European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2023:T185522.20231117 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 17 November 2023 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1855/22 | ||||||||
Anmeldenummer: | 14750139.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | C12N 15/82 C12N 15/113 C07K 14/415 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Resistenzgen gegen Rizomania | ||||||||
Name des Anmelders: | KWS SAAT SE & Co. KGaA | ||||||||
Name des Einsprechenden: | SES VanderHave | ||||||||
Kammer: | 3.3.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulässigkeit der Beschwerde - Beschwerdeschrift Zulässigkeit der Beschwerde - fristgerecht eingelegt (nein) Einspruchsgründe - unzulässige Erweiterung (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. In einer Zwischenentscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass das Patent in der geänderten Fassung des Hilfsantrags 1 den Erfordernissen des EPÜ genügt.
II. Die Patentinhaberin legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und begründete diese fristgerecht.
III. Die Einsprechende entrichtete eine Beschwerdegebühr (in der Höhe für eine Beschwerde einer natürlichen oder juristischen Person im Sinne von Regel 6 EPÜ, Absätze 4 und 5 EPÜ - 2 015 EUR) und reichte anschließend eine Beschwerdebegründung ein. Die Einsprechende hat jedoch innert der Frist nach Artikel 108 EPÜ keine Beschwerdeschrift gemäß Regel 99 (1) EPÜ eingereicht. Die Geschäftsstelle der Kammer stellte daraufhin das Formblatt 3019 aus, in dem die Einsprechende über den Rechtsverlust nach Regel 112 (1) EPÜ aufgrund der nicht erfolgten Einreichung einer Beschwerdeschrift informiert wurde.
IV. Die Kammer erließ eine Ladung zur mündlichen Verhandlung zusammen mit einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK, in der sie ihre vorläufige Stellungnahme zur Beschwerdesache darlegte. Die Kammer teilte den Parteien u. a. mit,
- dass die Beschwerde der Einsprechenden als nicht eingelegt zu erachten sei,
- dass die Patentinhaberin im vorliegenden Beschwerdeverfahren die einzige Beschwerdeführerin und die Einsprechende als Beschwerdegegnerin beteiligt sei;
- dass die Kammer vorläufig der Auffassung sei, dass der Beschwerde des Patentinhabers nicht stattgegeben werden könne, weil die Einspruchsabteilung zu Recht entschieden hätte, dass der Gegenstand des Anspruchs 11 über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.
V. Im weiteren werden die Parteien über ihre Stellung im Einspruchsverfahren identifiziert.
VI. Mit Schreiben vom 20. September 2023 nahm die Einsprechende ihren Antrag auf mündliche Verhandlung unter der Bedingung zurück, dass die Patentinhaberin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung ebenfalls zurücknimmt.
VII. Mit Schreiben vom 27. September 2023 nahm die Patentinhaberin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und bat um Entscheidung im schriftlichen Verfahren.
VIII. Die Kammer hob die Ladung zur mündlichen Verhandlung auf.
IX. Ansprüche 1 und 11 des Hauptantrags lauten:
"1. Nukleinsäuremolekül, welches ein Polypeptid kodiert, das in der Lage ist, eine Resistenz gegenüber einem Pathogen in einer Pflanze, in welcher das Polypeptid exprimiert wird, zu vermitteln, dadurch gekennzeichnet, dass das Nukleinsäuremolekül eine Nukleotidsequenz umfasst, welche ausgewählt ist aus a) einer Nukleotidsequenz, die ein Polypeptid mit einer Aminosäuresequenz gemäß SEQ ID NO: 2 oder SEQ ID NO: 3 kodiert, b) einer Nukleotidsequenz, die die kodierende Sequenz der DNA-Sequenz gemäß SEQ ID NO: 1 umfasst, c) einer Nukleotidsequenz, die ein Polypeptid kodiert, welches sich durch Substitution, Deletion und/oder Addition von einer Aminosäure der Aminosäuresequenz, die durch die Nukleotidsequenz nach a) oder b) kodiert wird, von einem Polypeptid, das durch die Nukleotidsequenz nach a) oder b) kodiert wird, ableitet, d) einer Nukleotidsequenz, die ein Polypeptid kodiert, welches eine Aminosäuresequenz aufweist, die zu mindestens 80% identisch ist zu einer Aminosäuresequenz, welche durch die Nukleotidsequenz nach a) oder b) kodiert wird, oder e) einer Nukleotidsequenz, welche mindestens die Aminosäurepositionen 168-227 der SEQ ID NO: 2 und mindestens die Aminosäurepositionen 591-613 der SEQ ID NO: 2 und mindestens die Aminosäurepositionen 1013-1072 der SEQ ID NO: 2 oder welche mindestens die Aminosäurepositionen 182-241 der SEQ ID NO: 3, mindestens die Aminosäurepositionen 605-627 der SEQ ID NO: 3 und mindestens die Aminosäurepositionen 1027-1086 der SEQ ID NO: 3 kodiert.
11. Pflanze oder ein Teil davon, welche eine Pflanzenzelle, die das Nukleinsäuremolekül nach Anspruch 1 aufweist, umfasst, wobei die Pflanze oder ein Teil davon zur Gattung Beta und zu der Subspezies Beta vulgaris ssp. vulgaris gehört und wobei die Pflanze nicht ausschließlich durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren gewonnen ist".
X. Das für die Entscheidung relevante Vorbringen der Patentinhaberin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Zur Beschwerende der Einsprechenden
Die Erfordernisse des Artikels 108 EPÜ und der Regel 99 (1) EPÜ seien nicht erfüllt. Die Feststellung eines Rechtsverlusts gemäß Regel 112 (1) EPÜ vom 29. September 2022 erging zurecht und war im Einklang mit ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern. Es sei keine Beschwerdeschrift eingereicht, sondern nur die Beschwerdegebühr bezahlt worden. Folglich sei nur eine der beiden nötigen Handlungen vorgenommen worden, die für eine wirksame Beschwerde erforderlich seien.
Änderungen (Artikel 100 (c) EPÜ)
Anspruch 11
Die Auffassung der Einspruchsabteilung, dass Anspruch 11 nicht auf eine transgene Pflanze oder Pflanzenzelle gerichtet sei, sondern auf eine Pflanze oder Pflanzenzelle im Allgemeinen, sei unrichtig. Im Kontext des Streitpatents sei der Anspruch 11 so auszulegen, dass dieser sich auf transgene Pflanzen im Sinne der vorliegenden Erfindung beziehe, also auf einen Gegenstand, der so in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen enthalten sei. Insbesondere seien Pflanzen der Gattung Beta Vulgaris, die das Nukleinsäuremolekül gemäß Anspruch 1 aufwiesen und nicht ausschließlich durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren hergestellt seien, auf Seite 11, letzter Absatz, bis Seite 12, erster Absatz, der ursprünglichen Beschreibung allgemein offenbart. Hier wurde auch ein direkter Bezug zu dem Nukleinsäuremolekül nach Anspruch 1 hergestellt, da auf die oben beschriebene Pflanzenzelle enthaltend das erfindungsgemäße Nukleinsäuremolekül verwiesen wurde.
Ob Anspruch 11 im Lichte der Ansprüche 5 und 6 redundant erscheine, spiele im Rahmen der Prüfung gemäß Artikel 100 (c) EPÜ, bzw. Artikel 123 (2) EPÜ keine Rolle. Vielmehr sei der Anspruch 11 wegen des "Disclaimers" nur so zu verstehen, dass er sich auf transgene Pflanzen im Sinne der vorliegenden Erfindung beziehe, also auf einen Gegenstand, der so in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen enthalten sei.
XI. Das für die Entscheidung relevante Vorbringen der Einsprechenden lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Die Beschwerde der Einsprechenden
Es werde davon ausgegangen, dass am 20. Juni 2022 eine Beschwerdeschrift eingereicht und eine Beschwerdegebühr entrichtet worden sei. Somit sei die Beschwerde ordnungsgemäß eingereicht worden.
Die Angaben im EPA-Formblatt 1038 ("Letter accompanying subsequently filed items") seien als gleichwertig zu einer Beschwerdeschrift zu betrachten und sollten dementsprechend behandelt werden.
Nach Regel 99 EPÜ sollte eine Beschwerdeschrift
(a) den Namen und die Anschrift der Beschwerdeführerin [...],
(b) die Angabe der angefochtenen Entscheidung, und
(c) einen Antrag, der den Gegenstand der Beschwerde definiert, enthalten. Diese Angaben seien im EPA-Formblatt 1038 vorhanden.
Somit sei die Beschwerde als fristgerecht eingelegt zu betrachten. Weiter sei die Absicht der Einsprechenden, eine Beschwerde zu erheben, klar, insbesondere im Hinblick auf die Änderungen von Artikel 12 VOBK, in dem nun ausdrücklich Folgendes steht
"(1) Dem Beschwerdeverfahren liegen zugrunde a) die angefochtene Entscheidung und die Niederschriften über mündliche Verhandlungen vor dem Organ, das die Entscheidung erlassen hat; ...
(2) Im Hinblick auf das vorrangige Ziel des Beschwerdeverfahrens, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen, ..."
Vertrauensschutz
Die Zahlung der Beschwerdegebühr und die entsprechenden Schreiben der Einsprechenden seien 38 Tage vor Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht worden. Hätte es Unklarheiten gegeben, so hätte die Kammer genügend Zeit gehabt, Klarstellungen zu verlangen. Dies sei nicht geschehen. Nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes sollte die Beschwerde daher als ordnungsgemäß eingelegt angesehen werden.
Änderungen (Artikel 100 (c) EPÜ)
Anspruch 11
Es wurde lediglich vorgetragen, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung bezüglich Anspruch 11 richtig sei.
XII. Die Patentinhaberin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in unverändertem Umfang aufrechtzuerhalten (Hauptantrag), hilfsweise, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage eines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 4 aufrechtzuerhalten.
XIII. Die Einsprechende beantragte, die Beschwerde der Einsprechenden als ordnungsgemäß eingelegt zu behandeln und das Patent zu widerrufen, oder hilfsweise die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde der Einsprechenden
1. Die Einsprechende entrichtete am 20. Juni 2022 eine Beschwerdegebühr (in der Höhe für eine Beschwerde einer natürlichen oder juristischen Person im Sinne von Regel 6 EPÜ, Absätze 4 und 5 EPÜ - 2 015 EUR) und reichte am 27. September 2022 eine Beschwerdebegründung ein. Die Einsprechende hat jedoch innert der Frist nach Artikel 108 EPÜ für die Einreichung einer Beschwerdeschrift, kein Schriftstück eingereicht, dass als eine Beschwerdeschrift im Sinne von Regel 99 (1) EPÜ angesehen werden könnte. Die Geschäftsstelle der Kammer stellte daraufhin das Formblatt 3019 aus, in dem die Einsprechende über den Rechtsverlust nach Regel 112 (1) EPÜ aufgrund der nicht erfolgten Einreichung einer Beschwerdeschrift informiert wurde.
2. Die Einsprechende führte einleitend in ihrer Beschwerdebegründung aus, dass sie am 20. Juni 2022 eine Beschwerdeschrift eingereicht und die Beschwerdegebühr bezahlt habe. In der Akte findet sich aber einzig der Abbuchungsauftrag der Einsprechenden (EPA-Formblatt 1038) mit entsprechendem Datum. Der Zahlungsauftrag selbst enthält keine Erklärung gemäß Regel 99(1) EPÜ über die Einlegung einer Beschwerde. Die Einsprechende hat auch bis zum 28. Juli 2022, dem letzten Tag der Frist für die Einlegung einer Beschwerde, keine solche Erklärung eingereicht.
3. In ihrem Schreiben vom 9. Dezember 2022 vertritt die Einsprechende die Auffassung, dass die Angaben im EPA-Formblatt 1038 ("Letter accompanying subsequently filed items") als gleichwertig zu einer Beschwerdeschrift behandelt werden sollten, so dass die Beschwerde als fristgerecht eingelegt zu betrachten sei.
4. Die Kammer ist von dieser Begründung jedoch nicht überzeugt. Die Zahlung der Beschwerdegebühr und die Einreichung einer Beschwerdeschrift sind zwei getrennte, kumulative Erfordernisse für die Einlegung einer Beschwerde. Es ist ständige Rechtsprechung, dass die Einreichung eines Schritsatzes, das lediglich einen Abbuchungsauftrag für die Zahlung der Beschwerdegebühr enthält, nicht als Einreichung einer Beschwerdeschrift angesehen werden kann (siehe insbesondere die Leitentscheidungen J 19/90, Leitsatz, und T 778/00, ABl. EPA 2001, 554, Punkte 1 und 2.4 der Gründe).
4.1 Eine Beschwerdeschrift ist eine an das EPA gerichtete Erklärung, mit der die Absicht bekundet wird, eine bestimmte Entscheidung mit einer Beschwerde anzufechten. Die Erklärung über die Absicht, eine Beschwerde einzulegen, muss klar und eindeutig sein (siehe etwa J 19/90, Punkt 2.1.3 der Gründe; T 778/00, ABl. EPA 2001, 554, Punkt 2.1 der Gründe). Diese Voraussetzung findet sich auch in Regel 99 (1) c) EPÜ, wonach die Beschwerdeschrift einen "Antrag auf Bestimmung des Beschwerdegegenstandes" enthalten muss. Die Kammer erkennt im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung an, dass der Antrag nach Regel 99 (1) c) EPÜ implizit sein kann. Was in diesem Zusammenhang stillschweigend sein kann, bezieht sich jedoch nur auf die Angabe, ob die angefochtene Entscheidung ganz oder nur teilweise aufgehoben werden soll (siehe auch T 620/13, Punkt 7 der Gründe, T 551/15, Punkt 2.2.1 der Gründe). Eine klare und unmissverständliche Willenserklärung, dass eine Beschwerde eingelegt wird, ist dennoch erforderlich. Sie bildet den unerlässlichen Bestandteil einer Beschwerdeschrift.
4.2 Das am 20. Juni 2022 eingegangene Schreiben enthält die Angaben, die erforderlich sind, damit die Zahlung durch Abbuchung der Beschwerdegebühr von einem Konto des Vertreters erfolgen kann, sowie Informationen über etwaige Rückzahlungen. Das Schreiben enthält keine weiteren Erklärungen, die über den erteilten Abbuchungsauftrag hinausgehen. Insbesondere stellt das Schreiben keine klare und unmissverständliche Absichtserklärung dar, dass zum Zeitpunkt seiner Übermittlung eine Beschwerde eingelegt wird.
4.3 Aus den genannten Gründen kann der Abbuchungsauftrag vom 20. Juni 2022 nicht so verstanden werden, dass er eine Beschwerdeschrift nach Regel 99(1) EPÜ darstellt. Die Beschwerde der Einsprechenden gilt daher als nicht eingelegt. Da im vorliegenden Fall keine Beschwerde eingelegt wurde, ist die Beschwerdegebühr ohne Rechtsgrundlage gezahlt. Sie ist daher zurückzuerstatten (T 41/82, ABl. EPA 1982, 256, Punkt 1 der Gründe; siehe auch G 1/18, Antworten 3).
5. Für die Anwendung des Vertrauensschutzes besteht vorliegend kein Raum. Eine Verfahrensbeteiligte im Einspruchsverfahren hat keine berechtigte Erwartung, vom EPA vor Ablauf der Frist für die Einreichung der Beschwerdeschrift auf ein mögliches Versäumnis bei der Einlegung einer Beschwerde hingewiesen zu werden, wenn ein Abbuchungsauftrag für die Zahlung der Beschwerdegebühr aber noch keine Beschwerdeschrift eingereicht wurde. Bei objektiver Betrachtung ist nämlich die Übersendung eines solchen Abbuchungsauftrags höchstens ein Indiz, dass der Verfahrensbeteiligte die Einlegung einer Beschwerde beabsichtigt (T 371/92, ABl. EPA 1995, 324, Punkt 3.6; T 778/00, ABl. EPA 2001, 554, Punkt 2.3 der Gründe). Es bleibt dem Verfahrensbeteiligten auch bei Bezahlung der Beschwerdegebühr überlassen, ob bzw. zu welchem Zeitpunkt er eine Beschwerdeschrift als notwendige zweite Handlung für das Entstehen einer Beschwerde einreicht. Dies kann am letzten Tag der Frist für die Einreichung einer Beschwerdeschrift geschehen. Insoweit ist ein mögliches Versäumnis erst nach Ablauf der Frist feststellbar. Davon abgesehen lässt sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes keine Verpflichtung der Kammern herleiten, einen Beteiligten warnend auf Mängel innerhalb seines eigenen Zuständigkeitsbereichs hinzuweisen, sonst könnte ein Verfahrensbeteiligter seine Verantwortung für die Erfüllung der Voraussetzungen für eine zulässige Beschwerde auf die Beschwerdekammer abwälzen (G 2/97, ABl. EPA 1999, 123). Zudem sollte einem zugelassenen Vertreter die ständige Rechtsprechung, dass ein Abbuchungsauftrag für die Bezahlung der Beschwerdegebühr nicht auch als Beschwerdeschrift genügt, bekannt sein. Von daher besteht auch kein Anlass davon auszugehen, dass ein berechtigtes Vertrauen verletzt wurde. Die Berufung der Einsprechenden auf den Vertrauensgrundsatz bleibt daher ohne Erfolg.
6. Aus den vorstehenden Gründen ist die Patentinhaberin im vorliegenden Beschwerdeverfahren die einzige Beschwerdeführerin und die Einsprechende als Beschwerdegegnerin am Verfahren beteiligt.
Die Beschwerde der Patentinhaberin
Das Patent in der erteilten Fassung
Einspruchsgrund Artikel 100 (c) EPÜ - Anspruch 11
7. Die Einspruchsabteilung begründete die Entscheidung zur unzulässigen Erweiterung damit, dass Anspruch 11 nicht auf eine transgene Pflanze oder Pflanzenzelle gerichtet sei, sondern auf eine Pflanze oder Pflanzenzelle im Allgemeinen. Die Pflanze oder Pflanzenzelle nach Anspruch 11 sei nämlich bloss dadurch charakterisiert, dass sie das Nukleinsäuremolekül nach Anspruch 1 aufweise. Durch den "Disclaimer" werde lediglich ausgeschlossen, dass die Pflanze bezüglich des beanspruchten Merkmals durch Kreuzung oder Selektion hergestellt werde (Regel 26(5) EPÜ). Somit umfasste der Anspruch auch nicht-transgene Pflanzen, z.B. Chimären oder durch "gene editing" hergestellte Pflanzen, die aber trotzdem das Nukleinsäuremolekül nach Anspruch 1 aufweisen. Die Einspruchsabteilung konnte in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung keine Grundlage für diesen Gegenstand finden.
8. Die Patentinhaberin ist der Ansicht, dass der Anspruch 11 so auszulegen ist, dass dieser sich nur auf transgene Pflanzen bezieht, also auf einen Gegenstand, der so in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen offenbart ist. Als Offenbarung eines solchen Gegenstands wurde auf die Passage in der Anmeldung, die die Seiten 11 und 12 überbrückt, Bezug genommen.
9. Die in Anspruch 1 c) bis d) definierte Nukleinsäure umfasst u.A. Sequenzen, die sich von der SEQ ID NO: 1 durch eine Mutation unterscheiden, die durch ein technisches Verfahren, z. B. Bestrahlung oder chemische Mutagenese, hervorrufbar sind. Eine pathogenresistente Pflanze, die eine solche mutierte Nukleinsäuresequenz aufweist, fällt nicht unter die im Fachbereich allgemein anerkannte Definition von "transgen" (vgl. Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt, G.II 5.4) und wird auch nicht vom Disclaimer im Anspruch 11 ausgenommen. Im Ergebnis umfasst der beanspruchte Gegenstand sowohl transgene als auch nicht transgene Pflanzen. Die von der Patentinhaberin zitierte Textstelle der Anmeldung in der eingereichten Fassung bezieht sich ausdrücklich und ausschließlich auf transgene Pflanzen, die das Resultat eines technischen Eingriffs sind und nicht durch den Disclaimer ausgeschlossen werden. Nicht transgene Pflanzen, die die relevante Nukleinsäuresequenz aufweisen, aber nicht durch ein im Wesentlichen biologischen Verfahren erhalten werden, sind beansprucht aber nicht unmittelbar und eindeutig offenbart. Damit erfüllt der Anspruch 11 die Erfordernisse des Artikel 123 (2) EPÜ nicht.
Hilfsanträge 1 bis 4
Verschlechterungsverbot
10. Da die Beschwerde der Einsprechenden als nicht eingelegt gilt, ist die Patentinhaberin die alleinige Beschwerdeführerin gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung. Es greift daher das Verschlechterungsverbot (Verbot der reformatio in peius; G 9/92 und G 4/93, ABl. EPA 1994, 875). Die Einsprechende kann als Beschwerdegegnerin nur noch die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin, die auf die Aufrechterhaltung des Patents in unverändertem Umfang gerichtet ist, beantragen, darf aber nicht mehr die Aufrechterhaltung des Patents in der geänderten Fassung, die der Zwischenentscheidung zugrunde liegt (Hilfsantrag 1), infrage stellen. Daher sind die mit der Beschwerdebegründung der Patentinhaberin eingereichten Hilfsanträge 1 bis 4 einer Überprüfung durch die Beschwerdekammer entzogen.
11. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen muss die Beschwerde zurückgewiesen werden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde der Einsprechenden gilt als nicht eingelegt.
2. Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.