T 0778/00 (Beschwerdeschrift/INAUEN) of 6.7.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T077800.20010706
Datum der Entscheidung: 06 Juli 2001
Aktenzeichen: T 0778/00
Anmeldenummer: 93911720.6
IPC-Klasse: B65B 31/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: A
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Fassungen: OJ | Published
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Verpacken von Gut unter Vakuum und Vakuum-Verpackungsmaschine
Name des Anmelders: INAUEN MASCHINEN AG
Name des Einsprechenden: (01) WEBOMATIC Maschinenfabrik GmbH
(02) W.R. Grace & Co.-Conn.
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: 1. Artikel 108 Satz 2 EPÜ ist nicht dahin auszulegen, daß die bloße Übermittlung eines Abbuchungsauftrags für die Beschwerdegebühr an das EPA als Einlegung der Beschwerde anzusehen ist (im Anschluß an J 19/90).
2. Das Fehlen eines Hinweises auf Regel 65 EPÜ in der Anlage zur Rechtsmittelbelehrung macht diese weder unvollständig noch irreführend.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 108
European Patent Convention 1973 R 64
European Patent Convention 1973 R 65
Schlagwörter: Beschwerdeschrift - Abbuchungsauftrag nicht ausreichend
Rechtsmittelbelehrung - lückenhaft (nein)
Vertrauensschutz (nein)
Nachfrist (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0002/97
J 0019/90
J 0017/98
T 0041/82
T 0170/83
T 0275/86
T 0371/92
T 0947/94
T 0460/95
T 0696/95
T 0266/97
T 1100/97
T 0445/98
Anführungen in anderen Entscheidungen:
G 0001/18
R 0002/10
T 1465/08
T 1479/09
T 1926/09
T 1943/09
T 0377/11
T 0861/12
T 1954/13
T 0551/15
T 1325/15
T 1946/15
T 1897/17
T 0767/18
T 1855/22

Sachverhalt und Anträge

I. Das auf die Anmeldung Nr. 93 911 720.6 erteilte europäische Patent Nr. 0 593 748 wurde in der mündlichen Verhandlung vom 14. März 2000 von der Einspruchsabteilung widerrufen. Die schriftliche Entscheidung wurde am 3. April 2000 zur Post gegeben. Durch Mitteilung vom 7. Juli 2000 wurden die Verfahrensbeteiligten davon unterrichtet, daß innerhalb der Beschwerdefrist keine Beschwerde zur Akte gelangt und das Einspruchsverfahren rechtskräftig abgeschlossen sei.

II. Mit Fax vom 11. Juli 2000 übersandte der Vertreter der Patentinhaberin einen Beleg über die Einzahlung der Beschwerdegebühr und kündigte die Einreichung der Beschwerdebegründung bis zum 3. August 2000 an. Durch Mitteilung vom 18. Juli 2000 hob der Formalsachbearbeiter der Einspruchsabteilung die vorangegangene Mitteilung auf, da erst nach deren Absendung festgestellt werden konnte, daß eine Beschwerdegebühr rechtzeitig und in voller Höhe gezahlt worden sei. Ferner teilte er mit, daß die Akte der Beschwerdekammer vorgelegt worden sei.

III. Die Geschäftsstelle der Beschwerdekammer wies die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) durch Mitteilung vom 11. August 2000 darauf hin, daß bisher keine Erklärung über die Einlegung einer Beschwerde nach Artikel 108 Satz 1 EPÜ zu den Akten gelangt sei. Mit Fax vom 13. August 2000 ging eine Beschwerdebegründung, datiert vom 3. August 2000 ein.

IV. Mit Bescheid der Kammer vom 30. August 2000 wurden die Parteien darauf hingewiesen, daß eine Beschwerde als unzulässig zu verwerfen sei, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung schriftlich eingelegt worden sei. Die bloße Zahlung der Beschwerdegebühr sei nicht als wirksame Einlegung einer Beschwerde anzusehen. Mit Fax vom 10. November 2000 reichte die Beschwerdeführerin eine Beschwerdeschrift in zwei im wesentlichen identischen Stücken ein, von denen eines mit dem 31. Mai 2000, das andere mit dem 9. November 2000 datiert war.

V. Mit einem weiteren Bescheid der Kammer vom 28. November 2000 wurden die Beteiligten davon unterrichtet, daß sich durch die Nachreichung der Beschwerdeschrift an der Rechtslage nichts geändert habe, da bei Ablauf der Beschwerdefrist keine Beschwerdeschrift eingegangen gewesen sei.

VI. In ihrem weiteren schriftlichen Vorbringen und in der mündlichen Verhandlung vom 6. Juli 2001 vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, mit der Zahlung der Beschwerdegebühr gelte die Beschwerde als eingelegt. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende 01) hielt dem entgegen, der eingereichte Abbuchungsauftrag könne schon deswegen die erforderliche schriftliche Beschwerde nicht ersetzen, weil er keinen Antrag enthalte.

VII. Die Beschwerdeführerin hat beantragt, die Beschwerde als eingelegt anzusehen und als zulässig zu erklären sowie die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

VIII. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende 01) hat beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende 02) hat sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

1. Die am 3. April 2000 zur Post gegebene Entscheidung galt mit dem 13. April 2000 als zugestellt (Regel 78 (2) EPÜ); demgemäß liefen die Fristen nach Artikel 108 Satz 1 und 2 EPÜ zur Einlegung der Beschwerde und zur Zahlung der Beschwerdegebühr am 13. Juni 2000 ab (Regel 83. (4) EPÜ). Innerhalb der Frist ist lediglich ein Abbuchungsauftrag (EPA Form 1010), mit dem eine Beschwerdegebühr entrichtet worden ist, aber keine Beschwerdeschrift eingegangen.

2. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin soll mit der Zahlung der Beschwerdegebühr die Beschwerde als eingelegt gelten. Alle weiteren Erfordernisse einer ordnungsgemäßen Beschwerdeschrift könnten nach Aufforderung durch die Beschwerdekammer erfüllt werden. Diese Meinung steht nicht in Einklang mit der gesetzlichen Regelung.

2.1. Die Einlegung der Beschwerde ist die schriftlich an das EPA gerichtete Willenserklärung, daß die Entscheidung erster Instanz angefochten wird. Ohne eine solche Erklärung steht die Entscheidung der ersten Instanz nicht zur Überprüfung der Beschwerdekammer. Nach Artikel 108 Satz 1 i. V. m. Regel 64 b) EPÜ wird Beschwerde durch eine Beschwerdeschrift eingelegt, die unter anderem einen Antrag enthalten muß.

2.2. In Einklang hiermit sind Einlegung der Beschwerde und Zahlung der Beschwerdegebühr in Artikel 108 Satz 1 und 2 EPÜ als zwei getrennte Erfordernisse der Beschwerde geregelt. Nach diesen Bestimmungen kann die Zahlung der Beschwerdegebühr die Einlegung der Beschwerde nicht ersetzen. Ansonsten hätte es genügt, die Zahlung der Beschwerdegebühr vorzuschreiben, des weiteren Erfordernisses der Einlegung der Beschwerde hätte es nicht bedurft. Dieser Struktur der Vorschrift entspricht auch ihr Wortlaut. Satz 2 ist mit Satz 1 durch die zeitliche Bestimmung "erst" verbunden und knüpft damit an eine eingelegte Beschwerde an, die nur dann Wirksamkeit erlangen kann, wenn die in Satz 2 geregelte Bedingung, d. h. die Zahlung der Gebühr, eintritt. Dieser Zusammenhang wird auch aus Artikel 4 (1) GebO deutlich, nach dem mangels abweichender Regelung eine Gebühr mit dem Eingang des entsprechenden Antrags fällig wird (vgl. Gall, Münchner Gemeinschaftskommentar, 10. Lfg. 1986, Art. 51 EPÜ, Rdn 86, 105). Dies hat aber auch zur Folge, daß die Beschwerdegebühr erst mit Einlegung der Beschwerde fällig wird. Geht keine Beschwerde ein, so ist die Beschwerdegebühr ohne Rechtsgrund gezahlt und daher zurückzuzahlen (ständige Rechtsprechung seit T 41/82, ABl. EPA 1982, 256, Gründe Nr. 1).

2.3. Demnach hat ein Beteiligter, der lediglich die Beschwerdegebühr zahlt, noch die Wahlmöglichkeit, ob er Beschwerde einlegen will oder nicht. So kann etwa ein Vertreter, der kurz vor Fristablauf noch keine Weisung des Mandanten hat, zunächst sicherheitshalber zur Fristwahrung die Beschwerdegebühr zahlen und abwarten, ob er noch einen Auftrag zur Einlegung der Beschwerde bis zum Ablauf der Frist erhält. Damit geht er kein finanzielles Risiko ein, weil die Beschwerdegebühr zurückgezahlt wird, sofern keine Beschwerde eingeht. Es liegt aber auf der Hand, daß bei Ablauf der Beschwerdefrist klar sein muß, ob eine Beschwerde eingelegt ist. Aus der alleinigen Zahlung der Gebühr würde sich dies nicht ergeben. Daher hat der Beschwerdeführer zu erklären, daß eine bestimmte Entscheidung mit der Beschwerde angefochten werde, um nach Artikel 108 Satz 1 EPÜ wirksam eine Beschwerde einzulegen (T 371/92, ABl. EPA 1995, 324, Gründe Nr. 3.5).

2.4. Die bloße Zahlung ist auch deswegen ungeeignet, die Einlegung der Beschwerde zu ersetzen, weil sie keine Verfahrenshandlung, sondern ein faktischer Vorgang, nämlich die Übermittlung eines Geldbetrags an das EPA ist (T 170/83, ABl. EPA 1984, 605, Gründe Nr. 8). Die mit einer Zahlung normalerweise verbundenen Erklärungen sind nicht einmal notwendig an das EPA gerichtet, sondern können beispielsweise gegenüber einem Kreditinstitut abgegeben werden (vgl. die verschiedenen Zahlungsformen in Artikel 5 (1) GebO). Zutreffend weist die Beschwerdeführerin allerdings darauf hin, daß in der Entscheidung T 275/86 (zitiert in Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 3. Aufl 1998, VII.D.7) ein ausgefüllter Abbuchungsauftrag (Formblatt 4212) als wirksame Beschwerdeschrift angesehen wurde. Diese Entscheidung stellt aber lediglich darauf ab, daß die ohnehin nach Regel 64 a) i. V. m. Regel 65 2) EPÜ nachbringbaren Angaben im dort entschiedenen Fall im Abbuchungsauftrag vorhanden waren. Mit dem nicht heilbaren (vgl. Regel 65 (1) EPÜ) Fehlen der Angaben nach Regel 64 b) EPÜ, insbesondere dem Umfang, in dem die Änderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung begehrt wird, befaßt sich die Entscheidung nicht. Demgemäß ist sie auch vereinzelt geblieben und die weitere Rechtsprechung ist der Entscheidung J 19/90 (ebenfalls zitiert in Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 3. Aufl 1998, a.a.O.) gefolgt, nach der die Übermittlung eines Formulars zur Gebührenzahlung allein nicht als Einlegung der Beschwerde anzusehen ist (T 371/92, a.a.O.; T 266/97 und T 1100/97, beide zitiert in Rechtsprechung der Beschwerdekammern im Jahr 1998, Sonderausgabe zum ABl. EPA 1999, S. 72; T 947/94, vom 13. November 1998, T 696/95, vom 16. November 1995 und T 445/98, vom 10. Juli 2000, sämtlich nicht im ABl. EPA). In der Entscheidung T 460/95 (ABl. EPA 1998, 587) ist zwar ein Anschreiben zum Abbuchungsauftrag als Beschwerdeschrift bezeichnet worden; gleichwohl ist die Beschwerde als unzulässig erachtet worden, da das Schreiben mangels Beschwerdeerklärung nicht die gesetzlichen Erfordernisse erfülle. Im übrigen würde der im vorliegenden Fall eingereichte Abbuchungsauftrag nicht einmal die in T 275/86 (a.a.O.) als ausreichend erachteten Bedingungen erfüllen, weil er auch die Angaben nach Regel 64 a) EPÜ nicht enthält.

3. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf eine angeblich lückenhafte und irreführende Rechtsmittelbelehrung ist unzutreffend.

3.1. Der der angefochtenen Entscheidung in Form 2019 beigefügte Wortlaut des Artikel 108 EPÜ enthält ausdrücklich den Hinweis auf die drei zu wahrenden Formerfordernisse. Wenn ein Beteiligter meint, eine der drei Handlungen sei überflüssig, so tut er dies auf sein eigenes Risiko. Daneben weist Form 2019 ausdrücklich auf das Erfordernis einer Beschwerdeschrift und entgegen dem ursprünglichen Vortrag der Beschwerdeführerin auch auf Regel 64 EPÜ hin.

3.2. Eines ausdrücklichen Hinweises auf Regel 65 EPÜ bedurfte es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht. Sinn der Rechtsmittelbelehrung ist es, den unterlegenen Beteiligten über die Anfechtbarkeit der Entscheidung zu unterrichten. Sie dient keineswegs einer umfassenden Aufklärung über das Beschwerdeverfahren und die Folgen der Nichterfüllung von Formerfordernissen. Die Hinweise in Form 2019 sind klar und unmißverständlich. Die Beschwerdeführerin ist diesen Hinweisen nicht gefolgt und hat keine Beschwerdeschrift eingereicht. Dies hat sie auf ihr eigenes Risiko getan. Das EPA war nicht zu detaillierten rechtlichen Erläuterungen verpflichtet (vgl. J 17/98, ABl. EPA 2000, 399). Es war Sache der Beschwerdeführerin sich über die möglichen rechtlichen Folgen zu unterrichten, wenn sie den gegebenen Hinweisen nicht folgte. Dabei wäre sie zwangsläufig auf Regel 65 EPÜ gestoßen, die zwischen zu beseitigenden und nicht zu beseitigenden Mängeln der Beschwerdeschrift unterscheidet. Hierzu hätte es nicht einmal der Nutzung besonderer Informationen wie der Hinweise für die Parteien und ihre Vertreter im Beschwerdeverfahren (ABl. EPA 1996, 342), der veröffentlichten Rechtsprechung der Beschwerdekammern oder der üblichen Kommentarliteratur bedurft. Vielmehr hätte schon der Blick in eine Textausgabe des EPÜ ausgereicht, um dem Vertreter des Beschwerdeführers den von ihm vermißten Hinweis auf Regel 65 EPÜ zu vermitteln, da diese Vorschrift bei Artikel 108 EPÜ als Ausführungsbestimmung vermerkt ist.

3.3. Die Beschwerdeführerin hat sich zwar darauf berufen, ebenso wie sie seien schon zahlreiche andere Beteiligte durch irreführende und täuschende Hinweise des EPA von einer rechtzeitigen Einlegung der Beschwerde abgehalten worden, Belege hat sie dafür allerdings nicht angegeben. Aus der langjährigen Praxis der Kammern ist jedenfalls kein Fall ersichtlich, in dem ein Beteiligter sich darauf berufen hätte, nach den Informationen des EPA habe er annehmen können, eine Beschwerdeschrift sei nicht erforderlich.

3.4. Der weitere Hinweis der Beschwerdeführerin auf den angeblich abweichenden Verfahrensablauf beim Prüfungsantrag liegt neben der Sache. Der schriftliche Prüfungsantrag ist keineswegs, wie die Beschwerdeführerin zu meinen scheint, überflüssig. Vielmehr ist dieser Antrag bereits im Formular für den Erteilungsantrag oder, wie im vorliegenden Fall, im Formular für den Eintritt in die regionale Phase enthalten (Form 1200, Feld 4).

3.5. Im übrigen zeigt auch der Antrag auf Verlängerung der nicht verlängerbaren, weil gesetzlichen Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung, daß der Vertreter des Beschwerdeführers sich nicht über grundlegende Erfordernisse bei der Wahrung von Fristen und über mögliche Rechtsverluste bei Fristversäumnissen unterrichtet, sondern sich jeweils darauf verlassen hat, daß ihn das EPA auf mögliche Rechtsverluste hinweist. Daher kann er sich im vorliegenden Zusammenhang auch nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen. Dieser Grundsatz gibt dem Beschwerdeführer keine Berechtigung, seine Verantwortung für die Erfüllung der Voraussetzungen einer zulässigen Beschwerde auf das EPA abzuwälzen (G 2/97, ABl. EPA 1999, 123, Gründe Nr. 4.2). Gerade von einem zugelassenen Vertreter als Berater in Verfahrensfragen des EPÜ muß erwartet werden, daß ihm die grundlegenden Erfordernisse zur Vornahme von Verfahrenshandlungen bekannt sind oder daß er sich wenigstens falls notwendig über sie unterrichtet.

4. Zu Unrecht beruft sich die Beschwerdeführerin auf einen Widerspruch zwischen Artikel 108 Satz 1 EPÜ und Regel 64 EPÜ. Sie meint, erst nach Fertigstellung der Beschwerdebegründung sei ein Beschwerdeführer in der Lage, den für die Beschwerdeschrift in Regel 64 b) EPÜ vorgeschriebenen Antrag zu formulieren. Daher könne die Beschwerdeschrift nicht vor der Beschwerdebegründung und damit erst innerhalb der Frist von vier Monaten nach Artikel 108 Satz 3 EPÜ verlangt werden. Damit verkennt die Beschwerdeführerin, daß der Gesetzgeber es nach seiner Konzeption keineswegs genügen läßt, daß sich ein Beschwerdeführer erst nach Ablauf der Beschwerdefrist inhaltlich mit der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt. Die in Artikel 108 EPÜ getroffene Regelung stellt einen Kompromiß zwischen verschiedenen Interessen dar. Der Gesetzgeber trennte die ursprünglich in Artikel 107 des Entwurfs von 1972 vorgesehene Frist von drei Monaten für Einlegung und Begründung der Beschwerde auf. Er sah auf der einen Seite, daß im Interesse der Rechtssicherheit möglichst rasch geklärt werden sollte, ob eine Entscheidung angefochten wird. Auf der anderen Seite wollte er dem Beschwerdeführer ausreichend Zeit für eine sorgfältige Begründung lassen (Moser, in Münchner Gemeinschaftskommentar zum EPÜ, 20. Lfg. 1997, Artikel 108, Rdn. 11). Dies macht deutlich, daß sehr wohl zu unterscheiden ist zwischen dem Ziel der Beschwerde, das in Kenntnis der Entscheidung, unter Abschätzung der Erfolgsaussichten und nach Bewertung der wirtschaftlichen Gegebenheiten alsbald definiert werden kann und einer detaillierten Begründung, die zusätzliche Zeit für eine sorgfältige Ausarbeitung und ggf. auch für weitere Untersuchungen wie Recherchen oder Tests in Anspruch nehmen kann. Dieser Unterschied wird im Antragserfordernis der Regel 64. b) EPÜ deutlich, die in ihrer derzeitigen Fassung bereits dem Gesetzgeber des EPÜ auf der Diplomatischen Konferenz in München vorlag. Im übrigen hätte es dem Beschwerdeführer freigestanden, eine Beschwerdebegründung innerhalb von zwei Monaten einzureichen, wenn er keinen Antrag ohne Vorliegen der Beschwerdebegründung stellen wollte.

5. Schließlich war die Kammer aus Rechtsgründen auch daran gehindert, der Beschwerdeführerin Gelegenheit zur Nachreichung der Beschwerdeschrift zu geben. Die Frist zur Einlegung der Beschwerde ist nicht verlängerbar, da sie gesetzlich festgelegt und nicht vom EPA bestimmt ist (Regel 84 EPÜ). Ein Mängelbehebungsverfahren ist in Regel 65 (2) EPÜ nur für die nachholbaren Erfordernisse der Regel 64 a) EPÜ vorgesehen. Dagegen ist das Erfordernis der rechtzeitigen Einlegung der Beschwerde nach Artikel 108 Satz 1 i. V. m. Regel 64 b) EPÜ nicht nachholbar (vgl. Regel 65 (1) EPÜ).

6. Da innerhalb der Frist nach Artikel 108 Satz 1 EPÜ keine Beschwerde eingelegt wurde, konnte die Beschwerdegebühr nicht fällig werden. Diese ist daher zurückzuzahlen (T 41/82, a.a.O.).

7. Mangels einer rechtzeitigen Beschwerde ist die angefochtene Entscheidung rechtskräftig geworden und die Kammer an ihrer Überprüfung gehindert.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Es wird festgestellt, daß innerhalb der Beschwerdefrist keine Beschwerde eingelegt worden ist.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

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