European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1994:J000594.19940928 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 28 September 1994 | ||||||||
Aktenzeichen: | J 0005/94 | ||||||||
Anmeldenummer: | 92110521.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | B65G 1/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | B | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Regalsystem mit eingehängten Rosten | ||||||||
Name des Anmelders: | Jürgens, Walter, Dr.-Ing. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.1.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Sorgfaltsmaßstab bei Einzelanmelder Wegfall des Hindernisses Ergänzung der Begründung des Antrags Restitutio - all due care Restitutio - removal of cause of non-compliance |
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Orientierungssatz: |
I. An die Sorgfalt eines Einzelanmelders sind geringere Anforderungen zu stellen, als bei einem zugelassenen Vertreter oder bei der Patentabteilung eines Unternehmens. II. Wird einem Antragsteller vom EPA mitgeteilt, daß er die Begründung für eine Wiedereinsetzung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt einreichen kann, so kann sich der Antragsteller nach dem anerkannten Grundsatz des Vertrauensschutzes darauf verlassen. III. Die Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags kann auch nach Fristablauf ergänzt werden, sofern die Ergänzung eine Vervollständigung des fristgemäßen Vorbringens darstellt, also das ursprüngliche Wiedereinsetzungsbegehren nicht auf eine neue Basis gestellt wird. |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung 92 110 521.9 wurde am 23. Juni 1992 eingereicht. In Feld 25 des Erteilungsantrags (Form EPA 1001.2) sind zwei Prioritäten vom 24. Juni 1991 und eine Priorität vom 29. Juni 1991 unter Angabe von Staat, Anmeldetag und Aktenzeichen der Voranmeldung beansprucht. Ferner enthält Feld 25 in einer weiteren Zeile den Zusatz "Nr. des Patentes wird nachgereicht".
II. Mit Bescheid vom 23. November 1992 (Formblatt 1111) wurde der Anmelder von der Eingangsstelle aufgefordert, die fehlenden Abschriften der Prioritätsanmeldungen innerhalb von 2 Monaten nach Zustellung der Mitteilung einzureichen. Mit Schreiben vom 18. Januar 1993 bat der Anmelder um Information, "ob er noch etwas beibringen müsse". Darauf wurde ihm u. a. Formblatt 1111 mit Fax erneut übersandt. Auf seinen am 27. Januar 1993 eingegangenen Antrag wurde die Frist um 2 Monate verlängert. In zwei weiteren Anträgen, eingegangen am 29. März und 23. April 1993, berief sich der Anmelder darauf, daß er die Prioritätsbelege vom Deutschen Patentamt noch nicht erhalten habe. Die Frist wurde antragsgemäß erneut um jeweils einen Monat verlängert. Mit Schreiben vom 8. Juni 1993, eingegangen am 10. Juni 1993, reichte der Anmelder die Prioritätsbelege ein, und zwar drei Prioritätsbelege für die in Feld 25 des Erteilungsantrags ausdrücklich genannten Anmeldungen und einen weiteren Prioritätsbeleg für die in Deutschland am 29. Juni 1991 eingereichte Anmeldung P 41 21 682.2.
III. Durch Mitteilung der Eingangsstelle nach Regel 69 (1) EPÜ vom 30. Juni 1993 wurde der Anmelder davon unterrichtet, daß die vier Prioritätsansprüche erloschen seien, weil die Prioritätsbelege nicht innerhalb der Frist eingereicht worden seien.
IV. Mit Schreiben vom 5. Juli 1993, eingegangen am 7. Juli 1993, beantragte der Anmelder Weiterbehandlung und Wiedereinsetzung, da er trotz Anmahnung die Prioritätsbelege zu spät vom Deutschen Patentamt erhalten habe, zwei Gebühren von je DEM 150.-- zahlte er am 22. Juli 1993.
V. Mit Bescheid vom 21. Juli 1993 wurde er über die Erfordernisse eines Wiedereinsetzungsantrags unterrichtet. Er wurde darauf hingewiesen, daß die zur Begründung dienenden Tatsachen glaubhaft zu machen seien, wobei beispielhaft eine Begründung dafür genannt wurde, warum das Deutsche Patentamt die bestellten Prioritätsbelege nicht geliefert hatte. Mit Fax vom 19. und 21. August 1993 berief sich der Anmelder darauf, er habe das Deutsche Patentamt mit Schreiben vom 23. April und 7. Mai 1993 an seine Bestellung vom 29. März 1993 erinnert, habe die Prioritätsbelege aber erst am 25. Mai 1993 per Nachnahme erhalten. Zu diesem Zeitpunkt sei er aufgrund von Nierenkoliken und einer Kiefervereiterung nicht in der Lage gewesen, zu reagieren.
VI. Die Eingangsstelle unterrichtete den Anmelder mit Mitteilung vom 3. September 1993, sie beabsichtige, den Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen, da die Begründung nicht erkennen lasse, daß er alle gebotene Sorgfalt beachtet habe. Er habe insbesondere von Ende November bis Ende März nichts unternommen, um die Prioritätsbelege zu bestellen. Die geltend gemachten Krankheiten seien weder belegt noch ein Grund, die Versendung der Prioritätsunterlagen zu verschieben. Mit Fax vom 29. Oktober 1993 legte der Anmelder eine zahnärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 21. Mai bis 10. Juni 1992 vor.
VII. Mit Entscheidung vom 3. Dezember 1993 hat die Eingangsstelle den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im wesentlichen aus den Gründen des Zwischenbescheids zurückgewiesen und die Prioritätsansprüche für erloschen erklärt.
VIII. Mit Fax vom 23. Dezember 1993 legte der Anmelder Beschwerde ein, mit der er seinen Wiedereinsetzungsantrag weiter verfolgt; die Beschwerdegebühr entrichtete er am 20. Januar 1994. In der am 28. März 1994 eingegangenen Beschwerdebegründung ergänzte er seinen bisherigen Sachvortrag dahingehend, daß er am 18. Januar 1993 bei der Eingangsstelle angefragt habe, ob noch etwas beizubringen sei, da aus dem Büro seiner Sekretärin Akten entwendet worden seien. Daher habe er erst seit Zusendung der Faxe vom 28. Januar 1993 gewußt, "was versäumt worden war". Nach der beantragten Fristverlängerung habe seine Sekretärin am 5. Februar 1992 telefonisch die Prioritätsbelege beim Deutschen Patentamt angefordert und am 29. März 1993 deren Fehlen festgestellt. Darauf habe er angeordnet, diese schriftlich zu bestellen.
IX. Durch Zwischenbescheid des Berichterstatters vom 26. Mai 1994 wurde der Beschwerdeführer auf Lücken und Unklarheiten in seinem bisherigen Vorbringen hingewiesen. In seinen Erwiderungen vom 6. Juli und 18. August 1994 trug er im wesentlichen folgendes vor:
(a) Die Aufforderung zur Einreichung der Prioritätsbelege habe er nach deren Eingang seiner Sekretärin zur Erledigung übergeben. Als er im Januar nach der Akte verlangt habe, sei diese nicht auffindbar gewesen. Dies habe zu seiner Anfrage beim EPA vom 18. Januar 1993 geführt. Nachdem er die Kopie des Bescheids vom 23. November 1992 am 28. Januar 1993 erhalten habe, habe seine Sekretärin mündlich beim Deutschen Patentamt die Prioritätsbelege bestellt. Nachdem diese nicht eingetroffen waren, seien sie am 29. März mit Fax bestellt und am 10. Mai 1994 nochmals mit Fax angemahnt worden. Als die Belege eingetroffen seien, sei er mit 40,2° Fieber im Bett gelegen. Als er nur einigermaßen wieder auf den Beinen gewesen sei, habe er sofort die Dokumente abgesandt.
(b) Dieser Sachverhalt ist durch die Vorlage der schriftlichen Bestellung der Prioritätsunterlagen sowie der Erinnerung, deren Eingang vom Deutschen Patentamt bestätigt sind, belegt und durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Sekretärin glaubhaft gemacht.
Entscheidungsgründe
1. Die zulässige Beschwerde ist begründet.
2. Die Eingangsstelle hat das Schreiben vom 5. Juli 1993 zutreffend als Wiedereinsetzungsantrag ausgelegt. Ein Weiterbehandlungsantrag wäre nicht statthaft gewesen, da die Versäumung der Frist nicht eine der in Artikel 121 (1) EPÜ vorgesehenen Rechtsfolgen ausgelöst hat. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einreichung der Prioritätsbelege ist nach Ergänzung der Begründung in der Beschwerdeinstanz stattzugeben.
2.1. Innerhalb der Zweimonatsfrist nach Artikel 122 (2) EPÜ ist der Wiedereinsetzungsantrag gestellt und die für seine Wirksamkeit erforderliche Gebühr gezahlt worden. Die Zweimonatsfrist konnte nicht vor dem Ende der verlängerten Frist zur Einreichung der Prioritätsbelege am 3. Juni 1993 beginnen, so daß die am 7. und 22. Juli 1993 vorgenommenen Handlungen rechtzeitig waren.
2.2. Die Begründung für den Wiedereinsetzungsantrag ist erst am 19. August 1993 eingegangen. Es bedarf keiner weiteren Aufklärung, wann der Anmelder erkannte oder erkennen konnte, daß er die Frist zur Einreichung der Prioritätsbelege versäumt hatte, was zum Wegfall des Hindernisses im Sinne von Artikel 122 (2) Satz 1 EPÜ führte (vgl. J 27/90, ABl. EPA 1993, 422, Punkt 2.4 der Gründe). Jedenfalls war er im Bescheid der Eingangsstelle vom 21. Juli 1993 darauf hingewiesen worden, daß er die Begründung bis zum 10. September 1993 einreichen könne. Auf die Richtigkeit dieser Auskunft durfte er sich nach dem in der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern anerkannten Grundsatz des Vertrauenschutzes verlassen, so daß die Frist als gewahrt anzusehen ist.
2.3. Die demgemäß fristgerecht eingereichte Begründung enthielt den Kern der zur Stützung des Wiedereinsetzungsantrags vorgebrachten Tatsachen, nämlich der verzögerten Ausstellung der Prioritätsbelege durch das Deutsche Patentamt und der Erkrankung des Beschwerdeführers bei Erhalt dieser Unterlagen vor Ablauf der Frist zur Einreichung. Der ursprünglich vorgetragene Sachverhalt bedurfte zwar noch weiterer Erläuterungen und Ergänzungen. Diese halten sich aber im Rahmen des fristgemäßen Vorbringens und sind als Vervollständigung anzusehen, da sie das ursprüngliche Wiedereinsetzungsbegehren nicht auf eine neue Basis stellen. Eine solche Ergänzung ist auch nach Ablauf der Frist zulässig.
3. Der Beschwerdeführer hat auch in ausreichender Weise dargelegt, daß er trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt an der fristgemäßen Einreichung der Prioritätsbelege verhindert worden ist.
3.1. Hierbei hat die Kammer berücksichtigt, daß der Beschwerdeführer ein nicht vertretener Einzelanmelder ist, der weder mit den Erfordernissen des EPÜ im einzelnen vertraut ist, noch über eine etablierte Büroorganisation verfügt, die besonders auf die Einhaltung von Verfahrensfristen ausgerichtet ist. In einem solchen Fall können nicht die gleichen Maßstäbe an die zu wahrende Sorgfalt vorausgesetzt werden wie bei einem zugelassenen Vertreter oder der Patentabteilung eines Großunternehmens. Allerdings hat sich ein Einzelanmelder, der sich nicht der Hilfe eines berufsmäßigen Vertreters bedient, im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst darauf einzurichten, daß er die im Lauf des Erteilungsverfahrens notwendigen Handlungen ordnungs- und fristgemäß vornehmen kann, um Rechtsverluste zu verhindern. Er kann sich weder generell auf Rechtsunkenntnis berufen, noch zumutbare Vorkehrungen zur Fristwahrung unterlassen.
3.2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hält es die Kammer für ausreichend, daß der Beschwerdeführer zunächst seine Sekretärin mit der Erledigung des Bescheids vom 23. November 1992 betraut hat. In der Folge hat er sich wiederholt darum bemüht, die Prioritätsbelege innerhalb der ihm von der Eingangsstelle gewährten Fristverlängerungen beizubringen. Dies scheiterte hinsichtlich der hier maßgeblichen letzten Fristverlängerung im wesentlichen an der vom Beschwerdeführer nicht zu vertretenden und nicht zu erwartenden Verzögerung der Ausstellung der Belege durch das Deutsche Patentamt, die mit seiner Erkrankung vor Fristende zusammentraf. Wenngleich die hier vorgetragene Erkrankung es nicht rechtfertigen würde, daß für absehbar notwendige Handlungen für einen längeren Zeitraum keine ausreichende Vorkehrungen getroffen werden, so erscheint es der Kammer doch verständlich, daß unter den hier konkret vorliegenden Umständen die am sechsten Arbeitstag nach Eingang der Belege ablaufende Frist nicht mehr gewahrt wurde. Dabei geht die Kammer davon aus, daß der Beschwerdeführer, wie ursprünglich im Fax vom 19. August 1993 und im Beschwerdeverfahren vorgetragen, die Belege tatsächlich erst am 25. Mai 1993 erhalten hat. Der abweichend hiervon im Fax vom 29. Oktober 1993 für den Empfang genannte Zeitpunkt vom 21. Mai 1993, von dem die Eingangsstelle in ihrer Entscheidung ausgegangen ist, erscheint wenig wahrscheinlich, da die Prioritätsbelege an diesem Tag erst vom zuständigen Beamten des Deutschen Patentamts unterzeichnet wurden.
4. Die Frage der Ordnungsmäßigkeit der Inanspruchnahme der Prioritäten ist nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens. Im Hinblick auf den unter I. - III. dargestellten Sachverhalt wird sich die erste Instanz hiermit noch zu befassen haben (Artikel 91 (1) (d) EPÜ). Hierbei festgestellte formelle Mängel bei Inanspruchnahme der Priorität der Anmeldung P 41 21 682.2 könnten ggf. ohne materielle Folgen bleiben, weil die am 29. Juni 1991 eingereichten Anmeldungen, eine Patentanmeldung und eine Gebrauchsmusteranmeldung, soweit ersichtlich in Beschreibung, Anspruch und Zeichnungen inhaltsgleich sind.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Der Beschwerdeführer wird in die Frist zur Einreichung der Prioritätsbelege wieder eingesetzt.