T 0861/12 (Verfahren zur Herstellung von Trockenpulvern eines oder mehrerer … of 2.3.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T086112.20160302
Datum der Entscheidung: 02 März 2016
Aktenzeichen: T 0861/12
Anmeldenummer: 05792093.6
IPC-Klasse: C09B 61/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 526 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von Trockenpulvern eines oder mehrerer Carotinoide
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: DSM NUTRITIONAL PRODUCTS AG
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 108
European Patent Convention R 115(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 15(3)
Mitteilung des Vizepräsidenten der Generaldirektion 3 des Europäischen Patentamts vom 16. Juli 2007 über mündliche Verhandlungen vor den Beschwerdekammern des EPA
European Patent Convention Art 113(1)
Schlagwörter: Verlegung der mündlichen Verhandlung - Ersatz des verhinderten Vertreters ausgeschlossen oder unzumutbar (nein)
Fehlende Beschwerdeschrift - Bezahlung der Beschwerdegebühr unzureichend für die Einlegung einer Beschwerde (ja)
Beschwerde nicht innert Frist eingelegt - Rückerstattung der Beschwerdegebühr (ja)
Vorlage an die Große Beschwerdekammer (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/92
G 0002/97
G 0001/14
J 0001/89
J 0019/90
R 0004/09
R 0002/10
T 0669/90
T 0371/92
T 0266/97
T 0778/00
T 1067/03
T 0699/06
T 0991/07
T 1705/07
T 1610/08
T 1011/09
T 1479/09
T 1943/09
T 0023/10
T 0518/10
T 1125/10
T 0377/11
T 2454/11
T 0736/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
G 0001/18
J 0013/13
T 0551/15

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Beschwerdesache betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die am 13. Dezember 2011 zur Post gegeben wurde und mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 794 238 (Streitpatent) zurückgewiesen worden ist.

II. Am 16. Januar 2012 entrichtete die Einsprechende die Beschwerdegebühr durch Onlinezahlung. Der Beleg für die Onlinezahlung mit Datum vom 19. Januar 2016 nennt die Anmeldenummer Nr. 05792093.6 des Streitpatents, den Firmennamen der Einsprechenden (in Englisch), ihre An­schrift sowie ihre Referenz für das Einspruchsverfahren betreffend das Streitpatent. Der Zahlungscode ist der­jenige für die Beschwerdegebühr. Am 11. April 2012 reichte die Einsprechende, damals vertreten durch einen aufgrund der allgemeinen Vollmacht Nr. 4693300.8 ermächtigten Angestellten, eine Beschwerdebegründung ein. Diese nimmt Bezug auf die Einlegung einer Beschwerde am 16. Januar 2012.

III. In ihrer Mitteilung vom 27. April 2012 stellte die Kammer fest, dass innerhalb der Frist nach Artikel 108 EPÜ keine Beschwerdeschrift eingegangen sei. Sie wies darauf hin, dass nach der Rechtsprechung der Beschwerde­kammern die Bezahlung der Beschwerdegebühr keine für die Einlegung einer Beschwerde ausreichende Handlung dar­stelle.

IV. Mit Eingabe vom 23. August 2012 wurde unter Vorlage einer Vollmacht vom 8. August 2012 ein Vertreterwechsel seitens der Einsprechenden angezeigt und zur Mitteilung der Kammer Stellung genommen. Die Einsprechende stellte die folgenden Anträge:

"1.1 Es wird als Hauptantrag beantragt, die vorliegende Beschwerde für zulässig zu erkennen oder der Beschwerde­führerin Gelegenheit zu geben, eventuell der Zulässig­keit der Beschwerde entgegenstehende Mängel zu beseiti­gen.

Für den Fall, dass die Beschwerdekammer aufgrund der schriftlichen Ausführungen dem Hauptantrag nicht stattgeben kann, wird gemäß Artikel 116 EPÜ 2000 mündliche Verhandlung beantragt.

1.2 Sofern die Beschwerdekammer in der mündlichen Ver­handlung dem Hauptantrag nicht stattgeben will, wird ferner hilfsweise schon jetzt beantragt, folgende Frage A der Großen Beschwerdekammer vorzulegen:

Frage A:

'Kann die fristgerechte Zahlung der Beschwerdegebühr über einen Online-Dienst des Europäischen Patentamts - wenn dabei mindestens angegeben wird, dass es sich um die Zahlung der 'Beschwerdegebühr' handelt, und die Anmeldenummer der betroffenen Anmeldung und der zuge­lassene Vertreter der Einsprechenden, die als einzige durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist, an­gegeben werden und die Beschwerdegebühr vom Konto der Einsprechenden abzubuchen ist - eine zulässige Beschwer­de darstellen bzw. eine eingelegte Beschwerde darstel­len, deren eventuell der Zulässigkeit der Beschwerde entgegenstehende Mängel nach Ablauf der Frist von zwei Monaten seit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung heilbar sind?'

1.3 Sofern die Beschwerdekammer den Hauptantrag und den Antrag auf Vorlage der Frage A an die Große Beschwerde­kammer zurückweisen will, wird weiter hilfsweise bean­tragt, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

1.4 Sofern die Beschwerdekammer diesem weiter hilfs­weisen Antrag nicht entsprechen will, wird ferner hilfsweise beantragt, folgende Frage B der Großen Beschwerdekammer vorzulegen:

Frage B

'Ist bei alleiniger fristgerechter Zahlung der Beschwer­degebühr über einen Online-Dienst des Europäischen Patentamts - wenn dabei mindestens angegeben wird, dass es sich um die Zahlung der 'Beschwerdegebühr' handelt, und die Anmeldenummer der betroffenen Anmeldung und der zugelassene Vertreter der Einsprechenden, die als einzige durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist, angegeben werden und die Beschwerdegebühr vom Konto der Einsprechenden abzubuchen ist - eine Beschwerde nicht eingelegt bzw. gilt sie als nicht eingelegt und ist damit die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen, oder ist die Beschwerde in diesem Fall als unzulässig zu verwerfen ohne Rückzahlung der Beschwerdegebühr?'"

V. Die Patentinhaberin nahm mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2012 zur Eingabe der Einsprechenden vom 23. August 2012 Stellung. Sie beantragte, die Beschwerde als nicht fristgerecht eingereicht und damit als nicht vorliegend zu beurteilen. Hilfsweise beantragte sie mündliche Verhandlung.

VI. Am 17. Dezember 2015 lud die Kammer die Parteien zu einer mündlichen Verhandlung am 2. März 2016 und teilte ihre vorläufige Beurteilung mit.

Mit Schriftsatz vom 5. Januar 2016 beantragte die Einsprechende die Verlegung des Termins der mündlichen Verhandlung. Sie machte geltend, dass der mit der Sache vertraute Vertreter der Einsprechenden an diesem Termin bereits zu einer mündlichen Verhandlung in einem anderen Verfahren geladen worden sei.

In einer Mitteilung vom 14. Januar 2016 informierte die Kammer die Parteien, dass der Antrag auf Verlegung unzureichend begründet sei und ihm deswegen nicht stattgegeben werden könne.

VII. Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2016 hielt die Ein-sprechende an ihrem Antrag auf Verlegung der für den 2. März 2016 anberaumten mündlichen Verhandlung fest und nahm zur Mitteilung der Kammer vom 14. Januar 2016 Stellung. Sie erklärte weiter den Widerruf ihrer Vollmacht vom 8. August 2012 und legte eine Vollmacht vom 20. Januar 2016 vor.

In einer Mitteilung vom 3. Februar 2016 informierte die Kammer die Parteien, dass dem Antrag auf Verlegung vom 22. Januar 2016 nicht stattgegeben werden könne.

VIII. Mit Schriftsatz vom 26. Februar 2016 nahm die Einsprechende zur Mitteilung vom 3. Februar 2016 Stellung und teilte mit, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2016 teilnehmen werde.

IX. Die mündliche Verhandlung fand in Abwesenheit der Einsprechenden am 2. März 2016 statt.

X. Die Einsprechende begründete ihre Anträge im Wesentlichen wie folgt:

Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung

In ihrem Schriftsatz vom 5. Januar 2016 machte die Einsprechende geltend, dass der mit der Sache vertraute Vertreter an diesem Termin bereits zu einer mündlichen Verhandlung in einem anderen Verfahren geladen worden und daher verhindert sei. Der verhinderte Vertreter habe den Fall mit der Einsprechenden an einem persönlichen Treffen besprochen und verfüge daher über spezielles Wissen in Bezug auf sowohl die rechtlich relevanten als auch die technisch wichtigen Hintergründe des Falls. Deswegen stimme die Einsprechende der Wahrnehmung der mündlichen Verhandlung durch einen anderen Vertreter nicht zu.

In ihrem Schriftsatz vom 22. Januar 2016 machte die Einsprechende geltend, dass ein besonderes Vertrauens­verhältnis zwischen dem verhinderten Vertreter und ihr bestehe, das auf einer Erörterung der Beschwerdesache bei einem persönlichen Treffen beruhe, bei welcher Gelegenheit der verhinderte Vertreter über die tat­sächlichen Ereignisse informiert worden sei, die für die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Falls relevant sein könnten. Das Vertrauensverhältnis sei durch die Zurückweisung des Verlegungsantrags vom 5. Januar 2016 verletzt worden. Weiterhin habe die Kammer durch den Hinweis, dass der verhinderte Vertreter durch einen anderen bevollmächtigten Vertreter ersetzt werden könne, das Recht auf freie Anwaltswahl verletzt. Die Ein­sprechende erklärte weiter den Widerruf ihrer Vollmacht vom 8. August 2012 für die darin genannten sechs zugelassenen Vertreter und legte eine Vollmacht vom 20. Januar 2016 ausschließlich für den verhinderten Vertreter vor.

In ihrem Schreiben vom 26. Februar 2016 verwahrte sich die Einsprechende des Vorwurfs eines illoyalen oder missbräuchlichen Verhaltens und betonte, dass die Ver­hinderung des Vertreters ausschließlich in der Ladung des Vertreters der Einsprechenden zu zwei gleichzeitig stattfindenden mündlichen Verhandlungen vor dem EPA begründet sei. Dass eine derartige Terminkollision nicht durch Verlegung der zweiten Verhandlung korrigiert werde, sei unverständlich. Der Vorwurf der Verfolgung unberechtigter Rechtsansprüche erwecke den Eindruck, dass die Kammer die von der Einsprechenden erhobene Beschwerde als unberechtigt ansehe. Die Kammer gehe an der Realität vorbei, wenn sie annehme, im Anschluss an eine Besprechung mit einem Mandanten würden die Informationen unter den Anwälten ausgetauscht. Die Kammer habe auch nicht darüber zu spekulieren, warum zunächst eine Vollmacht für alle Vertreter eines Büros erteilt werde, danach aber ein Treueverhältnis zu einem einzelnen Vertreter geltend gemacht werde. Die Beauf­tragung und Bevollmächtigung mehrer Vertreter sei üblich und diene dazu, dass die Kollegen eines gegebenenfalls verhinderten Vertreters schnell und ohne bürokratischen Aufwand notwendige Verfahrenshandlungen durchführen können, ohne jeweils eine erneute Vollmacht anfordern, einreichen und danach widerrufen zu müssen. Dies schließe jedoch ein besonderes Vertrauensverhältnis zu einem einzelnen Vertreter und damit den Wunsch durch diesen anlässlich eines wichtigen Ereignisses wie der mündlichen Verhandlung vertreten zu sein nicht aus.

Einwand vom 22. Januar 2016 unter Regel 106 EPÜ

Eine Zurückweisung des erneuten Antrags auf Verlegung rügte die Einsprechende vorsorglich nach Regel 106 EPÜ als schwerwiegenden Verstoß gegen Artikel 113 EPÜ.

Zulässigkeit der Beschwerde

Die Einsprechende macht geltend, dass die Rechtsprechung zum EPÜ 1973, der zufolge die bloße Bezahlung der Be­schwerdegebühr keine für die Einlegung der Beschwerde ausreichende Handlung ist, fragwürdig, unter revidiertem Recht jedenfalls aber überholt sei. Gemäß Regel 67 EPÜ 1973 sei die Beschwerdegebühr nicht zurückbezahlt wor­den, wenn eine zulässig eingelegte Beschwerde vor Ein­reichung der Beschwerdebegründung zurückgenommen worden sei. Um die Entscheidung über die Einlegung einer Beschwerde ohne finanzielles Risiko bis zum letzten Tag der hierfür vorgesehenen Frist offenzuhalten, sei die Beschwerdegebühr häufig "auf Vorrat" entrichtet worden. Vor diesem Hintergrund sei dann in der Rechtsprechung argumentiert worden, aus der Bezahlung der Beschwerde­gebühr allein ergebe sich nicht zwingend der Wille, Beschwerde einlegen zu wollen. Dieser Ausgangspunkt habe sich unter dem neuen Recht mit Regel 103 EPÜ geändert. Da die Beschwerdegebühr bei Rücknahme der Beschwerde vor Ablauf der Einreichung der Beschwerdebegründung zurück­bezahlt wird, bestehe kein Anlass mehr, den Willen zur Einlegung einer Beschwerde im Zeitpunkt der Bezahlung der Beschwerdegebühr zu verneinen.

Der Onlinezahlung der Beschwerdegebühr mit Datum vom 19. Januar 2012 sei eindeutig der Wille zu entnehmen, eine Beschwerde zu erheben. Die Willensäußerung sei qualitativ nicht verschieden von einer eigenständigen Beschwerdeschrift. Der Abbuchungsauftrag identifiziere zudem eindeutig die Einsprechende durch ausdrückliche Nennung ihres (englischen) Firmennamens als Inhaberin des zu belastenden Kontos sowie weiter durch die Nummer ihres laufenden Kontos und die Referenz "OPP04168", die mit den entsprechenden Angaben im Einspruchsverfahren übereinstimmten. Der Angestellte, der den Abbuchungs­auftrag erteilt habe, habe auch die Einspruchsschrift unterzeichnet. Weiter sei auch das Streitpatent durch Nennung der Anmeldenummer und damit auch die ange­fochtene Entscheidung ohne Schwierigkeiten identifizier­bar gewesen. Die Einsprechende sei durch die Zurückwei­sung ihres Einspruchs gegen das Streitpatent als einzige Partei beschwert gewesen. Aus der Zurückweisung des Ein­spruchs ergebe sich auch unmittelbar der Umfang, in dem die Entscheidung geändert oder aufgehoben werden soll. Soweit der Abbuchungsauftrag bzw. der Beleg für die Onlinezahlung darüber hinaus den Anforderung von Regel 99 (1) a) EPÜ nicht vollauf genüge und auch keine fortgeschrittene elektronische Signatur aufweise, seien diese Mängel heilbar. Der Einsprechenden sei zur Besei­tigung dieser Mängel unter Ansetzung einer Frist Gelegenheit zu geben.

Auch nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes sei auf Zulässigkeit der Beschwerde zu erkennen. Das Europäische Patentamt propagiere seine Online-Dienste und wirke auf deren Verwendung unter anderem durch finanzielle Anreize hin. Die Benutzerführung der Online-Dienste unterstütze den Benutzer insbesondere durch Hinweise auf noch fehlende erforderliche Angaben. Die Benutzer erwarteten und vertrauten deswegen auch darauf, dass sie bei Benutzung der Online-Dienste auf mangelhafte Eingaben hingewiesen würden. Bei der Bezahlung der Beschwerde­gebühr erhalte der Benutzer indessen keinen Warnhinweis, dass zur Einlegung einer Beschwerde noch zusätzliche Handlungen, nämlich eine gesonderte Beschwerdeschrift, erforderlich wäre. Der Benutzer durfte aber darauf vertrauen, angeleitet zu werden, dass es einer solchen zusätzlichen Handlung bedurfte. Daher dürfe der Ein­sprechenden vorliegend aus einem etwaigen Fehlen einer gesonderten Beschwerdeschrift kein Rechtsnachteil er­wachsen.

Antrag auf Vorlage der Frage A an die Große Beschwerde­kammer

Der Antrag auf Vorlage der Frage A (siehe oben IV.) stütze sich auf Artikel 112 (1), 2. Alternative, EPÜ. Die Kammer habe in ihrer Mitteilung vom 27. April 2012 auf die ständige Rechtsprechung hingewiesen. Soweit die Entscheidungen nach dem Inkrafttreten des revidierten Übereinkommens ergangen seien, hätten sie indessen die neu eingeführte Regel 103 (1) b) EPÜ nicht berück­sichtigt. Daraus ergebe sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

Antrag auf Rückbezahlung der Beschwerdegebühr

Sollte die Kammer entgegen der Auffassung der Ein­sprechenden zur Feststellung gelangen, dass innert der Beschwerdefrist nach Artikel 108 EPÜ keine Beschwerde eingelegt worden sei, so sei die Beschwerdegebühr ohne Rechtsgrund bezahlt worden und daher zu erstatten (J 19/90, T 371/92, T 778/00 und T 377/11). Es könne nicht auf Unzulässigkeit der Beschwerde erkannt und die Beschwerdegebühr einbehalten werden.

Antrag auf Vorlage der Frage B an die Große Beschwerde­kammer

Der Antrag auf Vorlage der Frage B (siehe oben IV.) stütze sich auf Artikel 112 (1), 1. Alternative, EPÜ. Es lägen widersprechende Entscheidungen vor, was die Rechtsfolge anbelangt, wenn innert der Beschwerdefrist keine Beschwerdeschrift eingelegt werde. Während die Entscheidungen J 19/90, T 371/92, T 778/00 und T 377/11 die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet hätten, habe die Entscheidung T 1926/09 auf Unzulässigkeit der Beschwerde erkannt. Zur Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung sei daher die Große Beschwerdekammer zu befassen.

XI. Die Patentinhaberin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung

Zum Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung äußerte sich die Patentinhaberin nicht.

Zulässigkeit der Beschwerde

Die Patentinhaberin verwies auf die Rechtsprechung der Beschwerdekammern, namentlich die Entscheidungen J 19/90 und T 371/92, der zufolge die bloße Bezahlung der Beschwerdegebühr keine für die Einlegung der Beschwerde ausreichende Handlung sei. Hinsichtlich der notwendigen Handlungen zur Einlegung einer Beschwerde gäbe es zwischen dem EPÜ 1973 und dem revidierten EPÜ keine grundsätzlichen Unterschiede, so dass nicht zu erkennen sei, warum von der bestehenden Rechtsprechung vorliegend bei gleicher Fallkonstellation abgewichen werden solle. Die Regel 103 (1) b) EPÜ betreffe ausschließlich die Rückbezahlung der Beschwerdegebühr nach dem wirksamen Einlegen der Beschwerde und nicht die Voraussetzungen zum wirksamen Einlegen der Beschwerde. Regel 103 (1) b) EPÜ sei für die Auslegung von Artikel 108 EPÜ irrele­vant, da sie einen anderen Regelungsgegenstand habe.

XII. Die Einsprechende beantragte schriftlich, ihre Beschwerde als zulässig anzuerkennen oder ihr die Gelegenheit zu geben, der Zulässigkeit der Beschwerde entgegenstehend Mängel zu beseitigen, oder hilfsweise, die mit Schriftsatz vom 23. August 2012 eingereichte Frage A der Großen Beschwerdekammer vorzulegen, oder hilfsweise, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen, oder hilfsweise, die mit Schriftsatz vom 23. August 2012 eingereichte Frage B der Großen Beschwerdekammer vorzulegen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde als nicht fristgerecht eingereicht und damit als nicht vorliegend zu beurteilen.

Entscheidungsgründe

1. Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung

1.1 Eine mündliche Verhandlung vor den Beschwerdekammern kann nach Artikel 15 (2) VOBK auf einen schriftlichen und begründeten Antrag hin nach dem Ermessen der Kammer ausnahmsweise verlegt werden. Bei der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigt die Kammer die Mitteilung des Vizepräsidenten der Generaldirektion 3 des Europäischen Patentamts vom 16. Juli 2007 über mündliche Verhand­lungen vor den Beschwerdekammern des EPA (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 3, 115, nachstehend: "Mitteilung").

1.2 Gemäß Nr. 2 der Mitteilung wird eine anberaumte münd­liche Verhandlung nur dann abgesagt und neu anberaumt, wenn der Beteiligte schwerwiegende Gründe vorbringen kann, die die Festlegung eines neuen Termins recht­fertigen. Nr. 2.1 nennt Beispiele für schwerwiegende sachliche Gründe, aus denen die Verlegung einer münd­lichen Verhandlung beantragt werden kann. Wiewohl die beispielhaft genannten Gründe einen möglichen triftigen Antragsgrund darstellen, ergibt sich daraus noch kein Rechtsanspruch auf Verlegung eines anberaumten Termins (T 699/06 vom 29. Juni 2010, Punkt 3). Neben dem Interesse des Antragstellers an der Verlegung sind auch der Arbeitsorganisation der Kammern sowie den Interessen etwaiger weiterer Verfahrensbeteiligter, aber auch von Parteien in anderen Verfahren, die durch eine Verschie­bung eine zusätzliche Verzögerung erfahren, Rechnung zu tragen (T 518/10 vom 9. April 2013, Punkt 2.3).

1.3 Wenn zur Rechtfertigung eines Antrags auf Verlegung einer mündlichen Verhandlung geltend gemacht wird, der von einem Verfahrensbeteiligten bestellte Vertreter im Sinne von Artikel 133 (3) oder 134 EPÜ sei aus einem der in Nr. 2.1 der Mitteilung genannten Gründe an der Teil­nahme verhindert, erfordert Nr. 2.3 der Mitteilung zudem, dass der Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung eine Begründung enthält, warum der ver­hinderte Vertreter nicht durch einen anderen Vertreter im Sinne der Artikel 133 (3) oder 134 EPÜ ersetzt werden kann. Diese Bestimmung setzt voraus, dass besondere Gründe gegeben sein müssen, die eine Ersetzung des verhinderten Vertreters ausschließen oder zumindest unzumutbar erschweren (T 1011/09 vom 9. November 2012, Punkt 2.2 mit weiteren Hinweisen; siehe auch T 1610/08 vom 21. September 2011, Punkt 3; T 699/06 vom 29. Juni 2010, Punkte 10 und 12). Zusätzliche Kosten wegen der Ersetzung durch einen anderen Vertreter sind grundsätzlich in Kauf zu nehmen, da davon ausgegangen werden kann, dass derartige Kosten wegen des Einarbei­tungsaufwands generell entstehen (T 1011/09 vom 9. November 2012, Punkt 2.2). Zudem ist zu berücksichti­gen, dass als Substitut eines verhinderten Vertreters im Sinne von Artikel 134 EPÜ nicht nur ein Vertreter in Frage kommt, der demselben Büro oder Zusammenschluss angehört wie der verhinderte Vertreter (T 699/06 vom 29. Juni 2010, Punkte 4 und 15). Nach Nr. 2.3 der Mit­teilung ist der Ersatz eines verhinderten Vertreters mithin eine Alternative zur Verschiebung einer ange­setzten mündlichen Verhandlung, andernfalls die termin­liche Verfügbarkeit der von den Verfahrensbeteiligten bestimmten Vertreter die Terminierung mündlicher Verhandlungen durch die Beschwerdekammern erheblich erschweren würde (vgl. T 1610/08 vom 21. September 2011, Punkt 3; T 699/06 vom 29. Juni 2010, Punkt 12).

1.4 In ihrem Schriftsatz vom 5. Januar 2016 nannte die Ein­sprechende als schwerwiegenden sachlichen Grund für die Verschiebung im Sinne von Nr. 2.1 der Mitteilung, dass der mit der Sache vertraute zugelassene Vertreter an diesem Termin bereits zu einer mündlichen Verhandlung in einem anderen Verfahren geladen worden und daher verhindert sei. Als Beleg für die Verhinderung ihres Vertreters reichte die Einsprechende eine Kopie eines ein anderes Verfahren betreffenden Ladungsbescheids ein.

Die Kammer stellte nicht in Frage, dass ein Vertreter nicht an zwei mündlichen Verhandlungen, die in unter­schiedlichen Verfahren für denselben Termin anberaumt wurden, beide Mandanten vertreten kann. Es stand für die Kammer damit fest, dass der mit der Sache vertraute Ver­treter aus einem sachlichen Grund an der Teilnahme der anberaumten mündlichen Verhandlung verhindert war. Allerdings verkannte die Einsprechende, dass bei dieser Sachlage nach den oben dargelegten Grundsätzen kein Rechtsanspruch auf Verlegung des Termins der kolli­dierenden mündlichen Verhandlung besteht. Vielmehr setzt eine Verlegung nach Nr. 2.3 der Mitteilung voraus, dass eine Ersetzung des verhinderten Vertreters ausgeschlos­sen oder unzumutbar ist (siehe oben Punkt 1.3). Die Gründe hierfür sind vom Antragsteller substantiiert darzulegen.

1.5 Die Ausführungen der Einsprechenden in ihrem Schriftsatz vom 5. Januar 2016 betreffend Nr. 2.3 der Mitteilung enthielten indes keine hinreichende Begründung, weshalb eine Ersetzung des verhinderten Vertreters im Sinne von Artikel 134 EPÜ vorliegend nicht möglich sei:

1.5.1 Die Einsprechende machte geltend, der verhinderte Ver­treter verfüge über spezielles Wissen in Bezug auf sowohl die rechtlich relevanten als auch die technisch wichtigen Hintergründe des Falls. Die Einsprechende äußerte sich aber nicht konkret, was das spezielle Wissen des verhinderten Vertreters sein könnte und weshalb dieses Wissen eine Ersetzung des verhinderten Vertreters durch einen anderen der mit Vollmacht vom 8. August 2012 bestellten Vertreter ausschließen oder zumindest unzumutbar erschweren sollte.

Wie die Kammer in ihrem Ladungsbescheid mitteilte, soll­te anlässlich der anberaumten mündlichen Verhandlung einzig die Frage entschieden werden, ob innert der Beschwerdefrist eine Beschwerde eingelegt wurde und ob diese den Erfordernissen des Artikels 108 EPÜ sowie gegebenenfalls der Regel 99 EPÜ genügt. Es war daher für die Kammer nicht nachvollziehbar, welche "technisch wichtigen Hintergründe" hier eine Rolle spielen könnten. Zu den an der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2016 zu erörternden Rechts- und Tatfragen hatte sich die Ein­sprechende bereits in ihrer Eingabe vom 23. August 2012 eingängig geäußert. Sollten nachträglich neue relevante Fakten aufgetaucht sein, so beließ die Einsprechende die Kammer darüber im Dunkeln.

Mangels Substantiierung durch die Einsprechende konnte die Kammer daher bei der Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 15 (2) VOBK das behauptete spezielle Wissen nicht als Grund gegen die Ersetzbarkeit des verhinderten Vertreters berücksichtigen.

1.5.2 Es waren für die Kammer darüber hinaus auch keine besonderen, das Übliche übersteigende Schwierigkeiten erkennbar, die eine Ersetzung des verhinderten Ver­treters sowie die Einarbeitung durch einen anderen Ver­treter in der verbleibenden Zeit zwischen Antragstellung und mündlicher Verhandlung (siehe T 699/06 vom 29. Juni 2010, Punkte 10 und 12) verunmöglicht oder unzumutbar erschwert hätten, zumal der ausführliche Ladungsbescheid der Kammer keine neuen Fragen aufge­worfen hatte. Der mit dem Ersatz des verhinderten Ver­treters allenfalls verbundene zusätzliche Arbeits- und Kostenaufwand allein rechtfertigte nach Auffassung der Kammer ebenfalls nicht die Verlegung der mündlichen Verhandlung.

1.5.3 Auch der Umstand, dass die Einsprechende in ihrem Schriftsatz vom 5. Januar 2016 der Wahrnehmung der mündlichen Verhandlung durch einen anderen als den verhinderten Vertreter ausdrücklich widersprach, stellte nach Auffassung der Kammer keinen triftigen Grund dar, der die Ersetzung des verhinderten Vertreters ausge­schlossen und die Verlegung der Verhandlung gerecht­fertigt hätte. Würde ein solches, nicht weiter begrün­detes Festhalten eines Verfahrensbeteiligten an einem Vertreter seiner Wahl einem möglichen Ersatz desselben im Sinne von Nr. 2.3 der Mitteilung entgegenstehen, wäre diese Vorschrift der Mitteilung weitestgehend ihres Sinnes beraubt (vgl. T 1610/08 vom 21. September 2011, Punkt 3; T 699/06 vom 29. Juni 2010, Punkt 12). Das Beharren der Einsprechen auf die Vertretung durch den verhinderten Vertreter war vorliegend auch deswegen durch kein schutzwürdiges Interesse begründet, weil die Einsprechende in ihrer Vollmacht vom 8. August 2012 neben dem verhinderten Vertreter fünf weitere zugelassene Vertreter namentlich für das vorliegende Beschwerdeverfahren bevollmächtigt hatte. Eine solche dem EPA gegenüber erklärte Vollmacht ist sowohl in ihrer Gültigkeit als auch in ihrem Umfang vom Innenverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigten unabhängig und gibt allen genannten Vertretern unterschiedslos dieselbe Vertretungsmacht. Zeitgebundene Verfahrens­handlungen können von jedem Bevollmächtigten durchführt werden, so dass ein mit einer Sache vornehmlich befass­ter Vertreter durch seine Kollegen ersetzt werden kann. Die Einsprechende brachte keine Gründe (z.B. verfahrens­rechtliche Komplexität, ungenügend Zeit für die Einar­beitung) vor, weshalb keinem der von ihr bestellten Ver­treter zugemutet werden konnte, den verhinderten Kol­legen zu ersetzen. Für die Kammer waren auch keine solchen Gründe zu erkennen. Mangels nachvollziehbarer Rechtfertigung für ein Festhalten am verhinderten Ver­treter, ging das Insistieren der Einsprechenden objektiv nicht über den Wunsch hinaus, sich in einer mündlichen Verhandlung von einem gewohnten Vertreter vertreten zu lassen. Ein solcher Wunsch ist aber unter Nr. 2.3 der Mitteilung unbeachtlich (T 1011/09 vom 9. November 2012, Punkt 2.2 mit weiteren Hinweisen).

1.5.4 Mangels substantiierter Begründung gemäß 2.3 der Mit­teilung konnte die Kammer dem Antrag auf Verlegung auf der Grundlage des Schriftsatzes vom 5. Januar 2016 nicht stattgeben, worüber die Einsprechende in einem Bescheid vom 14. Januar 2016 informiert wurde.

1.6 Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2016 hielt die Ein­sprechende an ihrem Antrag auf Verlegung des Termins für die mündliche Verhandlung fest. Wie schon beim ursprüng­lichen Antrag vom 5. Januar 2016 ließ die Kammer gelten, dass ein wesentlicher Hinderungsgrund im Sinne von Nr. 2.1 der Mitteilung vorlag. Es fehlte jedoch weiter­hin eine hinreichende Begründung nach Nr. 2.3 der Mitteilung:

1.6.1 Die Einsprechende berief sich auf ein besonderes Ver­trauensverhältnis zum verhinderten Vertreter, das auf der Erörterung der Beschwerdesache bei einem persön­lichen Treffen beruhe. Die Einsprechende bezog sich vage darauf, dass dem Vertreter anlässlich dieses Treffens tatsächliche Ereignisse dargelegt wurden, "die für die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Falls relevant sein können". Sie machte aber - wie schon in ihrem An­trag vom 5. Januar 2016 - keine konkreten Ausführungen, welche Informationen der verhinderte Vertreter erhalten hatte. Es war daher nicht nachvollziehbar, ob die Infor­mationen geeignet waren, das behauptete Vertrauensver­hältnis zu begründen und den Wunsch auf Vertretung durch den verhinderten Vertreter zu rechtfertigen, oder ob sie einem zu bestimmenden Substituten des verhinderten Ver­treters im Hinblick auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung hätten weitergegeben werden können. Die Kammer konnte daher das behauptete Vertrauensverhältnis nicht berücksichtigen.

1.6.2 Die Einsprechende machte weiter geltend, sie habe ein Recht auf freie Anwaltswahl, welches einen Ersatz des bestimmten Vertreters im Falle seiner Verhinderung aus­schließe. Sicherlich ist es das Recht eines Verfahrens­beteiligten, seinen Vertreter im Sinne von Arti­kel 133 (3) oder Artikel 134 EPÜ frei zu bestimmen. Dies geschah vorliegend mit Vollmacht vom 8. August 2012, die dem EPA am 23. August 2012 mitgeteilt wurde. Bei Ver­hinderung eines frei gewählten zugelassenen Vertreters an einer mündlichen Verhandlung, die dieser Verfahrens­beteiligte beantragt hat und zu der er ordnungsgemäß geladen wurde, folgt indes aus der freien Anwaltswahl nicht zwingend ein Recht auf Verschiebung des Termins für die mündliche Verhandlung (siehe T 699/06 vom 29. Juni 2010, Punkt 12).

Vorliegend betraute die Einsprechende mit Vollmacht vom 8. August 2012 insgesamt sechs zugelassene Vertreter im Sinne von Artikel 134 EPÜ mit der Wahrung ihrer Interes­sen. In ihrem Gesuch vom 5. Januar 2016 legte die Ein­sprechende zwar dar, dass einer dieser frei gewählten Vertreter verhindert war, nannte aber keinen zureichen­den Grund, warum kein anderer der verbleibenden fünf frei gewählten Vertreter den Verhinderten ersetzen konnte. Nachdem die Kammer auf diesen Umstand hinge­wiesen hatte, widerrief die Einsprechende ihre Vollmacht vom 8. August 2012 und ersetzte diese durch eine Voll­macht vom 20. Januar 2016, die nur den verhinderten Vertreter ermächtigte. Es steht der Einsprechenden zwar auch frei, erteilte Vollmachten zu widerrufen. Wie das gesamte Handeln eines jeden Verfahrensbeteiligten muss auch eine solche Verfahrenshandlung dem Grundsatz des guten Glaubens (principle of good faith) genügen. Adressaten dieses Grundsatzes sind nämlich auch die Verfahrensbeteiligten selbst (G 2/97, ABl. EPA 1999, 123, Punkt 4.2; R 4/09 vom 30. April 2010, Punkt 2.3.2; T 991/07 vom 30. März 2010, Punkt 2.3; T 669/90, ABl. EPA 1992, 739, Punk 2.3). Als Gebot zum Handeln nach Treu und Glauben verlangt dieser Grundsatz von den Verfahrensbeteiligten eine redliche Verfahrensführung. Wenn die Einsprechende fünf der ursprünglich sechs bevollmächtigten Vertretern die Vollmacht entzieht, obschon sie weiß, dass der verbleibende Vertreter an einer zuvor anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen kann, und wenn sie für den Widerruf der früheren Vollmacht kein schützenswertes Interesse geltend machen kann, so handelt sie nicht gutgläubig. Denn ihr Verhalten lässt objektiv nur auf die Absicht schließen, die beantragte Verlegung der anberaumten mündlichen Verhandlung zu erzwingen und damit eine Entscheidung hinauszuzögern. Nach dem Rechtsgrundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans (siehe hierzu T 1705/07 vom 10. Juni 2010, Punkt 8.7; T 23/10 vom 18. Januar 2011, Punkt 2.8; T 1125/10 vom 7. Februar 2013, Punkt 1.3; T 736/14 vom 25. Februar 2016, Punkt 3.2.2) soll die Einsprechende aus ihrem Handeln, das auf die nachträgliche Vereitelung einer Ersetzung des verhinderten Vertreters gerichtet war, keinen Vor­teil oder Nutzen ziehen. Der Widerruf der Vollmacht vom 8. August 2012 kann daher unter Nr. 2.3 der Mitteilung keine Beachtung finden. Andernfalls würde der Ein­sprechenden erlaubt, zum Nachteil der Patentinhaberin und von Parteien in anderen Beschwerdeverfahren die Terminierung der mündlichen Verhandlung zu diktieren (im Ergebnis gleich T 699/06 vom 29. Juni 2010, Punkt 12). Die nach ihrem Antrag vom 5. Januar 2016 seitens der Einsprechenden herbeigeführte Eingrenzung eines möglichen Ersatzes für den verhinderten Vertreter ist daher unbeachtlich.

1.6.3 Mangels substantiierter Darlegung außerordentlicher Um­stände, die eine Ersetzung des verhinderten Vertreters im Sinne von Nr. 2.3 der Mitteilung ausgeschlossen oder zumindest unzumutbar erschwert hätten, konnte dem Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung auch auf der Grundlage des Schriftsatzes vom 22. Januar 2016 nicht stattgegeben werden.

1.7 Der Schriftsatz der Einsprechenden, den diese am Freitag 26. Februar 2016, um 16:43 Uhr, also zwei Werktage vor der mündlichen Verhandlung per Fax einreichte, führt zu keiner anderen Beurteilung ihres Antrags auf Terminver­legung:

- Die Einsprechende verkennt, dass eine Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht nur einen Ver­hinderungsgrund im Sinne von Nr. 2.1 der Mit­teilung voraussetzt, sondern auch einen Grund, weshalb ein verhinderter Vertreter nicht ersetzt werden kann (Nr. 2.3 der Mitteilung). Die Ladung des gewohnten Vertreters der Einsprechenden zu zwei gleichzeitig stattfindenden mündlichen Verhand­lungen vor dem EPA war daher für sich allein nicht ausreichend, um dem Antrag auf Verlegung stattzu­geben.

- Die Einsprechende blendet weiter aus, dass sie mit dem Widerruf ihrer Vollmacht vom 8. August 2012 am 22. Januar 2016 eine weitere Tatsache schuf, so dass nicht ausschließlich die Ladung des gewohnten Vertreters der Einsprechenden zu zwei gleichzeitig stattfindenden mündlichen Verhandlungen vor dem EPA einer Vertretung der Einsprechenden an der mündlichen Verhandlung in tatsächlicher Hinsicht entgegenstand.

- Was den Vorwurf des Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben anbelangt wird auf Punkt 1.6.2 vorstehend verwiesen.

- Der Eindruck der Einsprechenden, dass die Kammer die von der Einsprechenden erhobene Beschwerde als unberechtigt ansehe, ist unzutreffend und geht an der Sache vorbei: In Bezug auf den Verlegungs­an­trag stellte sich einzig die Frage, ob die Ein­sprechende für ihr Festhalten am verhinderten Ver­treter schützenswerte Interessen (siehe dazu etwa T 1067/03 vom 4. Mai 2005) geltend machen konnte oder nicht.

-Soweit die Einsprechende ausführt, dass die Beauf­tragung und Bevollmächtigung mehrer Vertreter üblich sei und dazu diene, notwendige Verfahrens­handlungen anstelle eines gegebenenfalls verhin­derten Vertreters durchführen zu können, bestätigt sie die Haltung der Kammer, die einen Ersatz des verhinderten Vertreters für zumutbar erachtete. Dass eine Vollmacht für mehrere Vertreter ein Ver­trauensverhältnis zu einem bestimmten Vertreter nicht ausschließt, wird von der Kammer nicht in Abrede gestellt. Nur wäre ein solches von der Ein­sprechenden substantiiert darzutun gewesen. Davon abgesehen würde selbst dann, wenn ein Vertrauens­verhältnis festgestellt würde, ein solches nicht zwingend den Ersatz des verhinderten Vertreters im Sinne von Nr. 2.3 der Mitteilung ausschließen (T 1610/08 vom 21. September 2011, Punkt 3). Viel­mehr erfordert Artikel 15 (2) VOBK eine Abwägung der Gesamtumstände. Von daher obliegt dem Ver­fahrensbeteiligten, der eine Verlegung der münd­lichen Verhandlung beantragt, auch diejenigen schützenswerten Interessen substantiiert darzu­legen, die dem Ersatz des vertrauten Vertreters entgegenstehen. Dies hat die Einsprechende aber auch in ihrer Eingabe vom 26. Februar 2016 nicht getan.

2. Einwand nach Regel 106 EPÜ

2.1 In ihrem Schriftsatz vom 22. Januar 2016 rügte die Einsprechende eine mögliche Ablehnung ihres Antrags auf mündliche Verhandlung als Verletzung von Artikel 113 EPÜ und damit als schwerwiegenden Verfahrensverstoß im Sinne von Artikel 112a (2) d) EPÜ. Die Einsprechende monierte, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung durch ihren frei gewählten Vertreter vertreten werden könne.

2.2 Die Einsprechende hat nicht dargelegt, inwiefern der An­spruch auf rechtliches Gehör nach Artikel 113 EPÜ durch das Festhalten der Kammer am Termin für die mündliche Verhandlung verletzt sein könnte. Sie hat insbesondere nicht schlüssig begründet, dass eine von der Recht­sprechung in Anwendung von Nr. 2.3 der Mitteilung ge­forderte Substitution eines verhinderten Vertreters das Äußerungsrecht verletzt oder dass sich eine solche Verletzung aus der Ausübung des Ermessens der Kammer gemäß Artikel 15 (2) VOBK ergäbe. Die Rüge nach Regel 106 EPÜ war daher nicht substantiiert und schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

2.3 Die Rüge war auch deswegen unbegründet, weil die als Gehörsverweigerung gerügte Verfahrenssituation auch von der Einsprechenden mitverantwortet wurde, indem sie den im Zeitpunkt ihres Antrags vom 5. Januar 2016 möglichen und zumutbaren Ersatz ihres gewohnten, aber verhinderten Vertreters nachträglich durch den Widerruf ihrer Voll­macht vom 8. August 2012 und durch ihre Weigerung, einen Ersatz zu bestellen, vereitelte (siehe Punkt 1.6.2).

2.4 Die Rüge nach Regel 106 EPÜ wurde aus diesem Grund von der Kammer zurückgewiesen.

3. Abwesenheit der Einsprechenden an der mündlichen Verhandlung

3.1 Gemäß Artikel 15 (3) VOBK ist die Kammer nicht ver­pflichtet, einen Verfahrensschritt einschließlich ihrer Entscheidung aufzuschieben, nur weil ein ordnungsgemäß geladener Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend ist; dieser kann dann so behandelt wer­den, als stütze er sich lediglich auf sein schriftliches Vorbringen.

3.2 Die Einsprechende wurde mit Ladung vom 17. Dezember 2015 zur mündlichen Verhandlung am 2. März 2016 geladen. Die Ladung wurde der Einsprechenden am 18. Dezember 2015 zugestellt. Die Ladung erfolgte mithin ordnungsgemäß.

3.3 Wie aus den Materialien (Dokument CA/133/02 vom 12. November 2002, S. 20) hervorgeht, steht Artikel 15 (3) VOBK nicht im Widerspruch zum Grundsatz des rechtlichen Gehörs gemäß Artikel 113 (1) EPÜ, weil dieser Artikel lediglich die Möglichkeit der Anhörung eröffnet, und ein Beteiligter durch das Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung darauf verzichtet.

3.4 Vorliegend ist das Fernbleiben der Einsprechenden darauf zurückzuführen, dass sie es ablehnte, an der mündlichen Verhandlung durch einen anderen als den gewohnten, aber verhinderten Vertreter teilzunehmen, und daher auf einer Verlegung des Termins beharrte. Da dem Antrag auf Terminverlegung nicht stattgegeben werden konnte und die Einsprechende nach Auffassung der Kammer gegen das Gebot des Handelns nach Treu und Glauben verstieß, war sie nicht anders zu behandeln als ein Verfahrensbeteiligter, der zu einer von ihm beantragten mündlichen Verhandlung geladen wurde, dieser aber fernbleibt.

3.5 Die Kammer hat im Ladungsbescheid ihre vorläufige Mei­nung in vorliegender Sache dargelegt. Der Einsprechenden waren daher die möglichen Gründe für die vorliegende Entscheidung bekannt. Sie hatte auch die Gelegenheit zur Stellungnahme. Das rechtliche Gehör der abwesenden Einsprechenden war damit gewahrt.

4. Einlegung der Beschwerde

4.1 Die Kammer hat sich vergewissert, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Ein­spruchs gegen das europäische Patent Nr. 1 794 238 ordnungsgemäß mit der Post zugestellt wurde. Die Voraussetzungen der Regel 126 (1) EPÜ in der bis zum 31. März 2015 geltenden Fassung waren damit erfüllt (vgl. demgegenüber G 1/14 vom 19. November 2015, Punkte 6 bis 9), so dass sich die Beschwerdefrist gemäß Artikel 108 EPÜ nach Maßgabe von Regel 126 (2) EPÜ in der bis zum 31. März 2015 geltenden Fassung i.V.m. Regel 131 EPÜ berechnet. Sie lief vorliegend am 23. Februar 2012 ab.

4.2 Die Einsprechende hat am 16. Januar 2012 die Beschwer­degebühr durch Onlinezahlung entrichtet. Der Beleg für die Onlinezahlung nennt die Anmeldenummer des Streit­patents, den Firmennamen der Einsprechenden (in Englisch), deren Anschrift sowie deren Referenz für das Einspruchsverfahren. Der Zahlungscode ist derjenige für die Beschwerdegebühr. Eine gesonderte Beschwerdeschrift ist dem EPA innert der Beschwerdefrist nicht zugegangen. Der Zugang eines solchen Schriftstücks, für dessen Zugang die Einsprechende die Beweislast trüge (T 2454/11 vom 19. Juli 2012), wurde von der Einsprechenden nicht behauptet. Sie stellt sich vielmehr auf den Standpunkt, dass die Onlinezahlung der Beschwerdegebühr zur Ein­legung einer Beschwerde genüge, da sie als Erklärung des Willens, Beschwerde einzulegen, zu verstehen sei.

4.3 Gemäß ständiger Rechtsprechung ist die bloße Bezahlung der Beschwerdegebühr keine für die Einlegung der Beschwerde ausreichende Handlung (J 19/90 vom 30. April 1992; T 371/92, ABl. EPA 1995, 324; T 266/97 vom 22. Juni 1998; T 778/00, ABl. EPA 2001, 554; T 1479/09 vom 25. November 2009; T 1943/09 vom 31. Mai 2010; R 2/10 vom 3. November 2010, Punkt 1.5; T 377/11 vom 14. Dezember 2011).

4.4 Die Einsprechende machte geltend, dass die Recht­sprechung zum EPÜ 1973 unter revidiertem Recht überholt sei (siehe Punkt X). Die Kammer ist von den Argumenten der Einsprechenden nicht überzeugt:

4.4.1 Artikel 108 EPÜ unterscheidet auch nach seiner Revision zwischen der Beschwerdeschrift und der zur gültigen Einlegung erforderlichen Entrichtung einer Gebühr. Hätte der Gesetzgeber auf eine gesonderte Beschwerdeschrift verzichten wollen, hätte dies in Artikel 108 EPÜ und Regel 99 EPÜ seinen Niederschlag finden müssen. Der Gesetzgeber hat aber im Wesentlichen an der bisherigen Ordnung festgehalten (T 1943/09 vom 31. Mai 2010, Punkt 4). Es ist daher der Patentinhaberin zuzustimmen, dass sich aus der Revision von Artikel 108 EPÜ 1973 kein Grund ergibt, von der zum EPÜ 1973 ergangenen Recht­sprechung abzuweichen.

4.4.2 Der gegenüber der Regel 67 EPÜ 1973 neu geschaffene Erstattungstatbestand der Regel 103 (1) b) EPÜ (in der seit 13. Dezember 2007 in Kraft stehenden Fassung) führt zu keiner anderen Auslegung von Artikel 108 EPÜ. Wie die Patentinhaberin zu Recht vortrug, setzt die Regel 103 (1) b) EPÜ voraus, dass wirksam Beschwerde eingelegt wurde. Sie kann daher schon aus systematischen Erwägungen keine Bedeutung für die Auslegung der Voraussetzungen für die Einlegung einer Beschwerde haben.

4.4.3 Aber auch der von der Einsprechenden geltend gemachte Zusammenhang mit Artikel 108 EPÜ überzeugt nicht. Zwar hat die Regel 103 (1) b) EPÜ das unter dem EPÜ 1973 bestehende finanzielle Risiko beseitigt, eine bereits bezahlte Beschwerdegebühr zu verlieren, wenn sich eine beschwerte Partei innerhalb der Frist für die Einlegung der Beschwerde entscheidet, eine bereits eingelegte Be­schwerde zurückzunehmen. Doch folgt daraus nicht, wie die Einsprechende argumentiert, dass die Bezahlung der Beschwerdegebühr zwingend den Willen zum Ausdruck bringt, dass eine Beschwerde eingelegt werden soll, so dass Beschwerdeschrift und Gebührenzahlung zusammen­fallen. Nach wie vor kann die Bezahlung vorsorglich geschehen, um die Frist zur Einlegung der Beschwerde ausschöpfen zu können. Gerade weil nach Artikel 108 EPÜ die Bezahlung der Beschwerdegebühr lediglich eine von zwei zur gültigen Einlegung der Beschwerde erforderli­chen, für sich alleine aber nicht hinreichenden Hand­lungen darstellt, kann einem Zahlungsformular, das für die Rechtshandlung der Bezahlung der Beschwerdegebühr vorgesehen ist, nicht prinzipiell auch die Bedeutung einer Beschwerdeschrift zugemessen werden. Oder anders ausgedrückt: Die Zahlung der Beschwerdegebühr lässt zwar erkennen, dass die Einlegung einer Beschwerde beabsich­tigt ist; losgelöst von einer ausdrücklichen Erklärung, Beschwerde zu erheben, ist indes nicht der Wille zu erkennen, dass eine Beschwerde im Zeitpunkt der Be­zahlung der Beschwerdegebühr eingelegt und ein Beschwerdeverfahren mit der Wirkung in Gang gesetzt werden soll, dass danach nur noch die Rücknahme der Beschwerde das anhängige Verfahren beenden kann.

4.4.4 Die Materialien zur Änderung von Regel 103 (1) b) EPÜ widersprechen der Auffassung der Einsprechenden. Diese Änderung war als Ausgleich für das Fehlen einer An­schlussbeschwerde (dazu G 9/92, ABl. EPA 1994, 875, Punkte 10 und 16) bei Zwischenentscheidungen über die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form gedacht (Erläuterungen zur Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen in der Fassung des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 12. Dezember 2002, ABl. EPA 2003, Sonderausgabe Nr. 1, 159, Erläuterung zu Regel 67 (1) b) EPÜ auf Seite 184). Ein Verfahrensbeteiligter, der gegen eine Zwischenentscheidung vorsorglich Beschwerde ein­legt, um im Falle einer Beschwerde der Gegenseite nicht durch das Verschlechterungsverbot (Verbot der reformatio in peius) in seinen Anträgen eingeschränkt zu sein, soll seine Beschwerde frühzeitig zurückzunehmen können, wenn die Gegenseite keine Beschwerde eingelegt hat. Der historische Wille des Gesetzgebers bestätigt, dass Regel 103 (1) b) EPÜ eine wirksam eingelegte Beschwerde voraussetzt und nicht die Voraussetzungen für eine wirksame Beschwerde definiert.

4.4.5 Die Kammer hatte aus den vorstehend dargelegten Gründen keine Veranlassung, von der oben zitierten Recht­sprechung (Punkt 4.3) abzuweichen.

4.5 Die Einsprechende berief sich weiter auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes.

4.5.1 Nach Auffassung der Kammer fehlt es bereits an einer Vertrauensgrundlage, d.h. einem Handeln des EPA, das Anlass zu berechtigten Erwartungen der Einsprechenden hätte geben können, die dann kausal für deren Unter­lassen waren.

Es ist zwar richtig, dass das EPA Software für die elektronische Einreichung von Anmeldungen und Dokumenten bereitstellt und Anreize für die Benutzung seiner Online-Dienste schafft. Die Benutzung der Online-Dienste ist aber nicht vorgeschrieben und ihre Bereitstellung daher als eine freiwillige Dienstleistung zu verstehen. Die Bereitstellung der Software sowie die Hilfestellung­en im Rahmen der Benutzerführung können vernünftiger­weise keine generelle Erwartung seitens der Benutzer begründen, in Verfahren vor dem EPA warnend auf frist­gebundene Handlungen und jegliche Mängel in ihren Eingaben hingewiesen zu werden. Die Verantwortung für die Erfüllung frist- und formgebundener Verfahrens­handlungen liegt bei den Benutzern. Sie können nicht darauf vertrauen, dass das EPA ihnen systematisch jede Verantwortung abnimmt. Dies gilt insbesondere auch für die Erfüllung der Voraussetzungen für eine zulässige Beschwerde (vgl. G 2/97, ABl. EPA 1999, 123, Punkt 4.2). Weil es sich bei der Bezahlung der Beschwerdegebühr und der Einreichung einer Beschwerdeschrift um gesonderte Voraussetzungen handelt, die zeitlich auseinander liegen können, bestand infolge der Bezahlung der Beschwerde­gebühr gut einen Monat vor Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde nach Artikel 108 EPÜ auch keine offensichtliche Inkonsistenz, die zu einer Warnung hätte Anlass geben können.

4.5.2 Die Einsprechende hat auch nicht behauptet, dass ein Softwarefehler oder ein missverständlicher Hinweis dazu geführt hätte, dass von ihr keine separate Beschwerde­schrift eingereicht wurde. Es sind also keine konkreten Umstände dargetan, die selbst im Zusammenhang mit der Nutzung von freiwilligen Dienstleistungen eine Ver­trauensgrundlage bilden könnten (vgl. J 1/89, ABl. EPA 1992, 17). Die Einsprechende kann sich daher vorliegend nicht darauf berufen, dass ihr aus dem Fehlen einer gesonderten Beschwerdeschrift nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes kein Rechtsnachteil erwachsen dürfe.

4.6 Aus den obenstehenden Gründen gelangte die Kammer zur Auffassung, dass die Bezahlung der Beschwerdegebühr durch die Einsprechende selbst unter Berücksichtigung der in der Zahlungsanweisung bzw. im Zahlungsbeleg enthaltenen Angaben keine zur Einlegung einer Beschwerde ausreichende Rechtshandlung darstellte, da nicht der Wille zu erkennen war, dass im Zeitpunkt der Bezahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt werden sollte. Die Kammer stellte daher fest, dass gegen die am 13. Dezember 2011 zur Post gegeben Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das Streitpatent innert der Beschwerdefrist keine Beschwerde eingelegt wurde.

4.7 Über den Antrag der Einsprechenden, ihr Gelegenheit zu geben, eventuell der Zulässigkeit entgegenstehende Mängel zu beheben, war infolge der Feststellung, dass innert der Beschwerdefrist keine Beschwerde eingelegt wurde, nicht mehr zu entscheiden.

5. Vorlage der Frage A an die Große Beschwerdekammer

5.1 Nach Artikel 112 (1) a) EPÜ befasst die Beschwerdekam­mer, bei der ein Verfahren anhängig ist, auf Antrag eines Beteiligten die Große Beschwerdekammer, wenn sie, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung oder wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, hierzu eine Entscheidung für erforderlich hält.

5.2 Es ist zunächst fraglich ob die Frage A eine abstrakte Rechtsfrage zum Gegenstand hat oder vielmehr einen Sach­verhalt, den die Einsprechende im Rahmen einer Vorlage durch die Große Beschwerdekammer entschieden sehen möchte. Dafür fehlte der Großen Beschwerdekammer indes die Entscheidungskompetenz. Denn sie ist keine weitere, den Beschwerdekammern übergeordnete Tatsacheninstanz. Dies kann aber dahingestellt bleiben. Die eingereichte Frage kann nämlich ohnehin unter Berücksichtigung des dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegenden Sachver­halts und durch Anwendung der einschlägigen Vorschriften des Europäischen Patentübereinkommens und der dazu in der einschlägigen Rechtsprechung entwickelten Prinzipien beantwortet werden. Sie betrifft folglich keine Rechts­­frage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Artikel 112 (1) a) EPÜ.

6. Rückbezahlung der Beschwerdegebühr

6.1 In Anbetracht der Feststellung, dass innert der Beschwerdefrist keine Beschwerde eingelegt wurde, ist die ohne Rechtsgrund bezahlte Beschwerdegebühr zu erstatten (J 19/90 vom 30. April 1992; T 371/92, ABl. EPA 1995, 324; T 266/97 vom 22. Juni 1998; T 778/00, ABl. EPA 2001, 554; T 1479/09 vom 25. November 2009; T 1943/09 vom 31. Mai 2010; T 377/11 vom 14. Dezember 2011). Der in diesem Punkt abweichenden, aber nicht begründeten Entscheidung T 1926/09 vom 28. September 2010 wird nicht gefolgt.

6.2 Da dem vorrangigen Antrag der Einsprechenden auf Erstat­tung der Beschwerdegebühr stattgegeben werden konnte, erübrigte sich eine Entscheidung über den hilfsweise gestellten Antrag auf Vorlage der Frage B an die Große Beschwerdekammer.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Es wird festgestellt, dass innert der Beschwerdefrist keine Beschwerde eingelegt wurde.

2. Der Antrag auf Vorlage der mit Schriftsatz vom 23. August 2012 eingereichten Frage A an die Große Beschwerdekammer wird zurückgewiesen.

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

4. Der Einwand nach Regel 106 EPÜ vom 22. Januar 2016 wird zurückgewiesen.

Quick Navigation