European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1998:T021096.19980806 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 06 August 1998 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0210/96 | ||||||||
Anmeldenummer: | 91105012.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60T 17/08 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Bremszylinder für Bremsanlagen von Fahrzeugen, insbesondere Nutzfahrzeugen | ||||||||
Name des Anmelders: | KNORR-BREMSE AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | WABCO GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit, Hauptantrag (verneint) Verspätet vorgelegter Anspruch (Hilfsantrag) nicht berücksichtigt (keine Erfolgsaussicht) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 91 105 012.8 wurde das europäische Patent Nr. 0 451 638 erteilt, dessen Anspruch 1 folgenden Wortlaut aufweist:
"Bremszylinder (1) (für) Bremsanlagen von Fahrzeugen, insbesondere Nutzfahrzeugen, mit einem im Gehäuse (31) (des) Bremszylinders (1) angeordneten, durch eine Speicherfeder (11) oder durch ein Druckmittel betätigbaren Kolben (9), welcher mit einer aus dem Gehäuse des Bremszylinders sich erstreckenden, auf Bremsbetätigungselemente einwirkenden Kolbenstange (19) verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, daß das Gehäuse (31) des Bremszylinders im Abstreck-Gleitziehverfahren gefertigt ist."
II. Ein von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) gegen das Patent eingelegter, auf dem Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ (fehlende Neuheit bzw. erfinderische Tätigkeit) beruhender Einspruch, der sich in seiner Begründung auf die Druckschriften
D1: Handbuch der Fertigungstechnik, Günter Spur, Theodor Stöferle, Band 2/2 Umformen, 1984, Carl Hanser Verlag München Wien, Seiten 1050-1070 (in der Beschwerdebegründung wurde noch zusätzlich auf die Seite 994 und das Inhaltsverzeichnis verwiesen)
D2: EP-B-0 226 712
D3: EP-A-0 218 845
D4: FR-A-2 637 859
stützte, wurde mit der am 15. Februar 1996 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung zurückgewiesen.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 24. Februar 1996 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt. Die Beschwerdebegründung ist am 30. Mai 1996 eingegangen.
IV. In einer Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung hat die Beschwerdekammer festgestellt, daß sich aufgrund des Offenbarungsinhalts der D2 und der im Beschwerdeverfahren erstmals vorgelegten DE-A-2 344 691 (D5) aus der dem Streitpatent zugrundeliegenden Aufgabenstellung kein Indiz für das Vorliegen von erfinderischer Tätigkeit ableiten lasse und daß die Beschwerdegegnerin keine Argumente dafür vorgebracht habe, was einen durchschnittlichen Fertigungsfachmann davon hätte abhalten können, das in der D1 empfohlene Verformungsverfahren auch bei der Fertigung von Bremszylindern zu benutzen.
V. Am 6. August 1998 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte gemäß Hauptantrag, die Beschwerde zurückzuweisen; hilfsweise beantragte sie, das Patent mit den zum Hilfsantrag in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Patentansprüchen aufrechtzuerhalten.
Der Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag hat folgenden Wortlaut:
"Federspeicherbremszylinder für Bremsanlagen von Fahrzeugen, insbesondere Nutzfahrzeugen, mit einem im Gehäuse (31) des Federspeicherbremszylinders (5) angeordneten, durch eine Speicherfeder (11) betätigbaren Kolben (9), welcher mit einer aus dem Gehäuse (31) sich erstreckenden, zur Bremsbetätigung dienenden Kolbenstange (19) verbunden ist, wobei das Gehäuse (31) des Federspeicherbremszylinders (5) inkonstante Wandstärken aufweist, derart, daß der Boden (13) größere Wandstärke besitzt als der niedriger beanspruchte, axial sich erstreckende Mantel des Gehäuses, dadurch gekennzeichnet, daß das Gehäuse (31) des Federspeicherbremszylinders (5) und am bezüglich des Bodens (31) entgegengesetzten Ende des Gehäuses (31) befindliche Verriegelungselemente (33) im Abstreck-Gleitziehverfahren gefertigt sind."
VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:
Das Handbuch nach D1 offenbare das jederzeit präsente Wissen des Fachmanns, der die in D1 gezeigten Verformungsverfahren nach Bedarf und im Hinblick auf die jeweiligen speziellen Erfordernisse anwende. Die Tatsache, daß schon seit langem Bremszylinder mit unterschiedlichen Stärken des Zylinderbodens und der Zylinderwände bekannt waren, ohne daß für deren Herstellung das in Rede stehende Abstreck-Gleitziehen beschrieben worden sei, könne nicht als Indiz für das Bestehen eines Vorurteils gegen die Verwendung des in Rede stehenden Umformverfahrens angesehen werden. Seine Verwendung zur Bremszylinderherstellung sei wohl schon früher als nicht erfinderisch angesehen und deswegen auch nicht angemeldet worden. Die D1 zeige insbesondere im Bild 251 auf Seite 994 unter der Darstellung B3 ein im Abstreck-Gleitziehverfahren hergestelltes Werkstück, dessen Form im Prinzip einem Bremszylinder mit den angestrebten Wanddicken entspreche. Dieses Werkstück B3 weise an seinem offenen Ende einen Umfangswulst auf, der wie beim Streitpatent durch Ausstanzen zu Verriegelungselementen umgeformt werden könne. Somit ergebe sich ein zweistufiges Fertigungsverfahren wie beim Bremszylinder nach der D2, bei dem ein Alu-Kaltfließpressteil mit inkonstanten Wandstärken an seinem offenen Ende in einem zweiten Bearbeitungsschritt (Tiefziehen) mit Verriegelungselementen versehen werde. Es sei somit möglich, mittels des in der D1 beschriebenen Abstreck-Gleitziehens in einfacher Weise zur beanspruchten Lehre zu gelangen. Da auch jegliche Voraussetzung für das Vorhandensein eines technischen Vorbehalts fehle, beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Lehre nach dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag schließe auch die Herstellung der am Ende des Bremszylinders befindlichen Verriegelungssegmente in das Abstreck-Gleitziehverfahren ein. Im Zusammenhang mit dem Anspruch 5 des Streitpatents habe die Beschwerdeführerin schon in der Einspruchsbegründung einen Einwand gemäß Artikel 100 b) EPÜ erhoben und beanstandet, daß sich allein durch Anwendung des Abstreck-Gleitziehverfahrens für die Bremszylinderherstellung die radial vorstehenden Verriegelungssegmente nicht realisieren ließen. Nach Aufnahme des Anspruchs 5 in dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag werde dieser Einwand weiterhin aufrechterhalten. Der Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag sei schon deshalb nicht gewährbar, weil die in ihm gekennzeichnete Erfindung im Streitpatent nicht so deutlich offenbart sei, daß ein Fachmann sie ausführen könne (Artikel 100 b) EPÜ).
VIII. Die Beschwerdegegnerin widersprach dieser Argumentation und trug zur Stützung ihrer Anträge folgendes vor:
Nach dem Stand der Technik seien Bremszylinder mit konstanter Wandstärke durch Tiefziehen und solche mit unterschiedlicher Wandstärke durch Streckplanieren hergestellt worden. Das letztere Verfahren sei jedoch sehr teuer und komme für die Serienfertigung nicht in Frage. Beim Bremszylinder nach der D2 werde durch Fließpressen ein Zylinder mit einem verdünnten Rand am offenen Ende hergestellt, in den in einem zweiten Arbeitsgang durch Tiefziehen Sicken für Verriegelungselemente eingeprägt werden können. Es seien somit zwei Herstellungsschritte nötig. Beim Streitpatent hingegen könnten die am Zylinderende anzubringenden Verriegelungssegmente innerhalb des Abstreck-Gleitziehvorganges hergestellt werden, bei dem zunächst ein ringförmiger Wulst angeformt werde und nachfolgend aber quasi im selben Arbeitsgang daraus in Abstand zueinander Wandteile ausgestanzt bzw. ausgedrückt würden. Somit erhalte man eine exakt definierte Umrißkontur der Verriegelungssegmente für eine Bajonettverbindung.
Im Handbuch D1 seien die auf Seite 994 gezeigten Werkstücke auf einen Rohteildurchmesser von 30 mm bezogen, so daß sich das dort gezeigte Abstreck-Gleitziehen offensichtlich auf die Fertigung von Tuben od. dgl. beziehe, die eine andere Größendimension als Bremszylinder beträfen. Für Bremszylinder hingegen sei das Abstreck-Gleitziehen nie verwendet worden und es habe dafür ein Spezialverfahren entwickelt werden müssen. Aufgrund der Tatsache, daß bei vielen Ausführungen von Bremszylindern an dem dem Zylinderboden entgegengesetzt angeordneten Ende Verriegelungselemente angebracht werden müßten (Bajonettverschluß), sei der Fachmann grundsätzlich der Auffassung gewesen, für die Herstellung von Bremszylindern müsse ein Verformungsverfahren gewählt werden, bei dem in zwei aufeinanderfolgenden Arbeitsgängen zunächst der Zylinder (z. B. durch Tiefziehen) geformt werde und dann an seinem Ende die Verriegelungselemente eingeprägt würden. Für einen solchen Herstellungsvorgang habe sich das Abstreck-Gleitziehverfahren, wie es aus den gezeigten Beispielen der D1 Seite 994 bzw. 1061 hervorgehe, nicht angeboten. Die am Zylinderende anzubringenden Verriegelungssegmente seien somit ursächlich für den Vorbehalt in der Fachwelt gegen die Anwendung des Abstreck-Gleitziehens gewesen. Dies gelte auch für den erteilten Anspruch 1 des Streitpatents (Hauptantrag), bei dem nicht ausdrücklich auf das Vorhandensein von Verriegelungselementen hingewiesen werde. Der Fachmann denke nämlich auch bei der Herstellung von solchen Bremszylindern an die Notwendigkeit der Anbringung der Verriegelungselemente und wähle dementsprechend ein Herstellungsverfahren aus. Somit gelte auch für Bremszylinder ohne Verriegelungselemente die vorstehende Begründung für den Vorbehalt der Fachwelt.
Im Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag sei angegeben, daß auch die Verriegelungssegmente im Abstreck-Gleitziehverfahren gefertigt würden. Auf diese Möglichkeit sei in der ursprünglichen Beschreibung an mehreren Stellen ausdrücklich hingewiesen. Ein durchschnittlicher Fachmann sei aufgrund dieser Angaben in der Lage gewesen, entsprechende Vorkehrungen an den Ziehringen der Abstreck-Gleitziehmaschine zu treffen, so daß an dem zunächst ausgebildeten ringförmigen Wulst des Bremszylinders segmentförmige Teile ausgestanzt und somit die Verriegelungssegmente angeformt werden konnten. Für einen fachmännischen Leser der ursprünglichen Unterlagen des Streitpatents habe es daher keine Schwierigkeiten gegeben, das beanspruchte Verfahren auszuführen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108, sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist zulässig.
2. Hauptantrag (Ansprüche 1 bis 7 in der erteilten Fassung)
2.1. Neuheit
Keine der Entgegenhaltungen offenbart einen im Abstreck-Gleitziehverfahren gefertigten Bremszylinder. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist folglich neu, was auch im Beschwerdeverfahren nicht bezweifelt wurde.
2.2. Erfinderische Tätigkeit
2.2.1. Der erteilte Anspruch 1 enthält keine Angaben hinsichtlich der Anbringung von Verriegelungselementen, auf die erst im abhängigen Anspruch 5 des Streitpatents Bezug genommen wird. Bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit ist somit zu berücksichtigen, daß die Lehre nach dem Anspruch 1 auch die Fertigung von Bremszylindern ohne Verriegelungselemente einschließt.
In der Beschreibungseinleitung des Streitpatents wird im Zusammenhang mit der Herstellung von bekannten Bremszylindern u. a. auf deren Flanschverschraubungen und Einrollverbindungen zum Verbinden des Bremszylinders mit Gehäuseteilen verwiesen, und es wird dort festgestellt, daß insbesondere bei Federspeicherbremszylindern, die aus Gewichtsgründen geringe Zylinderwandstärken aufwiesen, der Bodenabschnitt des Zylinders verstärkt werden müsse. In der D5, die solche Bremszylinder als bekannt nachweist, sind jedoch keine Angaben zur Herstellung der inkonstanten Wandstärken des Zylinders gemacht, der außerdem an dem dem Zylinderboden entgegengesetzten Ende noch einen angeschweißten Anschlußflansch aufweist.
Nach der Lehre des erteilten Anspruchs 1 wird ein solcher Bremszylinder im Abstreck-Gleitziehverfahren gefertigt.
2.2.2. Im Handbuch der Fertigungstechnik nach D1 ist das Abstreck-Gleitziehen beschrieben und anhand von Bildern und Anwendungsbeispielen erörtert. Aus der Prinzipdarstellung in Bild 14 auf Seite 1061 und der Darstellung von nach diesem Verfahren hergestellten Werkstücken gemäß Bild 251, Seite 994 ist ersichtlich, daß sich durch dieses Verformungsverfahren Zylinder mit gegenüber der Zylinderwand verstärktem Boden und mit einem am offenen Zylinderende angebrachten, umlaufenden Flansch herstellen lassen. Diese Lehre ist dem durchschnittlichen Wissen eines Fertigungsfachmannes zuzurechnen, denn die Druckschrift D1 stellt in der Lehrbuchreihe "Handbuch der Fertigungstechnik" den Band 2/2 für das "Umformen" dar.
Ausgehend von einem Stand der Technik nach der D3 ist die auf den Anspruch 1 des Streitpatents bezogene Aufgabe (vgl. Spalte 1, Zeilen 25 bis 29 des Streitpatents) auf eine kostengünstige Herstellung bei minimalem Gewicht des fertigen Bauteils abgestellt. Diese Aufgabe ist dem allgemein verfolgten Ziel eines Fertigungstechnikers zuzuordnen und vermag demnach für sich keinen Beitrag zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit zu leisten. Es gehört nämlich zu den täglichen Aufgaben eines Fertigungsfachmannes, eine Verbesserung des Herstellungsablaufes sowie der Qualität der Werkstücke zu bewirken, wobei im vorliegenden Falle das Anstreben von geringen Wandstärken bei minimalem Gewicht im Vordergrund steht; vgl. z. B. auch den dünnwandigen Bremszylinder nach der D5.
Hinsichtlich der Lösung dieser Aufgabe bietet sich das bekannte Abstreck-Gleitziehen, wie die genannten Beispiele auf Seite 994, Bild 251 (Teil B3) der D1 zeigen, dem Fachmann speziell dann an, wenn zylinderförmige Werkstücke der in Rede stehenden Gestaltung mit dünner Wandung, verstärkten Boden und einem umlaufenden Flansch hergestellt werden sollen. Eine solche Anwendung eines bekannten, in einem Lehrbuch erörterten Herstellungsverfahren zu seinem bestimmungsgemäßen Zweck liegt im Rahmen der Tätigkeit eines durchschnittlichen Fertigungsfachmannes und kann daher nicht als erfinderisch angesehen werden. Aufgrund der konkurrenzbedingten Notwendigkeit, den Preis für die Fertigung zu verringern und gleichzeitig eine Gewichtsverringerung der Bremszylinder zu erzielen, kann vielmehr einem Fachmann zugemutet werden, ohne erfinderisches Zutun auch solche bekannten Herstellungsverfahren auszuprobieren, die bisher zur Herstellung von Bremszylindern noch nicht benutzt wurden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn wie vorliegend, in einem Lehrbuch bereits Ausführungsbeispiele gezeigt sind, deren Form im Prinzip dem betreffenden Werkstück entspricht.
2.2.3. Ein Vorurteil der Fachwelt gegen die Anwendung des Abstreck-Gleitziehens bei Bremszylindern hat die Beschwerdegegnerin nicht glaubhaft machen können, denn allein die Tatsache, daß bei der Fertigung von Bremszylindern dieses Verfahren noch nicht beschrieben wurde, reicht nicht zum Nachweis eines Vorurteils aus, für dessen Anerkennung enge Grenzen gelten. So läßt sich beispielsweise ein Vorurteil der Fachwelt nicht einmal durch die Meinung einzelner Fachleute oder Firmen begründen (vgl. beispielsweise die unveröffentlichten Beschwerdekammer-Entscheidungen T 0500/88, Punkt 4.1.7 und 4.1.8; T 0062/82, Punkt 5.6 und T 0410/87, Punkt 3.5).
2.2.4. Aus den vorstehenden Gründen ist der Gegenstand des Anspruchs 1 als dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt anzusehen. Dieser Gegenstand beruht mithin nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ und ist daher nicht patentfähig.
3. Hilfsantrag (Ansprüche 1 bis 5, vorgelegt in der mündlichen Verhandlung am 6. August 1998)
3.1. Späte Vorlage des Hilfsantrags
Die erst in der mündlichen Verhandlung erfolgte Vorlage des Anspruchs 1 nach dem Hilfsantrag wurde damit begründet, daß die Beschwerdegegnerin zunächst der Ansicht war, die auf einen Vorbehalt gestützte Begründung der erfinderischen Tätigkeit sei auch schon für den erteilten Anspruch 1 schlüssig, da der Fachmann auch schon bei diesem Anspruch die Fertigung der Verriegelungselemente im Auge gehabt habe, und daß ihr erst im Laufe der mündlichen Verhandlung bewußt geworden sei, daß sich durch die Beschränkung des Anspruchs 1 auf eine mit Verriegelungssegmente versehene Bremszylinder-Ausführungsart eine Verbesserung der Begründungssituation in Hinblick auf das Bestehen eines technischen Vorbehalts ergeben könnte. Im übrigen sei dieser Antrag eine Reaktion auf die verspätete Nennung der Druckschrift D5 durch die Beschwerdeführerin.
3.2. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden, zumal die Kammer ihre Bedenken bezüglich der erfinderischen Tätigkeit beim Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 schon in der Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung zum Ausdruck gebracht und für die Einreichung etwaiger geänderter Unterlagen eine Frist gesetzt hat und die Druckschrift D5 bereits in der Beschwerdebegründung genannt worden ist. In der mündlichen Verhandlung sind im übrigen keine neuen Argumente gegen die erfinderische Tätigkeit vorgebracht worden, die die Beschwerdegegnerin vor eine neue Situation hätten stellen können. Sie hätte somit den Hilfsantrag schon rechtzeitig, d. h. vor Ablauf der in der Anlage zur Ladung genannten Einmonatsfrist vorlegen können. Der Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag ist demnach als verspätet anzusehen.
In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung der Beschwerdekammern werden verspätete vorgelegte Anträge während des Beschwerdeverfahrens nur dann berücksichtigt, wenn hinreichende Aussicht besteht, daß die verspätet vorgelegten Anträge als Basis für die Aufrechterhaltung des Patents geeignet sein können (vgl. T 95/83, ABl. 1985, 75; T 406/86, ABl. 1989, 302, T 153/85, ABl. 1988, 1).
3.3. Hinsichtlich der Frage der Erfolgsaussichten des verspätet vorgelegten Anspruchs 1 (Hilfsantrag) ist folgendes festzustellen:
In diesem Anspruch 1 ist neben den wesentlichen Merkmalen des erteilten Anspruchs als zusätzliches Merkmal noch die Lehre nach dem erteilten Anspruch 5 berücksichtigt. Gegen diesen Anspruch 5 hat die Beschwerdeführerin in ihrem Einspruchsschriftsatz den Einwand der fehlenden Ausführbarkeit (Artikel 83, 100 (b) EPÜ) vorgebracht und hat beanstandet, daß sich durch die Anwendung des Abstreck-Gleitziehverfahrens allein und in einem Arbeitsgang die radial vorstehenden Verriegelungssegmente am Ende des Bremszylinders nicht realisieren ließen.
Es trifft zu, daß in der ursprünglichen Beschreibung und ebenso in der Beschreibung des Streitpatents auf die Herstellung der Verriegelungselemente innerhalb des Abstreckziehvorganges hingewiesen wird, (vergleiche im Streitpatent in Spalte 1, die Zeilen 50 bis 55 "... können während des Abstreck-Gleitziehverfahrens gleichzeitig an der offenen Stirnseite des Gehäuses Segmente ausgebildet werden, welche als Anschlußelemente bzw. Verriegelungssegmente .... dienen" und in Spalte 4, die Zeilen 2 und 3). Es fehlen im Streitpatent jedoch jegliche Hinweise, wie eine solche Ausbildung beim Abstreck-Gleitziehverfahren, d. h. in einem Arbeitsgang, möglich ist. Vielmehr wird in Spalte 4, Zeilen 3 bis 6 ausgeführt, daß zunächst ein ringförmiger Wulst ausgebildet wird und nachfolgend aus dem ringförmigen Wulst unter Abstand zueinander Wandteile heraus gestanzt werden, was auf zwei getrennte, aufeinanderfolgende Arbeitsgänge hindeutet.
Die Beschwerdekammer hat daher ernsthafte Bedenken gegen die Ausführbarkeit der nunmehr im Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag definierten Lehre, zumal auch der D1, die das Fachwissen über das Abstreck-Gleitziehen nachweist, nichts darüber zu entnehmen ist, wie die Abstreckringe abzuändern sind, um den beim Werkstück nach B3 (vgl. Seite 994, Bild 251) vorhandenen, umlaufenden Flansch segmentweise während des Gleitziehens ausstanzen zu können.
3.4. Der verspätete vorgelegte Hilfsantrag ist somit mangels Erfolgsaussicht nicht zu berücksichtigen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.