European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1999:T051598.19990914 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 14 September 1999 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0515/98 | ||||||||
Anmeldenummer: | 91114206.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | A45D 26/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Epilationsgerät | ||||||||
Name des Anmelders: | Braun GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | SEB S.A. | ||||||||
Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Neuheit (ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) Novelty (yes) Inventive step (yes) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) legte gegen die am 26. März 1998 ergangene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 0 510 248 in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten, eine Beschwerde ein, die am 14. Mai 1998 beim EPA einging.
Die Beschwerdegebühr wurde am gleichen Tag entrichtet und die Begründung am 27. Juli 1998 eingereicht.
II. Der Einspruch war gegen das Patent in vollem Umfang eingelegt worden und stützte sich auf Artikel 100 a) EPÜ.
Im Verfahren wurden insbesondere die folgenden Druckschriften angeführt:
D2: EP-A-403 315
D3: EP-A-328 426
sowie ferner eine Vorbenutzung geltend gemacht, die sich dadurch ergab, daß ein Epilationsgerät der Marke "SILK EPIL" vor dem Prioritätstag in Verkehr gebracht worden war. Als Nachweis für die Vorbenutzung wurden die Unterlagen A bis L vorgelegt, von denen einige (F, H, K und L) die innere Struktur des Epilationsgeräts offenbaren.
III. In ihrer Beschwerdebegründung machte die Beschwerdeführerin insbesondere geltend, daß sich der Fachmann erst Aufschluß über die innere Struktur und die Funktionsweise des Epilationsgeräts SILK EPIL habe verschaffen können, nachdem er dieses zerlegt und teilweise, d. h. ohne die als Halbschalen ausgebildeten Schutzkappen, wieder zusammengesetzt habe.
Der Beschwerdeführerin zufolge gehörten das Zerlegen, Überprüfen und erneute Zusammensetzen eines Geräts zur Routinearbeit eines Fachmanns, der diese Handlungen im vorliegenden Fall ungehindert habe vornehmen können. Um den Mechanismus zu verstehen, brauchte der Fachmann lediglich die Halbschalen wegzulassen, wobei sich die Frage erübrigt habe, ob das Epilationsgerät trotzdem - funktionsfähig - bleiben würde, weil es ihm bei der Analyse nicht um die Erhaltung einer bestimmten Funktion, sondern um deren Beobachtung ging.
Die Demontage abnehmbarer Teile ohne Veränderung der übrigen Anordnung gehöre - so die Beschwerdeführerin - zu den Routineuntersuchungen des Fachmanns; die Informationen, die er bei Untersuchung des ohne die Halbschalen wieder montierten Geräts SILK EPIL habe gewinnen können, gehörten zum Stand der Technik. Die Beschwerdeführerin behauptete ferner, daß die weitere, zusätzliche Funktion der Halbschalen als Einfädelelement den Fachmann nicht daran hindern würde, das Gerät ohne diese zu montieren, um seine berechtigte Neugier zu befriedigen, nachdem er bei der Demontage festgestellt hätte, daß die Klemmlamellen auch ohne die Zapfen als Drehzapfen funktionierten. Die Tatsache, daß unabhängig vom Montagezustand des Geräts - also mit oder ohne die Halbschalen - kein neuer technischer Effekt erzielt werde, bestätige im übrigen, daß das Gerät nicht neu sei. Die Beschwerdeführerin vertrat die Auffassung, das Epilationsgerät SILK EPIL sei der Öffentlichkeit in montiertem wie demontiertem Zustand sowie in jeder Ausführungsform - insbesondere ohne Halbschalen - zugänglich, die es dem Fachmann ermögliche, seine routinemäßigen Untersuchungen anzustellen. Wenn er dabei unbeabsichtigt zu dem erfindungsgemäßen Gegenstand gelange, so sei dies kein Zufallstreffer, sondern das normale Ergebnis seiner systematischen Analysetätigkeit, die er ungehindert vornehmen könne. Außerdem lasse sich der Gegenstand des angefochtenen Anspruchs 1 in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik herleiten, zu dem offensichtlich das Epilationsgerät SILK EPIL in montiertem und demontiertem Zustand gehöre, wobei die Demontage reine Routinesache sei. Daß dies zum Gegenstand des Anspruchs 1 geführt habe, ohne daß die Lösung einer bestimmten technischen Aufgabe beabsichtigt gewesen sei, sei als Beweis zu werten, daß keine erfinderische Tätigkeit vorliege. Bei Uberprüfung des Aufbaus des demontierten Geräts könne der Fachmann nicht nur feststellen, daß die Zapfen für das Funktionieren des Epilationsgeräts nicht notwendig seien, sondern im Gegenteil dessen Effizienz beeinträchtigten. Die Beschwerdeführerin bemerkte ferner, daß die Schutzkappen nicht im Anspruch 1 enthalten seien und daß dem Fachmann konventionelle Mittel zum Schutz der Haut des Benutzers bekannt seien.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) machte im wesentlichen folgendes geltend:
Bei der Argumentation der Beschwerdeführerin bliebe völlig offen, warum ein Fachmann unter Berücksichtigung der dem angefochtenen Patent zugrundeliegenden Aufgabenstellung gerade die Vorbenutzungsform hätte auseinandernehmen, einige Teile sowie Innenteile herausnehmen und das Gerät dann umbauen sollen, nur um zum Gegenstand des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents zu gelangen.
Die Beschwerdeführerin hätte die Vorbenutzungsform jedoch in Wechselwirkung mit gezielt gewählten äußeren Bedingungen in Form einer unzulässigen Ex-post-facto-Analyse gebracht, um ein bestimmtes Ergebnis herbeizuführen.
Bei den Halbschalen handelte es sich um einen essentiellen Bestandteil des Drehzylinders, so daß ohne eine unzulässige Ex-post-facto-Analyse der Fachmann nicht zu einem Verzicht auf diese Bauteile angeregt werden könnte. Somit könnte er auch aus der Funktion der Klemmlamellen ohne angesetzte Halbschalen keine Rückschlüsse bezüglich der Lösung des ihnen gestellten Problems entnehmen.
Die Vorbenutzungsform könnte dem Fachmann jedoch auch keinen Hinweis zum Weglassen der Halbschalen bzw. der mittigen Drehlager geben, da aus der Vorbenutzungsform kein Hinweis zu entnehmen wäre, daß die Vorbenutzungsform auch ohne Mittellager bei bestimmungsgemäßem Gebrauch funktionieren würde.
Ein Verzicht auf die Mittellager bei der Vorbenutzungsform wäre jedoch auch nicht aus dem Stand der Technik, beispielsweise aus D3 bzw. D2, herleitbar. Aus D2 und D3 ergäbe sich auch kein Hinweis auf die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents.
IV. Am 14. September 1999 fand eine mündliche Verhandlung statt.
Beide Parteien hielten übereinstimmend das Epilationsgerät SILK EPIL, das Gegenstand der Vorbenutzung ist, für den nächstliegenden Stand der Technik. Die Beschwerdeführerin wies nochmals darauf hin, daß der Fachmann zur Befriedigung seiner berechtigten Neugier und in dem Wunsch, das Gerät in seiner Funktion zu verstehen, keine andere Möglichkeit hatte, als die beiden Halbschalen abzunehmen, die den DrehZylinder und die Klemmelemente abdeckten; er würde dabei zwangsläufig zu einem Epilationsgerät gelangen, das unter den Anspruch 1 falle. Sie wiederholte im wesentlichen die bereits in ihrer schriftlichen Beschwerdebegründung vorgebrachten Argumente und machte insbesondere geltend, daß das Epilationsgerät SILK EPIL am Prioritätstag der Öffentlichkeit nicht nur in dem Zustand, in dem es auf dem Markt angeboten worden sei, sondern auch in demontiertem und teilweise - d. h. ohne Schutzkappen - wieder montiertem Zustand zugänglich gewesen sei.
Den Einwand der Beschwerdegegnerin, daß das teilweise wieder zusammengebaute Epilationsgerät SILK EPIL nicht mehr richtig funktionsfähig sei, widerlegte die Beschwerdeführerin überzeugend durch Demontage, Teilmontage und anschließende Vorführung der Betriebsfähigkeit in teilmontiertem Zustand.
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin habe die zu lösende Aufgabe hauptsächlich darin bestanden, die Wirksamkeit des Epilationsgeräts zu erhöhen.
Die bereits bekannte Tatsache, daß die Haare abgeschnitten würden, sei nicht das wesentliche Problem gewesen. Der Fachmann hätte mittels einer einfachen Testreihe zu der Erfindung gelangen können. Vielmehr sei es der Wunsch des Fachmanns nach einer Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Epilationsgeräts SILK EPIL gewesen, der diesen veranlaßt hätte, das Gerät zu modifizieren. Dank seiner berechtigten Wißbegier hätte er festgestellt, daß die Halbschalen und die auf ihrer Innenseite angebrachten Lagerzapfen zwar wichtig, aber für das Funktionieren des Geräts nicht unbedingt notwendig seien.
Die Beschwerdegegnerin gab zu bedenken, daß der Fachmann nur aufgrund einer Ex-postfacto-Analyse zu der erfindungsgemäßen Lösung hätte gelangen können, da er aus Sicherheitsgründen nicht in Betracht gezogen hätte, das Epilationsgerät ohne Schutzkappen in Betrieb zu nehmen, da diese zum Schutz der Haut des Benutzers und als kammartige Elemente gedacht gewesen seien. Deshalb hätte der Fachmann keinen Grund gehabt, auf die Halbschalen zu verzichten und das Gerät ohne sie zu montieren.
V. Am Ende der mündlichen Verhandlung beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 510 248.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
VI. Anspruch 1 lautet wie folgt:
"1. Epilationsgerät mit einem von einem Benutzer in der Hand haltbaren Gehäuse (2) zur Aufnahme eines über einen Motor (10) antreibbaren, auf einer Achse (19) gelagerten Drehkörpers, dem zahlreiche, Aussparungen (44) aufweisende Klemmelemente (42, 43) zugeordnet sind, die über mit Abstand zur Achse ( 19) des Drehkörpers angeordnete, gegen die Wirkung mindestens einer Feder (39) verstellbare Betätigungselemente (26, 27) verschwenkbar und paarweise gegenseitig zur Anlage bringbar sind und der Drehkörper ein Drehzylinder (4) ist und die Klemmelemente (42, 43) im wesentlichen senkrecht zur Achse (19) des Drehzylinders (4) angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, daß die Schwenkachse der Klemmelemente (42, 43) mit Abstand zur Achse (19) des Drehzylinders verläuft und daß die Schwenkachse der Klemmelemente (42, 43) auf der einen Seite und die Anlagestelle (S) von zwei zusammenwirkenden bzw. zur Anlage kommenden Klemmelementen (42, 43) auf der anderen Seite der Achse (19) des Drehzylinders (4) liegt."
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen (Artikel 123 EPÜ)
2.1. Anspruch 1 in der erteilten Fassung (siehe Spalte 12 der Patentschrift) wurde wie folgt geändert:
- Zeilen 6 und 10: Der Begriff "Drehzylinder" wurde durch den allgemeineren Begriff "Drehkörper" ersetzt. Da jedoch in Zeile 14 zwischen dem Wort "sind" und dem Ausdruck "dadurch gekennzeichnet" präzisiert wurde, daß "der Drehkörper ein Drehzylinder (4) ist", wurde der Anspruch 1 sachlich nicht geändert.
- Zeile 14: Im Anschluß an den hinzugefügten Satzteil "der Drehkörper ein Drehzylinder (4) ist" wurden vor dem Ausdruck "dadurch gekennzeichnet" folgende Wörter eingefügt:
"und die Klemmelemente (42, 43) im wesentlichen senkrecht zur Achse (19) des Drehzylinders (4) angeordnet sind".
Diese Einfügung präzisiert die Anordnung der Klemmelemente gegenüber der Achse des Drehzylinders, die in den Abbildungen 1, 2 und 11 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung eindeutig offenbart ist, und hat im übrigen eine Einschränkung des Schutzumfangs des Anspruchs 1 zur Folge.
- Zeile 17: Der kennzeichnende Teil des Anspruchs 2 der ursprünglichen Anmeldung und des erteilten Patents wurde am Ende des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung angefügt. Dadurch wird der Schutzbereich des Anspruchs 1 ebenfalls eingeschränkt. Infolgedessen erfüllen die verschiedenen in Anspruch 1 des erteilten Patents vorgenommenen Änderungen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ und sind demnach in dieser Hinsicht zulässig.
2.2. Da der einleitende Teil der Beschreibung nur geändert wurde, um den dort angegebenen Stand der Technik zu berichtigen und zu vervollständigen und um ihn gemäß Regel 27 (1) EPÜ an die Neufassung des Anspruchs 1 anzupassen, sind diese Änderungen auch im Hinblick auf Artikel 123 zulässig.
3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
3.1. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA ist eine zum Stand der Technik gehörende Offenbarung für den Gegenstand eines Anspruchs nur dann neuheitsschädlich, wenn dieser "unmittelbar und eindeutig aus dieser Offenbarung hervorgeht", die ihrerseits "klar und eindeutig" sein muß (vgl. z. B. die Entscheidungen T 450/89, T 677/91 und T 511/92, alle unveröffentlicht, sowie die Entscheidung T 465/92, ABl. EPA 1996, 32).
Ebenso wie die technische Lehre eines zum Stand der Technik gehörenden Dokuments als Ganzes betrachtet werden muß und es nicht zulässig ist, Teile eines solchen Dokuments aus ihrem Zusammenhang herauszulösen, um daraus eine technische Information herzuleiten, die von der Gesamtlehre des Dokuments abweicht (vgl. Entscheidung T 56/87, ABl. EPA 1990, 188), so muß auch ein Gerät, das Gegenstand einer Vorbenutzung ist, als Ganzes betrachtet werden; auch hier dürfen bestimmte Bauteile, die gemäß der Grundkonzeption des Geräts für den vom Hersteller beabsichtigten normalen Betrieb als wesentlich gelten, nicht weggelassen werden.
3.2. Der Beschwerdeführerin zufolge sähe sich der Fachmann in dem Wunsch, die Kinematik der Klemmlamellen des Epilationsgeräts SILK EPIL bei Betrieb des Drehzylinders des Epilationskopfes zu verstehen, dazu gezwungen, das Gerät zu zerlegen und anschließend ohne die seitlichen Schutzkappen, die die Lamellen verdecken, wieder zusammenzubauen.
Er hätte damit ein Gerät, dessen Klemmlamellen um ihre Kontaktstellen mit den seitlichen Betätigungsstangen verschwenkbar seien. Da diese Kontaktstellen mit Abstand zum Drehzylinder des Epilationskopfes angeordnet seien, werde der Gegenstand des Anspruchs 1 in allen Teilen von dem auf diese Weise wieder zusammengebauten Epilationsgerät vorweggenommen.
Obwohl keine der Parteien bestreitet, daß das Epilationsgerät SILK EPIL durch seine Inverkehrbringung vor dem Prioritätstag des angefochtenen Patents der Öffentlichkeit zugänglich war, kann sich die Kammer aber dieser Schlußfolgerung der Beschwerdeführerin nicht anschließen, da sich aus deren eigener Argumentation implizit ergibt, daß das Epilationsgerät in der auf dem Markt angebotenen Form insgesamt nicht mit dem Gegenstand nach Anspruch 1 identisch ist.
Den eigenen Ausführungen der Beschwerdeführerin zufolge weist das Epilationsgerät SILK EPIL alle in Anspruch 1 beanspruchten Merkmale nämlich erst auf, seitdem einige seiner wesentlichen Bauteile weggelassen wurden und damit die Kinematik seiner Betriebselemente geändert wurde. Die Beschwerdeführerin erkennt damit implizit an, daß nicht das Epilationsgerät SILK EPIL in der auf dem Markt erhältlichen Form mit dem erfindungsgemäßen Gerät identisch ist, sondern eine geänderte Version davon, die unter Verwendung nur eines Teils der ursprünglichen Bauteile neu konstruiert wurde, so daß sich die Epilationselemente nunmehr in Struktur und Kinematik voneinander unterscheiden.
3.3. Nachdem der Fachmann mehrere Handlungen (Zerlegen, Weglassen von Bauteilen, teilweiser Wiederzusammenbau) am Epilationsgerät SILK EPIL vornehmen muß, um zum erfindungsgemäßen Gerät zu gelangen, und sich diese Handlungen nicht aus dem normalen Gebrauch des im Handel befindlichen Geräts ergeben, ist die Kammer der Auffassung, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht unmittelbar und eindeutig aus der Lehre dieser Vorbenutzung hergeleitet werden kann. Da im übrigen keine der im Einspruchsverfahren angeführten Druckschriften ein Epilationsgerät offenbart, das alle in Anspruch 1 beschriebenen Merkmale in Kombination enthält, ist der Gegenstand dieses Anspruchs neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ.
4. Nächstliegender Stand der Technik
Nach Auffassung der Kammer ist als der Erfindung nächstliegender Stand der Technik sowohl die Entgegenhaltung D3 als auch die Vorbenutzung des Epilationsgeräts SILK EPIL anzusehen, das nach demselben Prinzip funktioniert, d. h. mittels Klemmlamellen, die um Mittellager verschwenkbar sind, welche entweder auf symmetrisch zu beiden Seiten der Rotationswelle 6 verlaufenden Betätigungsstangen 13 (vgl. D3, Spalte 4, Zeilen 44 bis 51 und Abbildung 5, Nuten 19) oder auf seitlichen Schutzkappen angebracht sind, die den Drehzylinder umschließen (vgl. SILK EPIL - Fotos F5, H5 und L6), wobei bei beiden Ausführungsarten die Kinematik der Klemmlamellen dieselbe ist.
5. Aufgabe und Lösung
Im angefochtenen Patent wird die zu lösende Aufgabe in Spalte 1, Zeilen 44 bis 50 der Patentschrift klar zum Ausdruck gebracht: Es geht darum, die Kinematik des Epilationsgeräts SILK EPIL oder des in D3 beschriebenen Geräts so zu verbessern, daß die Haare ausgerissen und nicht lediglich abgeschnitten werden.
6. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
6.1. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA kommt es bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit in erster Linie darauf an, ob dem Fachmann am Prioritätstag die für die Erfindung wesentlichen Mittel zur Verfügung gestanden hätten, und in zweiter Linie darauf, ob ihm der Stand der Technik Anregungen oder zumindest Hinweise gegeben hätte, die ihn zu der Erfindung geführt hätten (vgl. Entscheidungen T 2/83, ABl. EPA 1984, 265 und T 37/85, ABl. EPA 1988, 86).
6.2. Die Beschwerdeführerin behauptet zunächst, daß der teilweise Wiederzusammenbau des Geräts SILK EPIL für den Fachmann lediglich eine Routinehandlung darstelle, die ihm keine erfinderische Tätigkeit abverlange, und daß sich ihm die Erfindung durch einfache Beobachtung der Funktionsweise des freigelegten Mechanismus erschlossen habe.
Hierzu ist zunächst zu bemerken, daß es nicht üblich ist, ein zerlegtes Gerät nur teilweise wieder zusammenzubauen und ohne Bauteile in Betrieb zu nehmen, die für seinen bestimmungsgemäßen, normalen Gebrauch wesentlich sind.
6.3. Außerdem würde der Fachmann bei der Demontage des Geräts SILK EPIL die Lagerzapfen auf der Innenseite der Halbschalen entdecken und sofort erkennen, daß sie für die Kinematik der Epilationslamellen eine wesentliche Rolle spielen.
Es gehört nicht zur normalen, üblichen Reaktion eines Fachmanns, der den Betrieb einer innere Struktur eines Geräts beobachten will, beim Wiederzusammenbau wesentliche Bauteile wegzulassen, die ihn bei seinen Beobachtungen stören; er würde sie vielmehr durch gleiche, aber transparente Bauteile ersetzen, wie dies zu Demonstrationszwecken auf Ausstellungen üblich ist. Die Kammer ist daher der Auffassung, daß der Fachmann im vorliegenden Fall beim Wiederzusammenbau nicht auf die undurchsichtigen Halbschalen des Geräts SILK EPIL verzichtet und die Klemmlamellen nicht ohne ihre ursprünglichen Lagerzapfen in Betrieb genommen hätte, sondern daß er zur Beobachtung der inneren Kinematik die Halbschalen durch gleichgeformte durchsichtige ersetzt hätte, die dieselbe Funktion erfüllten.
6.4. Die Kammer ist ferner der Auffassung, daß der Fachmann davon abgehalten worden wäre, das Gerät nur teilweise wieder zusammenzubauen, weil er davon ausgegangen wäre, daß sich bei Weglassen der Halbschalen und damit der ursprünglichen Lager der Lamellen die normale Funktionsweise des Geräts zwangsläufig ändern würde, so daß ihre Beobachtung, die ja den ursprünglichen Zweck und eigentlichen Grund der Demontage bildete, nicht mehr möglich wäre.
Abgesehen davon, daß das Epilationsgerät SILK EPIL als Ganzes, also in dem Montagezustand betrachtet werden muß, in dem es der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, nämlich mit den für das Verschwenken der Klemmlamellen vorgesehenen Lagerzapfen, erscheint demnach ein teilweiser Wiederzusammenbau eher unwahrscheinlich und als Ergebnis einer Ex-post-facto-Analyse der Erfindung.
6.5. Eine Kombination der Lehren aus der Entgegenhaltung D3 und der Vorbenutzung kann nicht zum erfindungsgemäßen Gerät führen, da D3 einen Verzicht auf die Lagerzapfen, die als Mittellager für die Klemmlamellen dienen, nicht nur nicht nahelegt, sondern im Gegenteil darauf hinweist, daß die in halber Höhe der Lamellen angebrachten Lager sehr wohl ihre Berechtigung haben.
6.6. Eine Kombination der Lehren aus der Vorbenutzung SILK EPIL und der Entgegenhaltung D2 ist nur schwerlich denkbar, da die Lamellen des Geräts nach D2 nicht diametral wie beim Epilationsgerät SILK EPIL, sondern radial und nur auf einer Seite der Achse des Drehzylinders angeordnet sind. Außerdem könnte eine solche Kombination den Fachmann nicht zu der Erfindung führen, da die Schwenkachsen der Lamellen im Verhältnis zur Achse des Drehzylinders auf derselben Seite angeordnet sind wie ihre Anlagestellen und damit den Angaben in Anspruch 1 des Patents nicht entsprechen.
6.7. Infolgedessen ist die Kammer der Auffassung, daß sich der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht in naheliegender und logischer Weise aus dem Stand der Technik ergibt, sondern daß er eine erfinderische Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ erforderlich macht.
7. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist damit nach Artikel 52 EPÜ ebenso gewährbar wie der Gegenstand der von ihm abhängigen Ansprüche. Das geänderte Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, erfüllen daher die Erfordernisse des EPÜ und gemäß Artikel 102 (3) EPÜ ist daher das europäische Patent Nr. 0 510 248 in dem von der ersten Instanz genehmigten geänderten Umfang aufrechtzuerhalten.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.