zum Einwirken auf den Signal-Parameter (Amplitude) über ein Stellglied (Differenzglied D1), um den Signal-Parameter in Richtung des vorgegebenen Soll-Wertes einzuregeln. Die Einspruchsabteilung war aber der Auffassung, dass auch die Ausgangsignale der Zähler Z12 und Z21 als Stellgrößen im Sinne von Patentanspruch 1 verstanden werden können. Da das Ausgangssignal eines Zählers ein diskreter und damit vorgegebener Zählwert ist und es offensichtlich verschiedene Zählerwerte gibt, deren endliche Anzahl durch die Größe des Zählers bestimmt wird, gelangte die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, dass sich die beanspruchte Auswahl der Stellgröße aus mindestens zwei vorgegebenen, sich betragsmäßig unterscheidende Stellgrößen in naheliegender Weise aus dem allgemein Fachwissen und damit das beanspruchte Verfahren in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergäben.

Die Kammer kann sich der Analyse und der daraus resultierenden Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung nicht anschließen, denn auch wenn in der Druckschrift E6 die Ausgangssignale der Zähler Z12 und Z21 als digitale rückregelnde Stellgrößen vorgesehen sind (Spalte 2, Zeile 40 bis Spalte 3, Zeile 19 und Spalte 4, Zeile 48 ff.), steht die Auslegung des Dokuments E6 durch die Einspruchsabteilung, wonach die Ausgangsignale der Zähler Z12 und Z21 auch Stellgrößen im Sinne des Patentanspruchs 1 darstellen können, nicht im Einklang mit dem Inhalt der Entgegenhaltung. Erstens werden in der Druckschrift E6 die Ausgangsignale der Zähler Z12 und Z21 durch kumulative Addition der Inkremente + 1 und - 1 tatsächlich berechnet (Spalte 4, Zeilen 30 bis 50) und nicht - wie beansprucht - ausgewählt. Zweitens wird in der Regelschleife des Dokuments E6 jedes der aufeinanderfolgenden Ausgangsignale der Zähler Z12 und Z21, die sich aus der kumulativen Addition von Inkrementen ergeben, nicht - wie beansprucht - in Abhängigkeit von der Relativlage des Ist-Wertes des einzuregelnden Signal-Parameters zu den Referenzwert ermittelt, sondern in Abhängigkeit von der Relativlage des Ist-Wertes des Signal-Parameters, der mit dem vorangehenden Ausgangsignal in Richtung des vorgegebenen Soll-Wertes bereits eingeregelt wurde.

Daher stimmt die Kammer mit der Auffassung der Beschwerdeführerin überein, dass nur die Inkremente oder Schrittweite der Zähler + 1 und - 1, welche auf den Zähler Z12 und Z21 einwirken, als auszuwählende Stellgröße im Sinne von Patentanspruch 1 zu betrachten sind, nicht jedoch der Zählerstand bzw. die Ausgangsignale der Zähler. Diese Schlussfolgerung ergibt sich nicht nur auf einer wörtlichen Auslegung des Patentanspruchs 1, sondern steht auch im Einklang mit dem Gesamtinhalt der Streitpatentschrift. So wird im Fall einer Realisierung einer Stellgröße mittels eines Zählers unter einer auszuwählenden Stellgröße ausschließlich die Schrittweite eines Zählers verstanden (siehe z.B. abhängige Ansprüche 8 und 12 in Verbindung mit der entsprechenden Beschreibung, insbesondere Absatz [0037]), nicht aber der Zählerstand des entsprechenden Zählers, bei dem es sich um eine aus der ausgewählten Stellgröße in Form einer Schrittweite durch Berechnung abgeleitete Größe handelt.

Aus dem Vorstehenden folgt auch unmittelbar, dass in der Entgegenhaltung E6 die auf den Zähler einwirkenden inkrementalen Stellgrößen + 1 und - 1 betragsmäßig identisch sind und sich lediglich im Vorzeichen unterscheiden. Die Verwendung und die Auswahl sich betragsmäßig unterscheidender Stellgrößen im Sinne des Patentanspruchs 1 wird somit in der Druckschrift E6 weder explizit noch implizit offenbart.

4.1.4 Die Verwendung von vorgegebenen, sich betragsmäßig unterscheidenden Regelungs-Stellgrößen ermöglicht auf einfache Weise eine schnellere Ausregelung von größeren Schwankungen der Signal-Parameter und eine Minderung von Überschwingungen der Regelung bei kleinen Schwankungen (Absätze [0005] bis [0007], [0021] und [0074] bis [0077] der Patentschrift).

Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, dass die Entgegenhaltung E8 den bekannten Regelkreis der Signale in Inkrementalgebern mit mehrfachen Hinweisen auch auf betragsmäßige unterschiedliche Stellgrößen beschreibt. Allerdings offenbaren die von der Beschwerdegegnerin zitierten Passagen nur, dass eine Stellgröße für ein jeweiliges Stellglied zur Ausregelung von Amplituden schwankungen zweier periodischen Signale (Zusammen fassung) mittels einer Schaltungsanordnung erzeugt (Spalte 3, Zeilen 5 bis 10 und 18 bis 20) bzw. mittels eines programmierbaren Verstärkers verändert wird (Spalte 4, Zeilen 18 bis 20, 27 bis 29 und 45 bis 48, Spalte 7, Zeilen 1 bis 5, und Spalte 8, Zeilen 30 bis 35). Auch ist eine Auswahl aus vorgegebenen Stellgrößen dem Dokument E8 nicht zu entnehmen, geschweige denn Hinweise auf eine Technik zur schnelleren Ausregelung von größere Schwankungen der Signale bzw. zur Minderung von Überschwingungen der Regelung bei kleinen Schwankungen, die mit einfachen Mitteln - insbesondere ohne programmierbare Verstärker oder komplexe Schaltungsanordnungen - auskommt.

Die Beschwerdegegnerin hat ferner geltend gemacht, dass die Auswahl aus mindestens zwei verschiedenen Stellgrößen "aus mehrstufigen Regelkreisen lehrbuchmäßig bekannt" sei, allerdings ohne nähere Erklärung oder konkrete Angabe entsprechender Beweismittel. Insbesondere gibt der vorhandene Stand der Technik keinerlei Hinweise auf eine Auswahl einer Stellgröße aus vorgegebenen, sich betragsmäßig unterscheidenden Stellgrößen im Sinne des Patentsanspruchs 1. So offenbaren die Druckschriften E1, E2, E3 und E7 übliche Regelungstechniken, ohne auf vorgegebene, sich betragsmäßig unterscheidende Stellgrößen einzugehen. In E5 werden Steuersignale jedes Mal aus neu zu berechnenden digitalen Referenzwerten ermittelt (Spalte 4, Zeilen 2 bis 49), in E4 (veröffentlicht in Februar 1994, siehe nachgereichtes Deckblatt zu Teil 4 von den Normen der Reihe DIN 19 226) werden verschiedene Regelungstechniken offenbart, wie z.B. die Regelung mit Bereichsaufspaltung (Teil 4, Seite 8, Punkt 4.9) und die Mehrpunktregelung (Teil 5, Seite 9, Punkt 4.1.3.2), und in E9 wird eine Optimierungstechnik zur Korrektur von periodischen Signalen eines inkrementalen Positionsmesssystems offenbart (Zusammenfassung und Ansprüche 1 und 8). Es ist anhand der Ausführungen der Beschwerdegegnerin aber nicht erkennbar, welchen Bezug diese Offenbarungen zum beanspruchten Regelungsverfahren haben, das eine Auswahl einer Stellgröße aus vorgegebenen, sich betragsmäßig unterscheidenden Stellgrößen erfordert.

Die allgemeinen Ausführungen der Beschwerdegegnerin zu "Verallgemeinerungspatenten" bzw. zu "mehr Patent qualität" können außer Betracht bleiben, da nach Artikeln 52(1), 54 und 56 EPÜ die materielle Patentierbarkeit einer Erfindung nicht in Abrede gestellt werden kann, wenn im Lichte des aktenkundigen Standes der Technik die Vorwegnahme bzw. das Naheliegen der beanspruchten Erfindung für den Fachmann nicht nachgewiesen ist.

4.1.5 Die Kammer kommt aus den oben angeführten Gründen zu dem Schluss, dass der Fachmann durch den im Einspruchs verfahren zitierten Stand der Technik keinerlei Anregung erhält, zum Erreichen der erfindungsgemäß zu erzielenden Wirkung (Punkt 4.1.4 oben) eine Auswahl der Stellgröße aus vorgegebenen, sich betragsmäßig unterscheidenden Stellgrößen in Abhängigkeit von der Relativlage des Ist-Wertes des Signal-Parameters zu den Referenzwerten vorzunehmen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ 1973.

4.2 Ansprüche 2 bis 26

Der unabhängige Anspruch 15 ist auf einer Schaltungs anordnung zur Korrektur von periodischen Signalen eines inkrementalen Positionsmesssystems gerichtet, die u.a. Mittel aufweist, deren funktionelle Merkmale im Wesentlichen jeweils den Schritten des Verfahrens nach Anspruch 1 entsprechen. Da der Stand der Technik für die Kombination der Schritte des Verfahrens nach Anspruch 1 keine Anregung gibt (Punkt 4.1 oben), ist auch die Kombination bzw. die Zusammenwirkung der strukturellen und funktionellen Merkmale der Vorrichtung nach Anspruch 15 neu und nicht nahe gelegt. Der Gegenstand des unabhängigen Patentanspruchs 15 ist daher neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973).

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 14 und 16 bis 26 betreffen besondere Ausführungsarten des Gegenstands nach Anspruch 1 bzw. Anspruch 15. Deren Gegenstand ist daher ebenfalls neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973).

4.3 Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt daher eine patentfähige Erfindung im Hinblick auf Artikel 52 (1) EPÜ dar, so dass die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ 1973 nicht durchgreifen. Die Beschwerdekammer ist deshalb der Meinung, dass die genannten Einspruchs gründe der Aufrechterhaltung des Streitpatents im Umfang der erteilten Ansprüche nicht entgegenstehen (Artikel 101(2) EPÜ).

5. Während des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerde führerin das Vorliegen mehrerer Verfahrensmängel im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht. Allerdings hat die Beschwerdeführerin keinen Antrag auf Zurück erstattung der Beschwerdegebühr gestellt. Dass die Rückzahlung der Beschwerdegebühr auf Grund eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspräche (Regel 67 EPÜ 1973), wurde auch von keiner Seite behauptet. Außerdem kann die Kammer in den von der Beschwerdeführerin gerügten Verfahrensmängeln keinen wesentlichen Verfahrensmangel erkennen, der aus Gründen der Billigkeit die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 67 EPÜ 1973 rechtfertigen würde. Daher liegt kein Grund zur näheren Untersuchung der behaupteten Verfahrensmängel vor.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird wie erteilt aufrechterhalten.

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