T 0045/94 () of 2.11.1994

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1994:T004594.19941102
Datum der Entscheidung: 02 November 1994
Aktenzeichen: T 0045/94
Anmeldenummer: 86810615.4
IPC-Klasse: F16L 55/16
B29C 63/36
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: B
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Sanierung verlegter Rohrleitungen
Name des Anmelders: Arent AG Rechts- und Unternehmensberatung
Name des Einsprechenden: I BASF Aktiengesellschaft, Ludwigshafen
II Softlining AG Systems for Relining
III INPIPE Sweden AB
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 108
European Patent Convention 1973 Art 122(1)
European Patent Convention 1973 Art 122(2)
European Patent Convention 1973 Art 122(3)
Rules relating to fees Art 8(1)(a)
Schlagwörter: Versäumnis der Frist zur Bezahlung der Beschwerdegebühr durch irrtümliche Überweisung der Beschwerdegebühr auf ein Konto des Deutschen Patentamts
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt - Vortrag der näheren Begleitumstände des Irrtums (nein)
Rules relating to fee - date of payment
Re-establishment of rights - due care on the part of the applicant
Orientierungssatz:

Weder das Datum der Gutschrift einer beim Deutschen Patentamt eingegangenen Überweisung noch das Datum der Auftragserteilung zur Überweisung eines Betrages an das Deutsche Patentamt können zur Feststellung des fristgemäßen Zahlungseingangs einer beim EPA fälligen Gebühr berücksichtigt werden (vgl. Pkt. 2).

Angeführte Entscheidungen:
D 0006/82
G 0005/88
G 0007/88
G 0008/88
J 0002/86
J 0003/86
J 0031/89
J 0005/94
T 0516/91
T 0682/92
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1130/98
T 0806/99
T 0580/06
T 1474/19

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die am 14. Oktober 1993 verkündete, mit schriftlicher Begründung am 26. November 1993 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des europäischen Patents Nr. 228 998 am 21. Januar 1994 einen Beschwerdeschriftsatz und am 25. März 1994 die Beschwerdebegründung eingereicht.

II. Mit Schreiben vom 25. Februar 1994 ist der Beschwerdeführerin von der Geschäftsstelle der Beschwerdekammer gemäß Regel 69 (1) EPÜ mitgeteilt worden, daß die Beschwerdegebühr nicht entrichtet worden sei und die Beschwerde gemäß Artikel 108 Satz 2 EPÜ als nicht eingelegt gelte.

III. Am 31. März 1994 hat die Beschwerdeführerin bei gleichzeitiger Bezahlung der Wiedereinsetzungsgebühr einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist gemäß Artikel 108 Sätze 1 und 2 EPÜ gestellt. Die Beschwerdegebühr ist am 3. Mai 1994 beim Europäischen Patentamt eingegangen. Unterlagen zur Begründung der Wiedereinsetzung sind teilweise zusammen mit dem Wiedereinsetzungsantrag bzw. mit Schreiben vom 28. April 1994 und teilweise nach telefonischen Rücksprachen der Geschäftsstelle der Beschwerdekammer mit der Beschwerdeführerin am 4. und 5. Mai 1994 eingegangen.

IV. Die Beschwerdeführerin wies zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags darauf hin, daß die Beschwerdegebühr von 1 800,- Sfr am 21. Januar 1994 fristgerecht überwiesen, aber durch einen Irrtum ihrer Zahlungsbeauftragten an das Deutsche Patentamt in München anstatt an das Europäische Patentamt gegangen und vom Deutschen Patentamt zurückerstattet worden sei, wie dies aus der Belastungsanzeige bzw. dem Vergütungsauftrag der Berner Kantonalbank vom 21. bzw. 20. Januar 1994 und der Gutschriftsanzeige der gleichen Bank vom 26. April 1994 (Rückzahlung der Fehlüberweisung von der Zahlstelle des Deutschen Patentamts) ersichtlich sei. Die an und für sich fristgerechte Überweisung der Beschwerdegebühr sei dann erst nach großen Umwegen an das Europäische Patentamt gelangt. Alle weiteren, zur Einlegung der Beschwerde und für den Antrag auf Wiedereinsetzung erforderlichen Rechtsschritte (Einreichung des Beschwerdeschriftsatzes, der Beschwerdebegründung, des begründeten Wiedereinsetzungsgesuches, Zahlung der Wiedereinsetzungsgebühr sowie die Nachholung der versäumten Handlung) seien fristgemäß erfolgt.

V. In einem Bescheid der Beschwerdekammer vom 14. Juli 1994 ist der Beschwerdeführerin mitgeteilt worden, daß sie bisher weder Einzelheiten vorgetragen noch die zur Glaubhaftmachung notwendigen Beweismittel vorgelegt habe, aufgrund deren festgestellt werden könne, daß sie trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verhindert war, gegenüber dem Europäischen Patentamt die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr einzuhalten.

Die Beschwerdeführerin hat sich hierzu nicht geäußert.

VI. Die Beschwerdegegnerin I (Einsprechende I) hat zur Beschwerdebegründung im einzelnen Stellung genommen und beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise hat sie Antrag auf eine mündliche Verhandlung gestellt.

Die Beschwerdegegnerin II (Einsprechende II) hat lediglich angekündigt, daß sie sich im Falle einer Stattgabe des Wiedereinsetzungsantrags äußern wolle.

Die Beschwerdegegnerin III (Einsprechende III) hat keine Erklärung abgegeben.

Entscheidungsgründe

1. Gemäß Artikel 108 Satz 2 EPÜ gilt die Beschwerde erst dann als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet worden ist. Dies muß gemäß Artikel 108 Satz 1 EPÜ innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung erfolgen. Diese Frist ist im vorliegenden Fall am Montag, den 7. Februar 1994 abgelaufen (Regel 78 (3), Regel 83 (1) (2) (4) und 85. (1) EPÜ).

Die Beschwerdegebühr ist jedoch erst am 3. Mai 1994 beim Europäischen Patentamt und somit nach Ablauf der Zwei- Monatsfrist eingegangen.

2. Maßgebender Zahlungstag (GebO Art. 8 (1) a))

2.1. Nach Artikel 8 (1) a) GebO gilt im Fall der Überweisung auf ein Bankkonto als Tag des Eingangs einer Zahlung beim EPA der Tag, an dem der eingezahlte oder überwiesene Betrag auf dem Bankkonto des Amtes tatsächlich gutgeschrieben wird.

2.2. Die Beschwerdeführerin hat nachgewiesen, daß die Beschwerdegebühr am 21. Januar 1994 (Datum der Belastungsanzeige des Bankkontos der Beschwerdeführerin), also deutlich vor Ablauf der Beschwerdefrist an das Deutsche Patentamt München anstatt an das Europäische Patentamt München überwiesen wurde.

2.3. Es ist somit zu prüfen, ob die zwischen dem Deutschen Patentamt und dem Europäischen Patentamt bestehende Verwaltungsvereinbarung über den Zugang von Schriftstücken und Zahlungsmitteln vom 29. Juni 1981 (ABl. EPA 1981, 381) in der geänderten Fassung vom 13. Oktober 1989 (ABl. EPA 1991, 187) eine Rechtsgrundlage für die Anerkennung der irrtümlicherweise an das Deutsche Patentamt gerichteten Zahlung als rechtzeitig eingegangene Beschwerdegebühr beim Europäischen Patentamt bietet.

In Artikel 1 (5) dieser Verwaltungsvereinbarung ist geregelt, wie mit Zahlungsmitteln verfahren wird, die für das Europäische Patent bestimmt waren, jedoch beim Deutschen Patentamt eingetroffen sind. Im Gegensatz zu der Vereinbarung bezüglich mit der Post eingehender Zahlungsmittel sowie der Annahme von Schecks und Bargeld, wurde im Hinblick auf Überweisungen folgendes vereinbart (Art. 1 (5), letzter Satz der Verwaltungsvereinbarung):

"Beträge, die an das Europäische Patentamt zu entrichten sind und auf eines der Konten des Deutschen Patentamts überwiesen worden sind, werden an den Einzahler zurückgezahlt".

2.4. Diese Vereinbarung läßt erkennen, daß für Fehlüberweisungen von für das Europäische Patentamt bestimmten Gebühren auf eines der Konten des Deutschen Patentamts keine Abmachungen bezüglich einer Weiterleitung der Zahlung bzw. einer Benachrichtigung des Europäischen Patentamts bestehen.

In den Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer G 5/88, G 7/88, G 8/88 vom 16. November 1990 (ABl. EPA 1991, 137), die sich mit der genannten Verwaltungsvereinbarung befassen, sind lediglich Ausführungen zur Behandlung fehlgeleiteter Schriftstücke gemacht. Zur Behandlung von fehlgeleiteten Zahlungsmitteln, insbesondere von Überweisungen wird nichts ausgeführt. Für die vorliegende, eine Fehlüberweisung betreffende Rechtsfrage ist somit der vorgenannten Entscheidung der Großen Beschwerdekammer nichts zu entnehmen.

2.5. Als Tag des Eingangs der Beschwerdegebühr kann im vorliegenden Fall somit nur das Datum gelten, an dem der Betrag einem Konto des Amtes tatsächlich gutgeschrieben wurde, nachdem die irrtümliche Überweisung an das Deutsche Patentamt beim beauftragten Bankinstitut von der Beschwerdeführerin selbst veranlaßt wurde (und nicht auf einem Fehler des Bankinstituts beruht) und somit die unter Artikel 8 (3) a) GebO aufgeführten Ausnahmen, bei denen die Zahlungsfrist trotz verspäteter Gutschreibung auf einem Konto des EPA als eingehalten gilt, nicht erfüllt sind.

2.6. Da mithin weder das Datum der Gutschrift der beim Deutschen Patentamt eingegangenen Überweisung noch das Datum der Auftragserteilung zur Überweisung des Betrages an das Deutsche Patentamt zur Feststellung des fristgemäßen Zahlungseingangs der beim EPA fälligen Gebühr berücksichtigt werden können, gilt die fällige Beschwerdegebühr nicht als innerhalb der gemäß Artikel 108 EPÜ gesetzten Frist eingegangen.

3. Wiedereinsetzung (EPÜ Art. 122 (1) (3))

3.1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr ist am 31. März 1994 und somit rechtzeitig innerhalb der Zwei-Monatsfrist gemäß Artikel 122 (2) EPÜ nach Wegfall des Hindernisses (Mitteilung des Rechtsverlustes nach Regel 69 (1) EPÜ vom 25. Februar 1994) schriftlich eingereicht worden. Auch die versäumte Handlung (Zahlung der Beschwerdegebühr) ist am 3. Mai 1994 vor Ablauf der Zwei-Monatsfrist nachgeholt worden, die am 9. Mai 1994 endete (Regel 78 (3), Regel 83 (1) (2) (4) und 85 (1) EPÜ). Im Wiedereinsetzungsantrag sowie in den Eingaben vom 28. April und 4. und 5. Mai 1994 hat die Antragstellerin die Wiedereinsetzung mit einem Irrtum der Kanzlei bzw. mit einem Irrtum ihrer Zahlungsbeauftragten begründet und hat unter Hinweis darauf, daß ansonsten alle weiteren Forderungen für eine Wiedereinsetzung erfüllt worden seien, die unter Punkt IV dieser Entscheidung genannten Beweismittel für die an das Deutsche Patentamt erfolgte "Fehlüberweisung" vorgelegt.

3.2. Die innerhalb der 2-Monatsfrist gemäß Artikel 122 (2) EPÜ eingereichten Schriftstücke enthielten in Form des Hinweises auf einen Irrtum der Kanzlei bzw. ihrer Zahlungsbeauftragten schon den Kern der zur Stützung des Wiedereinsetzungsantrages vorzubringenden Tatsachen, deren Ergänzung auch noch nach Ablauf der 2-Monatsfrist bedingt möglich ist, sofern eine spätere Vervollständigung das ursprüngliche Wiedereinsetzungsbegehren nicht auf eine neue Basis stellt (J 0005/94 - 3.1.1 vom 28. September 1994, im ABl. EPA nicht veröffentlicht).

Der Antrag auf Wiedereinsetzung erfüllt somit in formaler Hinsicht die Voraussetzungen von Artikel 122 (2) (3) EPÜ und ist zulässig.

3.3. Eine Wiedereinsetzung ist gemäß Artikel 122 (1) EPÜ dann möglich, wenn

a) der Antragsteller "trotz Beachtung aller nach den vorgegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verhindert worden ist gegenüber dem Europäischen Patentamt eine Frist einzuhalten" und

b) die Verhinderung einen Rechtsverlust zur unmittelbaren Folge hat.

3.3.1. Der Beschwerdeführerin droht durch die Nichteinhaltung dieser Frist insofern ein Rechtsverlust, als infolge der demnach nicht eingelegten Beschwerde der Widerruf ihres Patents rechtskräftig wird.

3.3.2. Die Beschwerdeführerin hat zur Begründung dafür, daß sie an der Einhaltung der Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr an das Europäische Patentamt gehindert war, einen Irrtum in Form einer Fehlüberweisung geltend gemacht und diese durch Vorlage der Beweismittel glaubhaft gemacht. Sie hat jedoch trotz ausdrücklicher Aufforderung, zuletzt durch den Bescheid der Beschwerdekammer vom 14. Juli 1994, keine weiteren Begleitumstände des Irrtums mitgeteilt und auch keine Beweismittel zur Glaubhaftmachung der gebotenen Sorgfalt (z. B. des Vorhandenseins eines gut funktionierenden Zahlungssystems und der entsprechenden Befähigung des mit der Zahlung beauftragten Personals) vorgelegt, die eine Überprüfung ermöglicht hätten, ob die nach den gegebenen Umständen gebotene Sorgfalt bei der Bezahlung der Beschwerdegebühr angewendet wurde.

Gemäß Rechtsprechung der Beschwerdekammern rechtfertigt ein Irrtum allein in aller Regel die Wiedereinsetzung nicht. Die Beachtung "aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt" (Art. 122 (1) EPÜ) verlangt nämlich, daß sich die am Verfahren vor dem Europäischen Patentamt beteiligten Personen die Kenntnis der geltenden Verfahrensregeln aneignen.

Nach den Beschwerdekammerentscheidungen D 06/82 ABl. EPA 1983, 337, J 31/89 vom 31. Oktober 1989 (im ABl. EPA nicht veröffentlicht), Punkt 3 und T 516/91 vom 14. Januar 1992 (im ABl. EPA nicht veröffentlicht), Punkt 5 reicht auch ein Rechtsirrtum nicht als Rechtfertigungsgrund für eine Wiedereinsetzung aus.

Nach den Beschwerdekammerentscheidungen J 02/86, J 03/86, ABl. EPA 1987, 362 muß, unter der Voraussetzung, daß besondere Begleitumstände vorliegen ein "einmaliges Versehen" nicht zum Verlust des Rechts auf Wiedereinsetzung führen. Die Antragstellerin hat jedoch trotz Aufforderung weder die Tatsachen noch die Begleitumstände vorgebracht, die zu dem Irrtum geführt haben. Um die gemäß Artikel 122 (1) EPÜ gebotene Sorgfaltspflicht im konkreten Fall nachweisen zu können, müssen jedoch die Begleitumstände des Irrtums aufgedeckt werden, die eine Überprüfung ermöglichen, ob ein funktionsfähiges System für die Zahlung der Gebühren vorhanden war und der Zahlungsbeauftragte befähigt war, der ihm übertragenen Verantwortung für die Zahlung der Beschwerdegebühr gerecht zu werden (vgl. T 0682/92 vom 4. Oktober 1993, Punkt Nr. 3, im ABl. EPA nicht veröffentlicht). Die Kammer ist somit nicht in der Lage, die Ursachen des Irrtums festzustellen und insbesondere zu ermitteln, ob es sich um ein einmaliges Versehen innerhalb eines ansonsten gut funktionierenden Systems handelte.

3.3.3. Es ist also festzustellen, daß das erste Erfordernis des Artikels 122 (1) EPÜ, nämlich der Nachweis der Beachtung aller gebotenen Sorgfalt, nicht erfüllt ist.

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung kann daher nicht stattgegeben werden.

4. Da die Beschwerde folglich als nicht eingelegt gilt, ist die verspätet gezahlte Beschwerdegebühr rückzuerstatten.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde gilt als nicht eingelegt.

3. Die Beschwerdegebühr wird rückerstattet.

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