T 0500/88 () of 12.7.1990

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1990:T050088.19900712
Datum der Entscheidung: 12 Juli 1990
Aktenzeichen: T 0500/88
Anmeldenummer: 82108971.1
IPC-Klasse: B01D 39/00
A62B 17/00
A62B 23/00
B01J 20/32
Verfahrenssprache: DE
Verteilung:
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Flächenfilter und Verfahren zu seiner Herstellung
Name des Anmelders: von Blücher Hubert
Name des Einsprechenden: Helsa Werke Helmut Sandler
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Main request 1. and 2 auxiliary request
Inventive step (no)
3. auxiliary request : Remittal to Opposition Division
Hauptantrag, 1. und 2. Hilfsantrag
Erfinderische Tätigkeit (nein)
3. Hilfsantrag : Zurückverweisung an
Einspruchabteilung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0273/84
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0531/95
T 0210/96
T 0918/96
T 2453/09

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführer sind Inhaber des europäischen Patents 0 090 073 (Anmeldenummer 82 108 971.1).

II. Auf den von der Firma Helsa-Werke Sandler GmbH & Co.KG erhobenen Einspruch hin wurde das Streitpatent von der Einspruchsabteilung widerrufen. Der Widerruf wurde mit mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem sich aus den Dokumenten D2: DE-B-1 619 297 D21: GB-A-2 077 141 ergebenden Stand der Technik begründet.

III. Gegen diese Entscheidung haben die Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt.

IV. Es wurde mündlich verhandelt. Am Ende der Verhandlung haben die Beschwerdeführer beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Form auf folgender Grundlage aufrechtzuerhalten:

- der Ansprüche 1 bis 16 eingereicht am 30. Dezember 1988 mit Schreiben vom 24. Dezember 1988 und der angepaßten Beschreibung eingereicht am am 30. Juni 1990 mit Schreiben vom 29. Juni 1990 (Hauptantrag)

- der Ansprüche 1 bis 10, 12, 13, 15, 16 und der Beschreibung wie Hauptantrag mit Umnumerierung der Ansprüche 12, 13, 15, 16 (1. Hilfsantrag)

- der Ansprüche 1 bis 12 wie Hauptantrag, Anspruch 1 (umnumeriert 13) des Hilfsantrags eingereicht mit Schreiben vom 18. Juni 1990 mit einer noch anzupassenden Beschreibung (2. Hilfsantrag)

- der Ansprüche 1 und 2 mit Schreiben vom 18. Juni eingereicht und der angepaßten Beschreibung mit Schreiben vom 29. Juni 1990 eingereicht (3. Hilfsantrag).

Ferner wurde hilfsweise beantragt, die Sache zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) hat die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.

V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:

"Flächenfilter aus einem luftdurchlässigen textilen Flächengebilde und darauf fixierter Aktivkohle, dadurch gekennzeichnet, daß ein Gemisch aus pulverförmiger Aktivkohle einer Teilchengröße von 0,1 bis 50 µm und 20 bis 200 Gew.-% eine (sic) polymeren Bindemittels, bezogen auf die Aktivkohle, in einem Muster aufgedruckt ist, das eine Höhe von 0,05 bis 1 mm und einen Durchmesser bzw. eine Breite von 0,2 bis 1 mm hat, 20 bis 150 g Aktivkohle/m2 enthält und 20 bis 80 % der Oberfläche des textilen Flächengebildes bedeckt."

Die Ansprüche gemäß 1. Hilfsantrag entsprechen denen gemäß Hauptantrag unter Streichung der Ansprüche 11, 14.

Anspruch 13 gemäß 2. Hilfsantrag sowie Anspruch 1 gemäß 3. Hilfsantrag lauten wie folgt:

"Verfahren zur Herstellung eines Flächenfilters dadurch gekennzeichnet, daß man die Poren einer pulverförmigen Aktivkohle einer Teilchengröße von 0,1 bis 50 µm zunächst mit Wasser belädt, dann mit der wässrigen Dispersion eines polymeren Bindemittels vermischt, die 20 bis 200 Gew.-% Bindemittel, bezogen auf die Aktivkohle, enthält, Druckereihilfsmittel zusetzt und die erhaltene Paste durch Rotationssiebdruck auf ein luftdurchlässiges textiles Flächengebilde in einem punktförmigen Muster aufdruckt, das eine Höhe von 0,05 bis 1 mm und einen Durchmesser von 0,2 bis 1 mm hat, 20 bis 150 g Aktivkohle/m2 enthält und 20 bis 80 % der Oberfläche des textilen Flächengebildes bedeckt und das aufgetragene Muster trocknet und verfestigt."

VI. Während des Beschwerdeverfahrens wurde auf folgende weitere Dokumente hingewiesen:

D1: DE-C-2 951 827 D3: DE-B-1 619 202 D4: DE-U-1 815 215 D22: EP-A-0 004 597 VII. Die Beschwerdeführer trugen im wesentlichen folgendes vor:

1. Zur Herstellung von Schutzbekleidungsmaterial aus einer luftdurchlässigen flexiblen Trägerschicht und darauf fixierter Aktivkohle gäbe es zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents zwei verschiedene Systeme:

(a) luftdurchlässige Trägermaterialien aus Stoff, Nonwovens oder offenporigen Schaum, die mit einer bindemittelhaltigen Beschichtung aus sehr fein vermahlener Aktivkohle überzogen seien, gemäß D2 oder D3

(b) Filter entsprechend D1 und D21, bei denen vorwiegend kugelige, um mehrere Zehnerpotenzen größere Adsorberkörner, mit Sockeln aus erstarrter Haftmasse an dem luftdurchlässigen Trägermaterial befestigt seien.

Die Flächenfilter der Gruppe A hätten den Vorteil einer sehr guten Verteilung der Aktivkohle und damit einer großen für die Schadstoffe zugänglichen Oberfläche, aber den Nachteil, daß große Teile davon mit Bindemittel bedeckt seien.

Das Material der Gruppe B habe den Vorteil der sehr guten Zugänglichkeit der Kugelkohle von fast allen Seiten, aber den Nachteil der schlechten Verteilung der Kohlemenge auf die vergleichsweise großen Körner.

In beiden Systemen würden die Nachteile durch Vorteile kompensiert, so daß jeweils ein brauchbares Produkt vorliege.

2. In Übereinstimmung mit der vorläufigen Meinung der Beschwerdekammer sei D2 als nächstliegender Stand der Technik zu betrachten. Bei dem ganzflächigen Auftrag einer Dispersion von feinpulverförmiger Aktivkohle werde die ursprüngliche Luftdurchlässigkeit des Trägermaterials um ein Drittel reduziert; die Schutzwirkung sei jedoch als ausreichend zu beurteilen (D2, Spalte 6). Die Schutzbekleidungsmaterialien der Gruppe A würden aber in der Beschreibungseinleitung von D21 diskutiert. Sie sollten die Nachteile aufweisen, daß sie zu steif und nur begrenzt waschbar seien, eine unzureichende Luftdurchlässigkeit besäßen und daß die Adsorptionswerte schlecht seien, weil die Aktivkohleteilchen von der Bindemittelmatrix umschlossen seien (Seite 1, Zeilen 15 bis 24 und 81 bis 85). Eine Verbesserung des Flächenfilters gemäß D2, wobei die pulverförmige Aktivkohle enthaltende Dispersion in einem Muster aufgedruckt sei, sei jedoch für den Durchschnittsfachmann nicht naheliegend, sondern nur mit Kenntnis der Erfindung zu erreichen.

3. Zunächst sei die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe viel komplexer als es nach ihrer zusammenfassenden Darstellung in Spalte 1, Zeilen 48 bis 59 des Streitpatents und ihrer Wiedergabe in der angegriffenen Entscheidung den Anschein habe, weil die verschiedenen, teils widersprüchlichen, Anforderungen nicht isoliert voneinander betrachtet werden könnten.

4. Um diesen Anforderungen Rechnung zu tragen, werde gemäß D1 und D21 (Gruppe B) ein Gewebe nicht ganzflächig, sondern in einem Muster durch ein Druckverfahren beschichtet und dann mit granulierter Aktivkohle bestreut, wobei die Poren der relativ großen Aktivkohleteilchen für die zu adsorbierenden Schadstoffe zugänglich bleiben und eine zufriedenstellende Luftdurchlässigkeit erreicht werde. Weil Bindemittel und granulierte Aktivkohle getrennt aufgetragen werden, sei diesen Dokumenten keine Anregung für ein Druckverfahren zu entnehmen, bei dem ein Gemisch aus pulverförmiger Aktivkohle und Bindemittel gedruckt werde.

5. D4 liege noch weiter vom Gegenstand des Patents entfernt, weil darin kein Flächenfilter beschrieben werde, noch handele es sich um dieselbe Problematik. D4 gehe nämlich von einem Stand der Technik aus, bei dem eine Beschichtung keine Luftdurchlässigkeit zeige. Im Gegensatz dazu beschreibe D2 eine Beschichtung, die bereits erhebliche Unterbrechungen aufweise, wie ihre Luftdurchlässigkeit beweise. Für den Fachmann gebe es daher keine Anregung, die Lehre von D4 mit der von D2 zu kombinieren.

6. Ferner müsse bei dem Flächenfilter gemäß D2, um akzeptable Flexibilität zu erreichen, die Kohleauflage niedrig gehalten werden, aus welchem Grund die Filterkapazität beschränkt sei. Bei einer Beschichtung durch ein musterartiges Druckverfahren wäre zu erwarten, daß noch weniger Aktivkohle den giftigen Gasen zugänglich wird, wegen der verhältnismäßig großen Zwischenräume, eine Tatsache, die vom Gegenstand des Patents wegführe. Vielmehr wäre bei einer Kombination der Merkmale von Flächenfiltern gemäß Gruppe A und Gruppe B mit den Nachteilen von beiden zu rechnen.

7. Ferner sei am Prioritätstag des Streitpatents der Kohledruck nicht nur nicht Stand der Technik gewesen, sondern es bestünde vielmehr ein technisches Vorurteil dagegen.

Auf diesem sehr speziellen Fachgebiet mit weltweit nur wenigen Anbietern, die ihre Forschungsergebnisse in Patentanmeldungen, aber nicht in Aufsätzen beschreiben, sei es schwierig, ein technisches Vorurteil des Fachwelt nachzuweisen. Aus diesem Grund müsse man sich auf Fachleute aus einschlägigen Instituten berufen. Die Schreiben von Dr. Medema (Prinz Mauritz Laboratory), Dr. Kerkdyle (VMF Stark NV), Dr. Schoene (Fraunhofer-Institut) und Herr Dürselen (TAG) wiesen auf ein Vorurteil sowohl gegen das Produkt selbst als auch dessen Herstellungsverfahren hin. Insbesondere betrachteten mit dem Problem konfrontierte Fachleute eine mit sperrigen, splitterförmigen Kohleteilchen hochgefüllte Druckpaste aufgrund des zu erwartenden extrem dilatanten Verhaltens als nicht druckfähig. Unter dem Einfluß der hohen Scherkräfte entmische sich die Paste jeweils auch, d. h. die noch zwischen den Kohleteilchen vorhandene Feuchtigkeit, Hilfsmittel und Binderteilchen, die 10 bis 100 mal kleiner seien als die Kohleteilchen, würden herausgequetscht, so daß die sperrigen Kohleteilchen eine Art Beton bildeten.

Ferner sei es überraschend, daß der in D21, Zeilen 81 bis 85 angegebene Nachteil durch den Anteil des polymeren Bindemittels in dem aufgedruckten Absorbermuster so weit begrenzt werden könne, daß ein sehr brauchbares Produkt entstehe. Zu befürchten wäre nämlich, daß das Bindemittel in die Poren der Aktivkohle hineingedrückt würde.

8. Der Hilfsantrag auf Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung sei gerechtfertigt, in Übereinstimmung mit der Entscheidung T 273/84 (ABl. EPA 1986, 346), weil den Patentinhabern eine Instanz verloren gegangen sei. Der Widerruf des Patents von der Einspruchsabteilung sei nämlich auf D21 gestützt; dieses Dokument sei aber erst kurz vor der mündlichen Verhandlung (Einspruchsverfahren) zugestellt worden, so daß aus Zeitmangel dessen Sachverhalt erst in der Verhandlung diskutiert werden konnte. Beweise für das geltend gemachte Vorurteil hätten in der Kürze der Zeit nicht vorgelegt werden können.

VIII. Die Beschwerdegegnerin vertrat im wesentlichen folgende Auffassung:

1. Die seitens der Beschwerdeführer als sehr komplex bezeichnete Aufgabenstellung beinhalte im wesentlichen Bekanntes. Die anzustrebenden Werte für Luftdurchlässigkeit, Filterleistung, Schutzwirkung (Auflage von Aktivkohle), Abriebfestigkeit, geringes Volumen, Biegsamkeit und Waschbarkeit seien nämlich den Entgegenhaltungen zu entnehmen oder für den Fachmann eine Selbstverständlichkeit.

2. Am Prioritätstag des Streitpatents sei es bekannt gewesen, Aktivkohle auf einen Träger unter Anwendung eines Druckverfahrens für ein pastenförmiges Bindemittel aufzubringen, wobei allerdings das Bindemittel und Aktivkohle getrennt aufgebracht werden (D1, D21). Es sei ferner bekannt gewesen, die Adsorberbeschichtung in Form eines innigen Gemisches eines feinen Aktivkohle-Pulvers mit dem Bindemittel aufzubringen (D2, D3). Bei dem Ausführungsbeispiel von D2 sei davon auszugehen, daß die Beschichtung wegen des Inhalts der Beschichtungsmischung sowie der flüssigkeitsabstoßenden Eigenschaften des Grundmaterials nicht als ganzflächig, sondern als in Form von einzelnen Punkten vorliegend zu betrachten sei. Zwar sei mit einer unregelmäßigen Verteilung der Punkte zu rechnen; der Fachmann wisse aber aus D21, daß eine regelmäßige Verteilung einer bindemittelhaltigen Beschichtungsmischung in Form von einzelnen Punkten durch ein Druckverfahren erreicht werden könne.

3. Ferner sei die Offenbarung in D21 nicht auf granulierte Aktivkohle beschränkt, weil dies nur Gegenstand des abhängigen Anspruchs 2 sei und in der Beschreibung als bevorzugt angegeben werde, umfasse daher auch feinere Aktivkohleteilchen, und um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen, brauche der Fachmann im wesentlichen nur diese zusammen mit dem Bindemittel aufzudrucken, statt getrennt davon.

4. Bei dem angeblichen Vorurteil der Fachwelt gegenüber dem Kohledruck handele es sich um die höchstpersönliche Meinung von Fachleuten, mit denen die Beschwerdeführer ständig zusammenarbeiten. Die Vorbringen dieser Fachleute, die als Beweismittel dienen sollten, seien vielmehr als Gefälligkeitsschreiben zu betrachten, aber nicht als unabhängige Stellungnahmen.

5. Dagegen könne dem Fachmann zugemutet werden, die Beschichtungsmasse gemäß D2 gegebenenfalls unter Anwendung von Verdickungsmitteln bzw. Druckereihilfsmitteln so zu ändern, daß sie aufgedruckt werden könne. Hierbei könne er feststellen, bis zu welcher Menge Aktivkohle noch beigefügt werden könne, ohne die Druckbarkeit zu beeinträchtigen, gleichzeitig jedoch hinreichende Adsorptionsleistung zu erreichen. Somit seien für das Herstellungsverfahren keine besonderen Vorkehrungen erforderlich, zumindest keine Vorkehrungen, die über das hinausgehen, was der Druckereifachmann ohnehin tun werde. Ferner sei auf D22 hingewiesen, der die gemeinsame Aufbringung von Bindemittel und Adsorbens beschreibe.

6. Darüber hinaus sei es zu bezweifeln, ob alle durch die Merkmale des Anspruchs 1 umfaßten Flächenfilter die üblichen Prüfungsbedingungen erfüllen würden. Was ferner den Anspruch 1 gemäß 3. Hilfsantrag anbelange, sei zu bemerken, daß das Merkmal, bei dem die Poren der Aktivkohle zunächst mit Wasser beladen würden, nicht einmal Gegenstand eines ursprünglichen Unteranspruchs sei; gegen Artikel 123 (3) EPÜ werde somit verstoßen. Auch die Ansprüche 11, 14 gemäß Hauptantrag seien im Vergleich zu den entsprechenden Ansprüchen 15, 18 des erteilten Patents unzulässig erweitert (Artikel 123 (3) EPÜ).

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, 1. Hilfsantrag und 2. Hilfsantrag ergibt sich aus einer Kombination von Merkmalen der ursprünglich eingereichten sowie erteilten Ansprüche 1 bis 6, 8 und 11. Anspruch 1 gemäß 3. Hilfsantrag ergibt sich aus einer Kombination von erkmalen der ursprünglich eingereichten und erteilten Ansprüche 1 bis 6, 8, 11 und 17 sowie aus der ursprünglich eingereichten Beschreibung Seite 8, Zeilen 26 bis 32. Diese Ansprüche weisen daher keinen Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ auf. Ferner ist in allen Fällen eine Beschränkung des Schutzbereiches zu ersehen, deshalb werden auch den Anforderungen von Artikel 123 (3) entsprochen. Was Anspruch 1 gemäß 3. Hilfsantrag betrifft, sind daher die Ausführungen der Beschwerdegegnerin nicht zutreffend (vgl. auch Abschnitt 4.3 unten).

3. Neuheit Keiner der Entgegenhaltungen ist zu entnehmen, daß ein Gemisch aus pulverförmiger Aktivkohle und einem polymeren Bindemittel in einem Muster aufgedruckt ist. Der Gegenstand des Streitpatents ist somit neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ , was seitens der Beschwerdegegnerin nicht mehr bestritten wird.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Hauptantrag

4.1.1. Nach Auffassung der Kammer stellt D2 den dem Gegenstand des Anspruchs 1 am nächsten kommenden Stand der Technik dar. Dieses Dokument beschreibt nämlich ein Flächenfilter aus einem luftdurchlässigen textilen Flächengebilde und darauf fixierter Aktivkohle, wobei ein Gemisch aus pulverförmiger Aktivkohle einer Teilchengröße von 0,5 bis 50 "m und einem polymeren Bindemittel auf dem Flächengebilde durch Aufspritzen ganzflächig aufgebracht wird. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich davon hauptsächlich dadurch, daß ein Gemisch aus der Aktivkohle und dem polymeren Bindemittel in einem Muster aufgedruckt ist. Die Teilchengröße der Aktivkohleteilchen gemäß Anspruch 1 (0,1 bis 50 µm) ist direkt vergleichbar mit derjenigen gemäß D2, und andere Unterschiede sind, wie nachfolgend dargestellt, von weniger entscheidungserheblicher Bedeutung.

4.1.2. Gemäß D2 führt die ganzflächige Beschichtung zu einer Verminderung der Luftdurchlässigkeit von etwa 45 m/min auf 30 m/min (Spalte 4, Zeilen 10 bis 17), was nicht als eine ernsthafte Verminderung zu betrachten sei (Spalte 3, Zeilen 30 bis 33); auch der Schutz gegen aggressive Gase sei ausreichend (Spalte 8, Tabelle). Die Materialien der Gruppe A (vgl. Abschnitt VII.I oben), zu denen das in D2 beschriebene Material gehört, sind aber in der Beschreibung von D21 etwas schlechter beurteilt. Weil die Aktivkohle in einem Bindemittel dispergiert wird, werden die Adsorptionswerte vermindert (Seite 1, Zeilen 81 bis 85); beim Versuch durch Erhöhung der Menge der Dispersion die Adsorption zu verbessern, wird das Material zu steif und die Luftdurchlässigkeit verschlechtert. Für den Fachmann ist daher das Material gemäß D2 verbesserungsfähig.

Ausgehend von dem Stand der Technik gemäß D2 kann daher die dem Patent zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, die Verminderung der Luftdurchlässigkeit zu minimieren, ohne daß die anderen Erfordernisse eines Flächenfilters in übermäßig ungünstiger Weise beeinträchtigt werden.

4.1.3. Wie die Beschwerdegegnerin geltend gemacht hat, sind diese Erfordernisse gut dokumentiert oder für den Fachmann selbstverständlich. Es kann ihm daher zugemutet werden, bei dem Versuch, die Luftdurchlässigkeit zu verbessern, den anderen Erfordernissen Rechnung zu tragen.

4.1.4. D21 betrifft hauptsächlich die Probleme von Luftdurchlässigkeit und Filterleistung. Gemäß einem ersten Aspekt der im D21 beschriebenen Erfindung ist es bekannt, daß eine hohe Luftdurchlässigkeit dadurch erreicht werden kann, daß auf der Trägerschicht eine diskontinuierliche, Bindemittel enthaltende Schicht aufgedruckt wird, und eine ebenfalls diskontinuierliche Schicht aus teilchenförmigem kohlehaltigem Material, das durch das Bindemittel an die Trägerschicht gebunden ist (Seite 1, Zeilen 52 bis 58, 85 bis 89) aufgebracht wird. Gemäß einem zweiten Aspekt der in D21 beschriebenen Erfindung ist es auch bekannt, eine hohe Gasadsorption dadurch zu erreichen, daß druckbeständige Körner aus kohlehaltigem Material an die Oberfläche der Trägerschicht durch ein Bindemittel gebunden sind, das sich lediglich zwischen den Körnern und der Trägerschicht oder in der Trägerschicht befindet (Seite 2, Zeilen 88 bis 98).

Zwar werden in den Ausführungsbeispielen von D21 die Merkmale von beiden "Aspekten der Erfindung" kombiniert; aus dieser Patentschrift in ihrer Gesamtheit ergibt sich aber, daß diese Aspekte auch getrennt voneinander zu betrachten sind. Der erste Aspekt ist nämlich Gegenstand des Anspruchs 1, erst im abhängigen Anspruch 2 wird angegeben, daß das teilchenförmige Material die Form von Körnern haben kann, deren Oberflächen größtenteils frei von Bindemitteln sind. Der zweite Aspekt ist Gegenstand des nebengeordneten Anspruchs 8, der aber nicht das Merkmal enthält, daß die Adsorptionsschicht diskontinuierlich ist. Diese Überlegungen werden durch die Beschreibung, Seite 1, Zeilen 59 bis 74 hinsichtlich des ersten Aspekts ("such material may be made" usw.) sowie Seite 2, Zeilen 99 bis 106 hinsichtlich des zweiten Aspekts ("It may be applied as a continuous layer" usw.) bestätigt.

Für den Fachmann vermittelt daher D21 die Lehre, daß durch Anwendung des ersten Aspekts der Erfindung das Problem von verminderter Luftdurchlässigkeit gelöst werden kann.

4.1.5. Bei dem Material gemäß D21 taucht aber das Abriebproblem auf (Seite 2, Zeilen 66 bis 68). Wie die Beschwerdegegnerin geltend macht, wird der Abrieb bei feinen Partikeln dadurch verbessert, daß diese nicht so weit wie Körner über die Oberfläche überstehen, somit wenig Angriffsfläche bei mechanischer Beanspruchung bieten. Nach Meinung der Kammer ist das für den Fachmann selbstverständlich; als Bestätigung wird auf D3 hingewiesen, der ein zur Gruppe A gehörendes Material betrifft, wobei die Abriebfestigkeit als zufriedenstellend zu betrachten ist (Spalte 3, Zeilen 31 bis 34). Ferner ist es seitens der Parteien anerkannt, und für den Fachmann auch als bekannt zu betrachten, daß Kugelkohle, wie gemäß dem zweiten Aspekt der in D21 beschriebenen Erfindung verwendet, zehn bis dreißig mal teurer ist als pulverförmige Aktivkohle. Aus diesen vorliegenden Gründen ist es daher für den Fachmann naheliegend, bei dem Versuch, das Schutzbekleidungsmaterial gemäß D2 zu verbessern, mindestens zu untersuchen, ob er bei den dort offenbarten Adsorptionskohleteilchen bleiben kann, unter Anwendung der in D21 offenbarten Maßnahme, wodurch eine zufriedenstellende Luftdurchlässigkeit erreicht wird.

4.1.6. Zwar wird, wie gesagt, in dem Ausführungsbeispiel in D21 das Bindemittel und Adsorbens getrennt aufgebracht; diese Maßnahme ist aber insbesondere mit dem zweiten Aspekt der in D1 beschriebenen Erfindung verbunden. Der Fachmann ist daher nicht durch die Offenbarung in D21 abgehalten, Bindemittel und Adsorbens zusammen aufzubringen, zumal er erkennt, daß im Gegensatz zu den Körnern die pulverförmigen Teilchen nicht zu groß sind, um aufgedruckt zu werden. Wie von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht, kann es dem Fachmann zugemutet werden, die Zusammensetzung der in D2 offenbarten Beschichtungsmasse gegebenenfalls unter Anwendung von Verdickungsmitteln bzw. Druckereihilfsmitteln so zu ändern, daß sie für ein Druckverfahren geeignet ist. Außerdem braucht er keine erfinderische Leistung, sondern lediglich routinemäßige Versuche, um die geeignete Menge des polymeren Bindemittels und der Aktivkohle, die Dimensionen des Musters und die Bedeckung der Oberfläche aufzufinden, so daß auch die restlichen Merkmale des Anspruchs 1 nicht zu einer erfinderischen Tätigkeit beitragen. In jedem Fall sind die in Anspruch 1 angegebenen Bereiche für diese Merkmale ziemlich breit gewählt, wobei mindestens die Menge des Bindemittels und Adsorbers die Offenbarung in D2 (vgl. das Beispiel) umfaßt.

4.1.7. Das von den Beschwerdeführern geltend gemachte Vorurteil gegenüber dem Kohledruck ist nach Auffassung der Kammer nicht als bewiesen zu betrachten. Vielmehr ist der Beschwerdegegnerin zuzustimmen, daß es sich hier um die persönliche Meinung von Fachleuten handelt, mit denen die Beschwerdeführer ständig zusammenarbeiten.

4.1.8. Aber auch wenn der Fachmann Bedenken hinsichtlich der Ausführbarkeit des Kohledrucks hat, ist es von ihm zu erwarten, mindestens Untersuchungen durchzuführen, um zu ermitteln, ob seine Bedenken gerechtfertigt sind oder nicht. Ferner weiß er aus D21, daß das Bindemittel selbst aufgedruckt werden kann, was von D1 und D4 bestätigt wird. Wie die Beschwerdegegnerin geltend macht, kann er durch Versuche feststellen, bis zu welcher Menge Aktivkohle dem Bindemittel noch beigefügt werden kann, ohne die Druckbarkeit zu beeinträchtigen, gleichzeitig jedoch hinreichende Adsorptionsleistung zu erreichen.

4.1.9. Die Argumentation der Beschwerdeführer (vgl. Abschnitt VII. 6 oben), daß ausgehend von D2 der Fachmann vom Gegenstand des Anspruchs 1 abgehalten wurde, weil eine Verminderung der Schutzleistung wegen der adsorbensfreien Zwischenräume zu erwarten wäre, kann seitens der Kammer nicht gefolgt werden. Hier wird der Fachmann auch Untersuchungen durchführen, um festzustellen, wie groß die Wirkung der Zwischenräume ist und ob diese minimiert werden kann. Ferner fällt es in die Kompetenz des Fachmanns zu erkennen, daß eine ungünstige Wirkung der Zwischenräume dadurch kompensiert werden könnte, daß an den Seitenflächen des gedruckten Musters Adsorberteilchen den zu adsorbierenden Gasen zugänglich gemacht worden sind.

4.1.10. Auch der Zeitfaktor spielt hier keine Rolle. Zwar sind Flächenfilter gemäß Gruppe A seit 1970 bekannt (vgl. D2, D3); erst kurz vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents sind aber Fachleute zu dem Gedanken gekommen, eine Adsorptionsschicht mittels einem Druckverfahren aufzubringen.

4.1.11. Somit ergibt sich der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag in naheliegender Weise aus einer Kombination der Lehren von D2 und D21 (Artikel 56 EPÜ). Die Kammer ist zu diesem Schluß gekommen, ohne D22 in Betracht zu ziehen, weil in D22 von Aktivkohleteilchen nicht die Rede ist. Ansprüche 12 und 13, obwohl als unabhängig zu betrachten, sind so mit Anspruch 1 verbunden, daß sie dessen Schicksal teilen müssen. Aus diesen Gründen erübrigt es sich, auf die anderen Einwände der Beschwerdegegnerin gegen den Hauptantrag einzugehen.

4.2. 1. und 2. Hilfsantrag Bei diesen Anträgen bleibt Anspruch 1 gemäß Hauptantrag unverändert. Weil dieser Anspruch nicht gewährbar ist, kann auch dem 1. und 2. Hilfsantrag nicht stattgegeben werden.

4.3. 3. Hilfsantrag Anspruch 1 gemäß diesem Antrag enthält das Merkmal, daß bei dem Verfahren zur Herstellung eines Flächenfilters die Poren einer pulverförmige Aktivkohle zunächst mit Wasser beladen werden, was nicht Gegenstand eines ursprünglichen abhängigen Anspruchs war, sondern Spalte 5, Zeilen 62 bis 64 der Patentschrift sowie der ursprünglichen Beschreibung, Seite 8, Zeilen 28 bis 30 zu entnehmen ist. Der Gegenstand dieses Anspruchs ist aber weder von der Einspruchsabteilung noch von der Prüfungsabteilung geprüft worden, und möglicherweise auch nicht bei dem Erstellen des Recherchenberichts in Betracht gezogen worden. Zwar hat die Beschwerdegegnerin hinsichtlich dieses Anspruchs geltend gemacht, daß pulverförmige Aktivkohle feucht geliefert wird; dies wird aber seitens der Beschwerdeführer bestritten. Unter diesen Umständen hat die Kammer beschlossen, von ihrer Befugnis nach Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch zu machen und die Sache an die Einspruchsabteilung mit der Auflage zurückzuverweisen, zu prüfen und zu entscheiden, ob die Ansprüche gemäß 3. Hilfsantrag den Erfordernissen des EPÜ entsprechen.

5. Dem weiteren Hilfsantrag (vgl. Abschnitt VII.8 oben), die Sache an die Einspruchsabteilung auch hinsichtlich des Hauptantrags zurückzuverweisen, wird aber nicht stattgegeben, weil dies als nicht zweckdienlich zu betrachten ist. In der Einspruchsbegründung wurde argumentiert, die Anwendung des Druckverfahrens gemäß D4 sei naheliegend, wodurch für die Beschwerdeführer bereits die Notwendigkeit entstand, wenn möglich ein Vorurteil gegen Kohledruck zu beweisen. Zwar haben die Patentinhaber in ihrer Erwiderung die Relevanz von D4 bestritten, aber die Bedenken der Einspruchsabteilung hinsichtlich dieser Gegenargumentation sind aus dem der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Bescheid implizit ersichtlich. In diesem Bescheid wurde nämlich eine Kombination von entweder D1 oder D2 mit D4 vorgesehen, so daß die oben erwähnte Notwendigkeit verblieb. Auf jeden Fall erkannten die Beschwerdeführer, daß die Offenbarung in der spät vorgebrachten D21 nicht weit über diejenige in D1 hinausgeht (Punkt III.5 der Beschwerdebegründung). Im Gegensatz dazu wird in dem Fall gemäß der Entscheidung T 273 84 erklärt, daß die Prüfung auf Patentierbarkeit auf neuer Grundlage wieder aufgenommen werden mußte, da die der Erfindung zugrunde liegende technische Aufgabe anhand einer neuen Entgegenhaltung zu ermitteln war, wozu in erster Linie die erste Instanz berufen ist (vgl. Punkt 6 der Entscheidungsgründe).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung mit der Auflage zurückverwiesen, das Einspruchsverfahren auf der Grundlage des dritten Hilfsantrags der Beschwerdeführer fortzusetzen.

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